Weil wir bei der Weltkonferenz von April 1966 erklärt haben, dass die IV. Internationale tot war und dass sie wieder aufgebaut werden sollte, haben die einladenden Organisationen des Internationalen Komitees uns aufgefordert - falls wir es wagten - die logischen Schlussfolgerungen unserer Behauptungen zu ziehen, was die Ablehnung des Programms und des Titels bedeutete. Denn nach dem Zusammenbruch der II. Internationale hatte Lenin die Notwendigkeit gezogen, die III. Internationale und ein neues Programm zu schaffen, und nach dem Versagen der III. hatte Trotzki auf die Notwendigkeit geschlossen, die IV. und ihren Programm zu verkünden. Es war letztendlich ganz logisch, dass wir, indem wir das Kind mit dem Bade ausschütteten, die Notwendigkeit der Gründung der V. Internationale ausriefen und die Ausarbeitung eines neuen Programms unternahmen. Und sie fügten sinngemäß hinzu: "Der Zusammenbruch der II. war mit der Entwicklung einer sozialen Kraft, dem Reformismus, verbunden; die Entartung der III. war wiederum mit der Geburt und der Entwicklung einer sozialen Kraft, dem Stalinismus, verbunden. Welche soziale Kraft ist also mit der die Entartung der Vierten verbunden? Aber wir konnten in der Gesellschaft keine andere soziale Kraft ausmachen, als diejenigen, die dem Auftreten und der Entwicklung von Reformismus und Stalinismus zugrunde lagen". Schlussfolgerung: Eine Entartung der Vierten ist nicht möglich.
Dieser Gedankengang beruht in Wirklichkeit auf einem Betrug. Es ist offensichtlich, dass der Zusammenbruch der IV. nicht auf die Entwicklung einer neuen Sozialklasse beruht. Ihre Existenz war so gering, dass sie gar nicht auf irgendetwas beruhen konnte. Und das gerade war ihr Drama.
Man soll keinen Maß oder keine Ehrlichkeit haben, um in diesem Punkt die Vierte mit denen zu vergleichen, welche ihr vorangegangen sind. Nicht nur Prinzipien oder Programme haben diese Internationalen verraten aber auch Millionen Menschen, die sie nach einem Grundziel gesammelt und organisiert hatten: der sozialen Revolution. Diese Millionen Menschen stellten die Avantgarde der internationalen Arbeiterklasse dar. Und diese Avantgarde musste zuerst von den sozialistischen und revolutionären Ideen überzeugt werden. Das war niemals eine leichte Aufgabe. Welches ihr Entartung- oder Korruptionsgrad gewesen ist, hatten zuerst die II. und III. Internationalen damit begonnen, die Hoffnungen der besseren Arbeiterkämpfer an sich anzuziehen.
Stalinismus und Reformismus waren das dialektische Ergebnis der Verhältnisse der Partei, der Massen, die sie leiteten, und der Gesellschaft, in welcher sie sich zu einer gegebenen historischen Zeit entwickelten. Aber die Geschichte der IV. ist die ihrer Isolierung. Sie hat den riesigen Druck des äußeren Milieus und der Bedingungen der Epoche ständig erlitten, ohne den einzigen Einfluss auf sie zu haben. Es ist auch nicht nötig, ganz neue soziale Kräfte außerhalb der IV. Internationale zu holen, und die nachsichtig geboren würden, um sie zu verderben. Die ganz formelle historische Analogie dient nur dazu, die Wirklichkeit zu tarnen und sie erklärt nichts. Reformismus und Stalinismus haben die Arbeitermassen und ihre organisierte Avantgarde zum Profit des Bürgertums und der stalinistischen Bürokratie verraten. Die Vierte hat ihrerseits niemanden verraten, weil sie niemanden gewonnen hat. Sie hat niemals, wenigstens in den entwickelten kapitalistischen Ländern Europas und Amerikas, den geringsten Einfluss auf die Arbeitermassen und ihre Kämpfe gehabt. Die IV. Internationale ist für die Arbeiterbewegung, die in den meisten Fällen sie nicht kennt, niemals eine Leitung gewesen. Das ist eine schwere aber zweifellose Feststellung. Und als es einmal einer trotzkistischen Partei - auf Ceylon - gelungen ist, eine einflussreiche Partei zu werden, war das auf einer kleinbürgerlichen Grundlage, die sie sogar zum Bruch mit dem Pablismus brachte.
Es ist genau die Frage, es zu wissen, ob diese Isolierung mit den trotzkistischen Ideen und Programm organisch verbunden ist, oder ob es einen anderen möglicher Entwicklungsweg gab, und welchen.
Um die fortdauernde Isolierung der Linken Opposition, und später dann der Vierten Internationale, zu erklären, reicht es nicht, die außerordentlich schwierigen Bedingungen anzuführen, unter denen sie entstanden und sich entwickelten. Das Gewicht der historischen Bedingungen ist beträchtlich aber der Revolutionär darf sich von ihnen nicht erdrücken lassen. Dem berufenen Revolutionär ist jeder Fatalismus fremd.
Die Vierte Internationale wurde in einer Zeit der internationalen Niederlage des Proletariats geboren, unter dem wachsenden Anstieg des Faschismus, zu einer Zeit, als die Bolschewiki-Leninisten in der Sowjetunion vernichtet wurden. Sie schwamm gegen den Strom und die objektive Lage war für sie zweifellos ungünstig.
Trotzki kannte diese Situation besser als jeder andere. Und besser als jeder andere kannte er die Fehler und Schwächen der jungen Kader der Vierten Internationale. Er wusste, dass in einer Zeit, in der die Arbeiterklasse zurückweicht, es vor allem Intellektuelle sind, die das Vertrauen in die revolutionären Ideen und die Zukunft wahren.
"Eine neue revolutionäre Tendenz, die zu einem bestimmten Zeitpunkt gegen die allgemein herrschende Strömung der Geschichte geht, kristallisiert sich zuerst um Menschen, die vom konkreten Leben in ihren Ländern mehr oder weniger abgeschnitten sind, ganz gleich, um welche Länder es sich handeln mag. Und es ist eben genau für diese Menschen am schwersten, sich zu den Massen Zutritt zu verschaffen. Selbstverständlich sollen wir den sozialen Aufbau unserer Organisation kritisieren und ihn ändern, aber wir sollten ebenso verstehen, dass er kein Ergebnis des Zufalles ist. Im Gegenteil, wir müssen verstehen, dass er sowohl von der objektiven Situation als vom Charakter unserer historischen Mission in dieser Zeit bestimmt ist."
Und Trotzki fügte hinzu: "Das bedeutet nicht, dass wir uns mit dieser Situation begnügen dürfen". Er führte weiter aus: "Es gibt in Frankreich Genossen wie Naville und noch andere, die vor fünfzehn, sechzehn Jahren zu uns gekommen sind, als sie noch sehr junge Menschen waren. Sie sind jetzt reife Menschen und haben während ihres ganzen bewussten Lebens nur Schläge eingesteckt. Sie haben nur Niederlagen erlitten, und sie sind daran gewöhnt. Die Richtigkeit ihrer Ideen wissen sie besser zu schätzen, sie sind zu guten Analysen fähig. Aber niemals sind sie fähig gewesen, in die Massen einzudringen, dort zu arbeiten; sie haben es niemals lernen können. Nun ist es aber absolut notwendig zu beobachten, was in den Massen vorgeht." (Trotzki, April 1939, Interview von C.L.R. James)
"Wir sind die Avantgarde der Avantgarde", sagte Trotzki auch, und genau das war die IV.
In der sehr knapp bemessenen Zeit, die bei der Gründung der IV. bis zum absehbaren Krieg blieben, bestand die Aufgabe der Stunde darin, die Avantgarde zu gewinnen. Die Sektionen der Internationale hatten weder die Zeit noch die Mittel, die Partei, die notwendig gewesen wäre, aus ihrer eigenen Entwicklung heraus zu schaffen, und sicher nicht, die Massen zu erobern.
Nachdem die Gespräche über einen Zusammenschluss mit der PSOP von Marceau Pivert fehlgeschlagen waren, trat eine Minderheit der französischen Sektion der IV. (POI) individuell in die PSOP ein, während die Mehrheit von der IV. ausgeschlossen wurde. Am Vorabend des Krieges gab es also keine Sektion mehr in Frankreich, die von der IV. anerkannt wurde.
"Die IV. Internationale trägt keine Verantwortung mehr für die POI und erkennt sie nicht mehr als Sektion an." (Juli 39). Im September brach der Zweite Weltkrieg aus und er hatte zur Folge die Auflösung der linksextremen Organisationen und die Zersplitterung der PSOP und der verschiedenen französischen trotzkistischen Gruppen. Zumindest in Frankreich hatte die IV. keine konkrete Existenz mehr. Und man wird sich kaum vertun, wenn man sagt, dass sie keine Zeit gehabt hatte, zu leben.
September 1938: Gründungskongress der IV., September 1939: Beginn des Zweiten Weltkrieges, August 1940: Mord von Leo Trotzki. Die Vierte hatte die Avantgarde nicht gewonnen, sie hatte seinen Theoretiker und seinen Organisator verloren.
Es blieb eine Fahne, es blieb ein Programm, es blieb schließlich zahlreiche sich auf den Trotzkismus berufende Organisationen. Es war eine unendlich schwächere Startbasis als im Jahre 1938 aber es war trotzdem eine Startbasis.
Auch die Zeiten hatten sich geändert. Der Weltkrieg hatte keine revolutionäre Welle hervorgebracht, die mit jener von 1917-18 vergleichbar gewesen wäre, die konterrevolutionäre Allianz der Kreml-Bürokratie und des Imperialismus hatte der Bewegung der Massen zuvorkommen und sie Schach halten können, aber die Strömung war nicht mehr auf die kommende Niederlage ausgerichtet. Wenn die bürgerliche Ordnung aus dem Krieg nicht erschüttert herauskam, war sie trotzdem zutiefst unsicher und von innen her morsch (die Unabhängigkeitsbewegung der Kolonien wird eine Demonstration dieser Schwäche und dieser Widersprüche sein). Die Aufgabe der Revolutionäre war von diesen neuen Bedingungen vorgeschrieben.
Man musste die Partei und die Internationale aufbauen.
Als Leitung für die Weltarbeiterbewegung besteht eine Internationale nur, wenn ihre Sektionen bestehen. 1938 wurde die Internationale verkündet aber ihre Aktionen hatten meistens nur eine Embryonalexistenz. Ihre Kraft lag in der Zukunft, sie gab den künftigen Kadern der Arbeiterbewegung ein Programm und eine Hoffnung, sie gewährleistete in Leo Trotzkis Person die lebendige Verbindung mit der revolutionären Vergangenheit und der bolschewistischen Tradition. Die enthauptete Internationale konnte und musste überleben, aber es galt, dem Programm eine konkrete Gestalt zu geben und Leben einzuhauchen. Die Sektionen mussten sich den Aufbau bolschewistischer Organisationen zur Aufgabe machen, das heißt in Verbindung mit den Massen und in wirklichem Kontakt mit der Arbeiterklasse. Das heißt genau die Aufgabe, von der Trotzki selbst gesagt hatte - vgl. Zitat höher - dass die Kader der IV. sie nicht gelernt hatten.
Tatsächlich haben sich die offiziellen trotzkistischen Organisationen als völlig unfähig erwiesen, sich mit den Massen zu verbinden. Sie beriefen sich selbstverständlich auf den Trotzkismus, aber ihre organisatorische Praxis, ihre Konzeption selbst der notwendigen Arbeit hatten nichts mit dem Bolschewismus zu tun. Ihre kleinbürgerliche, von den Umständen abhängige Zusammensetzung, die in einer bestimmten Epoche sogar unvermeidlich ist, sollte ein unüberwindbarer Fehler werden, oder wurde zumindest nie überwunden.
Das ist keine angeborene Krankheit des Trotzkismus. Es ist auch keine Folge der damaligen Zeit oder des Stalinismus (oder, noch nicht so lange her, des Pablismus). Es war möglich, eine andere Politik zu führen: Genau das wollte die Gruppe, die am Anfang der gegenwärtigen Voix Ouvrière (Vorläufer der heutigen Lutte Ouvrière) stand, beweisen.
So schrieben unsere Genossen 1943: "Von Kriegsbeginn an haben wir uns der Schaffung einer revolutionären bolschewistischen Organisation verpflichtet. Der Bolschewismus bedeutet, außer einer richtigen Politik (unserer Meinung nach ist es die, die in ,Die IV. Internationale und der Krieg', ,Das Übergangsprogramm' und in ,Die vier ersten Kongresse der Kommunistischen Internationale' erläutert wird), einen wirklichen und weit verbreiteten Kontakt mit der Arbeiterklasse, die tägliche Teilnahme an ihren Kämpfen; so wird er von den täglichen und dauerhaften Interessen der Arbeiterklasse beeinflusst. Um eine bolschewistische Partei werden zu können, muss man ein gewisses organisatorisches Gewicht haben, das die Führung des Klassenkampfes im ganzen Land möglich macht. Man muss in der Tradition von Arbeitskämpfen stehen, sowie über eine Bilanz günstiger politischer Kämpfe verfügen."
Das war kein einfacher Kongressbeschluss. Das war kein Antrag, dessen Absicht es war, die Organisation bezüglich der Reinheit ihrer Absichten und ihrer Treue zum Bolschewismus zu beruhigen. Das war eine leitende politische Ausrichtung, die unsere gesamte Konzeption und unsere Praxis der unentbehrlichen täglichen Arbeit innerhalb der Arbeiterklasse bestimmen sollte, und sie auch heute noch bestimmt. Die Vorhut zu gewinnen und sich mit den Massen zu verbinden sind keine antagonistischen Aufgaben - im Gegenteil, sie ergänzen sich. Weil sie gegen die Strömung arbeiteten, aber auch aus persönlicher Neigung, von ihrer Natur und von ihrer Bildung her hatten die trotzkistischen Aktivisten der Vorkriegsjahre nur die erste Aufgabe ausführen können. Die Genossen, die am Anfang der gegenwärtigen UC (Union Communiste) standen, versuchten damals vergeblich, zu zeigen, dass die andere Aufgabe genauso unentbehrlich, genauso dringend, war. Sie wurden nicht gehört, oder zumindest wurden sie nicht verstanden.
So war die Bilanz der trotzkistischen Erfahrung der Vorkriegsjahre letztendlich negativ. Daraus mussten die nötigen Schlüsse gezogen werden. Um Vorkämpfer zu gewinnen, genügte es nicht, die Fahne zu schwenken und das Programm zu verlesen. Die Richtigkeit der trotzkistischen Ideen würde sich nur dann bei den besten der schon organisierten Elemente der französischen Arbeiterklasse durchsetzen, wenn eine selbst zahlenmäßig schwache trotzkistische Organisation eine positive Kampfbilanz vorzeigen könnte. Eine solche Bilanz konnte nicht aus dem Nichts auftauchen: Sie forderte eine systematische, regelmäßige und tägliche Arbeit in den Betrieben.
Diese Art der Arbeit hat nichts mit der sporadischen Motivation zu tun, die die Trotzkisten dazu antreibt, ein bis zweimal pro Jahr am Tor der Fabriken zu erscheinen. Dazu kommen sie mit Propagandablättern, die so wenig in Zusammenhang mit den täglichen Bedürfnissen der Arbeiter stehen, dass sie schon fast lächerlich wirken. (Siehe das Flugblatt von Posadas - lateinamerikanischer Führer der IV. Internationale, der einige Anhänger in Frankreich hatte -, das die Arbeitenden von Renault dazu aufrief, während der Intervention der französischen Armee mit einem Generalstreik die Massen Gabuns zu unterstützen. Oder wie das Flugblatt der OCI - Organisation Communiste Internationaliste, trotzkistische Gruppe um Pierre Lambert -, das in den Babcock-Fabriken von wohlwollenden Lehrern verbreitet wurde, und wo Mittel vorgeschlagen wurden, um gegen die Entlassungen zu kämpfen - in einem Unternehmen, das eben nicht von Entlassungen betroffen ist). Dabei handelt es sich nicht um Naivität, sondern um das vorhersehbare Ergebnis eines Mangels an Wirklichkeitsnähe.
Heutzutage ist es nicht möglich zu hoffen, durch den Verkauf der trotzkistischen politischen Presse an den Toren der Fabriken die Arbeiterklasse für revolutionäre Ideen zu gewinnen. Das ist keine ewiggültige Wahrheit, sondern eine Folge des Stalinismus: Die Arbeitenden, die so oft getäuscht und verlassen worden sind, sind misstrauisch geworden. Sie gewähren ihr politisches Vertrauen nur Organisationen und Menschen, über die sie auf dem Gebiet, das ihnen vertraut ist, haben urteilen können: die in der Fabrik angetroffenen Probleme. So muss sich die Arbeit der revolutionären Organisation an den Betrieben und den konkreten Problemen der Arbeitenden orientieren.
Es handelt sich natürlich nicht darum, Intellektuelle in Betriebe zu entsenden. Die Arbeiterklasse braucht keine falschen Arbeiter, die das gute Beispiel darstellen und Wein predigen. Wenn es ein Gebiet gibt, wo der gute Wille nicht genügt, so ist es dasjenige des Unternehmens. Die Arbeiter empfinden nur Misstrauen oder ironisches Wohlwollen für den Studenten mit weichen Händen, der aus Idealismus ihr Los teilen möchte. Sie wissen, dass dieser vorübergehende Arbeiter niemals so wie sie sein wird und dass er, sobald er es wünscht, in der bürgerlichen Gesellschaft den Platz wieder finden kann, den ihm seine Bildung sichert. Wie bei jeder Form von Nächstenliebe, und letztendlich ist es eine, geht damit eine unbewusste Verachtung einher. Wir überlassen diese Rolle den Arbeiterpriestern, egal welcher Kategorien.
Nein. Es handelt sich darum, die Tätigkeit der intellektuellen Revolutionäre den Werktätigen zur Verfügung zu stellen. Das heißt, mit einer Ausrichtung auf die Beschäftigten zu arbeiten, in allen Formen, technisch, redaktionell, organisatorisch, usw. Die jungen Intellektuellen, die in die revolutionäre Organisation kommen, sollen sich hauptsächlich damit beschäftigen. Es handelt sich darum, Artikel für die Arbeitenden zu verfassen. Nicht aber Texte zum vereinfachten Marxismus für Laien zum Gebrauch der Arbeiter, sondern Artikel, die eine Antwort auf die Sorgen der Arbeiter geben, die von ihren Problemen ausgehen und klare Lösungen anbieten. Die intellektuelle Tätigkeit dieser Kämpfer muss sich an der konkreten Realität der Ausbeutung in all ihren Formen und in all ihren Folgen richten.
Artikel verfassen bedeutet aber nicht alles, man muss das Material auch anfertigen und es verteilen. Man muss den Jugendlichen auch beibringen, diesen Aspekt der Arbeit als genauso wichtig zu betrachten wie die rein redaktionelle Arbeit. Für einen intellektuellen Kämpfer gibt es keine Tätigkeit, die besser als eine andere wäre. Es gibt leider viel mehr Studenten, die bereit sind, zu schreiben, oft auch Unwichtiges, als welche die bereit sind, ihre Aufgabe bis zum Ende durchzuführen und um sechs Uhr morgens vor den Toren der Unternehmen zu stehen. Hier geht es nicht nur um Hingabe, sondern auch um intellektuelle Ehrlichkeit. Und nur durch einen direkten Kontakt zu den Menschen, an die man sich wendet, lernt man den Wert der Worte und der Ideen kennen. Sonst ist es leicht, Unsinn zu erzählen.
Schließlich geht es darum, Arbeiterzirkel zu betreuen, wobei es darum geht, unter den engagiertesten Arbeitenden Anhänger für die sozialistischen Ideen zu gewinnen, sie zu unterrichten und von ihnen zu lernen, was die Massen denken und spüren. Das ist kein neues, von uns erfundenes Konzept der revolutionären Tätigkeit, es war schon dasjenige der bolschewistischen Kämpfer, die verstanden hatten, dass allein die Arbeiterklasse siegen konnte, dies mit Hilfe einer Partei, die ihr, treu, absolut zur Verfügung steht.
Es gibt keinen anderen Weg, um die revolutionären Ideen den Vorkämpfern der Arbeiterklasse bewusst zu machen. Der Sozialismus ist keine automatische Produktion des Klassenkampfes. Um die Arbeiter für den Sozialismus zu gewinnen braucht man Intellektuelle, und man hat sie immer gebraucht. Aber Intellektuelle, die moralisch mit ihrer sozialen Umgebung, ihrer Klasse, ihrer bequemen Lage in der bürgerlichen Gesellschaft gebrochen haben. Und die vor allem mit der Handlungsweise und der Denkweise ihrer ursprünglichen Umgebung gebrochen haben.
Diese Intellektuellen, die der Arbeiterklasse völlig ergeben sind, das waren die Berufsrevolutionäre der Bolschewistischen Partei. Diesen Kämpfertyp aber hat die IV. Internationale nicht bilden können, und sie wusste nicht, wie.
Diese strenge Auswahl der Individuen, diese lange Lehre des Kämpfer-"berufs" ist alles andere als natürlich und ist das genaue Gegenteil der kleinbürgerlichen Mentalität. Wegen ihrer politischen und zahlenmäßigen Schwäche reagiert eine neu entstehende Organisation sehr empfindlich auf den Druck der äußeren Umgebung. Die Ausbildung der Kämpfer erfordert also eine ständige Aufmerksamkeit, eine beständige Besorgnis.
Aber eben genau da greift das revolutionäre Bewusstsein ein. Das involviert ein langsames organisatorisches Wachstum, zumindest am Anfang, das aber unendlich gesünder und fester ist als dasjenige der Mitgliedsparteien, die genauso wie Pilze aus dem Boden schießen und wieder untergehen. Die IV. Internationale hat nach dem Krieg eine Periode des Glückes gekannt, als sie mehrere Hunderte Kämpfer zählte. Ihr Zusammenbruch ist daher umso bezeichnender, und das ist nicht das Ergebnis einer falschen Politik, sondern von verabscheuungswürdigen organisatorischen Sitten.
Die Organisationen der IV. Internationale haben sich immer geweigert, die jungen Intellektuellen, die zu ihnen kamen, nach diesem strengen Kriterium auszuwählen, sie haben sich unfähig gezeigt, sie in der Arbeiterklasse treu ergebene Kämpfer zu verwandeln. Deshalb konnten die Organisationen der IV. Internationale weder die Massen ansprechen oder auch nur den Kontakt zu ihnen herstellen. Gerade daher kommen der organisatorische Konkurs der Internationale und ihre darauf folgenden politischen Irrtümer.