"Rouge" (Rot), die Wochenzeitung der LCR, vom 13. März 2008 schlägt eine Analyse der Ergebnisse der ersten Kommunalwahlrunde vor. Die Zeitung enthält eine zentrale Doppelseite mit dem Titel: "Erfolg der Antikapitalisten". Sie rekapituliert alle Listen je nach Departement.
Einige Listen werden als "100 % links LCR-Listen" bezeichnet und sind mit einem schwarzen Punkt gekennzeichnet. Andere Listen, die durch einen roten Punkt hervorgehoben sind, werden "Einheitslisten mit anderen Kräften" genannt. All das ist völlig klar, zumal auch ein Untertitel den Inhalt der Tabelle zusammenfasst: "Die LCR hat mehr als 200 Listen in den Kommunalwahlen präsentiert oder unterstützt. Mehr als 110 davon überschreiten die 5 %-Grenze, 32 überschreiten die 10 %, und erhalten 73 Mandate".
Die LCR hat allen Grund sich zu freuen: Diese Ergebnisse sind ehrenhaft, auch da, wo die Listen 5 % nicht erreichen. Wenn man sich die Tabelle jedoch genauer ansieht, bietet diese einige Überraschungen. Zunächst ist die Anzahl der präsentierten Listen nicht richtig.
Der Leser, so wohlwollend er der LCR gegenüber auch gesonnen sein mag, kann die Listen so oft nachzählen wie ihm lieb ist, er wird dennoch nur 187 vorfinden. Man wird uns vielleicht sagen: Zwischen 187 und mehr als 200 ist der Unterschied wohl kaum astronomisch, zumal nicht präzisiert wird, ob "mehr als 200" 201 oder 299 bedeutet.
Selbstverständlich ist Irren menschlich und der Redakteur der Tabelle ist vielleicht kein sehr guter Mathematiker. Aber am Abend des zweiten Wahldurchgangs spricht Olivier Besancenot in seinen Fernsehinterventionen weiterhin von "mehr als 200 Listen", was besser klingt als 187.
Ein halbwegs neugieriger Leser würde zu Recht die Frage stellen: Wie viele von den "mehr als 200 Listen" - nunmehr 187 - wurden von der LCR allein präsentiert und wie viele davon sind Einheitslisten? Um das zu wissen, muss er die Listen in der Tabelle eine nach der anderen zählen, um festzustellen, dass die Anzahl der Listen "100 % links LCR-Listen" 78 beträgt, während es 109 Einheitslisten gab.
Aber was sind diese "Einheitslisten" eigentlich? Und wer sind die Kommunalmandatsträger, die die LCR so leicht unter den "antikapitalistischen" einordnet? Dieser Begriff ist übrigens ausreichend zweideutig, damit ein wenig aufmerksamer Leser "gewählte VertreterInnen der LCR" verstehen kann.
Selbstverständlich sind wir nicht in der Lage, eine auf diese Fragen ausreichend befriedigende Antwort zu geben. Aber nach der Feststellung, dass in Alfortville (Pariser Vorort) der einzige gewählte Vertreter der Einheitsliste ein Mitglied von Lutte Ouvrère (LO - Arbeiterkampf) ist, fängt man an, sich Fragen zu stellen.
Der Leser wird andere, gleichartige Fälle entdecken. Zum Beispiel in Saint-Quentin (Picardie). Für diese Stadt vermerkt die Tabelle von "Rouge" stolz, dass die Liste "Die Linke mit Kraft" 39,13 % der abgegebenen Stimmen und 9 gewählte Vertreter erhalten hat. Es wird lediglich darauf verzichtet zu präzisieren, dass die Listenführerin der Sozialistischen Partei (SP) angehört, und dass die Liste gemeinsam von der SP, der Kommunistischen Partei (KP), LO, der PT (Partei der Arbeiter), der LCR und den Grünen im Rahmen eines Einheitsabkommens präsentiert worden war. Natürlich war diese einheitliche Vereinbarung nicht "technisch", wie die LCR gerne sagt. Unsere auf dieser Liste gewählte Genossin ist also nicht die Einzige, die von der LCR einverleibt wird, auf die nur ein einziger von den 9 MandatsträgerInnen dieser Einheitsliste entfällt...
Dasselbe gilt für andere Städte, wie zum Beispiel Nouzonville in den Ardennen. Die Liste "Nach links für Nouzonville" hat wohl 28,94 % der Stimmen und 4 gewählte Vertreter erhalten, aber nur eine Einzige ist von der LCR. Oder in Lanester (Bretagne), wo die Liste "Konsequent nach links!" 24 % der Stimmabgaben erhalten hat sowie 4 gewählte Vertreter, von denen aber kein einziger der LCR angehört (einer davon ist auch in diesem Fall von Lutte Ouvrière)!
Eine andere Merkwürdigkeit: die Liste in Malakoff. Sie heißt "Anders links" und wird in der Tabelle von Rouge als eine "100 % links LCR-Liste" angeführt. Eine "echte" LCR-Liste, um einen beliebten Ausdruck unserer Genossen zu übernehmen. Nun gibt es da die politische Identität, die gewisse Kandidaten auf der offiziellen Liste für sich angeben: "Politischer Dilettant, Staatsbürgerlicher Dilettant", "Desillusionierter Bürger" "Jazzmusiker, der ,liberterre' ist" (unübersetzbares Wortspiel - libertaire = Anarchist / terre = die Erde), "Geschiedener Mensch und décroissant chaud" (décroissance = Befürworter der Wachstumsrücknahme-Theorie / croissant chaud = heißes Croissant - unübersetzbares Wortspiel) und "Globalisierungsgegner und Bürger aus Groland" (Groland = satirische Fernsehsendung in Frankreich)!
Man kann selbstverständlich "liberterrer Jazzmusiker" oder "desillusionierter Bürger" sein und gleichzeitig ein ebenso ehrenhafter Mensch sein wie die AktivistInnen einer Organisation, die sich als revolutionär und als kommunistisch bezeichnet. Aber die einen und die anderen haben nicht dieselbe politische Identität. Oder ist diese Liste mit ihrem freudenreichen Eklektizismus etwa die Vorwegnahme der Neuen Antikapitalistischen Partei - für Insider: NAP - in der die LCR vorhat, sich aufzulösen?
Das alles ist nicht sehr ernsthaft. Aber was soll man davon halten, dass "Rouge" darüber "informiert", dass sich Lutte Ouvrière in Perpignan nicht von der SP-Liste zurückgezogen hat, obwohl diese zwischen den beiden Wahlrunden beschlossen hat, sich mit der Liste von Modem (Liberalen) zusammenzuschließen. Die Information der LCR ist natürlich falsch. Wenn sie nicht richtig gestellt wird, wird sie sich als lügnerisch erweisen.
Aber kommen wir zurück zum Showeffekt, der die Anzahl der präsentierten Listen oder der Anzahl der Mandatsträger betrifft: Mangel an Ernsthaftigkeit? Bluff? Warum, zum Teufel, übertreibt die LCR Ergebnisse, angesichts derer sie nicht zu erröten braucht. Weshalb sollte man im Übrigen vor einem Wahlergebnis erröten? Freilich werden nur jene getäuscht, die es sein wollen...