Die Verschärfung der Krise der kapitalistischen Wirtschaft (aus Lutte de Classe - Klassenkampf - von Dezember 2020)

Die Verschärfung der Krise der kapitalistischen Wirtschaft (Dezember 2020)
Dezember 2020

Dieser Text wurde vom Lutte Ouvrière-Parteitag von Dezember 2020 verabschiedet.

1. Die Krise der kapitalistischen Wirtschaft hat sich dieses Jahr massiv verschärft. Die Coronavirus-Pandemie war dabei ein verstärkender Faktor, aber nicht die Hauptursache. Die zeitliche Übereinstimmung und das Zusammenspiel zwischen der Wirtschaftskrise und der Gesundheitskrise haben jedoch zahlreichen Ökonomen der Bourgeoisie die Möglichkeit gegeben, die Wirklichkeit zwischen dem zu verwischen, was der Zwangspause der Wirtschaft geschuldet ist und dem, was mit der Funktionsweise des Kapitalismus in der Krise zusammenhängt.

2. Die Besonderheiten dieser Verschärfung der wirtschaftlichen Situation finden jedoch im Rahmen einer gesamten Entwicklung der kapitalistischen Weltwirtschaft innerhalb einer Jahrhundertkrise statt. Deren Anfänge zeigten sich in der Krise 1971 und dem sich anschließenden Zusammenbruch des internationalen Währungssystems von Bretten Woods, den brutalen Produktionseinbrüchen in den frühen 1970er-Jahren und dem ersten Ölpreisschock 1973.

3. Dieser Zeitraum eines halben Jahrhunderts war durch eine Abfolge von Erschütterungen gekennzeichnet. Diese fanden hauptsächlich im Finanzsektor statt und ihnen folgte häufig ein Aufschwung. Abgesehen von diesen Schwankungen, ist die kapitalistische Wirtschaft von einer Stagnierung, ja dem Rückgang von produktiven Investitionen geprägt, die überall zu einer Massenarbeitslosigkeit geführt hat. Weder die wirtschaftlichen Aufschwünge noch die Rezessionen haben die Konzentrationsbewegung der Besitztümer in einer immer geringeren Zahl von Händen gestoppt.

4. In der Zeit des Imperialismus findet die Kapitalakkumulation auf internationaler Ebene in Form von Finanzkapital statt. Gleichzeitig verliert die Form des Industriekapitals – also Fabriken, Rohstoffgewinnung aus Bergwerken, Transportmittel – zugunsten von Finanzoperationen an Bedeutung. Das Großbürgertum, das die großen multinationalen Konzerne besitzt, verfügt permanent über einen enormen Geldüberschuss. Mangels Investitionsmöglichkeiten in die Produktion, die sie für ausreichend rentabel halten, ersetzen sie diese Investitionen durch Finanzgeschäfte. Dies führt zu einer wachsenden Finanzialisierung der Weltwirtschaft. Dies hat wiederum zahlreiche Folgen für die Weltwirtschaft und ebenfalls für die Führung jedes einzelnen Unternehmens.

5. Die Produktion von Mehrwert, seine Realisierung durch den Verkauf auf dem Markt und seine Kapitalisierung bilden jedoch die Grundlage für die Vermehrung und die Akkumulation von Kapital. Dieser Prozess führt dazu, dass mit jedem Mal, wenn von neuem einen Produktionszyklus beginnt, Geld in Kapital verwandelt wird und damit in eine gesellschaftliche Kraft, die ohne Unterbrechung die kapitalistischen Verhältnisse reproduziert.

Die Vorherrschaft der Finanzinteressen gegenüber den Produktionsinteressen verändert den weltweiten Mehrwert nicht. Sie sichern den Finanzoperationen nur einen Vorteil bei der Aufteilung dieses Weltmehrwerts. In Wirklichkeit untergräbt die wachsende Finanzialisierung die kapitalistische Wirtschaft und verschlimmert ihre Widersprüche, wobei sie einige dieser Widersprüche verschleiert.

Das staatliche Eingreifen gestern und heute

Bei jeder Erschütterung der Finanzmärkte, die eine „systemische Krise“ auszulösen droht, wie es ihre Ökonomen nennen, haben die imperialistischen Staaten eine riesige Finanzspritze und Unmengen an Krediten in die Wirtschaft gepumpt. Außerdem haben sie es immer leichter gemacht, Finanzkapital anzulegen und zu verschieben. Daraus folgt mit jeder Krise eine immer schneller anwachsende Menge an Geldmitteln, Krediten und Schulden im internationalen Maßstab. Die unfassbare Menge von angehäuften Finanzmitteln und die Leichtigkeit, mit der diese enormen Summen auf der Suche nach einer ertragreichen Anlage verschoben werden, destabilisieren das wirtschaftliche Leben in einer Tour, lassen es fiebern und provozieren permanent den nächsten Zusammenbruch.

Die Milliarden, die in den letzten Wochen in den Finanzkreislauf gepumpt wurden, haben nur die Menge dieses unsteten Geldkapitals nochmals aufgebläht. Die Kapitalbesitzer haben genauso wenig Anlass wie zuvor, diese Mittel in die Produktion zu investieren. Die Aufrufe der Regierungen, die sie dazu bringen sollen, die ausgeschütteten Gelder dazu zu nutzen, wieder zu investieren, kommen nicht gegen das Grundgesetz des Kapitalismus an: Man produziert nur das, was man dann mit Profit verkaufen kann. Die Redewendung „Man bringt einen Esel, der keinen Durst hat, nicht dazu zu trinken“, die schon oft bemüht wurde, um die Zurückhaltung der Kapitalisten zu beschreiben, in die Produktion oder gesellschaftlich nützliche Dienste zu investieren, ist sehr treffend.

Die Tricks der finanzialisierten Wirtschaft, um diese fehlenden Investitionen durch den Handel mit unzähligen Wertpapieren zu ersetzen, ändern nichts an den Widersprüchen zwischen dem Zusammenspiel der kapitalistischen Produktion und den Grenzen der Märkte, also den Grenzen des gewinnbringenden Konsums. Der Markt dehnt sich im Vergleich zur kapitalistischen Produktion viel zu langsam aus. Die Gelder, die die Staaten nun ausgeschüttet haben, vergrößern die Märkte nicht. Das Anwachsen der Arbeitslosigkeit trägt im Gegenteil dazu bei, dass sie sogar schrumpfen.

Für die in die Wirtschaft gepumpten Milliarden, haben die Regierungen den schönen Titel Konjunkturpaket oder auch „Aufschwungsplan“ gewählt.

Hundert Milliarden wurden von der französischen Regierung locker gemacht. 130 Milliarden von der deutschen Regierung. „Historisch“ wurde der Schritt von der Zeitung "Le Monde" am 8. September 2020 genannt. „Innerhalb weniger Wochen, mit einer Geschwindigkeit und Entschlossenheit, die man von dem Land kaum je gesehen hat, hat Deutschland sich aller Tabus entledigt, die seit Jahren die Grundlage der Wirtschaftspolitik bildeten.“ „Berlin hat seit dem 3. Juni, nur einen Monat nach den ersten Lockerungen der Kontaktbeschränkungen, mit 130 Milliarden Euro ein kolossales Konjunkturprogramm aufgelegt.“ „Der Haushaltsetat, der im Juni beschlossen wurde, sieht weitere Schulden vor, was damit 2020 zu der höchsten jemals getätigten Neuverschuldung von 218,5 Milliarden Euro führt.

Noch bedeutender ist eine regelrechte 180-Grad-Wendung des Verhaltens Deutschlands in Bezug auf die Entscheidung der Regierungschefs der EU-Länder, die eine Art Konjunkturpaket von 750 Milliarden Euro beschlossen haben. Überraschend ist nicht nur die unfassbar große Summe, die dieser Plan mit all seinen Subventionen und Krediten umfasst. Noch überraschender ist die Tatsache, dass Deutschland - die größte imperialistische Macht der EU - zum ersten Mal kein Veto eingelegt hat gegen eine gewisse „Vergemeinschaftung“ von Schuldung – sprich einer gemeinsamen Anleihe und gemeinsamen Rückzahlung, um diese kolossale Summe zu finanzieren. Die Vertreter der deutschen Bourgeoisie haben also akzeptiert, zumindest zum Teil die Verschuldung der imperialistischen Staaten Europas, die mehr verschuldet sind als Deutschland, aber auch der ärmeren osteuropäischen Länder mitzufinanzieren. Allerdings - auch wenn die Regierungen Polens und Ungarns es als Sieg darstellen konnten, dass sie von der Europäischen Union nun Garantien für ihre Anleihen an den Kapitalmärkten bekommen haben - so gehören doch die größten Unternehmen dieser Länder, die hauptsächlich von den Subventionen und Krediten aus dem europäischen Topf profitieren werden, deutschem oder französischem Kapital (Audi, Mercedes, Peugeot, Renault, Volkswagen…) und nebenbei auch japanischem Kapital.

Die USA Trumps, erbitterte Kritiker des staatlichen Eingreifens und Verfechter des „Laissez-faire“ des amerikanischen Kapitalismus, haben sich genauso verhalten wie die anderen Regierungen. Sie haben ein „historisches Konjunkturpaket“ angekündigt, das eine Summe von 2.000 Milliarden Dollar umfasst. Das ist dreimal so viel wie der von Paulson nach der Immobilienkrise. Um nicht hinten runterzufallen, haben die Demokraten ebenfalls 2.200 Milliarden Dollar versprochen, falls ihr Kandidat die Präsidentschaftswahl gewinnen würde.

Das ist eine unverblümte Bestätigung des staatlichen Eingreifens zur Rettung des Privatkapitals „koste es was es wolle“, um eine Formulierung Macrons aufzugreifen. Und all das kommt nach Jahren von Reden über die Kraft der Märkte, die Notwendigkeit eines ausgeglichenen Staatshaushaltes, dem tödlichen Charakter der Staatsschulden und anderem Quatsch, die nur dazu da waren, die Sparpolitik zu rechtfertigen, die alle Regierungen ihren Bevölkerungen aufgezwungen haben. Im Namen dieser Politik haben die Banker der imperialistischen Mächte Griechenland und seine einfache Bevölkerung niedergedrückt.

Nun die plötzliche Wende in der Sprache der Herrschenden. Von jetzt an sind die Schleusen der Zentralbanken aller imperialistischen Länder und eben auch der europäischen Zentralbank für das Banksystem und die großen Unternehmen weit geöffnet. Die Zinsen dümpeln bei null herum oder sinken sogar darunter. Die Haushaltsdefizite explodieren, ohne dass selbst die feurigsten Verfechter der schwarzen Null etwas dagegen sagen.

Das Handeln der imperialistischen Staaten wird heute durch ihren reinen Finanzcharakter geprägt. Der Staat versucht nicht auf direktem Weg die zu niedrige Höhe der Privatinvestitionen durch öffentliche Investitionen zu mildern. Es ist überhaupt nicht mit den staatlichen Investitionen in Frankreich nach dem zweiten Weltkrieg vergleichbar, die dazu da waren, die kapitalistische Wirtschaft nach den Kriegszerstörungen wieder in Gang zu bringen. Auch bei den USA kann man es überhaupt nicht mit den Großprojekten des New Deals von Roosevelt vergleichen, auch wenn diese im Bereich des Wohnungsbaus oder der Elektrifizierung der ländlichen Gegenden eher bescheiden waren. Und auch in Deutschland gibt es keine Großprojekte, wo die Autobahninfrastruktur ganz schön in die Jahre gekommen ist. Ein wichtiger Teil des Autobahnnetzes stammt aus den Zeiten Hitlers (!) – Ja, einige Brücken müssen gesperrt werden, da sie einzustürzen könnten.

Allein schon die Tatsache, wie unvorbereitet das Krankenhauswesen nicht nur während er ersten Welle des Coronavirus, sondern auch jetzt ist (mit fehlenden Betten, fehlender Ausrüstung und vor allem fehlendem eingearbeitetem Personal in ausreichender Zahl)zeigt, dass allein dieser Bereich ein riesiges Feld für nützliche öffentliche Investitionen wäre.

Die sich in Frankreich vage andeutende Debatte zwischen den Politikern der Bourgeoisie über die Frage, ob man die Hilfen und Kredite für die kapitalistischen Unternehmen an Bedingungen knüpfen sollte oder nicht, ist ziemlich aufschlussreich. Wie hoch auch immer die Summe sein mag, die einem Unternehmen als Hilfe oder Kredit zugestanden wird, sie ist definitiv verloren. Das Unternehmen, also seine Eigentümer oder Großaktionäre, bekommen Geld, lassen sich einen bedeutenden Teil der Lohnausgaben bezahlen, bekommen die Möglichkeit ihre Schulden zurückzuzahlen, ohne auch nur die geringste Verpflichtung zu haben, das Geld in die Produktion zu investieren, ja selbst ohne die geringste Verpflichtung nicht zu entlassen oder ihre Fabriken zu schließen. Das Unternehmen macht mit dem vom Staat erhaltenen Geld was es will. Damit eilt der Staat nicht nur zur Rettung des Privatkapitals, sondern er akzeptiert von vorneherein, das heißt er ermutigt sogar noch, dass die Kapitalisten diese Geldgeschenke in Finanzgeschäfte stecken.

Die Konjunktur, der Wiederaufschwung findet also vor allem in der Spekulation statt!

Während die versprochenen Gelder noch nicht mal verteilt waren, hat die Spekulation schon wieder zugelegt. Die Finanzmärkte brauchen diese Gelder nicht mal wirklich. Die gegen Null gehenden Zinssätze, wenn sich nicht sogar negativ sind, reichen an sich schon.

Die Wall Street knüpft wieder an die 'verrückten Jahre' an, die dem Crash von 1929 vorausgingen“, titelte die Wirtschaftszeitung "Les Echos" am 2. September 2020. Sie beschreibt dieses Phänomen mit einem gewissen Humor: „Die Nebeneffekte von Covid sind ziemlich erstaunlich. Bei einigen führt der Verlust des Geruchs- oder Geschmackssinns zu einem irrationellen Bedürfnis zu horten…, bei anderen zur blindwütigen Lust zu Spekulieren. In den USA und in Europa, auch in Frankreich, haben die Leute, die durch die Ausgangsbeschränkungen vor ihren Bildschirm festhängen, die Freude am Spekulieren entdeckt oder wiederentdeckt. Und diese Freude ist so stark, dass sie jetzt 20 % der täglich gehandelten Mengen ausmachen – im Vergleich zu 2% nach der Krise von 2009.

Zu dieser Feststellung muss jedoch einschränkend hinzugefügt werden, dass Großunternehmen und mit ihnen die Großbourgeoisie weiterhin mit großem Abstand die Hauptakteure an den Finanzmärkten sind. Und auch die Kleinanleger, unter denen jetzt diese „blindwütige Lust zu Spekulieren“ ausgebrochen ist, gehören im Allgemeinen zum mehr oder weniger gut betuchten Kleinbürgertum. Nur sehr wenige Kleinanleger sind Lohnabhängige, selbst unter den bestbezahlten gibt es nur wenige.

Dort, wo es bei der Spekulation um Aktiengeht, so hat diese Spekulation naturgemäß eine Verbindung zur Produktion, oder genauer gesagt zu den produzierenden Unternehmen. Aber nicht die reale Produktion, sondern die spekulativen Voraussagen sind der Grund, warum die der Börsenwert von Elon Musks Autokonzern Tesla höher ist als der von Toyota. Tesla hat bis jetzt allerdings nur 400.000 Fahrzeuge produziert und verkauft, während Toyota 13 Million verkauft hat. Die Tatsache jedoch, dass Tesla Elektroautos herstellt, hört sich allein schon wie ein Entwicklungsversprechen für die Zukunft an. Deshalb reißt man sich um diese Aktien und die Kurse sind in wenigen Monaten um 950% gestiegen.

Die gleiche Anziehungskraft haben die großen Informatikfirmen und aus den gleichen Gründen. Der Börsenkurs der Apple-Aktien hat sich in weniger als sechs Monaten verdoppelt. Der Börsenmarktwert von Apple liegt bei 2000 Milliarden Dollar, das ist fast so viel wie der BIP von Italien – einem Land mit über 60 Millionen Einwohnern!

Börsenspekulation auf Hightech-Aktien bringt in der kürzesten Zeit am meisten ein. Sie ziehen nicht nur die Finanzkonzerne, sondern auch die die Einfaltspinsel der sogenannten Mittelschichten an.

Es sind allerdings gleichzeitig die riskantesten Wetten: Das beweist schon die brutale Schwankung zwischen Höhen und Tiefen der Börsenkurse. Wenn man fiktive Millionen an einem Tag gewinnen kann, dann können sie auch von einem auf den anderen Tag verloren gehen.

Beim Spiel im großen Finanzcasino gewinnen diejenigen, die reich und mächtig genug sind, um bei den Hochs und Tiefs abzusahnen. Jemand der auf alle Pferde setzt, hat größere Chancen zu gewinnen, als wenn er nur auf ein Pferd wetten würde.

Die großen Börsenhändler aber spielen nicht nur mit ihrem eigenen Geld, sondern auch mit dem des Großbürgertums. Es gibt mächtige Finanzunternehmen wie Black Rock, die darauf spezialisiert sind. Sie müssen ihr Geld gleichzeitig auf langfristig stabilere Werte setzen.

Solche stabileren Werte werden ihnen seit Beginn des Kapitalismus, ja sogar seit den Zeiten der Könige, in Form der Staatsschulden geliefert. In dieser instabilen Welt der Finanzmärkte sind Staatsanleihen die Wertpapiere, die am sichersten zu sein scheinen. Und in dieser Hinsicht nimmt die zukünftige europäische Anleihe auf Grund ihrer Kräftebündelung etwas den Unterschied zwischen den von Deutschland ausgegebenen Staatsanleihen und denen von Italien, Spanien und noch schlimmer denen Griechenlands. Die an die Industrie ausgeschütteten Gelder und die Notwendigkeit für die Staaten, diese nach der Coronakrise zurückzuzahlen, liefern der „Finanzindustrie“ recht ansehnliche Mengen dieses Rohstoffs.

Lange vor Beginn der Pandemie und der durch sie verursachten Verlangsamung der Produktion und des Handels haben bereits die am wenigsten schwerfälligen Köpfe der Bourgeoisie Alarm geschlagen. Sie haben vor der Bedrohung gewarnt, die von dem Übermaß an Barmitteln und der chaotischen Verschiebung von Kapital ausgehen. Dies sind die Gründe und die Folgen der Finanzialisierung der kapitalistischen Wirtschaft. „Wir stehen am Beginn einer permanenten Finanzkrise, die so lange andauern wird, bis ein zerstörerischer Sturm als die anderen eine neue Weltkrise auslöst und die Welt in Schutt und Asche legt.“ Diese Zeilen schrieb der Wirtschaftswissenschaftler Patrick Artus 2016 in seinem Buch Der Wahnsinn der Zentralbanken mit dem Untertitel Warum die nächste Krise schlimmer wird. Aber weder er noch irgendwer anders beherrscht die Entwicklung der kapitalistischen Wirtschaft.

Die 2008 existierende Bedrohung durch einen möglichen Zusammenbruch des Bankensystems war eine ernstzunehmende Vorwarnung. Die politischen Führer der imperialistischen Länder und die Stars der Finanzwelt haben sich damals mit ihren Versprechen abgewechselt, dass es eine Reglementierung geben werde, eine Neuorganisation und die Schaffung einer Kontrollinstitution. Das Ergebnis: Zehn Jahre später haben sich die Schulden der Welt (die Schulden der Staaten, Haushalte und der Unternehmen, die nicht zum Finanzsektor zählen) so gut wie verdoppelt (laut "Le Monde Economique" vom 14. September 2018).

"Les Echos" schreibt in der Ausgabe vom 14.-15. September 2018: „Weltweit machen laut dem IWF die öffentlichen und privaten Schulden, die 2001 61% des BIPs ausmachten und 2007 116%, nun im Jahr 2018 225% aus.“ Dieser Artikel beginnt düster: „Die Zentralbanken haben Schwierigkeiten zu einer normaleren Geldpolitik zurückzufinden.

Der Staat und sein Eingreifen haben in der kapitalistischen Entwicklung in seiner ganzen Geschichte eine zentrale Rolle gespielt. Das Eingreifen der Staaten hat die Entwicklung des Industriekapitalismus begleitet, ja es ist ihr sogar vorausgegangen. Hier ist nicht der Ort, um ausführlich auf dessen entscheidende Bedeutung für die Anfänge des modernen Kapitalismus einzugehen, die es genauso in der Wiege des Industriekapitalismus England wie in Frankreich hatte. Erinnern wir uns dennoch an die Rolle, die es in England bei der staatlichen Entwicklung des Transportwesens hatte – Kanalbau, Straßenbau, Eisenbahnlinien – ganz zu schweigen von dem Schiffsbau, der Großbritannien die Vorherrschaft über die Meere verschaffte.

Auch in Frankreich, wo die industrielle Revolution England mit Verspätung folgte, kann man das staatliche Eingreifen nach Art Colberts nicht verleugnen. Dieses fand bereits unter der absoluten Monarchie statt, die den Weg für Privatkapital frei machte und ebenso für das Aufkommen der Textil- und Metallindustrie. Die Hochöfen von Creusot wurden zwar mit Privatkapital – schon mit einem Anleger der Familie Wendel – gebaut, aber auch mit der finanziellen Unterstützung der Regierung von Ludwig XVI. Diese Hochöfen begründeten das Vermögen der Familie Schneider.

Der Bau der Eisenbahnstrecken hat eine entscheidende Rolle in der politischen Vereinigung des zerstückelten Deutschlands gespielt. Er war aber eben auch ein Sprungbrett für den deutschen Kapitalismus im Bereich der Schwerindustrie.

Die Rolle des Staates war auch bei der Industrialisierung Japans in der Meiji-Ära sehr bedeutend.

Das Eingreifen des Staates zu Gunsten der aufsteigenden Bourgeoisie war für die gesellschaftliche Entwicklung ein fortschrittliches staatliches Eingreifen. Es hat zu der Entwicklung des Kapitalismus beigetragen, der dabei war, an die Stelle der Überreste der feudalen Wirtschaft zu treten. Das staatliche Eingreifen hat jedoch mit der Entwicklung zum Imperialismus, dem Greisenalter des Kapitalismus, seine fortschrittliche Rolle verloren. Es ist die Zeit der weltweiten Konkurrenz des Kapitals mit allem was damit zusammenhängt: Der Staat im Dienst monopolistischer Großkonzerne und ihrer Interessen, Militarismus, Eroberung der Kolonien, Rüstungsausgaben und internationale Anleihen als Mittel, um das Eindringen des Kapitals in wenig oder nicht entwickelte Länder zu unterstützen. Heute ist das staatliche Eingreifen in jeglicher Hinsicht reaktionär.

Als Lenin feststellte, „der Imperialismus bedeutet eine ungeheure Anhäufung von Geldkapital in wenigen Ländern“, betonte er vor über einem Jahrhundert „Parasitismus und Fäulnis des Kapitalismus“ in seinem imperialistischen Stadium. Diese Anhäufung von Geldkapital in den imperialistisch gewordenen Ländern fand zu dem Zeitpunkt bereits nicht mehr genug profitable Arbeit in diesen Ländern. Daher kommt der Trend zum Kapitalexport, der sich an die Stelle des Warenexports setzte. Dies ist eine der wesentlichen Eigenschaften der Wirtschaft in der Ära des Imperialismus.

Dieser Kapitalexport hat die imperialistischen Beziehungen zwischen den Ländern hervorgebracht, das heißt die Unterordnung der Länder, die im Vergleich zu den imperialistischen Mächten in Rückständigkeit gehalten werden. Ein Teil des exportierten Kapitals verwandelte sich am Ende allerdings in produktives Kapital.

Als Rosa Luxemburg die kapitalistische Wirtschaft in ihrem Werk „Die Akkumulation des Kapitals“ analysierte, hat sie besonders auf die Rolle des Militarismus, des Schienennetzbaus und der internationalen Anleihen als Aktionsfelder des Kapitals hingewiesen.

Über internationale Anleihen schrieb sie, dass diese zur „Verwandlung von Geldkapital in produktives Kapital vermittelst staatlicher Eisenbahnbauten und Militärlieferungen, Übertragung akkumulierten Kapitals aus alten kapitalistischen Ländern in junge“ dienen. Außer bei der Finanzierung von Waffenlieferungen für Diktatoren der ärmeren Länder, hat sich diese Rolle der internationalen Anleihen verringert, ja sie ist quasi verschwunden.

Die internationalen Anleihen der armen Länder – also die Darlehen, die ihnen von den Finanzinstituten der imperialistischen Länder gegeben werden – dienen heute vor allem dazu, ihnen die Schlinge der Schulden um den Hals zu legen und ihnen die Kehle zuzudrücken, ohne dass dies überhaupt irgendwelche Folgen für die Produktion oder das Transportwesen in diesen Ländern hat.

Die wachsende Finanzialisierung der Wirtschaft bringt den Parasitismus des Imperialismus auf ein noch höheres Level, wobei die Verhältnisse der Unterordnung bestehen bleiben. Die internationalen Anleihen hinterlassen nicht mal mehr Spuren im produktiven Teil der Wirtschaft, oder zumindest kaum.

Die Darlehen an das noch unterentwickelte Land, wie es auch das zaristische Russland war, führten zu dem Bau von Eisenbahnlinien und der Export französischen, englischen und deutschen Kapitals führte zum Bau von großen Fabriken wie den Putilow-Werken. Diese wurden zu einer der Bastionen der russischen Arbeiterklasse, mit der großen Rolle, die sie für die Machtübernahme 1917 hatten. Bereits zu dieser Zeit war eine der Hauptfunktionen der internationalen Anleihen die Finanzierung der Ausgaben für die Bewaffnung der privilegierten Schicht gegen seine eigene Bevölkerung. In unserer Zeit ist nun diese Funktion quasi zur einzigen geworden.

Also die Konjunkturprogramme werden nun was genau wieder ankurbeln? Sie werden die Finanzgeschäfte und die Spekulation ankurbeln, das ist klar! Wie und wann wird das eine Finanzkatastrophe auslösen? Das wird die Zukunft zeigen.

Die aktuelle Wendung der Krise hat einige Wirtschaftsbereiche bereits stark beeinträchtigt. Andere hat sie befördert.

Die Zeiten von Wirtschaftskrisen sind prinzipiell Zeiten eines Kampfes auf Leben und Tod zwischen der Großbourgeoisie und der Arbeiterklasse, aber auch zwischen den Kapitalisten. Selbst wenn die Produktion wieder anlaufen sollte, wird sie von bedeutenden Kapitalverschiebungen gekennzeichnet sein und damit von einem Umbruch der Kräfteverhältnisse zwischen den großen Konzernen. Denn die Regulierung der Wirtschaft findet im Kapitalismus eben genau durch die verschärfte Konkurrenz, durch das Verschwinden von Unternehmen und die Konzentration statt.

Unser Programm entsteht aus der objektiven Situation

Unser Problem ist dabei nicht zu erraten, wer als Sieger aus diesem durch die Krise verschärften Wettkampf der Kapitalisten hervorgehen wird, sondern für ein Kampfprogramm aktiv zu sein, das dem Schutz der Arbeiterklasse dient.

Seit Beginn des Jahres ist der Absturz der arbeitenden Klassen in die Armut schon sichtbar. Er wird weiter gehen, bis die Depression ihren tiefsten Punkt erreicht hat. Wann und wie? Das können wir natürlich nicht wissen.

Wir müssen damit weiter machen, das Verteidigungsprogramm der Interessen der Arbeitenden zu verteidigen, das auf dem Übergangsprogramm aufbaut. Wir müssen dieses Programm erhalten und verbreiten, ohne uns entmutigen zu lassen, ohne zunächst mit einer explosiven Reaktion der Arbeiterklasse zu rechnen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die ersten Reaktionen unserer Klasse auf die sich verdoppelnden Schläge, Unsicherheit und Abwarten sein werden. Dies kann von all dem begleitet sein, was diese geistige Verfassung befördern kann, wie falsche Hoffnungen dieser oder jener Art, die Wirtschaftskrise zu überwinden, ohne die Herrschaft des Großkapitals anzutasten oder auch Illusionen in einen höheren Retter.

Selbst während der letzten großen Krise des Kapitalismus nach dem Crash am Schwarzen Donnerstag 1929 sind die ersten massiven Reaktionen der Arbeiterklasse erst Jahre später plötzlich aufgetreten. Erinnern wir uns dabei daran, dass dasselbe Aufflammen des Klassenkampfes beides hervorgebracht hat: Einerseits die großen Mobilisierungen der Arbeiterklasse, die von der Bewegung im Juni 1936 in Frankreich über die mächtigen Streiks in den USA bis zum Arbeiteraufstand in Spanien reichten. Andererseits hat es mit dem Naziregime aber auch die schlimmste Regierungsform an die Macht gebracht, die dazu da ist, die Herrschaft der Bourgeoisie zu sichern.

Die abwartende Haltung der Arbeiterklasse wird in den imperialistischen Ländern durch das Verhalten der Bourgeoisie zusätzlich verstärkt, vor allem in den Ländern, wo es eine starke Tradition staatlichen Eingreifens gibt.

Insbesondere in Frankreich hat der Staat versucht, die sozialen Puffer zu erhalten, und er versucht es noch immer. In dieser Phase der Krise hat er zusätzlich noch die Kosten für die Kurzarbeit von einem Teil der Arbeiterklasse übernommen.

Die Maßnahmen der Regierung bezüglich der Kurzarbeit sind jedoch alles andere als ein Zeichen ihrer Großzügigkeit. Die Kapitalisten und vor allem ihre politischen Vertreter wollen die Möglichkeit eines Aufschwungs bewahren. So behalten sie lieber ihre Beschäftigten, die sie im Fall des Wiederanlaufens der Produktion nicht entbehren können – vor allem wenn sie ihnen vom Staat bezahlt werden.

Alles deutet darauf hin, dass die Krise sich in der nächsten Zeit verschärfen wird. Die Unternehmen, die bereits auf dem Weg zum virtuellen Bankrott sind, werden schließen. Bei den Zulieferern und Subfirmen wird es zu Kettenreaktionen kommen. Selbst bei erheblicher Unterstützung durch den Staat werden die Unternehmen auf Grund der fehlenden Markterweiterung schließen oder noch viel mehr entlassen.

Nach den prekären Arbeitern, die bereits auf der Straße sitzen, werden die qualifizierten Arbeitenden dran sein. Zu ihnen werden sich dann zahlreiche andere gesellen, die zu dem Teil des Kleinbürgertums zählen, der auf dem Weg in den Ruin ist und in die Proletarisierung gestoßen wird.

Unsere Möglichkeiten der Verbreitung der Ideen und der Agitation sind natürlich begrenzt. Aber wir müssen unser Programm verteidigen und eine Politik voranbringen, die der aktuellen Lage entspricht. In einer Zeit der Krise ändern sich die Dinge ziemlich schnell. Ebenso schnell können sich die Verhältnisse zwischen den verschiedenen Gruppen des Kleinbürgertums und der Arbeiterklasse verändern. Die Zuspitzung des Klassenkampfes wird uns dazu bringen, ganz andere Punkte des Übergangsprogrammes in den Vordergrund zu stellen als die, die sich auf den Erhalt der Arbeitsplätze und Löhne beziehen.

In einer Zeit, in der die Arbeiterbewegung auf der politischen Bühne abwesend ist oder zumindest ohne Klassenperspektive anwesend ist, beschränken sich die politischen Zusammenstöße auf die verschiedener Varianten, die alle darauf abzielen, den Kapitalismus und die Herrschaft der Bourgeoisie zu erhalten. So verschieden diese Optionen auch zu sein scheinen, so gewalttätig auch ihr Ausdruck in der Zukunft werden kann: Sie tragen alle dazu bei, die Arbeiterklasse zu vergiften, sie zu spalten je nachdem, was  für die Bourgeoisie von Vorteil ist, und sie vom Klassenbewusstsein abzulenken.

Eine Klassenpolitik zu verteidigen ist eine wesentlich größere Aufgabe, als ein Kampfprogramm für die kommenden Kämpfe voranzubringen. Es besteht darin, den trügerischen Charakter aller politischen Varianten aufzudecken, die von dem Erhalt der kapitalistischen Ordnung ausgehen werden.

Zurzeit ist es notwendig, allen Formen der nationalen Zurückgezogenheit, des Protektionismus oder Souveränismus entgegenzutreten. Diese Ideen worden sowohl von den Reformisten wie von der extremen Rechten verbreitet. Dabei muss man nicht nur ihre Absurdität in einer globalisierten Wirtschaft aufzeigen, sondern auch ihren rückschrittlichen Charakter bekämpfen.

Der Souveränismus ist im besten Fall eine inhaltsleere Demagogie, da die imperialistische Bourgeoisie ihn in einer globalisierten Wirtschaft eh nur in sehr begrenzten Teilbereichen umsetzen kann. Und selbst in diesen Grenzen findet es auf Kosten einer enormen Verschwendung menschlicher Arbeit statt.

Trotzki schrieb 1933 in einem Text, der dem kapitalistischen staatlichen Eingreifen gewidmet war, das sowohl von den Reformisten als auch von den Faschisten verteidigt wurde: „So ist die heutige 'Planwirtschaft' als ein ganz und gar reaktionäres Stadium zu betrachten: der Staatskapitalismus strebt die Wirtschaft aus der Weltarbeitsteilung herauszureißen, die Produktivkräfte dem Prokustesbett des nationalen Staates anzugleichen, künstlich die Produktion in einigen Zweigen zu drosseln und ebenso künstlich andere Zweige mit einem riesigen Kostenaufwand zu schaffen. Die Wirtschaftspolitik des heutigen Staates, angefangen mit Zöllen altchinesischen Musters, und endend mit Episoden wie dem Maschinenverbot in Hitlers 'Planwirtschaft', erzielt eine unbeständige Regulierung um den Preis der Senkung der nationalen Wirtschaft, des Hineintragens von Chaos in die internationalen Beziehungen…

Diese Aussage Trotzkis entspringt seiner marxistischen Sicht auf die Welt.

Der Todeskampf der kapitalistischen Welt erweist sich als viel langwieriger als Marx und mit ihm mehrere Generationen von Revolutionären erahnen konnten.

Die Formen der gesellschaftlichen Organisation funktionieren nicht wie der menschliche Organismus. Alle Aspekte des Kapitalismus, die Globalisierung der Wirtschaft und wie der Ideen, die wachsende Sinnlosigkeit des Privateigentums und der nationalen Grenzen in Bezug auf den technischen und kulturellen Fortschritt, all das zeigt, wie reif die Gesellschaft für eine gesellschaftliche Organisation auf internationaler Ebene ist. Aber die Herrschaft der Bourgeoisie verschwindet nur, wenn sie gestürzt wird.

„Es geht nicht darum die Welt zu verstehen, sondern sie zu verändern“: sagte Marx sinngemäß schon 1845. Den Todeskampf des Kapitalismus Schritt für Schritt zu verfolgen macht nur Sinn und ist nur nützlich, wenn man es dazu nutzt, um den revolutionären Sturz der bestehenden Gesellschaftsordnung vorzubereiten.

Wie mächtig die Bourgeoisie auch sein mag, wie gefestigt auch ihre politische Macht ist, die grundlegenden Kräfte, die in der Wirtschaft und der Gesellschaft walten, sind wesentlich mächtiger. Wie zu Marx Zeiten und in noch deutlich größerem Maße als damals gehen alle Tendenzen der Wirtschaft in Richtung einer wachsenden Vergesellschaftung der Wirtschaft.

Abgesehen von dem Fall, dass eine Katastrophe die Existenz der gesamten Menschheit in Frage stellt, kann die Bourgeoisie die Geschichte nicht zurückdrehen. Sie kann sie nur bremsen und ihre Galgenfrist verlängern.

Ein Jahrhundert nach den Analysen von Marx treten alle Tendenzen der kapitalistischen Gesellschaft, die er herausgearbeitet und auf denen er seine sozialistischen Überzeugungen aufgebaut hat, wesentlich deutlicher zu Tage. Eben diese Tiefgründigkeit seiner Analysen macht aus dem Sozialismus einen wissenschaftlichen Sozialismus im Gegensatz zu dem utopischen Sozialismus seiner Vorgänger. Wissenschaftlich in dem Sinne, dass sein Sozialismus sich nicht aus einem utopischen Traum ableitet, sondern von der Analyse der kapitalistischen Gesellschaft und ihrer inneren Dynamik.

Das, was unter Marx Feder noch eine Vorausschau auf die zukünftige Entwicklung war, ist zu einer Tatsache geworden. Die Wirtschaft ist zu einem wesentlich größeren Grad vergesellschaftet als zu seiner Zeit. Der Kapitalismus hat sich nicht mehr nur in einem Dutzend westeuropäischer Länder und in Nordamerika entwickelt wie zu Lebzeiten von Marx. Er hat die ganze Welt erobert.

Eine weltweite Vergesellschaftung der Produktion

Von der Rohstoffgewinnung über den Transport bis zum Endprodukt, das auf den Markt kommt, beinhaltet das kleinste Produkt die Arbeit von hunderten, ja tausenden Arbeitenden auf der ganzen Welt. Die Produktion selbst bringt Arbeiter aus allen Ecken der Welt miteinander in Kontakt und macht sie voneinander abhängig – auch wenn die meisten von ihnen sich dessen nicht bewusst sind, ja sogar nicht mal wissen, in welchem Land der vorangehende Produktionsschritt stattgefunden hat.

Die Globalisierung hat die Abhängigkeit zwischen den Menschen auf einem unvergleichlich höheren Niveau entwickelt, als sie es zu Marx‘ Zeiten war .Daran können auch die mächtigsten Diktatoren im Dienste des Großkapitals nichts ändern.

Der sogenannte „Souveränismus“ hat gerade als Kampfziel der Demagogen Hochkonjunktur. Nicht alle unter ihnen gehören zur extremen Rechten. Das Nazi-Regime hat dieses Ziel damals in Deutschland bis zum Äußersten getrieben. Die von Hitler personifizierte Eroberungspolitik zur Verschiebung der Grenzen hat zum zweiten Weltkrieg geführt. Es war bereits der ab absurdum geführte Beweis für die Sinnlosigkeit dieses Vorhabens. Und nach dem Ende dieses Regimes wurde das kapitalistische Deutschland wiederaufgebaut, indem die internationale Arbeitsteilung wieder eingeführt wurde und so wurde es zu der bedeutendsten Exportmacht Europas.

Die Globalisierung existiert nicht nur auf wirtschaftlicher Ebene, sondern auch kulturell, menschlich. Und sei es auch nur Dank all der Erfindungen im Bereich der modernen Technik, des Internets und allem was damit zusammenhängt.

All die Tendenzen, die die Gesellschaft grundsätzlich entwickeln, wurden von der Bourgeoisie unter kapitalistischen Bedingungen verwirklicht. Somit unterliegen sie dabei der drückenden Last des privaten Profits. Der Widerspruch zwischen der Dynamik der Gesellschaft und ihrer kapitalistischen Gesellschaftsordnung wendet sich gegen die Menschheit. Gezähmte Atomenergie kann ebenso gut dazu dienen den Strom zu liefern, der in Afrika fehlt, wie auch zu dem führen, was in Hiroshima passiert ist. Die unverzögerte Kommunikation dient heute der automatisierten Finanzspekulation.

Aber all das gibt der menschlichen Gemeinschaft die technischen und gesellschaftlichen Mittel, ihr Schicksal in die Hand zu nehmen, wovon Marx nur träumen konnte. Das Gleiche galt ein halbes Jahrhundert später auch zu Zeiten Lenins. Als dieser lapidar formulierte, dass der Sozialismus die Sowjetmacht plus Elektrizität sei, also die Elektrifizierung Russlands, so war das immer noch ein Ziel, dass der Sowjetmacht zu realisieren zufiel.

Hundert Jahre später ist es in vielen Regionen des unterentwickelten Teils der Welt noch das gleiche. Aber in der Zwischenzeit ist der Mensch auf dem Mond herumgelaufen und hat begonnen den Weltraum zu erkunden.

Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedingungen sind da. Es ist nun die Aufgabe der Arbeiterklasse, ihre historische Rolle zu spielen. Die Vergesellschaftungstendenzen der Dynamik des Kapitalismus können nur durch den revolutionären Sturz der Macht der Bourgeoisie realisiert werden – durch die Enteignung der letzten herrschenden Klassen der Menschheitsgeschichte und dadurch, dass die menschliche Gemeinschaft ihr Schicksal in die Hand nimmt.

Also, um einen Ausdruck von Marx aufzunehmen, wird man sagen können: „Brav gewühlt, alter Maulwurf!“

 

15. Oktober 2020