New Space: Der Wettkampf um die Vorherrschaft im Weltraum im Zeitalter des altersschwachen Kapitalismus

aus Lutte de Classe (Klassenkampf)
November 2024

Der Weltraum als neuer Spielplatz für Milliardäre

Das 2002 gegründete Unternehmen SpaceX ist heute der weltweit größte Akteur, was die Entsendung von Satelliten in den Weltraum betrifft. Der Erfolg von SpaceX wird groß inszeniert, um die Figur des „kapitalistischen Welten-Eroberers“ zu feiern. Überhaupt wird die Tatsache, dass nun private Konzerne in einem Bereich aktiv sind, der bis dahin den Staaten vorbehalten schien, als eine neue Ära dargestellt: die Ära des New Space, die von der Dynamik und Überlegenheit der Privatunternehmen geprägt sei.

Elon Musk wetteifert mit anderen Milliardären wie Jeff Bezos (und dessen Firma Blue Origin) oder Richard Branson (Virgin Galactic) darum, der Menschheit eine kosmische Zukunft anzukündigen, in der man Wochenendtrips in die Erdumlaufbahn unternehmen und Kolonien auf dem Mond oder sogar auf dem Mars gründen werde.

Dieser Weltraumrausch zu einem Zeitpunkt, an dem selbst in den reichsten Ländern eine zunehmende Zahl an Arbeitenden keine ausreichende medizinische Versorgung mehr bekommt, keine Wohnung findet oder sich auch nur angemessen ernähren kann, ist allein schon ein Grund zur Empörung. Aber mal abgesehen von der gesellschaftlichen und klimatechnischen Absurdität dieses Weltraumtourismus für eine Handvoll Reicher: Ist die New-Space-Saga denn wirklich ein Beweis dafür, dass eine Industrie effizienter funktioniert, wenn sie von den Gesetzen des Marktes beherrscht wird? Nein. Denn das hieße, die entscheidende Rolle der Staaten bei der Entstehung und Aufrechterhaltung dieser „privaten“ Raumfahrtindustrie zu verschweigen.

Raumfahrtindustrie, Militär und Kapitalisten

Die Raumfahrtindustrie ist ein Produkt des Krieges. Im nationalsozialistischen Deutschland wurden erstmals Raketen entwickelt, die einen Feind aus großer Entfernung treffen können. Diese Raketen, die V2, lieferten nach 1945 die Grundlage für die Raketenprogramme der USA und Russlands. Die US-Armee schleuste Wernher von Braun – den Nazi-Ingenieur, der die Entwicklung und Herstellung der V2 mit Zwangsarbeitern im Konzentrationslager Dora geleitet hatte – aus Deutschland heraus. Weit davon entfernt, ihn zur Rechenschaft zu ziehen, wurde er im Gegenteil mit der Entwicklung des US-Atomraketenprogramms beauftragt. Die Rote Armee hingegen, die als erste am Ort der V2-Fertigung eintraf, barg Raketen. Und die UdSSR entwickelte auf der Grundlage dieser Raketen ihr Raketenprogramm, um der atomaren Bedrohung durch die USA zu begegnen. Durch die Weiterentwicklung einer dieser ballistischen Interkontinentalraketen, der R-7-Semiorka-Rakete, gelang es der UdSSR 1957 unter der Leitung des Ingenieurs Sergej Korolew, den ersten künstlichen Satelliten, Sputnik 1, in die Umlaufbahn zu schießen und vier Jahre später mit Juri Gagarin den ersten Kosmonauten. Die Gruppe der russischen Sojus-Raumfahrtraketen stammen von dieser Rakete ab.

Die spektakulären Erfolge des sowjetischen Staates zeigten der Welt, was die Planwirtschaft eines Landes erreichen konnte, das viel ärmer war als die USA. Als Antwort darauf gründete die amerikanische Führung die NASA, wobei sie sich unter anderem auf Wernher von Braun stützte. Und nach dem Flug Gagarins ins All startete Kennedy das Apollo-Programm. So wie er es im Krieg gemacht hatte, nahm der US-amerikanische Staat die Leitung des Unternehmens in die Hand, mit einem umfassenden Plan, bei dem es um die Entsendung von Menschen auf den Mond im Juli 1969 ging.

Er tat dies als Staat der Bourgeoisie, d. h. er handelte im Sinne der kurz- und langfristigen Interessen der Großaktionäre der Branche, wie denen von Boeing. Die NASA spielte im Apollo-Programm als staatliche Behörde eine grundlegende industrielle Rolle. Sie sorgte für die Konzeption der Trägerraketen und Raumfahrtsysteme. Die Privatindustrie arbeitete als Subunternehmer. Deren Entwicklungen fanden unter engmaschiger Kontrolle der NASA statt. Eben diese zentralisierte, staatliche Organisation und nicht die Kräfte des Marktes ermöglichten es, innerhalb weniger Jahre eine Raumfahrtindustrie aufzubauen, die in der Lage war, die UdSSR einzuholen und später Menschen auf den Mond zu schicken: Hunderttausende Arbeiter arbeiteten dabei nach einem Plan, der von einer einzigen Leitung koordiniert wurde.

Schon damals war diese, mit Milliarden Dollar an öffentlichen Geldern finanzierte Unternehmung auch eine beträchtliche Einnahmequelle für die Privatindustrie. Die Kriegsanstrengungen der Jahre 1942-1945 und der nachfolgende Kalte Krieg führten zur Bildung des „militärisch-industriellen Komplexes“, eines Netzwerks großer Konzerne, die über tausend Fäden mit den höchsten Kreisen der US-Armee verbunden waren. Diese Konzerne stellten die Saturn-V-Rakete her, die die Astronauten auf den Mond brachte. Sie stellten die Delta- und Atlas-Raketen her, kaum veränderte ballistische Raketen, die bis zur Entstehung von SpaceX den Großteil der zivilen und militärischen Satelliten der USA ins All schickten. Es war übrigens das Verteidigungsministerium, das diese Branche in den 1990er Jahren neu organisierte und die Unternehmen zu fünf Industriegiganten verschmolz: den Big Five (Lockheed Martin, Boeing, Northrop Grumman, Raytheon und General Dynamics), die jedes Jahr 200 Milliarden US-Dollar an öffentlichen Aufträgen unter sich aufteilen. Sie sind die Hauptnutznießer des Weltraumbudgets.

Die Entwicklung der privaten Raumfahrtindustrie: eine Entscheidung der US-Regierung

Nachdem die symbolische Schlacht um den Mond gegen den sowjetischen Feind gewonnen war, verlor die amerikanische Bourgeoisie das Interesse an der Raumfahrt. Die Wissenschaftler und Ingenieure der NASA mussten ihre Pläne zur Erschließung des Mondes einpacken, da sie Opfer von Budgetkürzungen wurden. Gleichzeitig wollten die Big Five aber nicht auf die profitablen Aufträge verzichten, die ihnen die NASA verschaffte. Sie drohten mit der massiven Vernichtung von Arbeitsplätzen. Sie stützten sich dabei auf die Kongressabgeordneten der Regionen, in denen ihre Industrien angesiedelt sind und auf das Prestige der Astronauten. Ihr Druck führte zu oft abstrusen Entscheidungen in den NASA-Programmen, die Apollo folgten. Das Space-Shuttle-Programm wurde zu einem guten Teil beschlossen, um ihnen Aufträge zu verschaffen. Dieses Raumtransportsystem war innovativ, aber teuer und anfällig, da es die Entsendung von Satelliten auf ein von Astronauten gesteuertes Fahrzeug stützte. Zwei Katastrophen, die Explosion der Raumfähre Challenger im Jahr 1986 und der Verlust der Columbia im Jahr 2003, führten zur Einstellung des Programms. Und viele andere Programme, die mit Milliarden an öffentlichen Geldern finanziert wurden, wurden nie in die Tat umgesetzt.

Diese monopolitische Branche war es gewohnt, dass sie sich an den Aufträgen bereichern konnte, die ja unter das Militärgeheimnis fallen. Ihre Gier führte dazu, dass der amerikanische Raumfahrtsektor Anfang des 21. Jahrhunderts vollständig verknöchert war – eine selbst aus kapitalistischer Sicht absurde Situation. Die Hauptaufgabe des Raumfahrtprogramms bestand nur noch darin, den Big Five eine riesige Jahresrente zu bescheren. Die europäische Ariane-Rakete eroberte Marktanteile. Und die größte Demütigung bestand darin, dass in den 2010er Jahren russische Sojus-Raketen eingesetzt werden mussten, um US-amerikanische Astronauten zur Internationalen Raumstation zu bringen. Diese Situation war der Grund dafür, dass die US-Regierung schrittweise neue Akteure ins Spiel der Raumfahrt brachte.

Nach dem Columbia-Unglück finanzierte die US-Regierung ein Programm zur Entwicklung privater Trägerraketen, die die Internationale Raumstation versorgen und das Space Shuttle ersetzen sollten. Der Transport von Astronauten selber blieb danach noch einige Zeit lang die Domäne der NASA und ihrer traditionellen Zulieferer. Aber die ständigen Verzögerungen und systematischen Kostenüberschreitungen veranlassten die Obama-Regierung 2010, auch diesen Bereich für den Wettbewerb zu öffnen. Es wurden Ausschreibungen für Unternehmen durchgeführt, die die Verantwortung für die gesamte Entwicklung von Trägerraketen übernehmen konnten, in der Hoffnung, dadurch die Kosten für den Zugang zum Weltraum zu senken und eine US-Industrie aufzubauen, die auf dem Weltmarkt für Raketenstarts mit der Konkurrenz aus Europa und sogar aus Indien oder Japan mithalten kann. Letztlich haben also Entscheidungen des US-amerikanischen Staates New Space begründet.

Der Aufstieg von SpaceX

Der Staat will aus militärischen Gründen den Raketenstart nicht vollständig in die Hände privater Interessen legen. Dennoch passierte in den 2010er Jahren in der Raumfahrt das, was 30 Jahre zuvor zum Aufstieg der Tech-Konzerne im Silicon Valley geführt hatte. Der amerikanische Staat und insbesondere das Militär hatten alle großen Investitionen getätigt, die Halbleiter entwickelt und den geschützten Markt bereitgestellt. Dadurch wurden die Kosten so weit gesenkt, dass man nun aus dem Verkauf von PCs und Software, später des Internets und der Smartphones immense Gewinne ziehen konnte. Zu diesem Zeitpunkt übergab man daher diese Geschäftszweige an die Privatwirtschaft. Ähnlich bei der Raumfahrt: SpaceX und andere entwickelten ihre Raketen mit der aktiven Hilfe des US-amerikanischen Staates. Dieser unterstützte sie mit lukrativen Aufträgen, stellte ihnen Startplätze bereit, versorgte sie mit dem Fachwissen der NASA und beseitigte rechtliche Hindernisse, die sich als Bremsklötze hätten erweisen können. SpaceX und Co. stellten zur Entwicklung ihrer Raketen außerdem tausende erfahrene Ingenieure ein, die bei der NASA oder bei ihren Konkurrenten, den Big Five, ausgebildet worden waren.

Diese Raumfahrttechniker haben es geschafft, ein funktionierendes, komplexes Verfahren zu entwickeln: Sie sind in der Lage, die unterste Raketenstufe unbeschadet wieder landen zu lassen, damit sie wiederverwendet werden kann. SpaceX hat dadurch die Kosten für den Raketenstart stark gesenkt, zusammen mit anderen Maßnahmen zur Kostensenkungen: der Massenproduktion von Raketen, dem Einsatz neuester Technologien sowie den ständigen Druck auf die 13.000 Beschäftigten wie auch auf die Zulieferer. Elon Musk setzt eine persönliche Diktatur durch und hat es bislang geschafft, jede gewerkschaftliche Präsenz zu verhindern. Indem er die Entwicklung im Eiltempo vorantrieb und dabei gewisse Risiken in Kauf nahm, konnte er seine Konkurrenten abhängen. SpaceX startet heute im Durchschnitt alle drei Tage eine Rakete. Das macht fast die Hälfte aller Raketenstarts weltweit aus. Das Hauptgeschäft von SpaceX besteht darin, Tausende kleine Satelliten in eine niedrige Umlaufbahn zu schicken, die für die Bereitstellung von Internet via Satellit genutzt und unter dem Namen Starlink vermarktet werden. Dies ist ein neuer, wachsender Markt – allerdings um den Preis, dass diese Umlaufbahnen immer voller werden. Es besteht das Risiko reihenweiser unkontrollierbarer Kollisionen, die die Satelliten langfristig unbrauchbar machen und sogar den Zugang zum Weltraum für Jahrhunderte gefährlicher machen könnten. Aber das Geschäft bringt Gewinne. Und den Weltraum ohne Rücksicht auf den Rest der Menschheit zu verschmutzen, um uns dann vielleicht ineffiziente und teure Techniken zur Beseitigung der Verschmutzung zu verkaufen – diese Logik, die wir auf der Erde gut kennen, ist auch im Weltall am Werk.

All dies ermöglicht es SpaceX heute, Raumfähren zu liefern, die wahrscheinlich zuverlässiger und billiger sind als die von Boeing. Aber letztlich ist die von Elon Musk vollbrachte Leistung sehr gering. Ihm gelingt das, was die Sowjets schon vor fünfzig Jahren routinemäßig taten, ohne dazu das Privateigentum an den Produktionsmitteln oder größenwahnsinnige Milliardäre zu benötigen: nämlich Satelliten in die Erdumlaufbahn schicken. Diese Entwicklung ist vor allem ein Ausdruck für den parasitären Charakter des Großkapitals, das es sich im Herzen des US-amerikanischen Staates gemütlich gemacht hat. Dieser Staat versorgt Boeing seit fünfzig Jahren mit unerschöpflichen Märkten für Militär- und Raumfahrttechnik (die für Boeing gut ein Drittel des Umsatzes ausmachen), ohne das Boeing dafür eine Gegenleistung erbringen muss. Und der Staat lässt zu, dass Boeing nach und nach seine qualifiziertesten Ingenieure und Arbeiter durch Manager ersetzt, die den Auftrag haben, die Kosten zu senken.

Doch die Konkurrenz von SpaceX wird den Kapitalismus nicht besser machen. Denn in beiden Fällen bleibt das Ziel die Anhäufung von Kapital. Ob nun die Aktionäre von Boeing oder Elon Musk entscheiden, das Problem bleibt dasselbe: Die Entwicklung von Industrien, die die gesamte Menschheit betreffen und die unverzichtbar sind, um im Rahmen eines koordinierten, weltweiten Plans die Befriedigung der Bedürfnisse der Menschheit, die weltweite Kommunikation und Beobachtung des Planeten zu ermöglich – die Entwicklung dieser Industrien wird allein dem anarchischen Gesetz des Profits überlassen.

Auf dem Weg zu Mond und Mars?

Die Geldmittel, die Musk in die Entwicklung dieser Industrie gesteckt hat, stammen nicht aus seinem Privatvermögen. Staatliche Aufträge haben die Geldpumpe in Gang gesetzt. Danach wurde sie von spekulativem Kapital angetrieben, das nach profitablen Investitionen suchte. SpaceX ist nicht an der Börse notiert und daher nicht verpflichtet, seine Ergebnisse zu veröffentlichen. Es ist nicht möglich, festzustellen, ob das Unternehmen tatsächlich Gewinne erwirtschaftet. Aber der Anstieg seiner Aktienkurse reicht aus, um Kapital anzuziehen – unabhängig davon, wie hoch die späteren Erfolgsaussichten des Projekts sind. Im Geschäftsmodell von SpaceX, wie auch von New Space im Allgemeinen, spielt die Spekulation also eine wichtige Rolle.

Das erklärt, warum Musk und die anderen Milliardäre in der Branche ständig um die Aufmerksamkeit der Medien bemüht sind. In dieser Hinsicht ist Musk seinen Konkurrenten Bezos oder Branson einen Schritt voraus: durch seine frenetische Aktivität, seine Übernahme von Twitter im Jahr 2022 und seine offen zur Schau gestellten Verbindungen zu Trump und der extremen Rechten. Letztens hat Elon Musk verkündet, dass er das Ziel habe, auf dem Mars Kolonien mit Millionen Menschen zu errichten, um die Menschheit zu retten. Was schert es ihn, dass alle Experten die enormen Schwierigkeiten deutlich machen, die bei der heutigen Technologie überwunden werden müssen, um auch nur ein paar Astronauten auf den Boden dieses Planeten zu schicken? Entscheidend ist, dass die Spekulanten weiterhin davon überzeugt sind, dass Investitionen in New Space nach wie vor das beste Geschäft unserer Zeit sind.

Ob Astronauten zum Mond oder sogar zum Mars geschickt werden, hängt in Wirklichkeit von den Entscheidungen des US-amerikanischen und des chinesischen Staates ab. Elon Musk, auch wenn er Multimilliardär ist, kann aus eigener Tasche keine dauerhaften Lebensräume auf dem Mond oder die Entsendung einiger Astronauten zum Mars finanzieren. Und er könnte das immense Kapital dafür auch nicht zusammentragen, ohne den Investoren zumindest langfristig eine entsprechende Rendite zu garantieren. Ein solches Projekt wäre also nur möglich durch die immense Investition... öffentlicher Gelder.

Wird es dazu kommen? Auf US-amerikanischer Seite hat es seit dem Ende des Apollo-Programms nicht an Projekten für weitere Mond-Missionen gefehlt. Doch lange Zeit war der einzige Zweck dieser Programme, den Big Five neue Aufträge zu verschaffen. Diese Unternehmen waren nicht am internationalen Raketenmarkt interessiert, da der vom US-amerikanischen Staat geschützte, monopolistische Militär- und Raumfahrtmarkt für sie interessanter war. Als Ausgleich für die Entscheidung der NASA, Aufträge an die New-Space-Milliardäre auszulagern, erhielten die Big Five 2011 von der NASA den Auftrag zum Bau des Space Launch System (SLS), einer gigantischen Rakete, die US-amerikanische Astronauten zum Mond bringen sollte. Das Projekt wurde immer wieder verzögert und sein Budget überzogen. Doch heute hat sich die Situation verändert, und zwar... durch die Konkurrenz des chinesischen Staates, der ein ehrgeiziges Raumfahrtprogramm entwickelt, das unter anderem Astronauten noch vor Ende des Jahrzehnts auf den Mond bringen soll.

Diese Bedrohung hat Trump 2019 dazu veranlasst, eine Beschleunigung des Mondprogramms anzukündigen. Allerdings hat er kein mit Apollo vergleichbares Programm beschlossen, das von einer zentralisierten Verwaltung geleitet wurde, die logische Entscheidungen im Interesse des gemeinsamen Ziels treffen und durchsetzen konnte. Um die Interessen der verschiedenen konkurrierenden Akteure zu schonen, hat sich die NASA Artemis ausgedacht, eine einzige Nebelkerze: Die SLS-Rakete der Big Five soll nur dafür sorgen, dass die Astronauten in die Mondumlaufbahn geschickt werden, um sie zu einer von SpaceX gebauten Raumstation zu bringen, von wo SpaceX die Landung der Astronauten auf dem Mond und ihre Rückkehr zu der Basis übernehmen soll. Zu diesem Zweck finanziert die NASA die Entwicklung der riesigen Starship-Raketen durch SpaceX, deren spektakuläre Explosionen auf dem Stützpunkt Boca Chica in Texas in den letzten fünf Jahren immer wieder für Schlagzeilen gesorgt haben. Die Raketen werden wahrscheinlich irgendwann funktionieren, aber bis jetzt ist das System für die Landung einiger Astronauten noch nicht ausgereift. Die 100 Milliarden Dollar an öffentlichen Geldern, die für das Artemis-Programm ausgegeben wurden, werden bestenfalls dazu dienen, wieder ein paar Amerikaner auf den Mond zu schicken und wieder zurückzubringen.

Viele andere Entscheidungen wären möglich gewesen, um dieses Geld sinnvoller auszugeben, auch im Raumfahrtsektor. Seit den 1970er Jahren haben uns Robotersonden geholfen, die verschiedenen Planeten unseres Sonnensystems besser kennenzulernen, Weltraumteleskope haben neue Fenster zum Universum eröffnet und unsere astronomischen Kenntnisse erweitert. Aber das Budget für diese Art von Missionen, die echte wissenschaftliche Fortschritte ermöglichen, sind immer noch sehr begrenzt, vor allem wenn man abzieht, wie viel davon durch überhöhte Rechnungen ohne Gegenwert in den Taschen des militärisch-industriellen Komplex verschwindet.

Privatisierung des Kosmos und Spekulation

Da der Kapitalismus ist, was er ist, zieht der Wettstreit um eine erneute Mondlandung und das Ausmaß, das das New-Space-Geschäft angenommen hat, im Gefolge eine Welle von Spekulationen über die Entwicklung einer kosmischen Bergbauindustrie nach sich. Man spricht von den Mengen an Edelmetallen, Seltenen Erden und anderen hochwertigen Mineralien, die auf dem Mond oder auf Asteroiden abgebaut werden könnten. Niemand weiß, ob und wann solche Projekte irgendwie profitabel werden könnten – angesichts der gigantischen Kosten, um solch eine Industrie zu entwickeln. Doch da die Rolle der kapitalistischen Staaten darin besteht, die Kapitalisten zu unterstützen, erschien es dringend geboten, bereits jetzt ein Hindernis aus dem Weg zu räumen.

Eigentlich gelten nämlich internationale Verträge, die die Aneignung von Gebieten im Weltraum durch Staaten oder Privatpersonen verbieten.

Mehrere Länder setzten Juristen darauf an, um Argumentationen zu erfinden, mit denen man diese Verträge umgehen könnte. Als Ergebnis davon unterzeichnete US-Präsident Obama 2015 den Space Act, der vorsieht, dass „ein US-Bürger, der an der kommerziellen Nutzung einer Weltraumressource beteiligt ist, das Recht hat, die gewonnene Ressource zu besitzen, zu transportieren, zu nutzen und zu verkaufen“. Wenige Monate später wurde Luxemburg das erste europäische Land, das ebenfalls eine Gesetzgebung dieser Art verabschiedete. Das mag angesichts des spekulativen Charakters des Ganzen lächerlich und folgenlos erscheinen. Aber auf diese Weise wird das kleine Luxemburg heute zu einer „aufstrebenden Weltraummacht mit einem Geschäftsmodell, das schon heute sichere Gewinne verspricht – ohne dass auch nur eine einzige Rakete gestartet wäre und obwohl die Gesamtmenge an Gestein, die von Weltraummissionen zurückgebracht wird, heute weniger als 400 kg für den Mond und etwa 100 Gramm für Asteroiden beträgt!

Die Raumfahrt im Dienste des Imperialismus und der Kriegsentwicklung

Die mediale Aufregung um New Space vermittelt jedoch eine verzerrte Sicht auf die wichtigsten Herausforderungen, die den Raumfahrtsektor heute bewegen. Es handelt sich nämlich durchaus um eine lebenswichtige strategische Branche, deren zivile Aspekte nur die Spitze des Eisbergs sind. Das militärische Weltraumbudget der USA unterliegt dem Militärgeheimnis und wird durch eine Reihe von Behörden finanziert, die weniger bekannt sind als die NASA. Es wird auf 40 Milliarden US-Dollar jährlich geschätzt, während das zivile Weltraumbudget 30 Milliarden US-Dollar beträgt. Die USA geben damit für die Raumfahrt so viel aus wie alle anderen Länder für die zivile und militärische Raumfahrt zusammen.

Die Entwicklung einer privaten Raumfahrtindustrie ist ein strategischer Vorteil für die US-Generäle. Sie bleibt unter der Kontrolle ihres Staates. Private Raketen werden als Waffen eingestuft, das Pentagon versorgt insbesondere SpaceX mit Großaufträgen für Satellitenstarts, und bei Bedarf kann die US-Luftfahrtbehörde beschließen, jede private Rakete am Boden festzunageln. Der Krieg in der Ukraine zeigt, wie wichtig der Weltraumsektor für die Weltherrschaft geworden ist, für die Beobachtung von Schlachtfeldern, die militärische Kommunikation, die GPS-Steuerung von Drohnen und Raketen. Wie der Luftraum muss auch er kontrolliert werden. Unter diesem Gesichtspunkt sind die von SpaceX wie auch von den Tech-Konzernen entwickelten Technologien, insbesondere die der künstlichen Intelligenz, für die US-Armee unverzichtbar. Sie wurden in den letzten Jahren immer stärker in den militärisch-industriellen Komplex integriert. Die Milliardäre in diesen Branchen sind vom Pentagon abhängig und arbeiten eng mit ihm zusammen. Ihre „libertäre“ Rhetorik, die sich gegen staatliche Eingriffe richtet, ist nur Show und dient einzig der antikommunistischen Propaganda, die an den Kalten Krieges erinnert.

So hat Elon Musk der Ukraine die Bereitstellung von Satelliten-Internet über Starlink verkauft, das eine wichtige Rolle für die ukrainischen Streitkräfte spielt. Denn es verschafft ihnen einen direkten Zugang zu einem Netz, das russische Angriffe nicht abschalten können. Musk verhinderte aber auch aggressive Aktionen der ukrainischen Armee gegen bestimmte russische Einrichtungen, indem er ihr in den betroffenen Gebieten den Zugang zu Starlink versperrte. Die Presse sah darin ein Zeichen für die Macht, die der Milliardär in Bereichen erlangt hat, die bislang Staaten vorbehalten waren. Doch es erscheint unwahrscheinlich, dass Musk dies ohne Zustimmung oder gar Befehl des Pentagons hätte tun können. In gewisser Weise sind sowohl Starlink als auch SpaceX ein verlängerter Arm des US-amerikanischen Staates, der sich, wenn es ihm gerade passt, hinter ihrem privaten Charakter verschanzen kann. Natürlich sind Musks Interessen nicht unbedingt mit denen des US-amerikanischen Staates identisch, da er Verbindungen zu Russland und China hat, wo er viele Autos seiner Firma Tesla verkauft. Aber darin unterscheidet er sich nicht von anderen US-amerikanischen Kapitalisten, für die es ebenfalls lebenswichtig ist, weiterhin in China zu produzieren und zu verkaufen, trotz der wachsenden Bereitschaft des US-Imperialismus, China anzugreifen.

Die derzeitige Kriegsspirale heizt die Konflikte um den Weltraum an. Dessen Beherrschung wird – wie seit Jahrhunderten die der Weltmeere – für die Großmächte zu einem lebenswichtigen Thema. Vorerst werden die internationalen Verträge, die die Ausrüstung von Weltraumsystemen mit Offensivwaffen verbieten, anscheinend eingehalten, wenn man den Experten Glauben schenken kann. Diese relativieren auch den Nutzen solcher Offensivwaffen im Vergleich zu anderen Mitteln wie Störmaßnahmen oder Cyberangriffen. Aber der Krieg um die Kontrolle des Weltraums wird vorbereitet, wie Trumps 2019 geplante Gründung einer Space Force innerhalb der US-Armee zeigt. Der US-Imperialismus spielt sich als Gendarm des Universums auf, dessen Anliegen – wie im Fall der Weltmeere angeblich darin besteht, „die freie Schifffahrt durchzusetzen“ und den Zugang zum Weltraum für Alle zu gewährleisten. Dieser Vorwand können sie als Rechtfertigung für alle künftigen Interventionen der US-Armee verwenden, einschließlich der Aneignung von Parzellen des begehrten Bodens nahe dem Südpol des Mondes im Namen der Notwendigkeit... die Sicherheit von Investitionen zu schützen. Was Frankreich und Europa betrifft, so eifern sie ihrem amerikanischen Mentor und Konkurrenten nach. Konzerne wie Airbus oder ArianeGroup versuchen, ihren Platz im Raumfahrtsektor zu behaupten. Andere, wie Thales oder Safran, sind ebenfalls Nutznießer von Zulieferverträgen für US-amerikanische Raumfahrtprogramme.

Die Menschheit ist Trägerin einer anderen kosmischen Zukunft

Wir finden also alle Widersprüche des Kapitalismus im Raumfahrtsektor wieder, mit dem Einsatz modernster Technologien für den Krieg und der schockierenden Verschwendung wertvoller Ressourcen für zivile oder militärische Zwecke, bei denen die Weltbevölkerung kein Mitspracherecht hat.

Die Bedürfnisse der Menschheit sind immens, und die zahlreichen Umweltkrisen nehmen heute Ausmaße an, die ihre Existenz bedrohen können. Schon heute könnte man die von Satelliten gesammelten Daten nutzen, um eine weltweite Verwaltung der Ressourcen der Erde zu organisieren und gemeinsam rationale Entscheidungen zu treffen, um die heutige Menschheit zu ernähren, ihr ein würdiges Leben zu sichern und gleichzeitig ihre Zukunft zu schützen und zu bewahren. Aber dafür müssen wir mit diesem Irrweg Schluss machen, der es einigen Milliardären ermöglicht, über den Einsatz der fortschrittlichsten Technologien und die gemeinschaftliche Arbeit von Hunderttausenden Beschäftigten – Wissenschaftlern, Ingenieuren, Arbeitern und Technikern – allein nach ihren Interessen und den Schwankungen des Marktes und der Finanzspekulation zu entscheiden.

In einer Gesellschaft ohne Grenzen und ohne Ausbeutung wird die Frage, ob Astronauten zum Mars geschickt werden sollen oder ob man in die Nähe des Saturn segeln soll, sicherlich Gegenstand zahlreicher Debatten sein, die weitaus reicher sind als heute. Und es wird sicherlich weder an Mitteln noch an Freiwilligen für solche Forschungsreisen fehlen. „Die Erde ist die Wiege der Menschheit, aber man verbringt sein Leben nicht in einer Wiege“. Dieser Ausspruch wird Konstantin Ziolkowski zugeschrieben, dem russischen Wissenschaftler und Utopisten, der vor über 100 Jahren den Grundstein für die Raumfahrt gelegt hat. Umso besser, wenn die Erforschung des Universums und die bemannte Raumfahrt neue Generationen mehr faszinieren und motivieren als die Yachten der Milliardäre. Doch um der Menschheit eine Zukunft zu bieten, müssen sie erst die dringende Frage lösen, wie die Gesellschaft auf kommunistischer Grundlage neu organisiert werden kann.

4. September 2024