Der Präsidentschafts- und Parlamentswahlkampf (aus Lutte de Classe - Klassenkampf - von Dezember 2012)

Der Präsidentschafts- und Parlamentswahlkampf
Dezember 2012

(Dieser Text wurde vom Lutte Ouvrière-Parteitag von Dezember 2012 angenommen)

Das vergangene Jahr war zuerst von der Wahlkampagne für die Präsidentschaft, die mit der Sammlung der Patenschaften begann, und dann von der viel kürzeren Kampagne für die Parlamentswahl geprägt.

Unsere Teilnahme an der Präsidentschaftswahl war an sich ein gemeinsamer Erfolg, denn die Sammlung der Bürgermeisterunterschriften, die kein besonderes Problem darstellte, hat auf unserer Mobilisierung beruht. Das gleiche galt für unsere Teilnahme an der Parlamentswahl, denn Kandidaten in allen Wahlbezirken Kontinentalfrankreichs aufzustellen, war auch ein militantes Ziel.

Was unser Ergebnis betrifft, wäre es ein Euphemismus zu sagen, dass es bescheiden war, es war nämlich das schwächste in unserer ganzen Wahlgeschichte. Unsere Kandidatin Nathalie Arthaud hat 0,56% der Wahlstimmen erhalten, das heißt die Stimmen von 202.561 Wählern. Verglichen mit dem Ergebnis von Arlette Laguiller 2007, das bei einer Präsidentschaftswahl das niedrigste Niveau war, ist es ein Verlust von mehr als der Hälfte unserer Wählerschaft. Mit 0,51% der Stimmen und 126.522 Wählern war das Ergebnis der Parlamentswahl nicht besser.

Diese Wahlergebnisse haben uns nicht überrascht. Wenn es uneingestandene Illusionen oder Hoffnungen eines etwas besseren Ergebnisses gab, haben die Meinungsumfragen sie immer in sehr engen Grenzen gehalten. Und mehr als die Umfragen hat die politische Überlegung uns darauf vorbereitet, und auch erlaubt, unser Milieu auf dieses schlechte Wahlergebnis vorzubereiten.

Während der ganzen Wahlkampagne haben wir gesagt und wiederholt, dass, um ihre wesentlichen Forderungen zu erzwingen, die Werktätigen wieder an große Kämpfe wie jene von Mai 68 oder Juni 36 anknüpfen müssten, wobei wir zugleich wussten, dass die Kampfbereitschaft und die Stimmung in der Arbeiterklasse weit davon entfernt waren. Wir haben uns auch dafür entschieden, unsere kommunistische Identität hervorzuheben und unsere revolutionär-kommunistischen Perspektiven so deutlich wie möglich zu betonen, wobei wir gleichzeitig wussten, dass diese Entscheidung auf Wahlebene nicht rentabel sein würde.

Am 30. März 2012 haben wir in der Zeitschrift Lutte de Classe erklärt: "Das von Nathalie Arthaud verteidigte Kampfprogramm wird ihr keinen Wahlerfolg bringen, in einer Periode, wo die große Mehrheit der Arbeiterklasse - von der Krise getroffen, verstört und orientierungslos - eine Hoffnung seitens der Zauberkünstler, die im institutionellen System des Bürgertums integriert sind, noch sucht."

Wir hatten also unser schwaches Ergebnis vorhergesehen. Aber die revolutionären Kommunisten kandidieren nicht bei den Wahlen, um ihr Programm anzupassen und abzuschwächen, um mehr zu gefallen und die meistmöglichen Stimmen zu erhalten. Sie profitieren von der Organisation der Wahlen, um in einem breiteren Maßstab eine Politik zu verteidigen, die die Interessen der Arbeiter darstellt, selbst wenn sie im Allgemeinen in den Wahlen der bürgerlichen Demokratie in der Minderheit, und auf Gegenkurs in einer Situation des Abnehmens der Kämpfe und des Rückgangs des Arbeiterbewusstseins sind.

Wir machten Wahlkampf auf Basis eines Kampfprogramms für die Werktätigen: dem Verbot der Entlassungen, der Aufteilung der Arbeit auf alle ohne Lohnverlust, der leitenden Lohns- und Pensionsskala und der Kontrolle über die Unternehmen, die durchgesetzt werden muss. Wir haben weiterhin die Kampfziele propagiert, die wir das ganze Jahr lang in unserem kleinen Maßstab verteidigen, um zu versuchen, die Arbeitenden für die kommenden Kämpfe moralisch und politisch zu bewaffnen.

Angesichts der Krise und ihrer politischen Folgen haben wir auch darauf bestanden, unsere revolutionär-kommunistischen Überzeugungen ins Gefecht zu führen. Wir haben versucht, "die Fahne des Kommunismus hochzuheben". Die Idee, für den Kommunismus wählen zu lassen, liegt uns fern; das wäre einfach dumm. Es handelte sich darum, die Notwendigkeit aufzuzeigen, das Bürgertum zu enteignen und die Diktatur des Kapitals im Zusammenhang mit einer tiefen Krise zu bekämpfen, in welcher die kapitalistische Wirtschaft zusätzlich zu ihrer Ungerechtigkeit ihre totale Irrationalität zeigt.

Die Krise erschüttert das Leben von Millionen Arbeitenden, und sie wird es auch nicht versäumen, auch ihr Bewusstsein durcheinander zu bringen. Konfrontiert mit der Wirklichkeit der Arbeitslosigkeit, des Elends und mit den Angriffen der Unternehmer und der Regierung, werden die Arbeiter unfehlbar kämpfen müssen. Einige sagen schon, "das ganze System in Frage stellen zu wollen". Aber werden sie auf ihrem Klassenstandpunkt kämpfen, oder werden sie sich in falsche Kämpfe hineintreiben lassen, die genauso viel tödliche Fallen für die Werktätigen sein können?

Wir wissen, und die Geschichte hat es oft gezeigt, dass das Ungerechtigkeitsgefühl und die Revolte der Arbeitenden von allen möglichen politischen Kräften, von den Reformisten à la Linksfront bis zu rechtsextremen Kräften, fehlgeleitet und kanalisiert werden können.

Der reaktionäre Anstieg, den wir erleben, ist tief, er wurzelt in der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Situation, im ungünstigen Kräfteverhältnis zwischen den Beschäftigten und den Unternehmern. Das spielt sich nicht im ätherischen Bereich der Ideen ab, und keine Partei, sogar eine revolutionäre, könnte es nur mit der Kraft ihrer Überzeugungen eindämmen.

Aber eine revolutionär-kommunistische Partei, die den Ausgebeuteten Perspektiven anbietet, könnte viele heute aus der Fassung gebrachten Arbeitende ohne Bezugspunkte, die jede Politik ablehnen, und sogar einige von jenen verwirrten Arbeitenden für sich gewinnen, die versucht wären, ihre Ablehnung des Systems durch ihre Stimme für die Nationale Front zu äußern.

Diese revolutionär-kommunistische Partei, die fähig wäre, eine Politik auf dem Terrain der Interessen der Werktätigen zu verteidigen, um die bewusstesten und die kampfbereitesten heranzuziehen, existiert nicht. Die einst einflussreichen Parteien in der Arbeiterklasse, zuerst die Sozialistische dann die Kommunistische Partei, haben das Vertrauen der Arbeiter verloren, denn sie haben zum wiederholten Male ihre Interessen verraten. Sie verteidigen seit langem nicht mehr die Perspektive einer radikalen Umwälzung der Sozialordnung, und auch nicht, denn das hängt damit zusammen, die unmittelbaren Kampfziele, durch die tagtäglich das Lager der Arbeiter zu verstärkt werden könnte.

Wir wissen, dass wir weder die Größe, die Verankerung, noch den Einfluss haben, um diese Partei zu sein, die der Arbeiterklasse fehlt, aber wir konnten das kleinen Sprachrohr dieses Wahlkampfes benutzen, um die politischen Interessen der Arbeiter in diesem Krisenrahmen zum Ausdruck kommen zu lassen, und auch, um die Perspektive des Umsturzes des Kapitalismus zu verteidigen. Wir sind sehr minoritär, aber wir können Ideen ausdrücken und versuchen, sie zu popularisieren und zu verbreiten. Dies ist umso wichtiger, als wir die einzigen sind, die es tun.

Der aktive Wahlkampf, den wir mit Versammlungen, einer Anwesenheit auf den Wochenmärkten und Plakatierungen machten, war nicht einfach. Das war eine voluntaristische Kampagne in einem Klima, das von der Resignation der einfachen Bevölkerung charakterisiert war. Diese erklärt größtenteils den Mangel an politischem Appetit der Arbeitenden. Für viele stand dabei nur die Wahl auf dem Spiel, Sarkozy loszuwerden, mit der mehr oder weniger verbreiteten Hoffnung, dass es mit Hollande besser gehen würde.

Außer bei der sozialistischen Peripherie war diese Perspektive der Ankunft der Sozialisten an der Macht von viel Fatalismus geprägt. In diesem Zusammenhang war es schwierig, die Diskussionen zu vertiefen, die oft auf die Feststellung stießen, dass die Arbeiter nicht mehr kämpfen wollen oder können.

Trotzdem wurden die Ziele, die wir in den Vordergrund gerückt haben, gehört und gut aufgenommen. Die Krise des Kapitalismus hat dazu geführt, dass wir die Ideen der Revolution, des Umsturzes des Kapitalismus und des Kommunismus verteidigen konnten, was uns die Sympathie oder, wenigstens eine gewisse Beachtung der einfachen Bevölkerung zuzog. Sich als Kommunist vorzustellen war kein Handikap, um mit den Beschäftigten zu diskutieren.

Das Ergebnis dieser Wahl misst die Einstellung der Arbeitenden, und die 202.561 Wähler von Nathalie Arthaud zeigen, dass die kommunistische Strömung sehr minoritär ist, aber wir können hoffen, Arbeitenden über unsere Wählerschaft hinaus berührt zu haben, und dass die mit den Umständen konfrontierte Arbeiterklasse, sich mit einigen Ideen, die wir in diesem Wahlkampf verteidigt haben, befassen wird, um zu kämpfen.

Das Programm, das wir verteidigt haben, entsprach und entspricht immer den Interessen der Arbeitenden, selbst wenn diese Ziele nur mit einem neuen Elan in der Kampfbereitschaft eine Wirklichkeit werden können. Viele Genossen konnten sich bewusst sein, indem sie den CGT-Aktionstag des 9. Oktober vorbereiteten, dass "das Verbot der Entlassungen" und sogar "die Aufteilung der Arbeit auf alle ohne Lohnverlust" Losungen sind, die eine Resonanz in der einfachen Bevölkerung haben.

Zusätzlich zur Popularisierung des Kampfprogramms und zur Tatsache, dass wir die Fahne des Kommunismus hochhielten, hatten wir andere Ziele in dieser Wahlkampagne: Unser bestehendes Umfeld, oder das, dem wir während der Kampagne begegnen konnten, politisch zu schweißen.

Im Jahre 1899 schrieb Paul Lafargue in der Broschüre "Der Sozialismus und die Eroberung der öffentlichen Macht": "Die Sozialistische Partei ist die einzige Partei, die die Niederlagen nicht befürchtet, sie hofiert sie sogar, denn, besiegt oder siegreich, sie kommt aus jeder Wahlperiode reicher an Menschen und besser organisiert heraus." Die Tatsache ist, dass die verschiedenen Wahlkämpfe eine große Bedeutung im Aufbau der Sozialistischen Partei in Frankreich in diesen Jahren gehabt haben. Jede Wahlversammlung, jede Reise in eine Stadt führte zur Schaffung oder zur Verstärkung einer sozialistischen Gruppe.

Wir sind weit weg davon, aber auch das ist nicht neu. Keine Wahlkampagne hatte es uns erlaubt, massiv zu rekrutieren, auch nicht die Wahlkampagne von 1995, nach der wir immerhin unsere Anstrengungen verdoppelt hatten, um unsere Netze so weit wie möglich zu werfen, indem wir eine Art von Nachwahlkampf organisiert hatten.

Andererseits haben es uns die Wahlkämpfe, und insbesondere die Parlamentswahlen, immer erlaubt, unser Milieu zu erweitern und unsere Verbindungen mit ihm zu verstärken. Das haben wir auch dieses Mal wieder versucht, indem wir die Schaffung von Unterstützungskomitees für die Kandidatur von Nathalie Arthaud ins Leben gerufen haben.

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Die Periode, die wir erleben, ist eine Rückgangsperiode für die Arbeitenden, sie kann uns nicht günstig sein, und wir haben es durch diese zwei Kampagnen geprüft. Das gilt für uns, aber das gilt auch für die NPA.

Wir hatten gesagt, dass wir wünschen, dass die NPA seine Patenschaften habe und sich zur Wahl stelle, damit die Arbeitenden die Wahl zwischen verschiedenen Tendenzen der extremen Linke haben. Das ist geschehen. Aber angesichts der Schwäche der zwei Wahlergebnisse ist es schwierig zu wissen, wie die Wähler von Philippe Poutou und jene von Nathalie Arthaud ihre Wahl gemacht haben.

Trotz alledem konnten wir die zwei Wahlkampagnen vergleichen. Selbst wenn das Verbot der Entlassungen und die Enteignung der Banken im Mittelpunkt des Wahlkampfs der NPA war, wollte sich die NPA unbedingt mehr "anti-AKW" als die Atomkraftgegner, grüner als die Grünen und einheitlicher als alle anderen zeigen.

Die Positionierung von Poutou hinsichtlich der Linksfront stand im Gegensatz zu unserer. Poutou ließ immer hören, dass die NPA eine gemeinsame Wahlkampagne mit der Linksfront machen könnte, und erklärte, dass das einzige Hindernis Mélenchon war, der sich als Kandidat durchgesetzt hat. Es ist schwierig zu sagen, welchen Anteil an Heuchelei es in dieser Erklärung gibt, aber sie spiegelt sicher den Druck der Linksfront wider, der sich auf die NPA ausgewirkt hat; einen Druck, der im Übrigen einen Teil der Aktivisten der NPA veranlasst hat, sich mitten im Wahlkampf der Linksfront anzuschließen.

Also liegt der Unterschied zwischen ihnen und uns nicht in ihrem (ebenso wenig wie unseren) unbedeutenden Wahlergebnis, sondern in der Politik, die wir verteidigen, und in der Tatsache, dass wir wissen, wohin wir auf der politischen Ebene gehen.

Wir haben während dieses Wahlkampfs mit unseren Ideen durchgehalten. Wir schafften es, die Verbindung mit unserem Milieu enger zu ziehen und unsere Überzeugungen zu stärken. Das ist für die Zukunft wertvoll, denn die Kraft einer revolutionären Organisation beruht nicht auf ihren Wahlerfolgen, sondern auf der Kraft ihrer Überzeugungen und auf ihrem politischen Kapital.

29. Oktober 2012