Frankreich: Die innere Lage (aus Lutte de Classe - Klassenkampf - von Dezember 2011)

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Frankreich: Die innere Lage (Dezember 2011)
Dezember 2011

Dieser Text wurde vom Lutte Ouvrière-Parteitag von Dezember 2011 verabschiedet

Allgemeine Lage

1. Die Finanzkrise und ihre Folgen haben weitgehend das Tagesgeschehen in Frankreich bestimmt, sowohl auf wirtschaftlichen wie auf politischem Gebiet.

Wie überall in der Welt haben die großen Bosse die Krise und das Kräfteverhältnis zu ihren Gunsten genutzt, um ihre Offensive gegen die Arbeitenden zu verschärfen. Dies drückt sich durch Restrukturierungen in Betrieben aus, deren Formen vielfältig sind, aber die alle darauf abzielen zu "rationalisieren", das heißt mehr Arbeit durch weniger und schlecht bezahlte Arbeiter machen zu lassen. Im Namen der "Konkurrenzfähigkeit" erhöhen alle Unter-nehmen das Arbeitstempo und setzen auf verschiedenste Art und Weise die Flexibilisierung der Arbeit, das Anwachsen der prekären Be-schäftigung und das Einfrieren der Löhne durch.

Alles dies hat selbstverständlich nicht in diesem Jahr begonnen, aber die - realen oder vorweggenommenen - Befürchtungen einer neuen Rezession und damit einer Verschärfung der Konkurrenz, drängen die Bosse immer mehr dazu, sich das, was sie zu verlieren fürchten, auf dem Rücken ihrer Zulieferer, ihrer Subfirmen etc. und mehr noch, auf dem Rücken der Beschäftigten zu holen.

2. Die von der kapitalistischen Klasse selber geführte Offensive wird durch die Politik der Regierung vervollständigt.

Die Staatsschuldenkrise (siehe den Text "Die Krise der kapitalistischen Wirtschaft") hat der Regierung den neuen Vorwand gegeben, der alle Sparmaßnahmen rechtfertigen soll: Man muss die Schulden bezahlen.

Wir kommen hier nicht auf den Klassencharakter dieses Arguments zurück. Die arbeitenden Klassen sind für die Verschuldung nicht ver-antwortlich und haben von ihr in keinster Weise profitiert.

Die Schulden des französischen Staates beliefen sich Anfang April 2011 auf 1.646 Milliarden Euro (ohne die Schulden der Kommunen). Sie sind alleine unter der Regierung Sarkozy um rund 500 Milliarden Euro angestiegen. Der Anstieg der Verschuldung ist die Folge ver-schiedenster Geschenke an die kapitalistischen Unternehmen, angefangen bei den Banken, um ihnen zu ermöglichen, die Finanzkrise von 2008, den drohenden Bankrott des Bankensys-tems verstärkt um eine drohende Rezession zu überwinden. Da die Rückzahlung jeder Tranche der Schulden die Aufnahme neuer Kredite mit Zinsen auf den Finanzmärkten impliziert, ernähren sich die Schulden von sich selber. Das ist ein ständiger Raub, mit dem der Staat die arbeitende Bevölkerung zwingt, einen wachsenden Tribut an das Finanzkapital zu bezahlen.

3. Die Parteien der Regierungslinken heben zwar die Verantwortung von Sarkozy für den Anstieg der Schulden hervor, indem sie auf den Steuerdeckel verweisen, auf die Vermögenssteuer und auf die Vielzahl von Steuernischen, die den großen Konzerne ebenso Vorteile verschaffen wie den reichen Besitzern und Aktionären. Doch sie halten die Schulden und die Verpflichtung, sie zurückzuzahlen, für heilig.

Wir werden unter allen Umständen diese Hei-lige Allianz um die Staatsschulden aufzeigen und anprangern müssen. Die Schulden wurden zugunsten des Bürgertums gemacht - das Bürgertum muss sie auch zurückzahlen!

Alle Reden, die von der Linken über eine mögliche künftige Steuerreform geschwungen werden, über eine "gerechtere" Besteuerung, sind null und nichtig, sobald sie die Schulden der Vergangenheit akzeptieren. Denn das bedeutet, dass sie weiter vorhaben, den Bankern beacht-liche Summen zu zahlen, die sie sich bei der arbeitenden Bevölkerung holen. Es ist auch die klare Ankündigung, dass die künftige Regierung, egal ob es eine rechte oder linke Regie-rung sein wird, die Sparpolitik fortsetzen wird.

4. Premierminister Fillon hat gerade einen zweiten Sparplan angekündigt. Er hatte vor drei Monaten einen ersten Sparplan in Höhe von 12 Milliarden vorgestellt, die hauptsächlich bei der einfachen Bevölkerung geholt werden sollen: zusätzliche Steuern auf Tabak, Alkohol, zuckerhaltige Getränke. Auch werden die Steuern auf Krankenzusatzversicherungen und privaten Versicherungen von 3,5% auf 7% erhöht. Dabei können sich heute schon 8 Milli-onen Menschen keine Krankenzusatzversicherungen mehr leisten.

Ganz zu schweigen von den vorherigen Maßnahmen: Krankenhaustagegeld von 16 auf 18 Euro angehoben, und von 12 auf 13,50 in psy-chiatrischen Kliniken. Im März 2011 ist der Eigenanteil für teure Pflege in Krankenhäusern von 91 auf 120 Euro angestiegen. Und immer mehr Medikamente werden nicht von der Krankenkasse übernommen.

5. Sicher, die Regierung hat gerade eine zeitweilige Steuer auf die sehr hohen Einkommen beschlossen. Sie beträgt 3% bei Einkommen zwischen 250.000 und 500.000 Euro jährlich und 4% bei Einkommen über 500.000 Euro. Dies soll 27.000 Haushalte betreffen und dem Staat 410 Millionen Euro einbringen... während die Regierung denselben Haushalten in diesem Jahr gleichzeitig mehr als 2 Milliarden Euro schenkt, weil er ihnen die Vermögenssteuer senkt.

Der neue Sparplan, den Fillon am 7. November angekündigt hat, soll dem Staat weitere 65 Milliarden Euro innerhalb von 5 Jahren einsparen. Die wesentlichen Maßnahmen sind hierbei die Erhöhung der Mehrwertsteuer von 5,5 auf 7% in der Restauration und den Arbeiten im Haushalt. Aber diese Erhöhung der Mehrwertsteuer betrifft ebenfalls den Transport (Nah- und Fernverkehr) und auch die Bücher, Kinokarten, Hotelzimmer. Die Re-gierung sagt uns, dass die lebenswichtigen Produkte nicht von der Erhöhung betroffen sein werden. Doch wer entscheidet, was lebenswichtige Produkte sind?

6. Erinnern wir uns daran, dass die Mehrwertsteuer die wichtigste Einnahmequelle des Staates ist und alle betrifft, aber im Verhältnis we-sentlich stärker auf den niedrigen Einkommen lastet. Als Maßnahme, die bis 2016 4,4 Milli-arden Euro einbringen soll, wird die Regierung die Anhebung des Rentenalters auf 62 Jahre beschleunigen: Es wird 2017 statt 2018 umge-setzt sein. Die sozialen Beihilfen wie das Kindergeld werden nicht mehr an die Inflation gekoppelt, sondern steigen ab nächstem Jahr nur noch um 1%, und erst am 1. April anstatt am 1. Januar.

Die Regierung will auch die Gesundheitsausgaben verringern, was es den Ärmsten noch schwieriger machen wird. Was hingegen die neuen Steuern auf das Kapital und die Unternehmen betrifft, so sollen diese nur 5 Milliarden von den 65 Milliarden Euro einbringen.

Das Einfrieren der Steuertabelle für die Einkommenssteuer wird automatisch zu einer Steuererhöhung für viele Steuerzahler führen. Es könnte sogar diejenigen steuerpflichtig machen, deren Einkünfte bislang unter der Be-steuerungsgrenze lagen.

7. Im Öffentlichen Dienst fährt die Regierung fort, jeden zweiten Beschäftigten, der in Rente geht, nicht mehr zu ersetzen. Im Bildungswe-sen führt dies zu einer dramatischen Verringerung der Anzahl an Lehrern und des schuli-schen Personals, mit der Folge überfüllter Klassen, fehlender Vertretungslehrer, einem dramatischen Mangel an Aufsichtspersonal, an Sozialarbeitern und Krankenschwestern in den Schulen.

Währenddessen steigen die Preise: Mieten, Sprit, Autoreparaturen, Transport, Elektrizität, ganz zu schweigen von den Nahrungsmitteln... während die Löhne stagnieren, wenn sie nicht sogar sinken.

Das Ziel einer allgemeinen und konsequenten Erhöhung der Löhne und Renten, um die bereits verloren gegangene Kaufkraft zurück zu erlangen, bleibt ein wesentliches Ziel für die Arbeitenden.

Aber angesichts der sich beschleunigenden Inflation ist es unabdingbar, diese Forderung mit der Forderung nach der automatischen Koppelung der Löhne und Renten an die Preis-steigerung zu verbinden.

In den Diskussionen um dieses Ziel ist es auch notwendig, die Frage nach der Kontrolle der Arbeitenden und der Bevölkerung über die Preissteigerungen aufzuwerfen, da die Zahlen der Regierungsämter viel zu niedrig sind.

8. Die eindeutigsten, in Zahlen gemessenen Hinweise für die Verschlechterung der Lage der Arbeitenden sind die Arbeitslosenzahlen. Sie steigen. Wir zählen derzeit vier Millionen vierhunderttausend offiziell registrierte Arbeitslose inklusive derjenigen der Überseege-biete (DOM-TOM). Die Arbeitslosen von mehr als 55 Jahren werden immer zahlreicher.

Eine angekündigte Betriebsschließung folgt der anderen: die Hochöfen von Arcelor-Mittal in Lothringen und in ganz Europa.

Große Firmen wie Peugeot-PSA haben vorbe-reitete Pläne. Drei Fabriken, die von PSA in Aulnay-sous-Bois (Seine-Saint-Denis), von Sevelnord und von Madrid, sind von Schlie-ßung bedroht. Schon jetzt kündigt PSA Stellenabbau an, angefangen bei den Leiharbeitern.

Zu den aufsehenerregenden Ankündigungen der großen Firmen, die doch bei weitem die Mittel hätten, den Erhalt aller Arbeitsplätze zu finanzieren, muss man die Folgen bei den Sub-firmen und Zulieferern hinzufügen.

Die Entlassungen, Betriebsschließungen, Preissteigerungen, die eingefrorenen Löhne, tragen dazu bei, dass heute 8 Millionen zweihundert-tausend Menschen unter der Armutsgrenze leben, die auf 954 Euro festgesetzt ist, und die Hälfte von ihnen lebt von weniger als 773 Euro im Monat.

Man schätzt, dass drei Millionen Menschen keine richtige Wohnung haben oder gar keine Wohnung. Das Gesetz SRU, das das Ziel von 20% Sozialwohnungen in Kommunen mit mehr als 3500 Einwohnern festschreibt, wird nicht eingehalten. Es fehlen eine Millionen Wohnungen in ganz Frankreich. Der Staat müsste, statt alles auf die Kommunen abzuwälzen, den Bau dieser Wohnungen übernehmen, und zwar zum Selbstkostenpreis, indem er di-rekt die für diese Tätigkeit notwendigen Be-schäftigten einstellt, vom Architekten bis zum Maurer.

Soziale Bewegungen

9. Nach der Bewegung gegen die Rentenreform und nach der Abstimmung über das Ge-setz, das die Reform der Regierung verab-schiedete, war die Demonstration am 6. November 2010 der letzte Protest gewesen.

Auf unserem Kongress im letzten Jahr haben wir zwar die Grenzen der Bewegung aufge-zeigt, der es nicht gelungen war, die Regierung zum Rückzug zu zwingen. Doch wir haben die Feststellung getroffen, dass die Bewegung "von der Mehrheit, oder zumindest von einem großen Teil der rund 3 Millionen Teilnehme-rinnen und Teilnehmer nicht als Niederlage empfunden worden ist".

Die Feststellung ist ein Jahr später selbstver-ständlich nicht mehr dieselbe.

Doch das Gefühl der Niederlage, das wir heute hören, wird heute meist von Arbeiteraktivisten ausgedrückt, gewerkschaftliche oder politische Aktivisten, die entmutigt sind und sich eher etwas von der Präsidentschaftswahl versprechen als von einem Kampf zur Verteidigung der Interessen der Arbeitenden.

Es muss erwähnt werden, dass die Gewerk-schaften nichts getan haben, um das Klima zu verändern. Wir mussten bis zum 11. Oktober 2011 warten, bis sie (ohne FO) einen zaghaften Aufruf zu einem Aktionstag ohne Fortsetzung aufriefen. Aber das Problem ist nicht einmal, was sie machen, denn in der Tat löst man kei-nen Generalstreik aus, indem man auf einen Knopf drückt. Das Problem ist, was sie sagen oder besser gesagt was sie nicht sagen, um die notwendigen zukünftigen Kämpfe zumindest in den Köpfen vorzubereiten und zu zeigen, dass gegenüber der Unternehmer und der Regierung die Arbeiterklasse nicht abdankt.

10. In den Kämpfen, die das Tagesgeschehen geprägt haben, sind ein großer Teil Kämpfe von Arbeitern, die sich mit dem Rücken zur Wand gegen Fabrikschließungen oder Massenentlassungen wehren. Dies ist der Fall bei Fralib, in Gémenos, den Bouches-du-Rhône. Dabei ist diese Fabrik Teil des multinationalen Konzerns Unilever, der keinerlei Probleme hätte, die Arbeitsplätze zu erhalten, wenn man die Arbeit zwischen allen seinen Arbeitern aufteilt.

Und vor kurzem erst war es das Presseimperium der Familie Hersant, das eines seiner historischen Zeitungen aufgibt, das Anzeigenblatt Paru-Vendu, und mehr als tausend Ar-beitenden so die Entlassung droht.

Die Arbeitenden der Aluhütte Alu-Montupet haben 8 Wochen lang gekämpft, um die Sen-kung ihres Lohns um 25% als Teil eines "Wettbewerbsfähigkeits-Plans" zu verhindern, dessen Rücknahme sie durchgesetzt haben. Aber im Gegenzug ist die Fabrik einem Vergleichsverfahren unterworfen, was vielleicht die einfache Auflösung zur Folge hat, wenn keiner Aufkäufer in Erscheinung tritt. Trotz allem haben die Arbeiter das Gefühl, einen Teilerfolg errungen zu haben, indem sie durch-gesetzt haben, dass sie die Arbeit nicht mit einer Lohnsenkung von 25% wieder aufnehmen.

Die Rechte von Sarkozy

11. Sarkozy hat seine Kandidatur für 2012 noch nicht angekündigt, aber es ist offensichtlich, dass er schon Wahlkampf macht.

Zwar ist die UMP (die Partei von Sarkozy) genauso und mehr noch als die Sozialistische Partei ein Sammelbecken, indem sich ver-schiedene Clans um mögliche heutige und künftige Präsidentschaftskandidaten gegenseitig zerfleischen - ganz zu schweigen von der Vielzahl lokaler Cliquen. Dennoch hat Sarkozy in seinem eigenen Lager keinen aktiven Konkurrenten (mit Ausnahme vielleicht Villepin, von dem man noch nicht weiß, zu welchem Preis er seinen persönlichen Hass und seine politisch-juristischen Affären vergisst).

Sarkozy profitiert selbstverständlich von der Position desjenigen, der bereits im Sattel sitzt. Er scheint aus diesem Grund der einzige, der hinter sich alle Tendenzen der UMP vereinen kann, die von den Gaullisten über einigen Zentristen bis zu den Handlangern der extre-men Rechten reichen, deren Treue zum Präsi-denten mit der Hoffnung verbunden ist, einen Platz zu behalten oder zu bekommen.

Selbst als Sarkozy noch Aufwind hatte, haben sich die Copés, Fillons und einige andere nicht für die Wahlen von 2012, sondern für die von 2017 positioniert. Doch die Wahlumfragen sagen eine Niederlage Sarkozys gegen Hollande im zweiten Wahlgang voraus. Wahl-umfragen sind nur Umfragen, doch angesichts des Hasses, den die Politik von Sarkozy hervorruft, kann diese ganze feine Gesellschaft sich leicht davon überzeugen, dass ihre Vo-raussagen zumindest wahrscheinlich sind. Ein Grund mehr für die Copés, Fillons und einigen anderen noch, sich nicht in einen von vornherein verlorenen Kampf zu werfen, sondern 2017 abzuwarten und darauf zu setzen, dass die Sozialisten in fünf Jahren genug Enttäuschung hervorgerufen haben werden, um ihnen den Platz zu überlassen.

Um diese Bewegung zu verlangsamen, stellen Sarkozy und Guéant, sein Innenminister, von neuem Themen der Inneren Sicherheit in den Vordergrund, greifen die Immigranten an und vermehren die Kolloquien über die "nationale Identität". Sie schieben auf diese Weise die Randgruppe der UMP in den Vordergrund, den nichts vom politischen Personal der Front national unterscheidet, außer dass im Moment zumindest die parlamentarische Rechte mehr Posten und Positionen zu vergeben hat.

Die Front National

12. Die Front National, die lange Zeit vom parlamentarischen Leben ausgeschlossen war, versucht erneut ihr Glück. Sie bemüht sich auf der einen Seite um diesen Teil der rechten Wählerschaft, der sich zwar in den reaktionären Ideen der Dynastie Le Pen wieder findet, aber nicht seinen provokantesten Auswürfen zustimmen. Gegenüber dieser Wählerschaft versuchen sich die Front National und ihre Kandidatin zu "entteufeln" - um einen Aus-druck der Journalisten aufzunehmen. Der Rummel um das Treffen in New York zwi-schen Marine Le Pen und dem israelischen Botschafter, um die Frage der "Kleinigkeit" des Vaters vergessen zu machen, ist ebenso komisch wie erhellend.

Aber Marine Le Pen versucht sich auch in einer gewissen sozialen Demagogie, um die Un-zufriedenheit und den Ekel eines Teils der ar-beitenden Bevölkerung gegenüber den großen Parteien zu ihren Gunsten einzufangen. Sein Kalkül basiert auf der Tatsache, dass es auf der Linken keine Partei gibt, die die Stimmen der Unzufriedenheit und die Wut der arbeitenden Bevölkerung anzieht, so wie es vor noch gar nicht so langer Zeit die PCF getan hat. Eine ganze Reihe von Themen, mit denen Marine Le Pen in Richtung der Arbeitslosen und Arbeitenden wedelt, die über ihre Lage vollkom-men verzweifelt sind und die "Parteien des Systems" ablehnen, haben sie sich aus dem Wortschatz der Kommunistischen Partei geholt, insbesondere eine ganze protektionisti-sche, nationalstaatliche Rhetorik.

13. Aber die Bemühungen Marine Le Pens, ihre Wählerschaft in Richtung dieses Teils der Wählerschaft auszuweiten, sind dadurch be-grenzt, dass der Kern ihrer Wählerschaft ein reaktionärer Kern ist, klerikal die einen, arbeitslosenfeindlich und beamtenfeindlich die anderen, und alle von Grund auf feindlich ge-genüber der Arbeiterklasse.

Das Ziel von Marine Le Pen besteht darin, bei den Präsidentschaftswahlen auf einem mög-lichst hohen Platz zu landen, um ihrer Strö-mung zu ermöglichen, auf lokaler oder regio-naler Ebene eine gewisse Anzahl an Positionen besetzen zu können. Außerdem hoffen sie so auf die Politik der Rechten Einfluss nehmen zu können, um Kombinationen auszuhandeln, die ihnen Abgeordnetenposten verschaffen oder sogar das Wahlgesetz ändern.

Wenn die Front National auch keine faschistische Partei ist und ihre Aktivisten sich nicht an den Arbeiterorganisationen vergreifen, so ver-breiten sie doch ihr reaktionäres Gefasel und vor allem eine fremdenfeindliche und immig-rantenfeindliche Rhetorik, die den Boden für eine Entwicklung in Richtung des Entstehens aktiver faschistischer Gruppen bereiten können.

Die zukünftige Entwicklung der Front National hängt jedoch weniger von dem taktischen Geschick Marine Le Pens ab, sich in die parla-mentarische Rechte einzugliedern, welche ihrerseits immer mehr von denselben reaktionären Vorurteilen geprägt ist. Sie hängt viel mehr von der Entwicklung der Krise selber ab.

Niemand kann voraussagen, ob die Front National, mit der Gunst der Krise und der Radikalisierung bestimmter Kategorien des Kleinbür-gertums, versucht sein wird, ihre reaktionären und ausländerfeindlichen Ideen in Taten umzusetzen. Sie kann jedoch als Brutstätte dienen, um rechtsextreme Aktivisten hervorzubringen, die sich nicht damit zufrieden geben, zu reden, sondern die mit Gewalt gegen Immigranten, gegen Arbeiteraktivisten, gegen Streikende vorgehen.

14. Wenn diese Vorurteile von einigen klein-bürgerlichen Milieus und auch in der einfachen Bevölkerung aufgenommen werden, so ist zu betonen, dass die Front National nichts anderes macht, als auf den nationalistischen Ideen zu surfen, die bereits von der Linken verbreitet worden sind. Selbst heute gehen die Melenchons und Montebourgs in Richtung dieser Vorurteile mit ihren Reden gegen Europa oder über die Entglobalisierung, oder mit nationalistischen Reden wie Chevènement.

Aber diejenige, die hierfür die größte Verantwortlichkeit in der Arbeiterklasse trägt, ist sicherlich die Kommunistische Partei, die jahre-lang das "französisch produzieren" verteidigt hat, sogar in Fabriken wo Arbeiter aus 20 verschiedenen Nationalitäten arbeiteten, wie an den Fließbändern der Automobilindustrie.

Gegenüber allen diesen nationalistischen Entgleisungen, die dazu beitragen, die Arbeiten-den zu entzweien, sie zu Abkapselungen in nationalen und religiösen Gemeinschaften zu drängen, und so diejenigen französischen Ursprungs an das Bürgertum zu fesseln und die-jenigen anderen Ursprungs an reaktionäre, na-tionale oder religiöse Kräfte zu fesseln, müssen wir unsere politischen Positionen ausgehend von den Klasseninteressen der ausgebeuteten Arbeiterklasse gegenüber der ausbeutenden Kapitalistenklasse bestimmen. Jeder Form des Protektionismus müssen wir die Überzeugung entgegen setzen, dass einzig die internationale Arbeiterklasse die Fähigkeit hat, wenn sie das kapitalistische Bürgertum enteignet hat, eine neue soziale Ordnung zu schaffen, die von der Ausbeutung befreit ist.

15. Auf der Wahlebene ist es wahrscheinlich, dass die Sozialistische Partei (und vielleicht sogar die Rechte) sich der "Gefahr Le Pen" bedienen wird, um eine "nützliche Abstimmung", wie sie es nennen, zu ihren Gunsten zu erreichen (nützlich wozu und für wen, weiß man nicht). Dies wird wohl ab dem 1.Wahlgang der Fall sein, und die Wähler der Linken werden in dieser Richtung Druck auf uns ausüben.

Wir müssen mit Verachtung diese Art von Erpressung zurückweisen. Der Anstieg von Marine Le Pen ist die Folge des Ekels, den die Regierungsparteien hervorrufen durch ihre Dienstfertigkeit gegenüber den großen Bossen und Finanzmärkten (beide Begriffe bezeichnen dieselbe kapitalistische Klasse).

Die Sozialistische Partei (PS)

16. Die Sozialistische Partei ist letztlich gut aus der Affäre gezogen mit ihren Vorwahlen, die Hollande zum Kandidaten gekürt haben. Die Kandidatur Hollande wird formell von den anderen Strömungen akzeptiert, auch wenn selbstverständlich die unterschiedlichen An-sichten und die persönlichen Interessen bleiben.

Wie stark auch die Rivalitäten zwischen den sozialistischen Parteioberer sind, von denen man bei den Vorwahlen nur einen kleinen und stark überwachten Vorgeschmack bekommen konnte - sie alle haben ein Interesse daran, dass einer von ihnen den Posten des Präsidenten erobert, um sich dann um die Ministerposten streiten zu können. Scheinbar hat dies schon begonnen: Dass sie sich so eifrig Hollande anschließen, ist sicher nicht nur der unbegrenzten Liebe für die strahlende Seite seiner Persönlichkeit und für die Tiefe seines Programmes geschuldet!

Keiner der rivalisierenden Stars der PS kann es sich erlauben, als derjenige zu gelten, der einen Regierungswechsel zugunsten der Linken in einem Moment verhindert hat, in dem die Rechte besonders in Misskredit geraten ist. Dennoch versuchen gleichzeitig alle ihre Ein-zigartigkeit hervorzuheben, mit Blick auf die Zeit nach Mai 2012 und, für einige, sogar mit Blick auf die nächsten Wahlen 2017. Dabei ist es egal, ob ihre Positionierung sich wie bei Valls offen an die rechte Wählerschaft mit ihrer "Inneren Sicherheit" richtet oder wie Montebourg an die Wählerschaft, die auch Mélenchon zu erreichen versucht. Dies alles ist nichts als ein Spiel unter Politikern, in denen die Interessen der ausgebeuteten Klassen nicht vorkommen. Aber es ermöglicht der PS, viele Stimmen einzusammeln, ohne dass Hollande selber sich bezüglich irgendetwas festlegen müsste.

17. Das wichtigste Argument im Wahlkampf der PS ist, dass ihr Kandidat der einzige ist, der gegen Sarkozy gewinnen kann. Aber die PS macht keinerlei Versprechen bezüglich irgendwelcher Maßnahmen, die die Arbeitenden gegen die Gier der Bosse verteidigen könnten. Nichts gegen die Entlassungen, nichts gegen die Arbeitslosigkeit, nichts über die Erhöhung der Löhne und Renten, nichts über die Sozialleistungen. Und die einzige zahlenmäßig fest-gesetzte Maßnahme sind die berühmten 60.000 Arbeitsplätze, die innerhalb von 5 Jahren im Bildungswesen geschaffen werden sollen. Doch diese sollen durch Stellenstreichungen in anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes bezahlt werden, wie Michel Sapin, Mitglied des Wahlkampfteams von Hollande, verlauten ließ.

Und was die angebliche Rückkehr zur Rente mit 60 Jahren angeht, so ist sie nichts als eine Attrappe, denn man soll auch erst mit 41,5 Beitragsjahren in Rente gehen können oder große Abzüge hinnehmen.

Wir wissen nicht, ob das "alles, nur nicht Sarkozy" genügt, um Hollande zum Sieg zu verhelfen. Aber sicher ist: Auch wenn die Arbeitenden Sarkozy nicht mehr wollen, so werden sie in Hollande keinen Verteidiger ihrer Interessen finden, umso weniger, als dieser bereits jetzt ankündigt, dass ihn der Zustand der öf-fentlichen Finanzen zu Einsparungen zwingen wird.

Die Kommunistische Partei (PCF) und die Wahlen

18. Die PCF wird bei der Präsidentschaftswahl von 2012 keinen eigenen Kandidaten haben, da ihre Führung entschieden hat, die Kandidatur von Mélenchon zu unterstützen, der kein Kommunist ist und nicht einmal Mitglied der PCF.

Dies ist nicht das erste Mal. 1974 hatte die PCF vom ersten Wahlgang an François Mitterand unterstützt und dafür keinen eigenen Kandidaten aufgestellt. 1965 hatte sie das schon getan, obwohl Mitterrand noch nicht einmal Mitglied der Sozialistischen Partei war.

Und muss man daran erinnern, dass die Politik der PCF auch nicht kommunistischer war unter Marie-George Buffet, Robert Hue oder Maurice Thorez, auch wenn das Wort "kommunis-tisch" immer noch im Namen dieser Partei vorkommt? Indem sie eine stalinistische Partei geworden ist, vor langer Zeit schon, hat die PCF aufgehört, die kommunistische Perspektive zu verteidigen. Dies war noch viel schlimmer 1945 bei der Befreiung, wo die PCF einen wirklichen Einfluss in der Arbeiterklasse hatte und wo sie diesen Einfluss in den Dienst von De Gaulle gestellt hat, um der Bourgeoisie wieder in den Sattel zu helfen.

19. Wir wissen nicht, wie groß die Zahl derer ist, die in der PCF sich geweigert hat, die Kandidatur von Mélenchon zu unterstützen. Ihre Gründe sind sicher eher der Ausdruck eines Parteipatriotismus als einer wirklichen kommunistischen Politik, die der Politik der Führung entgegensteht.

Dennoch sagen uns hier und da einzelne Aktivisten oder Sympathisanten der Kommunistischen Partei, dass sie sich den von Nathalie Arthaud vertretenen kommunistischen Ideen näher fühlen als Mélenchon. Werden sie so weit gehen, für uns zu stimmen? Das ist eine andere Sache.

Was uns betrifft, so werden wir jedenfalls versuchen, uns im Rahmen unserer Möglichkeiten an sie zu wenden, und sei es nur um zu beto-nen, dass unsere Kandidatin nun die einzige ist, die sich auf den Kommunismus beruft.

In unser täglichen Politik, in den Betrieben oder den Arbeitervierteln, wo wir Aktivisten der PCF treffen, die von der allgemeinen Entwicklung der PCF angewidert sind und von dem Abdanken ihrer Führung vor Mélenchon, müssen wir selbstverständlich mit ihnen disku-tieren. Aber wir müssen über das Grundsätzli-che diskutieren. Wir müssen ihnen begreiflich machen, dass es kein Zufall ist, dass nicht die PCF - obwohl eine große Partei mit einst be-achtlichem Anklang in der Arbeiterklasse - weiterhin die Fahne des Kommunismus aufrecht hält, sondern eine kleine Strömung, die sich auf Trotzki beruft und der von der Füh-rung ihrer Partei jahrzehntelang das Wort verboten wurde.

Wir müssen mit ihnen erneut über die Bedeutung diskutieren, die für sie das Wort Kommunismus hat. Zwar ist die PCF von heute bezüglich der Zahl ihrer Aktivisten, ihres Einflusses in den Unternehmen, ihres Anklangs in der Wählerschaft kaum noch zu vergleichen mit dem, was sie vor 30 Jahren war, als Mitterand an die Macht kam. Aber wir sind dennoch zu klein, als dass diese Frauen und Männer bei uns ein Umfeld für politische Aktivitäten finden würden, an das sie in ihrer Partei gewohnt waren. Aber wir können sie vielleicht in einer gewisser Zahl von politischen Ideen überzeu-gen, und sie vielleicht an unserer Seite wieder finden, falls es zu einem neuen Anstieg der Kämpfe in der Arbeiterklasse kommt.

Die Linkspartei und Mélenchon

20. Mélenchon ist ein politischer Coup ge-glückt, indem er nicht nur zum Präsidentschaftskandidaten seiner Partei, der Linkspartei, gekürt wurde, sondern auch zu dem der Kommunistischen Partei. Erstens aus wahltak-tischen Gründen: Das Gewicht der PCF schrumpft hier zwar immer weiter zusammen, aber es ist dennoch nicht zu vernachlässigen. Es zeigt sich fast gar nicht bei den Präsidentschaftswahlen - seit dem Wahlergebnis von Marchais 1981, haben Robert Hue genau wie Marie-George Buffet nur Ergebnisse erzählt, die mit denen der extremen Linken vergleichbar waren oder sogar unter ihnen lagen. Bei den Parlamentswahlen jedoch, und mehr noch bei den verschiedenen Ebenen lokaler Wahlen, kann die Unterstützung durch die PCF entscheidend sein, um einen Platz als Abgeordne-ter im Parlament, im Landtag oder in der Stadt zu erringen.

Zweitens aber auch, was die Aktivisten betrifft: Auch wenn die PCF viele ihrer Aktivisten verloren hat, die entmutigt sind, so verfügt die PCF doch über viel mehr Aktivisten als die Linkspartei von Mélenchon, und - erwähnen wir es als Erinnerung - als die Einheitliche Linke von Picquet. Dank der PCF verfügt Mélenchon über eine Kampftruppe an Aktivisten.

21. Auf politischer Ebene ist der Versuch von Mélenchon die Fortsetzung einiger anderer, die in der Vergangenheit dann, wenn die Sozialis-tische Partei in Misskredit geraten zu sein schien, eine reformistische Alternative mit ra-dikalerer Sprache schaffen wollten. Keiner dieser Versuche, angefangen bei der PSU, ist es gelungen, den Platz der PS einzunehmen.

Wird Mélenchon mehr Glück haben als seine Vorgänger? Es ist müßig, sich in Vermutungen zu verlieren. Die Umfragen geben ihm rund 7%, was in Anbetracht seiner Ambitionen nicht sehr überzeugend ist. Außerdem ist die Wahl noch nicht gelaufen. Und wir werden nach der Wahl sehen, wie solide sein Bündnis mit der PCF ist.

Bis dahin kann Mélenchon umso einfacher eine radikalere Sprache verwenden und auch den Arbeitenden zahlenmäßige Versprechen machen wie "ein Mindestlohn von 1700 Euro brutto im Monat bei 35 Wochenstunden" oder auch "eine allgemeine Neubewertung der Löhne und Renten" oder sogar "ihre Koppelung an die Entwicklung der Lebenshaltungskosten" - denn diese Versprechen binden nur ihn selber, oder besser gesagt die, die ihm glauben wer-den, aber ganz sicher nicht eine eventuelle Linksregierung.

Wird er Teil einer solchen Linksregierung sein? Das wird von seinem Wahlergebnis bei der Präsidentschaftswahl abhängen und von dem Nutzen, den sich eine sozialistische Regierung davon verspricht, keinen Gegner zu ihrer Linken zu haben. Aber die politische Per-spektive Mélenchons bleibt jedenfalls, dass er zum Sieg der Linken aufruft, auch wenn er vorgibt, dass er dabei auf deren Politik Einfluss ausüben wird.

22. Wir werden in dieser Wahl sicherlich in Konkurrenz zueinander stehen. Aber dies hat weniger mit dem Mann als solchen zu tun als mit den reformistischen Ideen, die er vertritt, und die trotz seiner radikaleren Phraseologie als die der PS realistischer und damit glaub-würdiger erscheinen wird als die revolutionäre kommunistische Sprache, der wir in dieser Wahl Gehör verschaffen wollen. Aber die Idee, dass Wahlen ein Thermometer sind, gilt nicht nur für den Vergleich der Ergebnisse von Hollande und Mélenchon, sondern ebenso für die Ergebnisse von Mélenchon und Nathalie Arthaud. Anders als die Fragen einiger Journa-listen suggerieren und was uns als Frage auch in unseren Aktivitäten oft begegnet, bedauern wir nicht, dass Mélenchon zur Wahl antritt und einen Teil unserer Wählerschaft anzieht. Genauso wenig akzeptieren wir den "Einheits"-Druck, der uns zugunsten Mélenchons zum Schweigen bringen soll. Die Linkspartei und Lutte Ouvrière vertreten zwei sehr verschiedene Orientierungen und es ist nützlich, dass die linke Wählerschaft in der arbeitenden Bevölkerung ihre eigene Orientierung ausdrücken kann, indem sie zwischen einer reformistische Orientierung und einer revolutionären kommu-nistischen Strömung entscheiden.

Umwelt

23. Die Partei Europe Écologie - Les Verts (EELV) (die Grünen) hat sich dazu entschie-den, Eva Joly als Kandidatin aufzustellen, auch wenn einige Grüne wie Daniel Cohn-Bendit einen Aufruf zur Wahl der PS ab dem 1.Wahlgang gewünscht hätten. Aber die Ver-handlungen mit der PS um ein Regierungspro-gramm und die Aufteilung der Posten bei den Parlamentswahlen haben bereits begonnen.

Während wir diesen Text schreiben, scheinen die Grünen, die zunächst den Ausstieg aus der Atomenergie zur Bedingung eines Bündnisses mit der PS gemacht hatten, ihre Ansprüche herunterzuschrauben. Ein Kompromiss scheint sich abzuzeichnen mit dem Vorschlag von Hollande, einige Kraftwerke stillzulegen und bis 2025 den Anteil der Atomenergie auf 50% zu reduzieren.

Die PS ihrerseits scheint zu einer Wahlreform bereit, die etwas mehr Proportionalität einführen würde (innerhalb welcher Grenzen und bei welchen Wahlen, weiß man nicht) und vor allem dazu, der EELV eine Fraktion von 15 Abgeordnete im Parlament zu verschaffen (heute hat sie 4). Das bedeutet, dass die PS der EELV einige Wahlkreise reserviert. Aber das scheint nicht zu gefallen, weil die EELV sich in der Tat viel mehr Abgeordnete wünscht.

Was auch immer bei diesen Verhandlungen herauskommt: Man sieht, dass die ganze Demagogie über den sofortigen Ausstieg aus der Atomenergie der Verlockung einiger zusätzlicher Abgeordnetenposten nicht lange widerste-hen wird. Umso weniger, weil die Grünen die Umweltsorgen ungefähr ebenso vertreten wie Hollande den Sozialismus!

24. Atomenergie: Viele in der extremen Linken machen nach der Katastrophe von Fukushima viel Wind um den "sofortigen" Ausstieg aus der Atomenergie, die als die gefährlichste Energiequelle für die Bevölkerungen darge-stellt wird.

Natürlich muss man alle Angriffe auf die Si-cherheit in der Atomkraft anprangern, aber auch in der Kohleförderung, in den chemischen Komplexen, in der Erdölförderung oder gene-reller in allen Bereichen der industriellen Produktion, in den Fabriken oder in den Pharma-konzernen, und man muss eine vollständige Transparenz und die Kontrolle aller verschmutzenden und gefährlichen Aktivitäten durch die Bevölkerung fordern. In der ganzen Welt sterben tausende Menschen in den Kohlewerken, bei der Förderung der Erze, bei chemischen Explosionen, bei Atomkatastrophen, bei mit der Wasserenergie verbundenen Über-schwemmungen, aufgrund der Verwendung von Asbest.

Die Menschheit von einem Ende der Erde bis zum anderen wird in Kenntnis der Sache über ihre Energiequellen und ihre landwirtschaftli-che und industrielle Produktion entscheiden müssen, aber sie wird dies erst machen können, wenn sie von der Diktatur der kapitalistischen Konzerne und ihrer Profitgier befreit ist.

Auf die Frage "Ausstieg aus der Atomenergie oder Ausstieg aus dem Kapitalismus", ist unsere Wahl schon von je her eindeutig, schon lange bevor die Angst vor der Atomkraft und ihren Folgen im Kleinbürgertum Deutschlands und Frankreichs eine Strömung dazu gebracht hat, daraus ihr politisches Kapital zu machen, um gewählt zu werden.

Zum Abschluss

25. Bislang haben sich alle Wechsel in Folge der Präsidentschafts- oder Parlamentswahlen darauf beschränkt, die politische Mannschaft an der Macht durch eine andere zu ersetzen, mit einer leicht anderen Sprache je nach ihrer Wählerschaft, jede mit ihren besonderen Maßnahmen, aber die beide letztlich grundsätzlich die gleiche Politik verfolgen.

26. Die Antwort auf die Frage, ob es bei den kommenden Präsidentschafts- und Parlamentswahlen 2012 ebenso zugehen wird oder nicht, hängt viel mehr von der Entwicklung der Krise als von den Reden und Versprechungen der politischen Mannschaften ab. Schauen wir uns an, mit welcher Geschwindigkeit die Rückstöße der Finanzkrise das politische Ei-nerlei umgewälzt haben, zunächst in Griechenland und in gewissem Maße in Spanien, und heute in Italien.

Ob nun Sarkozy entgegen der derzeitigen Umfragewerte gewinnt oder ob Hollande der Sieger sein wird: Beide werden die Sparpolitik führen, die von der Entwicklung der Finanzkrise verlangt wird. Und die Schläge gegen die arbeitende Bevölkerung werden nicht einmal gemäßigt oder gebremst durch die Nähe der Wahlen.

Aber die politischen Folgen der Einsparungen werden nicht dieselben sein je nachdem, ob eine rechte Regierung oder eine linke Regie-rung sie führt. Die PS in der Opposition zeigt sich sehr gemäßigt und verantwortungsbewusst bezüglich der unpopulären Maßnahmen, die eine rechte Regierung ergreift Doch die Rechte und extreme Rechte wird keine Komplexe haben, den linken Parteien und darüber hinaus den Arbeiterorganisationen und vor allem den "maßlosen" Forderungen der Arbeitenden die Politik vorzuwerfen, die die linke Regierung führt.

Freie Fahrt wird dann die Demagogie gegen die Beschäftigten im öffentlichen Dienst erhalten, die viel zu viele wären für die Arbeit, die sie zu erledigen hätten; gegen die Immigranten, die Schuld wären an der Arbeitslosigkeit; gegen die Sozialhilfen, die den Staatshaushalt belasten würden; gegen die zu hohen Sozialabgaben usw.

27. Es ist unmöglich vorauszusehen, ob eine soziale Krise einer politischen Krise vorausgeht oder umgekehrt, doch die beiden drohen miteinander verbunden zu sein.

Der ruhige Alltag des Abwechselns im bürgerlichen parlamentarischen Regime droht gestört zu werden. Die Zukunft hängt von der Frage ab, ob ein neues politisches Gleichgewicht aus-schließlich von dem Bürgertum und seinen politischen Kräften abhängt, die sich auf dem Boden des Kapitalismus befinden. Oder ob die Arbeiterklasse in der Lage ist, politisch einzu-greifen mit ihren eigenen Perspektiven, die denen des Bürgertums diagonal entgegenste-hen.

Deshalb bleiben unsere grundsätzlichen Aufgaben vor, während und nach den Wahlen dieselben wie immer: dafür zu kämpfen, dass in diesem Land wie im internationalen Maßstab wieder eine Partei entsteht, die die politischen Interessen der Arbeiterklasse vertritt, eine re-volutionäre kommunistische Partei. Niemand kann voraussehen, ob die Zeit hierfür vorteil-hafter oder im Gegenteil schwieriger wird. Wir wissen nur, dass wir so ziemlich die einzigen sind, die uns klar in diese Perspektive stellen und dass wir machen müssen, was wir zu machen haben.

12. November 2011