Eine der entscheidenden Fragen in einem Streik ist die der Führung, das heißt, durch wen und wie der Wille der Streikenden vertreten wird und ihre Interessen verteidigt werden, sowohl was die Durchführung des Streiks betrifft, als auch in den Verhandlungen mit dem Unternehmer.
Die sozialistischen Revolutionäre setzen sich nicht nur für den Erfolg der Arbeitenden in den alltäglichen Auseinandersetzungen des Klassenkampfes ein, sondern dafür, dass die Arbeitenden die gesamte Gesellschaft in ihre Hand nehmen und die ganze Macht ausüben. Für sie gilt daher, dass die Arbeitenden selbst alle ihre Bewegungen zu organisieren und zu leiten haben, auch solche, deren Tragweite oder Ziele sehr begrenzt sind.
Es gibt Streikkomitee und Streikkomitee ...
Es ist inzwischen ausreichend bekannt, dass die Revolutionäre - und insbesondere jene, die bei Lutte Ouvrière aktiv sind - die Schaffung von Streikkomitees befürworten, die der Streikversammlung verantwortlich sind. Die Idee, dass die Streikenden ihre Führung zu wählen und sie systematisch zu kontrollieren haben, könnte selbstverständlich erscheinen. Doch offenbar ist dem nicht so, da in den letzten Jahren wiederholt von Gewerkschaftsführungen dagegen angekämpft wurde, die, auch wenn sie zumeist widerstrebend die Idee der Arbeiterdemokratie begrüßen, zugleich die Idee verteidigen, dass die Führung der Bewegung rechtmäßig... ihnen selbst zukommt. Vor allen Dingen ist so etwas offenbar nicht selbstverständlich, da Streiks sehr selten gewesen sind, bei denen tatsächlich ein solches Komitee ins Leben gerufen wurde, welches gewählt, abwählbar und allen Streikenden gegenüber verantwortlich war.
Es ist sicher nicht so selten, dass man von einem "Streikkomitee" hört. Doch kann dieses Wort sehr unterschiedliche Realitäten abdecken. So tauft sich manchmal eine Gewerkschaftsführung Streikkomitee, da sie den Streik führt - ohne dabei das Geringste zu verändern, ohne einen einzigen neuen Arbeitenden in die von ihr gebildete Gruppe aufzunehmen und vor allem, ohne die Streikenden nach ihrer Meinung zu fragen. Öfter noch - aufgrund der gewerkschaftlichen Spaltung der französischen Arbeiterbewegung - ist es ein gewerkschaftsübergreifendes Komitee, das Vertreter der verschiedenen Gewerkschaftsorganisationen umfasst, das sich als Streikkomitee bezeichnet. In diesem Fall kann es passieren, dass solch ein gewerkschaftsübergreifendes Komitee bei der Gelegenheit seine Reihen vergrößert und eine gewisse Anzahl von aktiven Streikenden kooptiert, um an seinen Beratungen oder auch Entscheidungen teilzunehmen.
Sicher, wenn man unter Streikkomitee lediglich die Gruppe von Leuten versteht, die tatsächlich die Leitung des Streiks in der Hand hat, ohne sich darum zu kümmern, auf welche Weise diese Gruppe zu Stande gekommen ist und vor allem wie ihre Beziehungen zu den Streikenden sind - weshalb sollte man dann nicht in all diesen Fällen von Streikkomitee sprechen?
Die Art von Streikkomitee, für die sich Revolutionäre einsetzen, sieht anders aus. Und wir ziehen es vor, nur für eine solche Organisation den Begriff Streikkomitee zu verwenden. An sie denken im Übrigen auch die Arbeitenden, wenn sie von einem Streikkomitee sprechen - selbst wenn es in mehr oder weniger unklarer Form geschieht. Und wozu bräuchten ein örtlicher Gewerkschaftsvorstand oder ein gewerkschaftsübergreifendes Komitee in Streikzeiten eine andere Bezeichnung, wenn nicht, um so zu tun, als seien sie etwas anderes als das, was sie tatsächlich sind?
Unter Streikkomitee verstehen wir ein Komitee, dessen Mitglieder alle ohne Ausnahme von den Streikenden gewählt wurden, so dass niemand sich dort aus angestammtem Recht befindet, aufgrund dieser oder jener gewerkschaftlichen Funktion, ohne dass die Streikenden das Recht hätten, ihn im Komitee zu belassen oder abzuberufen.
Für ein solches Streikkomitee muss jeder Arbeitende, der dies will, kandidieren können, ob er gewerkschaftlich organisiert ist oder nicht. Es ist Aufgabe der Streikversammlung, diejenigen zu bestimmen, die sie in diesem Komitee haben will - welches im übrigen so groß wie möglich sein sollte, denn so ist es am repräsentativsten. Und am besten findet die Wahl offen - vor aller Augen - statt. So ist der Einsatz der Streikenden, dafür oder dagegen, klar. Und den Streikenden steht frei, die Abstimmungen eines jeden zu kontrollieren.
Auch wenn natürlich möglichst jeder Bereich des Unternehmens im Streikkomitee vertreten sein sollte, ist es wichtig, dass die endgültige Auswahl der Mitglieder des Streikkomitees in der Vollversammlung aller Streikenden stattfindet. Wenn eine Vorauswahl in einzelnen Bereichen stattgefunden hat, muss sie zumindest von der Vollversammlung bestätigt werden. Es handelt sich um eine geeinte Bewegung und das Streikkomitee hat die Aufgabe, diese für alle zu führen. Keines seiner Mitglieder ist nur für die Verteidigung der Interessen dieses oder jenes Bereiches da. Dies muss sowohl den Mitgliedern des Komitees als auch allen Streikenden klar sein.
Die beste Vertretung der Streikenden
Weshalb erscheint uns eine solche Organisierung des Streiks als die beste?
Deshalb, weil ein Streik zunächst ein Anstieg der Kampfbereitschaft der Arbeiter ist. Er mobilisiert zahlreichere Energien, entwickelt eine größere Teilnahme aller, als es die gewöhnliche Gewerkschaftsaktivität tut. Dies trifft für die heutige Zeit in Frankreich übrigens noch viel mehr zu, in der das gewerkschaftliche Leben äußerst schwach ist, an dem nur eine extreme Minderheit der Arbeitenden ein ganz klein wenig teilnimmt. Der Streik bedeutet Veränderungen im Bewusstsein aller - der vorher gewerkschaftlich Organisierten wie derjenigen, die es nicht waren, aber ebenso wie die ersteren zum Streik aufgerufen sind.
Das Streikkomitee ermöglicht, alle Arbeitenden in die Entscheidungen und die Organisierung ihrer Bewegung einzubeziehen. Insbesondere all jene, die sich gewöhnlich nicht um das Gewerkschaftsleben kümmern, die sich von ihm zurückgezogen haben oder aus dem einen oder anderen Grund davon ferngehalten wurden, die sich jedoch genauso wie die Gewerkschaftsmitglieder, und manchmal sogar mehr als diese, von der Organisierung des Streiks betroffen fühlen und Lust haben können, aktiv daran teilzunehmen. Es gibt keinen Grund, weshalb im Streik bestimmte Streikende weniger Rechte haben sollten als andere.
Aber vor allem wird ein solches Streikkomitee das genauestmögliche Abbild des Willens der Streikenden sein. Es wird in jedem Moment des Streiks das sicherste Barometer für eventuelle Änderungen dieses Willens sein. Wenn das Komitee wirklich den Streikenden verantwortlich ist, wenn es von ihnen abwählbar ist, behält die Mehrheit in jedem Moment das Mittel, ihren Willen umzusetzen - entweder indem sie vom Komitee fordert, dass es eine der Meinung dieser Mehrheit entsprechende Politik macht, oder indem sie das ganze bzw. einen Teil des Komitees durch andere Vertreter ersetzt, die fähiger sind, diese Politik durchzuführen.
Im Übrigen hat ein solches Komitee durch seine sehr repräsentative Ernennung auch mehr Möglichkeiten, genau zu spüren, was die Streikenden wollen, ihre Kampfbereitschaft und Entschlossenheit abzuschätzen, zu wissen bis wohin sie bereit sind zu gehen.
Diese Fähigkeit, sehr genau den Willen der Streikenden zu repräsentieren, auch in seinen Veränderungen, die eine der Qualitäten des Streikkomitees ist, wird übrigens manchmal von den Gewerkschaftsführern als Argument gegen ein Streikkomitee benutzt.
Es stimmt, dass diese Form der Organisierung, welche für jeden aufrichtigen Menschen unbestreitbar die demokratischste Form ist, die man sich vorstellen kann, keine absolute Garantie gegen alle Irrtümer oder schlechten Entscheidungen darstellt. Die Vollversammlung der Streikenden kann sich von einem Maulhelden oder Schönredner täuschen lassen, der sich als zögerlich oder sogar als Verräter an den Interessen seiner Kollegen herausstellt, wenn es sich darum handelt, wirklich den Kampf zu organisieren oder mit dem Chef zu reden.
Doch wenn das Streikkomitee tatsächlich unter der Kontrolle der Streikenden steht, so besitzen diese allein dadurch das notwendige Gegenmittel, da sie die Möglichkeit haben, einen Verantwortlichen, der sich als unfähig oder als Verräter erweist, sofort auszuwechseln.
Andererseits kann es auch passieren, dass die Kampfbereitschaft abfällt, dass sich bei den Streikenden Demoralisierung einstellt. In diesem Fall wird das Streikkomitee diesen Rückgang der Kampfbereitschaft und sogar diese Demoralisierung widerspiegeln. Sei es, dass seine Mitglieder selbst genau derselben Stimmungsentwicklung unterliegen wie die Arbeitenden der Basis, sei es, dass diejenigen, die gut durchhalten, in die Minderheit geraten, nicht mehr die Stimmung der Mehrheit repräsentieren und durch letztere entfernt werden.
Es stimmt sicherlich, dass die gewerkschaftlich Aktiven im Allgemeinen den Auswirkungen der Demoralisierung weniger erliegen als viele Arbeitende an der Basis. Weil sie unter allen Umständen aktiv sind, sind sie besser darauf vorbereitet, ein Mindestmaß an Prinzipien hochzuhalten, selbst in schlechten Zeiten, wenn die fehlende Kampfbereitschaft oder die Demoralisierung der großen Mehrheit ein dem Unternehmer günstiges Kräfteverhältnis ergibt. Man kann sich vorstellen, dass ein Streikkomitee, das aus Arbeitenden der Basis zusammengesetzt ist, die von einem scheinbar aussichtslosen Streik demoralisiert sind, sich dazu entschließt, ein Abkommen mit der Unternehmensleitung zu unterschreiben, das Gewerkschaftsaktivisten auf keinen Fall unterzeichnen würden. Denn selbst im schlimmsten Fall würde ihr gewerkschaftliches Bewusstsein sie daran hindern.
Diese Argumente werden manchmal von Gewerkschaftsaktivisten verwendet, um ihr Monopol auf die Vertretung der Arbeiterschaft zu rechtfertigen, sowie ihre Ablehnung, ihre Führungsrolle vor den Arbeitenden der Basis aufs Spiel zu setzen.
Aber die möglichen Nachteile - eine falsche Entscheidung der Arbeitenden - können die Vorteile nicht auslöschen. Der Ausgang eines Streiks hängt im Übrigen immer grundsätzlich vom Kräfteverhältnis zwischen den Streikenden und dem Unternehmer ab, das heißt davon, was die Streikenden wirklich wollen und was sie zu tun entschlossen sind, um es durchzusetzen. Eine gewerkschaftliche Führung, die entschlossener ist als die Streikenden, wird dem Unternehmer keine Zugeständnisse aufzwingen, die das Kräfteverhältnis nicht aufzwingt, selbst wenn sie die Interessen der Arbeitenden gut verteidigen will. Jedoch kann eine von den Arbeitenden unkontrollierte Gewerkschaftsführung, die losgelöst von ihnen handelt, sehr gut eine Bewegung zum Schleuderpreis verkaufen, die noch alle Möglichkeiten hatte zu siegen. Die jüngste Vergangenheit bietet uns vor allem Beispiele in diesem Sinne, das muss deutlich gesagt werden.
Keine unabsetzbaren Vertreter der Arbeitenden
Für ein Streikkomitee einzutreten, bedeutet also den von den Gewerkschaftsführungen erhobenen Anspruch zu bestreiten, dass die Führung von Bewegungen von Rechts wegen ihnen zukommt.
Ein der Gesamtheit der Streikenden verantwortliches und gewähltes Streikkomitee kann natürlich im Wesentlichen oder sogar vollständig aus Gewerkschaftsaktivisten zusammengesetzt sein. Diese können von den Streikenden ausgewählt werden aus Wertschätzung für ihre gewerkschaftliche Funktion und für die Art, wie sie diese Funktion gewöhnlich ausüben, oder ganz einfach aufgrund der Rolle, die sie beim Auslösen des Konflikts gespielt haben. Doch wenn sie an die Spitze des Streiks gewählt worden sind und den Streikenden in jedem Augenblick des Streiks verantwortlich sind, so erhalten sie ihr Mandat nicht einfach aufgrund ihrer Gewerkschaftszugehörigkeit. Sie sind nicht von der Gewerkschaft und ihrem Apparat abhängig, sondern von den Streikenden, welche sie in der Führung der Bewegung belassen können oder nicht - je nachdem, was sie während des Streiks tun.
Doch das, worauf die Gewerkschaftsführer Anspruch erheben, ist nicht das durchaus legitime Recht, im Falle eines Streiks als Vertreter der Arbeitenden gewählt und bestätigt zu werden. Sie beanspruchen diese Rolle von Rechts wegen, ohne in Frage gestellt werden zu können. Das heißt also, im Namen der Arbeitenden zu sprechen, die Bewegungen zu führen und auch zu beenden wie und wann es ihrem Gutdünken entspricht, ohne dass diese Arbeitenden sagen könnten, ob sie einverstanden sind oder nicht.
Eine solche Forderung ist an sich schon suspekt. Weshalb die Kontrolle und Billigung durch die Arbeitenden der Basis ablehnen, wenn man sicher ist, deren Interessen zu vertreten?
Aber es liegt natürlich daran, dass die Gewerkschaftsführungen sich dessen nichts weniger als sicher sind, dass sie dieses maßlose Recht beanspruchen, als einzige Vertreter der Arbeitenden anerkannt zu werden, ohne dass diese die Möglichkeit hätten, das zu bestätigen oder anzufechten.
Sicher werden die Gewerkschaften traditionellerweise als Vertreter der Arbeiter betrachtet. Selbst das Gesetz garantiert ihnen ein Monopol auf diese Vertretung gegenüber Unternehmern und Regierung. Und ihre Rolle als Vertreter der Arbeiterinteressen wird von den Arbeitenden selbst selten in Frage gestellt, zumindest außerhalb von Streikzeiten!
Das in normalen Zeiten bestehende Desinteresse für das Gewerkschaftsleben und die Tatsache, dass die Mehrheit der Arbeitenden außerhalb der Gewerkschaften bleibt, stört diese nicht so sehr, denn dies lässt ihnen freie Hand, um ihre Apparatinteressen zu verteidigen.
Denn in Wirklichkeit ist jede Gewerkschaft zunächst ein Apparat, der ein Programm und eine Politik vertritt und nicht die Interessen oder den Willen der Gesamtheit der Arbeitenden. Einige proklamieren übrigens offen, dass sie lediglich eine Kategorie von Arbeitenden vertreten, wie die CGC, die erklärt, dass sie nur Führungskräfte vertritt oder die CFTC, die sich nur an christliche Arbeitende wenden will. Doch die CGT, die CFDT oder FO sind ebenso sehr Apparate, die entweder eine bestimmte Politik vertreten, z. B. die Politik der PCF im Falle der CGT, oder eine Politik der PS im Falle der CFDT, oder aber die Interessen von bestimmten Beschäftigtenkategorien wie bei FO, deren Politik häufig von dem Wunsch bestimmt ist, ihren Einfluss unter den Verwaltungsangestellten aufrechtzuerhalten.
All diesen Gewerkschaftsorganisationen ist die Verteidigung ihrer Apparatinteressen und ihrer besonderen Politik wichtiger als die allgemeinen Interessen der Arbeiterklasse.
Und in Kampfzeiten führt dies häufig zu einem offenen Auseinanderklaffen des Willens der Streikenden und der Politik der Gewerkschaftsführungen.
Das bedeutet natürlich nicht, dass nicht in zahlreichen Konflikten die Gewerkschaftsführungen kämpferisch erscheinen, tatsächlich die Spitze des Kampfes übernehmen und diesen bis zu Ende führen, das heißt bis zu dem Punkt, wohin die Kampfbereitschaft und der Willen der Arbeitenden zu gehen erlaubt.
Doch es bedeutet, dass in jedem Kampf die Möglichkeit besteht, dass die Gewerkschaftsorganisationen eine andere Politik zum Ausdruck bringen als es die Streikenden wollen, dass sich eine Kluft auftun kann zwischen der Kampfbereitschaft der einen und den konservativen Interessen der anderen.
Und wenn die betrieblichen Gewerkschaftsaktivisten auch weniger den Auswirkungen einer Demoralisierung erliegen, so fällt es ihnen dafür oftmals schwerer, die Veränderungen aufzunehmen, die sich ergeben, wenn die Kampfbereitschaft steigt. So ergeben und ehrlich sie sein mögen, fühlen sie sich in der Regel der Gewerkschaftsbürokratie verbunden. Daher unterliegen sie viel mehr dem Druck ihres Gewerkschaftsverbandes und spiegeln diesen wieder, welcher sich im Übrigen in Zeiten des Streiks verstärkt. Denn in diesem Moment ist die Gefahr am größten, dass die Gewerkschaftspolitik in Frage gestellt wird. Und oftmals stehen ihre Arbeitskollegen, die am Tag zuvor inaktiv und nicht gewerkschaftlich organisiert waren, plötzlich weiter vorne und befinden sich stärker im Einklang mit den übrigen Arbeitenden.
Wenn die Streikenden demnach wollen, dass ihr Willen durch die Streikleitung sehr genau widergespiegelt wird, müssen sie die Wahl haben, die freie Entscheidung, Gewerkschafter oder andere Streikende dorthin zu wählen.
Es stimmt, dass die Gewerkschaften sich in Streikzeiten sehr oft auf ein gewerkschaftsübergreifendes Komitee verständigen. Man könnte meinen, dass in dem Moment verschiedene politische Konzepte, die von den unterschiedlichen Apparaten vertreten werden, aufeinander stoßen und so den Streikenden unterbreitet werden, und dass sich auf diese Weise eine gewisse Demokratie entwickeln könnte. In Wahrheit werden Probleme innerhalb solcher gewerkschaftsübergreifenden Komitees durch das Kräfteverhältnis zwischen den einzelnen Apparaten entschieden. Die Entscheidungen werden - übrigens oft im Geheimen - unter den Gewerkschaften getroffen und nicht durch eine kollektive Entscheidung der Streikenden, denen die verschiedenen Möglichkeiten nicht einmal vorgestellt werden. Das gewerkschaftsübergreifende Komitee ermöglicht also im besten Fall, die Beziehungen zwischen den verschiedenen Gewerkschaftsapparaten einvernehmlich zu regeln. Es ermöglicht nicht im Geringsten eine wirkliche Demokratie, die den Streikenden die Macht übergibt.
Für ein Streikkomitee ... unter allen Umständen
Die Tatsache, dass Revolutionäre in allen Fällen, in allen Bewegungen, so begrenzt sie auch sein mögen, Verfechter einer demokratischen Organisierung des Streiks und daher für den Aufbau von Streikkomitees sind, bedeutet selbstverständlich nicht, dass es immer möglich sein wird, ein solches aufzubauen.
Man kann immer auf die eine oder andere Art und Weise für Arbeiterdemokratie, also für ein Streikkomitee, werben. Doch oft werden die Revolutionäre ihren Einsatz für ein Streikkomitee dabei belassen und den streikenden Arbeitenden nicht einmal konkret die Schaffung eines solchen vorschlagen.
So ist es zum Beispiel sinnlos, den Aufbau eines Streikkomitees vorzuschlagen, wenn die Arbeitenden - wie es trotz allem in vielen Streiks der Fall ist - den Gewerkschaftsorganisationen völlig vertrauen, sich vollständig von ihnen vertreten fühlen und der Ansicht sind, dass die von jenen festgelegten Ziele sowie die vorgeschlagenen Mittel, um diese zu verwirklichen, richtig sind. Die Arbeitenden können keine Notwendigkeit erkennen, ihrer Bewegung eine andere Führung zu geben, wenn sie nicht das geringste Misstrauen gegenüber derjenigen empfinden, die sich aus angestammtem Recht aufgedrängt hat. Der Versuch einer Minderheit, eine andere Führung aufzubauen, kann in dem Fall als unnützer Spaltungsversuch aufgefasst werden.
Der konkrete Vorschlag eines Streikkomitees kann den Arbeitenden nur gemacht werden, wenn es aus dem einen oder anderen Grund ein Auseinanderklaffen des Willens der Streikenden und der Politik der Gewerkschaftsführungen gibt. Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn ein Streik losgelöst von den Gewerkschaftsführern beginnt oder auch, wenn im Laufe einer Bewegung, selbst wenn sie anfänglich von den Gewerkschaften ausgelöst wurde, Differenzen auftreten zwischen dem, was die Streikenden wollen und dem, was die Gewerkschaftsführungen entscheiden.
Es besteht in allen Fällen das Problem für die Revolutionäre darin, die Situation einzuschätzen, zu spüren, ob es ein Auseinanderklaffen des Willens der Streikenden und der Politik der Gewerkschaftsorganisationen gibt, um den Vorschlag für ein Streikkomitee im günstigen Augenblick zu machen. Und dieser Moment kann von kurzer Dauer sein. Wie oft hat man nicht Streiks gesehen, die ohne - wenn nicht gar gegen - den Willen der Gewerkschaften ausgebrochen sind und dennoch fast unmittelbar von diesen kontrolliert worden sind. Bei diesen Streiks muss die Chance zum Aufbau eines Streikkomitees in den ersten Stunden ergriffen werden, sonst ist sie endgültig verpasst.
Bei einem Fall sollten wir kurz verweilen, denn er verdient, genauer untersucht zu werden. Nämlich wenn revolutionäre Aktivisten an die Spitze einer Bewegung gelangen aufgrund der von ihnen ausgeübten Gewerkschaftsfunktionen. Paradoxerweise gibt es für sie in dieser Situation manchmal die größten Schwierigkeiten, obwohl es die günstigste zu sein scheint, da die Arbeitenden die Revolutionäre ja von vornherein als ihre Vertreter betrachten und daher bereit sind, ihnen zuzuhören.
In der Situation sind die revolutionären Aktivisten tatsächlich die faktischen Führer des Streiks. Sie brauchen dafür kein Streikkomitee. Oft sogar verlangen die Arbeitenden von ihnen nichts anderes, als dass sie diesen Streik als Gewerkschaftsführer leiten - auf die für Gewerkschaftsführer übliche Art.
Es ist dann durchaus verführerisch - und dieser Versuchung sind viele revolutionäre Aktivisten erlegen - sich damit zufrieden zu geben, den Streik als Sekretär dieser oder jener Gewerkschaft zu führen, ohne sich darum zu kümmern, die Bewegung anders zu organisieren.
Doch wenn sie ihren Ideen treu sein wollen, können sich revolutionäre Aktivisten nicht mit ihren Gewerkschaftsmandaten und dem Ansehen, die diese ihnen einbringen, begnügen, um den Streik zu führen. Sie müssen den Streikenden vorschlagen, ein Streikkomitee zu wählen, so wie sie es machen würden, wenn sie nicht diese Posten gewerkschaftlicher Verantwortung innehätten. Sie müssen die Streikenden von der Nützlichkeit eines solchen Komitees überzeugen. Und wenn die Arbeitenden ihnen von vornherein das Vertrauen zur Führung des Streiks schenken, muss es doch wohl möglich sein, jene von der Notwendigkeit zu überzeugen, sich demokratisch zu organisieren und die selbstgebene Führung zu kontrollieren, selbst dann wenn diese Führung unter dem Einfluss der Revolutionäre steht.
Dies ist nicht nur eine einfache Formalität. Es nicht zu tun, läuft darauf hinaus, sich wie die anderen reformistischen Gewerkschaftsführer zu verhalten. Diese handeln ganz natürlich und sind überzeugt, die besten Gründe der Welt zu haben, an Stelle der Streikenden, ohne deren formale Kontrolle, zu führen und zu entscheiden. Auch sie haben weder das Gefühl, sich wie Bürokraten zu verhalten, noch die Interessen der Streikenden zu verraten.
Revolutionäre Aktivisten sind, wenn sie eine Gewerkschaftsgruppe leiten, sicherlich weniger als andere Gewerkschafter empfänglich für den Druck des Apparates, des Gewerkschaftsverbandes gegen den Willen der Streikenden. Doch wenn sie sich sicher sind, die Interessen der Arbeitenden zu vertreten, haben sie auch keinen Grund, sich deren Kontrolle zu entziehen. Sie haben im Gegenteil allen Grund, diese Kontrolle zu suchen, sie müssen sie wenn nötig sogar einfordern.
Man kann nicht im Allgemeinen für Streikkomitees kämpfen und ihnen im Speziellen den Rücken kehren, gerade dann, wenn es möglich ist, eines auf die Beine zu stellen, da die Arbeitenden Vertrauen haben und zuhören. Das hieße, genau das zu tun, was die Revolutionäre den Anderen vorwerfen. Das hieße, sich wie Gewerkschaftsbürokraten zu verhalten. Dass diese Bürokraten sich als revolutionär bezeichnen, ändert nichts. Sie wären nicht die ersten dieser Art.
Genauso wenig kann es sein, dass sich die Revolutionäre, wenn der Streik von ihnen abhängt, das heißt, wenn sie im Streik eine entscheidende Rolle spielen, mit einem Pseudo-Streikkomitee zufrieden geben, welches lediglich ein erweitertes gewerkschaftsübergreifendes Komitee ist, in dem die Gewerkschaftsvertreter aus angestammtem Recht sitzen und einfach nur einige Arbeitende der Basis an ihrer Seite akzeptieren. Dies zu akzeptieren, unter dem Vorwand die anderen Gewerkschaften ins Boot zu holen, heißt in Wirklichkeit, sich für diese Gewerkschaften und gegen die Arbeitenden zu entscheiden.
Wenn wir uns für Streikkomitees einsetzen, die von den Arbeitenden vollständig gewählt und kontrolliert werden, so liegt das zunächst daran, dass diese Form der Organisierung am besten dazu geeignet ist, den Streik zum Erfolg zu führen. Doch es liegt auch daran, dass eine solche Organisierung eine unentbehrliche Ausbildung für die Arbeiterklasse ist. Diese kann nur dann eines Tages die Macht übernehmen und die Gesellschaft leiten, wenn sie dazu fähig ist, sich eine wirklich demokratische Organisationsform zu schaffen, die wirklich den Arbeitenden selbst ermöglicht, die Macht auszuüben. Wie könnte die Arbeiterklasse dies schaffen, wenn sie nicht schon von jetzt an fähig ist dafür zu sorgen, dass eine solche demokratische Organisationsform entsteht, auch in begrenzten Bewegungen mit begrenzten Zielen, doch Zielen, für die Arbeitende sich mobilisieren?