Ein zweitrangiges Ereignis innerhalb der Routine des bürgerlichen Parlamentarismus ist zum Katalysator für das politische Spiel in Frankreich geworden.
Innerhalb von 5 Jahren stieg die Zahl der Stimmen für die Front National von 2.223.808 im ersten Wahlgang der Regionalwahlen 2010 auf 6.004.482 im Jahr 2015. Und zum ersten Mal - abgesehen von der Region Île-de-France (der Pariser Region) - nahm die Zahl ihrer Stimmen sogar bei der Stichwahl zu.
Das Wahlsystem der bürgerlich-parlamentarischen Demokratie ist in Frankreich so gemacht, dass dieser Wählerzuwachs der FN sich nur sehr wenig in den verschiedenen Institutionen widerspiegelt. Aber das ändert nichts daran, dass von Wahl zu Wahl hunderttausende Menschen aus Fleisch und Blut die Entscheidung treffen, für eine rechtsradikale Partei zu stimmen. Die einen, weil sie in den reaktionären, ausländerfeindlichen, sicherheitsfanatischen und rassistischen Reden der Front National einen zugespitzten Ausdruck ihrer eigenen Vorurteile wiederfinden; die anderen weil all das sie nicht so sehr schockiert, dass sie deshalb diese Partei ablehnen. Das Erstarken der Front National ist eine der Erscheinungsformen, in der die reaktionäre Entwicklung der Gesellschaft auf dem Gebiet der Wahlen ihren Ausdruck findet. Eine weitere ist die immer rechtere Sprache aller bürgerlichen Parteien, von der traditionellen Rechten bis zur regierenden Linken.
Weit über die Wahlen hinaus zeigt sich diese reaktionäre Entwicklung auf den unterschiedlichsten und vielfältigsten Gebieten: darin, dass religiöse Ideen zunehmen, dass die Zahl der Kopftuch tragenden Frauen steigt, dass immer mehr Menschen sichtbare Zeichen der religiösen Zugehörigkeit und/oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gemeinschaft tragen.
Die Frage, ob diejenigen, die für die Front National stimmen, nur Protestwähler sind oder ob sie den Ansichten der Front National zustimmen, ist müßig geworden. Über ihre Wahlergebnisse hinaus sowie die Frage, ob die Front National tatsächlich die von ihr angestrebten Sitze in den Gemeinderäten, über die Räte der Departements, der Regionen und dem Parlament bis hin zur Präsidentschaft der Republik erobert, ist die Front National zu einer der wichtigsten politischen Kräfte dieses Landes geworden.
Die Front National, die ein Ausdruck der reaktionären Entwicklung war, verstärkt und beschleunigt diese Entwicklung mittlerweile.
Der Aufstieg der Front National. Seine Gründe und Auswirkungen
Die soziale Basis der Wählerschaft der Front National war schon immer und ist auch weiterhin das Kleinbürgertum: Kleinunternehmer, leitende Angestellte, Handwerker, Ladeninhaber, die ganze Gruppe des besitzenden Kleinbürgertums.
Unzweifelhaft kommt die Mehrheit der Stimmen, die die Front National in diesen Regionalwahlen hinzugewonnen hat, erneut aus diesem sozialen Milieu. Sie stammen daher, dass Stimmen der traditionellen rechten Parteien zur Front National wandern.
In sechs Regionen hat die Front National im ersten Wahlgang mehr Stimmen als alle anderen Parteien erhalten und damit die traditionelle Rechte überholt. Es gelang ihr also, einen Teil deren Wählerschaft für sich zu gewinnen.
Am folgenschwersten ist jedoch der Zuwachs an Stimmen für die Front National in der einfachen Bevölkerung, die vorher der Sozialistischen Partei (SP) oder der Kommunistischen Partei (KP) ihre Stimmen gab.
Wir kommen hier nur ganz kurz auf die Ursachen dieser Entwicklung zurück. Diese Entwicklung ist nicht neu. Die Zeiten, in denen die großen reformistischen Parteien an der Regierung waren, waren ihre Wegmarker und Beschleuniger.
Von der Amtsperiode Mitterrands über die Jospin-Regierung bis hin zu der Präsidentschaft von Hollande: Jedes Mal, wenn die Sozialistische Partei an der Regierung war - ob mit oder ohne Kommunistische Partei an ihrer Seite - enttäuschte und demoralisierte sie ihre Wählerschaft in der Arbeiterklasse dadurch, dass sie ihre Versprechen nicht hielt und offen Politik im Interesse des Großkapitals machte.
Am meisten wurden eben die Arbeiteraktivisten der KP, der Gewerkschaft und der Vereine in den Betrieben und Arbeitervierteln aus der Bahn geworfen. Ihre Aufgabe war es, die Wähler der arbeitenden Bevölkerung zu überzeugen und auf die Beine zu bringen. Und dann, wenn die Linke einmal an der Macht war, mussten sie den Wählern und sich selbst den Verrat der Regierungen erklären - einer Regierung, zu deren Wahl sie so viel beigetragen hatten. Jede Linksregierung hatte zur Folge, dass Aktivisten aufgaben und sich zurückzogen. Insbesondere der Einfluss der Kommunistischen Partei, die bei weitem die meisten Aktivisten in der Arbeiterklasse zählte, ging stark zurück.
Doch der Aufstieg der Front National ist auch das Ergebnis einer langfristigen, ja sogar sehr langfristigen Entwicklung. In gewisser Weise ist sie das letzte vergiftete Geschenk, das der Stalinismus hinterlassen hat.
Als die Front National sich entschloss, Wählerstimmen unter den verzweifeltsten Schichten des Proletariats zu gewinnen, brauchte sie nur eine Sprache, Jargon und Bezüge zu übernehmen, die von der Kommunistischen Partei in der Arbeiterbewegung eingeführt worden waren.
Zu einer Zeit, als die stalinistische KP einen entscheidenden Einfluss in der Arbeiterklasse hatte und gewaltsam Jagd auf alle machte, die sie von links kritisierten, führte sie in die kommunistische Arbeiterbewegung nicht nur eine Vielzahl an bürgerlichen Ideen, sondern stellte diese sogar als linke Ideen dar, die den Interessen der Arbeitenden entsprächen: Nationale Solidarität anstatt Klassensolidarität, Nationalismus anstelle des Internationalismus, Nationalfahne anstatt der roten Fahne, und allgemeiner die Idee eines "linken Volks" anstelle eines Lagers der Arbeitenden. Ganz zu schweigen von dem "Französisch produzieren" und den demagogischen, migrantenfeindlichen Gesten zur Zeit von Marchais.
Die stalinistische KP entleerte die kommunistische Tradition der Arbeiterbewegung jedes revolutionären Inhalts und ersetzte ihn durch einen reformistischen Mischmasch, der die Vorzüge der Wahlen als Möglichkeit anpries, im Rahmen des Wahlsystems der bürgerlichen Demokratie an die Regierung zu gelangen - und zwar ohne die kapitalistische Organisation der Gesellschaft, das heißt die Macht der Bourgeoisie anzutasten.
Die Front National profitierte nicht nur von den Enttäuschungen und der Demoralisierung der Arbeiteraktivisten, die die Linksregierungen hervorgebracht haben. Sie fand in den Vorurteilen, die von der stalinistischen Partei in der Arbeiterbewegung verbreitet worden waren, die Ideologie, die sie nur mehr zu verwenden brauchte, um sich als Freundin der Arbeiter, der Benachteiligten und als Ersatz für eine in Misskredit geratene Linke auszugeben.
Das Dreiparteiensystem, neue Variante eines angeschlagenen bürgerlichen Parlamentarismus
Die Regionalwahlen bestätigten das Aufkommen eines Dreiparteiensystems. Zu den zwei politischen Blöcken, die sich dafür bewerben, für die Bourgeoisie zu regieren, das heißt zu der Koalition der Rechten und zu der von der Sozialistischen Partei angeführten Linken, fügt sich nun die Front National hinzu. Dieses mehr oder minder offizielle Dreiparteiensystem bietet dem verfallenden Parlamentarismus der Bourgeoisie seine jüngste Variante.
Solange die Front National eine große rechtsradikale Partei bleibt, die im parlamentarischen Spiel mitmacht, erscheint sie heutzutage paradoxerweise als Retter des bürgerlichen Parlamentarismus.
Dieser funktioniert im Wesentlichen durch die Möglichkeit eines Regierungswechsels. Die Wahlen dienen als "Sicherheitsventil". Das heißt, sie ermöglichen es den Wählern, ihre Unzufriedenheit gegenüber den sich an der Macht befindenden Parteien auszudrücken und geben ihnen die Illusion, dass sie die Politik ändern können, wenn sie für die stimmen, die nicht an der Macht sind.
In dieser Form funktioniert der aktuelle Parlamentarismus in Frankreich schon seit mehr als 50 Jahren, so wie ihn de Gaulle eingeführt hat: abwechselnd findet man die Rechte vor der Linken und dann die Linke vor der Rechten, wobei die Linke eher ihre Wähler auf der Seite der Werktätigen sucht und die Rechte auf der Seite des vermögenden Kleinbürgertums.
Zur Zeit, als die kapitalistische Wirtschaft mehr oder weniger normal funktionierte, hatte die Bourgeoisie die Mittel, der Linken einige Gesten in Richtung der Werktätigen zu erlauben, eigentlich vor allem in Richtung der Gewerkschaftsbürokratie. Solche Dinge sind inzwischen völlig überholt, da die Krise der kapitalistischen Wirtschaft die Konkurrenz zwischen den kapitalistischen Gruppen verschärft.
Die wirtschaftliche Flaute unterminiert die Fundamente der parlamentarischen Demokratie. Die Bourgeoisie ist nicht mehr geneigt, irgendwelche Zugeständnisse zu machen, mehr noch: Sie nimmt nunmehr zurück, was sie in der Vergangenheit zugebilligt hatte.
Die Funktion der reformistischen Linken war es, die Illusionen der Arbeitenden, die die soziale Basis ihrer Wählerschaft bilden, zu nähren. Aber die Bourgeoisie gibt ihr nicht nur keine Mittel, um einige Gesten in Richtung der Arbeitenden zu machen, sondern sie zwingt sie darüber hinaus dazu, eine gewaltsame arbeiterfeindliche Politik zu führen.
Die Alternanz, diese regelmäßige Abwechslung der rechten und linken Parteien an der Regierung, kann jedoch nur funktionieren, wenn die Wähler zumindest ein wenig an sie glauben. Die Vertrauenskrise in die Parteien der Alternanz verwandelt sich jetzt in eine Vertrauenskrise gegenüber dem ganzen System.
Diese Vertrauenskrise zeigt sich vor allem durch die massive Stimmenthaltung. Die elementarste Form der Ablehnung der großen reformistischen Parteien durch die arbeitende Wählerschaft besteht darin, dass sie alles Interesse an der Politik verliert.
In Griechenland profitierte der Misskredit der traditionellen Parteien der Bourgeoisie der Partei Syriza, die auftrat, als ob sie eine mehr links orientierte Partei wäre als die sozialistische Pasok.
Das Ergebnis des Experiments Syriza ist allgemein bekannt. Am Ende war es Tsipras, der die Forderungen der internationalen Finanz gegenüber seinem Volk durchsetzte. Die Illusionen, die er imstande gewesen ist, hervorzurufen, retteten jedoch für eine gewisse Zeit das griechische parlamentarische System.
Hier in Frankreich ist es denen, die die Absicht hatten, die Rolle von Syriza zu spielen, nicht gelungen, aus der Vertrauenskrise gegenüber den großen reformistischen Parteien Kapital zu schlagen. Dafür gibt es viele Gründe. Einer der Gründe dafür ist wahrscheinlich, dass es dem im sozialistischen Machtkreis erzogenen Politiker und ehemaligen Minister Mélenchon trotz seines angeblichen Gesinnungswechsels nicht gelungen ist, wie Tsipras als Rebell aufzutreten und dabei auf der politischen Bühne zu bleiben.
Noch wichtiger ist, dass die KP, die der Linksfront ihre militanten Kräfte stellt, oft an sozialistischen Regierungen teilgenommen hatte, weshalb ihre Verantwortung für deren Politik nicht so leicht vergessen wird. Dass Hollande sie nicht an der Macht teilhaben ließ, ermöglichte es der KP wahrscheinlich, sich ein wenig von der Politik der SP zu distanzieren. Aber das allein genügt nicht, damit das Vergangene in Vergessenheit gerät.
Bevor sie das fünfte Rad am Wagen einer Regierung der Sozialistischen Partei wurde, rettete die KP diese buchstäblich, indem sie den Einfluss ihrer Aktivisten seinerzeit dazu verwendete, Mitterrand als einen Gesandten vom Himmel darzustellen und durchzusetzen. Dieser rechte Politiker war zuvor durch einen wahrhaftigen internen Staatsstreich zum Führer der Sozialistischen Partei geworden. Nur die KP und ihre Mitglieder besaßen den nötigen politischen Kredit bei den Arbeitenden, um den Wählern aus der Arbeiterklasse die Präsidentschaft Mitterands als anzustrebendes Ziel zu präsentieren.
Die Folgen sind bekannt. Die SP begann zuerst damit, die KP zu ersticken. Dann, indem sie der KP einige zweitrangige Ministerien zugestand, ordnete sie diese ihrer Politik unter. Heute wird die KP von der SP in ihren Verfall mitgerissen.
Zurzeit gibt es auf der linken Seite des bürgerlichen politischen Spektrums keine Partei, die fähig wäre, die Nachfolge der SP anzutreten und das Wechselsystem Linke/Rechte wiederzubeleben.
Im Kontext der reaktionären Entwicklung der Gesellschaft, ist es der FN gelungen, daraus politisches Kapital zu schlagen, dass die traditionellen Parteien sie nicht in ihr Wechselsystem integrierten, jedenfalls nicht auf Regierungsebene. Die FN ist schon seit langem auf der politischen Bühne präsent und hat ihre eigene Wählerbasis im reaktionären Kleinbürgertum. Dadurch, dass sie einen Teil der Wähler der arbeitenden Bevölkerung für sich gewann, gelang es der FN, der letzte Rettungsring des französischen Parlamentarismus zu werden.
Diesem Rettungsring würde wohl bald die Luft ausgehen, sollte unerwarteter Weise die FN an die Macht kommen oder an ihr teilnehmen. Genauso wenig wie die traditionellen Parteien, wird sie Wege aus der Krise der kapitalistischen Wirtschaft und aus ihren Konsequenzen für die Bevölkerung weder finden wollen noch können.
Die bloße Annäherung dieser rechtsradikalen Partei an die Macht fördert inzwischen Ideen und Vorurteile, die den Werten der Arbeiterbewegung vollkommen entgegengesetzten sind.
Die Kapitulation der Linken vor der Rechten und wie die FN sie ausnutzt
Das Dreiparteiensystem reproduziert in einer originellen Weise das vorherige Zweiparteiensystem. Es ist nun die FN, die die Hoffnung einer Alternanz, mit all ihren Illusionen, gegen den Block verkörpert, der immer deutlicher die traditionelle Rechte und die SP verbindet.
Das Aufkommen dieses Blocks ist in der Kapitulation der Linken vor der Rechten und deren Ideen begründet. Die Rechte läuft ihrerseits den Ideen der Rechtsradikalen hinterher.
Wird die FN heute auch von den anderen Parteien aus der Regierungssphäre ausgeschlossen, so bietet die FN den politischen Anwärtern, die sich ihr anschließen, durch die Erweiterung ihrer Wählerschaft eine Vielzahl von Posten und Stellungen. Besetzen in den traditionellen Parteien die alten führenden Köpfe die Stellungen im Vordergrund, so bietet die FN jüngeren Leuten mit großem Ehrgeiz die Perspektive von Karriere und sozialem Aufstieg. Das gibt der FN nebenbei ein weiteres Argument, um als die Partei der Erneuerung aufzutreten. Dabei besteht ihr zentraler Kern aus einer alten reaktionären Clique.
Die Entscheidung der SP, nach dem ersten Wahlgang in drei Regionen ihre Kandidaten zurückzuziehen, gibt gewissermaßen einen Vorgeschmack von der Reaktion der traditionellen Parteien gegenüber der Bedrohung, die die FN darstellt: Es handelt sich nicht um eine Bedrohung für die Bourgeoisie oder für das politische System, aber für die Posten und Stellungen der traditionellen Parteien. Die Bedeutung dieses Rückzuges in den drei Regionen, wo die FN den ersten Wahlgang gewonnen hatte, wurde noch von den Erklärungen von Premierminister Valls betont, der mit Nachdruck dazu aufrief, in der Region Nord-Pas-de-Calais-Picardie für Bertrand, in der Region PACA für Estrosi und sogar für Richert in der Region Alsace-Lorraine-Champagne-Ardennes zu stimmen, obwohl sich dort die Liste der SP nicht zurückgezogen hatte.
Das Opfer, das diese offene Kapitulation vor ihren rechten Konkurrenten für die SP darstellt, muss man an der Tatsache ermessen, dass diese Partei, die sich im Laufe der Zeit zu einer reinen Wahlkampfmaschine nach dem Vorbild ihrer rechten Konkurrenten entwickelt hatte, um ihre Persönlichkeiten herum strukturiert ist (ohne von dem Verlust an finanziellen Vermögensquellen zu sprechen, die dieses Opfer für die SP darstellt).
Sich der FN in den Weg stellen, wird aber sogar nach den Regionalwahlen weiterhin als Vorwand einer Allianz mit der Rechten verwendet werden, das heißt als Vorwand dafür, sich der letzteren ideologisch anzuschließen. In dieselbe Richtung weist der feierliche Aufruf von Valls, der sich am Tag nach den Wahlen bereit erklärte, mit allen Regionalpräsidenten zusammenzuarbeiten, ohne dabei einen Unterschied zu machen. Und gewisse Erklärungen von Bertrand und Estrosi, die schworen, belehrt aus der Erfahrung der Regionalwahlen, ihre Politik überdenken zu wollen, zeigen, dass sie für die schönen Augen nicht unempfindlich sind, die ihnen gewisse führende Köpfe der SP wie Valls und Moscovici machen.
Auch die Tatsache, dass immer häufiger das Beispiel Deutschlands und seiner Koalitionsregierungen zwischen der Linken und der Rechten angeführt wird, kommt nicht aus dem Nichts. Wie intelligent sie doch sind, die deutschen Politiker aus den unterschiedlichen Parteien, die an einer Regierung unter der Führung von Angela Merkel, einer Frau aus dem rechten Lager teilnehmen!
Es ist müßig, heute über die zukünftige Form dieser neuen "Republikanischen Front", die ihren Namen nicht nennt, zu spekulieren, oder sich auch nur zu fragen, ob sie eine strukturierte Form annehmen wird und sich zum Beispiel, durch eine nationale Einheitsregierung der Rechten und der SP ausdrücken wird. Auf jeden Fall kann all das nichts Anderes bedeuten als das quasi Verschwinden der Linken hinter der Rechten.
Ein Rechtsruck von der SP bis zur FN
Die Zukunft wird zeigen, wie lange diese neue politische Konfiguration funktionieren wird, oder auch ob sie sich durchsetzen wird. Der Ausschluss der FN-freundlichen Nathalie Kosciusko-Morizet durch Sarkozy, einem Befürworter der Tendenz des "weder noch", das heißt der Weigerung, sowohl mit der SP als auch mit der FN zusammen zu arbeiten, aus der Führung der Partei Die Republikaner, zeigt, dass die rechten Politiker von einer Übereinstimmung auf diesem Gebiet noch weit entfernt sind. Heute scheint Estrosi, ein rechter Politiker wie kaum ein anderer, gegenüber Sarkozy fast links zu stehen!
In den großen Manövern, die diese Art von Bemühungen bewirkt, geht es um Posten, um Stellungen und Karrierepläne.
Weit mehr als die Manöver von Cliquen oder die Konfrontierung von Ambitionen werden das Ausmaß der Wirtschaftskrise und die Reaktionen, die sie in der Arbeiterklasse möglicherweise verursachen werden, für die Entwicklung der Lage ausschlaggebend sein.
Machen soziale Protestbewegungen und besonders die massive Mobilisierung der Arbeiterklasse die Liquidierung des parlamentarischen Systems und das Zurückgreifen auf ein autoritäreres Regime nicht notwendig im Sinne der Großbourgeoisie, so zieht diese es vor, ihre politischen Interessen innerhalb des bestehenden Systems verwalten zu lassen. Das ermöglicht es ihr auf Regierungsebene, im Moment auf die FN und ihre Schrulle, sich aus der Eurozone oder sogar aus der Europäischen Union zurückzuziehen, verzichten zu können. Dieser Aspekt der Demagogie der FN gefällt nämlich nur einer Anzahl von Kleinunternehmern ... und vielleicht das nicht einmal, aber sicher nicht den Aktionären der multinationalen Konzerne.
Je mehr die FN den Eindruck haben wird, sich der Regierung zu nähern, wird sie sich dem Willen der Großbourgeoisie anschließen, also denjenigen der großen Industrie- und Finanzgruppen, die die Initiatoren dieser Karikatur einer Vereinigung Europas waren, die man Europäische Union nennt und deren grenzüberschreitende Interessen fordern, dass sie weiter existiert.
Niemand kann für den Moment voraussehen, wie lange das Dreiparteiensystem - in Wirklichkeit, eine neue Variante des Zweiparteiensystems solange die Rechte sich der Integrierung der FN in ihre Regierungskombinationen widersetzt - funktionieren kann. Aber sein Funktionieren wird den Wählern der arbeitenden Bevölkerung keine andere Wahl lassen als zwischen der Rechten, begleitet oder nicht von einer immer mehr rechts stehenden Linken, und den Rechtsradikalen.
Bei den großen Manövern, die sowohl rechts wie links begonnen haben, kann man nicht einmal die Hypothese ausschließen, dass das neue Zweiparteiensystem eine konkrete Form annehmen wird. Das ist offensichtlich die politische Orientierung eines Valls, der bei der Rechten auf das offene Ohr von Raffarin gestoßen ist, aber auch von Bertrand, der Hollande herzlich empfangen hat. Hollande seinerseits hat entschieden, Bertrand den ersten seiner Besuche bei den neugewählten Präsidenten der Regionen abzustatten.
Es handelt sich um den Traum von einer großen Partei, vergleichbar mit der der "Demokraten" in der USA. Das wäre dann eine Art, endgültig jede noch so entfernte und formale Verbindung einer der Parteien der Alternanz mit der Arbeiterbewegung zu liquidieren.
Auf der anderen Seite wünscht die FN nichts anderes, als die Rolle einer Republikanischen Partei zu spielen, sollte die Bourgeoisie ihr die Möglichkeit geben, an die Regierung zu kommen.
Die Opposition zwischen der FN und den Parteien der Bourgeoisie, die sich ihr in den Weg stellen wollen, beinhaltet gleichzeitig eine tiefe Komplizenschaft: dieselbe Art von enger Beziehung, die im Grunde genommen, die traditionelle Rechte und die Linke miteinander vereinte und noch vereint.
Wenn diese neue Form von Machtwechsel sich verwirklichte, würde sie die Rechtswende des politischen Lebens noch verstärken.
FN, der bedrohlichste Feind der Arbeiterklasse
Trotz der politischen Strategie der Entdiabolisierung, die Marine Le Pen angewandt hat, um in der von der SP und der KP enttäuschten Wählerschaft Einfluss zu gewinnen, und obwohl sie die reaktionärsten Persönlichkeiten der FN in den Hintergrund gedrängt hat, verbleiben in der FN und um sie herum genügend rechtsradikale Aktivisten, die der Arbeiterklasse offen feindlich gesinnt sind, bereit sie anzugreifen und ihre politischen Aktivisten zu verfolgen. Diese Leute garantieren der Bourgeoisie im Bedarfsfall die Möglichkeit, auf den Faschismus zurückzugreifen. Der Wahlerfolg der FN muss diesen Leuten Flügel verleihen oder zumindest die Hartnäckigkeit geben, auf den richtigen Augenblick zu warten. Dieser Zeitpunkt hängt aber nicht nur von ihrem Ehrgeiz ab, sondern von der Intensität der Krise und von den Reaktionen der Arbeiterklasse.
Dass die großen reformistischen Parteien ihre Erleichterung über den vereitelten Wahlsieg der FN in einer oder mehreren Regionen ausdrücken können, ändert nichts an dem steigenden sozialen Einfluss dieser rechtsradikalen Partei auf die Gesellschaft.
Auch ohne dass sie Gewalt anwendet, ist die FN schon der bedrohlichste Feind der Interessen der Arbeiterklasse. Die Entwicklung ihres sozialen Gewichts wird die dreckigsten Vorurteile, die sie vermittelt, vom Ausländerhass bis zur Frauenfeindlichkeit, vom Rassismus bis zur Verbreitung der dümmsten sicherheitspolitischen Ideen verstärken.
Dieser ganze reaktionäre Druck wird von den traditionellen Parteien verbreitet werden. Natürlich durch die Rechte, die deutlich oder nicht, dazu neigen wird, ihre Wählerschaft der FN streitig zu machen, indem sie versucht, mit ihr auf ihrem eigenen Terrain zu konkurrieren. Aber die SP wird ihr folgen oder sie sogar überholen, wie sie es bei der Verhängung des Ausnahmezustands getan hat.
Auch wenn die FN oder ein Teil von ihr nicht gegen die eingewanderten Arbeiter Gewalt anwendet, wird ihr sozialer Druck und die Unruhe, die sie unvermeidlich bei den Migranten, inklusive bei der zweiten und dritten Generation bewirken wird, Reaktionen von Rückzug in die eigene Kultur aufkommen lassen. Der steigende Einfluss der FN wird auch den Kommunitarismus verstärken. Beide werden zusammenwirken, um die Arbeiterklasse noch mehr zu zerstückeln und ihr Klassenbewusstsein aufzulösen.
Deshalb ist es lebenswichtig, auch auf diesem Terrain eine Propaganda und Agitation zu entwickeln. Aber nicht auf dem Gebiet der Moral oder des Gutmenschentums, noch weniger auf dem des Humbugs der "republikanischen Werte", sondern auf jenem des Bewusstseins davon, derselben Arbeiterklasse anzugehören, deren Interessen, unabhängig von Herkunft und Nationalität, grundlegend identisch sind.
Der einzige Ausweg aus der Krise des Kapitalismus: die Wiedergeburt der revolutionären Arbeiterbewegung
In einem Leitartikel der Zeitung L'Humanité vom 16. Dezember 2015 stellt die KP fest, dass "der Premierminister sich persönlich in einem verrückten Rennen zu befinden scheint [...], das stark einem historischen Versuch ähnelt, die Linke zu liquidieren". "Man steht vor einem Versuch, alles was links ist, aus der Welt zu schaffen" konstatiert in den Spalten derselben Zeitung einer der Führer der KP, der hinzufügt: "Wir dagegen, wir wollen uns in den Dienst der Linken stellen." Diese erbärmliche Wehklage wird von Pierre Laurent, dem Nationalsekretär der KPF, aufgegriffen: "Diesen Weg weitergehen würde neue Desaster bedeuten" und er schlägt der SP zum zigsten Mal vor, ihre Politik zu ändern!
Aber die SP an der Regierung wird die Politik weder ändern können noch wollen. Die Bourgeoisie erlaubt es ihr nicht.
Der Linksfront, die sich am Tag nach dem zweiten Wahlgang der Regionalwahlen versammelte, fehlt es an Perspektiven. Sie beschränkt sich auf den Wunsch, dass "eine neue Volks- und Bürgerfront zutage treten muss".
Das politische Interesse der Arbeiterklasse besteht sicher nicht darin, dass an der Stelle der traditionellen Linken, die sich schändlich zersetzt, mehr oder weniger exakte Kopien von allen den Versuchen wieder erstehen würden, die wie die Volksfront (1936) und die Linksunion, nur für die Bourgeoisie nützlich waren, um die Arbeiterklasse zu täuschen und sie ihrer Herrschaft zu unterwerfen.
Die Wirtschaftskrise und ihre schädlichen Konsequenzen für die ganze Gesellschaft veranschaulichen den Bankrott des Kapitalismus. Vom Aufleben der revolutionären Arbeiterbewegung hängt es ab, ob der Kapitalismus die ganze Gesellschaft in den Untergang mitreißt oder nicht. Die Arbeiterklasse wird früher oder später reagieren. Die Krise des Kapitalismus wird ihr keine andere Wahl lassen, als die steigende Verarmung oder die Revolte.
Daraus ergibt sich das Problem einer revolutionären Führung, das heißt der Existenz einer revolutionären kommunistischen Partei. Diese kann man nicht improvisieren. Man kann sie nur neu bilden, wenn man an die Erfahrungen der Vergangenheit anknüpft. Man kann sie nur neu bilden, wenn man Lehren aus den proletarischen Revolutionen zieht, die, zu ihrer Zeit, das kapitalistische System erschütterten, von der Pariser Kommune im Jahre 1871 bis zur Eroberung der Macht durch die russische Arbeiterklasse im Oktober 1917. Indem man auch die Lehre aus vielen anderen revolutionären Ereignissen zieht, darunter jene in Spanien im Jahre 1936, nach der Entartung der russischen Revolution.
Gegen Verwirrung und Orientierungsverlust betonen wir das Wesentliche: unser Lager, das der Arbeitenden, und die Notwendigkeit einer Klassenpolitik
Die relative Stabilisierung des kapitalistischen Systems in Frankreich, einem imperialistischen Land, die sich auf die Plünderung seiner früheren Kolonien stützt und die auch eine relative Stabilisierung des bürgerlichen parlamentarischen Systems möglich machte, verhalf dem Elektoralismus zu Ansehen. Dasselbe gilt für die Parteien, die innerhalb der Arbeiterbewegung, die Änderung der Gesellschaft durch die Wahlen priesen. Auch damals war das eine Illusion. Heute verflüchtigt sich diese Illusion aber vollkommen vor der Realität der Krise des Kapitalismus.
In der Perspektive der Verteidigung dieser Ideen stellte Lutte Ouvrière in diesen Regionalwahlen in zwölf der dreizehn Regionen des kontinentalen Frankreichs sowie auf der Insel "La Réunion" Listen auf, die den Namen trugen: "Dem Lager der Arbeitenden Gehör verschaffen". Dieselbe Perspektive hatten auch die Listen, die unsere Genossen von Combat ouvrier auf Guadeloupe und Martinique aufstellten.
Wir strebten keine Wahlbündnissen mit anderen Organisationen an, auch dann nicht, wenn sie kritisch gegen die Regierung der SP und ihre Politik eingestellt waren. Natürlich nicht mit Parteien oder Formationen von denen einige, obwohl sie heute Kritik an der Regierung üben - die Grünen, aber auch die KP und die Anhänger von Mélenchon -, in der Vergangenheit an der Regierung der SP teilgenommen hatten und verantwortlich für sie sind. Diese Leute sind unsere politischen Gegner, obwohl uns das nicht daran hindern darf, uns an die Mitglieder der KP in der Arbeiterklasse zu wenden.
Aber wir strebten auch nicht danach, uns mit anderen, unseren politischen Ideen Näherstehenden, zu verbinden, da sie nicht mit uns teilen, was für uns wesentlich ist: unzweideutig im Namen einer Klassenpolitik bei den Wahlen teilnehmen.
Für uns ist, in dieser Zeit der Verwirrung und der Orientierungsverlusts in der Arbeiterbewegung, die Eindeutigkeit wesentlich. In unserer Wahlkampagne haben wir alle Parteien der Bourgeoisie bekämpft, von den Rechtsradikalen bis zur SP. Wir haben ein Programm verteidigt, das den Arbeitenden Klassenperspektiven gibt, hinsichtlich der hauptsächlichen Übel, unter denen sie in dieser Zeit der kapitalistischen Wirtschaftskrise leiden: die Arbeitslosigkeit, die Löhne und die Renten. Wir haben die Idee hervorgehoben, dass man alle Forderungen, die wir anführen, nicht durchsetzen kann, wenn man nicht das kapitalistische System selbst in Frage stellt und sich die Mittel gibt, das zu tun.
Wir haben auch die Idee hervorgehoben, dass die Arbeitenden eine Partei brauchen, die ihre politischen Interessen auf kurze und auf lange Sicht vertritt.
Die dringende Notwendigkeit einer revolutionären kommunistischen Arbeiterpartei
Diese Vorstellung verteidigend erhielten unsere Listen im ersten Wahlgang ein Gesamtergebnis von 320.054 Stimmen (1,5 %), das bedeutet eine Zunahme gegenüber den Regionalwahlen von 2010 (206.229 Stimmen, das heißt 1,09 %).
Das ist natürlich wenig, wenn man bedenkt, was notwendig wäre. Dennoch ist es positiv, weil es bestätigt, was wir während der Wahlkampagne gespürt haben, nämlich, dass diese Ideen in unserem Milieu Gehör finden, dass sie von denen aufgenommen werden, die unter den Folgen der kapitalistischen Krise leiden: von den Werktätigen, den Arbeitslosen, den Rentnern.
Natürlich war die Schlagkraft unserer Kampagne durch unsere geringen Kräfte und unser unzureichendes Auftreten in den Unternehmen, in den Wohnvierteln und auf nationaler Ebene begrenzt. Und auch wenn wir, dank dem Wahlkampf, einen größeren Zugang als sonst zu den großen Medien hatten, beschränkte sich dieser Zugang doch auf einige Minuten im Fernsehen und auf einige Zeilen in der Zeitungen.
Darüber brauchen wir uns nicht wundern und noch weniger jammern. Warum sollte die Bourgeoisie eine politische Bewegung, die ihre Herrschaft über die Gesellschaft radikal bekämpft, begünstigen?
Deshalb kann sich die revolutionäre Bewegung nur behaupten und entwickeln, wenn sie sich unabhängige Ausdrucksmittel (politische Presse, Flugblätter in den Betrieben...) gibt.
Man muss hinzufügen, dass die Arbeiterklasse eine Unzahl von Mitteln finden wird, um ihre Ideen und eine ihre Interessen begünstigende Politik zu propagieren, wenn sie eines Tages ihren Kampfgeist wiederfindet. Trotsky beschrieb, in seinem Werk über die Revolution von 1905, dass sich der aufständische Generalstreik von Stunde zu Stunde, von Minute zu Minute propagierte, ohne dass er irgendwelche bürgerliche Medien brauchte.
Unsere Epoche zeichnet sich nicht durch eine kämpferische Entwicklung der Arbeiterklasse aus. Die revolutionären kommunistischen Ideen propagieren sich nur durch die Bemühungen der Aktivisten und den individuellen Einfluss all jener, die diese Ideen teilen. In diesem Kontext sind unsere 320.054 Wähler wertvoll. Das sind nämlich ebenso viele Menschen, die die Wahlen genutzt haben, um ihr Einverständnis mit unseren Ideen zu zeigen.
Die Wahlen und ihre Ergebnisse sind zweitrangige politische Tatsachen, das heißt, dass sie nicht die Macht haben, die Gesellschaft umzustürzen. Aber sie haben die Macht, an der Propagierung der Ideen beizutragen, und für uns dienen sie zur Überprüfung der Resonanz dieser Ideen. Die Häufigkeit der Wahlen in einem Land wie Frankreich ermöglicht auch, die Hartnäckigkeit derer zu messen, die diese Ideen verteidigen, und festzustellen, dass diese Bewegung existiert und dass die Fahne noch immer gehoben ist. Für die Zukunft ist das wichtig.
Niemand kann vorhersagen, ob die revolutionäre Führung, die das Proletariat benötigt, wenn es wieder Vertrauen in seine Kräfte finden wird, von ganz neuen Generationen kommen wird. Wenigstens teilweise könnte sie auch von einer gewissen Anzahl bewusst gewordener Aktivisten kommen, die der KP entstammen oder nicht, Arbeiteraktivisten, die das Vertrauen nicht verloren haben und die weiterhin innerhalb ihrer Klasse handeln wollen.
Wird die soziale und politische Destabilisierung unserer Zeit sie dazu bringen, sich Fragen zu stellen und Antworten zu suchen?
Wir wissen es nicht. Aber wir werden nur eine Antwort finden, wenn wir mit klaren Ideen und hartnäckig handeln. Es gibt keinen anderen Weg, als zu den Perspektiven und zu den Orientierungen der revolutionären Arbeiterbewegung zurückzukehren. Auf jeden Fall ist das unser Weg!
15. Dezember 2015