Der folgende Artikel wurde von den Genossen der trotzkistischen Organisation The Spark in Januar 2009 zurzeit der Bush-Verwaltung geschrieben. Er schildert jedoch die immer aktuelle Offensive der amerikanischen Automobilkonzerne gegen die Arbeiter, die heute unter der Präsidentschaft von Barack Obama weitergeführt wird.
Nach den Wochen des Abwartens, ob Chrysler und GM in Konkurs gehen, ob die Regierung noch mal für sie einspringt, hat Präsident Bush am 19.12.08 den beiden Unternehmen die gewünschten Darlehen zugesichert und verkündet, dass damit große Einschnitte für die Arbeitenden und Angestellten der Konzerne verbunden sein werden.
Die Arbeitenden in der Automobilindustrie haben in der Vergangenheit schon erhebliche Einbußen hinnehmen müssen, zuletzt 2005 und 2007. Aber der jetzige Angriff ist viel schlimmer und weit reichender. Es ist eine Kraftprobe zwischen den Unternehmen, unterstützt von allen Regierungskräften auf der einen Seite und den Arbeitenden der Automobilindustrie auf der anderen Seite. Es ist die Vorübung für das, was die Unternehmer gegen die gesamte Arbeiterklasse durchsetzen wollen.
Bush verlangt eine Reihe von Maßnahmen, die im Ganzen für die Beschäftigten und die Rentner eine erhebliche Absenkung im Lebensniveau bedeuten würden:
-drastische Drosselung der Löhne und Sozialleistungen in Detroit im Namen der Wettbewerbsfähigkeit gegen Toyota, Honda und Nissan. Anders gesagt, die Gehälter sollen noch um 15 Dollar pro Stunde gekürzt werden.
-Chrysler und GM sollen mindestens zur Hälfte ihre eigenen Aktien benutzen, um den VEBA- Fonds zu finanzieren, der die Krankenversicherung der Rentner sicherstellt. Das, obwohl dieser Fonds notorisch unterfinanziert ist, weil die Werte der Aktien und Obligationen der Automobilhersteller eingebrochen sind. (nach Angaben der Agentur Fitch Rating vom 9. Dezember).
-Aussetzung aller Arbeitslosen- und Sozialunterstützungen, eingeschlossen der Krankenversicherung in Zeiten der Entlassungen, gerade als GM 30 000 zusätzliche Entlassungen vorsieht.
-Abschaffung von Sicherheits- und Sozialstandards, die der Wettbewerbsfähigkeit mit den ausländischen Herstellern im Wege stehen:
Vergünstigungen, die sich die Arbeiter erkämpft haben wie Alterszulagen, Pausenzeiten, Profilbeschreibungen für bestimmte Posten, oder Beschwerden gegen die Beschleunigung des Arbeitstempos, die Strafmaßnahmen und Sicherheitsmängel, usw.
-Einfrieren der Pensionszahlungen für die Zeit, in der die Pensionsfonds unterfinanziert sind. Das kann für lange sein, denn der GM- Pensionsfonds ist derzeit zu 20%, der von Chrysler zu 34%, der von Ford zu 27% im Defizit.
Die verantwortlichen Gewerkschafter haben bis zum 17.2.09 Zeit, den Vertrag zu unterzeichnen, mit oder ohne mögliche Abänderung, und bis zum 31. März müssten die Belegschaften den Abbedingungen zustimmen.
Ford hat noch nicht nach Darlehen angefragt und ist eigentlich nicht im Zugzwang, solche Zugeständnisse von seinen Beschäftigten zu verlangen, aber der geschäftsführende Direktor hat unverzüglich erklärt, dass er in jedem Falle nachziehen wird und die Gewerkschaftsführung der UAW hat schon versprochen, dass sie sich an die bei GM und Chrysler verhandelten Bedingungen halten werden.
Die Gewährung der Darlehen wurde im Kongress über Wochen hinweg inszeniert. Das begann im Oktober 2008 mit den Mutmaßungen über den Konkurs bei GM und Chrysler, der sich bis jetzt zu einem Medienspektakel ausgeweitet hat. Der Kongress hat angefangen darüber zu debattieren, ob eine Regierungshilfe für die Automobilindustrie gerechtfertigt ist oder nicht. Die Republikaner in den Südstaaten, wo sich ausländische Automobilhersteller angesiedelt haben, deklarierten: "Sollen die Dinosaurier aus Detroit doch zugrunde gehen!" Die Demokraten, angeführt von Nancy Pelosi, sagten, dass sie, wie Bush und einige andere republikanische Senatoren, bereit sind, der Automobilindustrie Kredite zu gewähren, jedoch können sie sich nicht über die Art der Finanzierung einigen. Alle kündigten den Gewerkschaften an, dass sie Zugeständnisse machen müssen.
Barack Obama hat alle "beteiligten Seiten" darauf hingewiesen, dass sie sich darauf vorbereiten müssen, Opfer zu bringen und zu Umstrukturierungsmaßnahmen bereit sein müssen, was die Opfer für die Arbeitenden betrifft, war er jedoch am präzisesten. Er hat die Abschaffung der "Arbeitsnormen aus einer vergangenen Ära" und der Arbeitslosenhilfen im Falle von Entlassungen gefordert. Robert Reich, Arbeitsminister zu Clintons Zeiten, jetzt Berater von Obama, hat deklariert, dass die Gewerkschaften sich auf starke Einbußen bei den Löhnen und den Sozialmaßnahmen einstellen sollen, damit dem Kongress garantiert werden kann, dass die Steuergelder gut eingesetzt sind!
Der Höhepunkt dieser Komödie fand am 2. Dezember statt, als sich die Chefs der drei Autokonzerne mit hybrid betriebenen, also ökonomischeren und ökologischeren Fahrzeugen auf den Weg nach Washington machten, in der Tasche die fertigen Umstrukturierungspläne.
Auf jeden Fall war die erste Liste von Zugeständnissen, die von den Belegschaften verlangt werden sollten, von den Konzernen selbst dem Kongress vorgelegt worden und zwar in Anwesenheit von Ron Gettelfinger, dem Präsidenten der UAW. Sie fand in den Medien jedoch wenig Beachtung. Die betroffenen Seiten, die Chefs der Autoindustrie, die UAW-Führer, die Republikaner und Demokraten im Repräsentantenhaus und im Senat, die Bush-Verwaltung und die neue unter Obama waren sich bei einer Sache einig: Die Hauptlast der Umstrukturierungen werden die Automobilarbeitenden tragen. Meinungsverschiedenheiten gab es nur in Detailfragen. Letztendlich hat Bush alles das umgesetzt, was die Unternehmen gefordert haben.
Wenn es nur darum gegangen wäre, die Erfordernisse der Autokonzerne geltend zu machen, bräuchte nicht man das dreimonatige Theater mit der Konkursdrohung im Falle, dass die Kredite nicht gewährt werden. Diese Inszenierung im Kongress hat aber noch eine tiefere Bedeutung: Sie ist Teil der Kampagne der Bourgeoisie und ihrer Verbündeten in der Politik, den Arbeitenden klar zu machen, dass sie keine andere Wahl haben, als zukünftige Einbußen hinzunehmen.
Den Konkurs erwähnen, um Zugeständnisse zu erpressen
Am 22. November 2008, zwei Wochen vor Abschluss des Geschäftes, widmet sich ein Wirtschaftsredakteur der New York Times der Frage. Er schreibt: "Für General Motors ist es entscheidend, ob GM es schafft, ihre alten Verträge mit den Gewerkschaften und den Vertragshändlern zu kündigen. Der Konzern muss die sozialen Sicherheiten erheblich einschränken und sogar die Krankenversicherungsverträge für die Rentner abschaffen. Er muss Fabriken schließen. Die Arbeiter müssen zu den gleichen Tarifen wie bei Toyota in den USA bezahlt werden und keinen Cent mehr. Die Anzahl der Marken auf dem Markt muss reduziert werden. Daraus folgt die Schließung von Tausenden Verkaufszentren, was wegen der schwierigen gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der Vertragshändler nicht einfach sein dürfte ... Nach den jetzigen Gesetzen dürfte nur ein Konkursverfahren es erlauben, mit den Gewerkschaften einen neuen Kollektivvertrag auszuhandeln und die Verpflichtungen gegenüber den Konzessionshändlern los zu werden ... Aber ein Konkurs ist alles andere als eine einfache Sache. Das ist ein langer Prozess, schwierig, mühsam und ohne Garantie auf Erfolg. ... Außerdem, gibt es einen anderen Weg, dasselbe Ergebnis zu erreichen? Ich glaube ja, aber das erfordert ein aktives Engagement, einerseits vom Kongress, andererseits von der Obama-Verwaltung... Sie könnten die Gewerkschaften und die Unternehmen zwingen, ihre Verträge neu zu verhandeln. Der Kongress könnte ein Gesetz verabschieden, dass die Bundesgesetzgebung zur Regelung der Konzessionsvergabe neu ordnet. ... Wenn die Regierung einbezogen wird, wäre es viel schwieriger, abzulehnen..."
Mit der Genehmigung der gewünschten Darlehen hat Bush die Regierung ins Spiel gebracht. Er hat von den Konzernen "gefordert", dass nun die Arbeitenden ihr Opfer bringen müssen und die Anzahl der Verkaufszentren eingeschränkt wird. Das bedeutet eine Vernichtung von zahlreichen Arbeitsplätzen bei den 740.000 Personen, die für die Vertragshändler der drei Autohersteller arbeiten.
Was würde passieren, wenn die Unternehmen die Beschäftigten nicht zur Kapitulation zwingen?
Nach den Klauseln des Darlehens müssten diese sofort zurück erstattet werden. Jede andere finanzielle Hilfe der Regierung müsste verwehrt werden. Das könnte das Ende für GM und Chrysler bedeuten, wie es diese Unternehmen selbst ankündigen.
Und das ist nichts anderes als Erpressung: Mit der Konkursdrohung zwingen sie die Beschäftigten gegen ihre eigenen Interessen zu stimmen.
Verantwortlich für den Konkurs sind die Aktionäre
Sicherlich ist in der aktuellen Krise ein Konkurs der Automobilhersteller nicht auszuschließen. Die Löhne und die sozialen Absicherungen der Arbeiter sind aber ganz gewiss nicht der Grund dafür.
Zuerst zu Chrysler. Als 2007 Chrysler von Cerberus Capital Management gekauft wurde, ging es sofort an die Zerstückelung des Unternehmens. Cerberus hat sich des Unternehmenssitzes von Chrysler und dem dazugehörigen Grundstück bemächtigt - ein Komplex mit Büros und Schauhallen auf so viel Terrain, dass nur noch das Pentagon größer ist. Chrysler musste für seinen eigenen Firmensitz Miete zahlen. Cerberus hat dann den Finanzsektor herausgelöst, ihn von der Produktion abgetrennt, die er nun zum Abwracken vorbereitet. Für den Wert der Fabriken wurden Hypotheken aufgenommen, ungefähr im Wert von 12 Mrd. Dollar, die nicht wieder in die Produktion investiert wurden. Praktisch hat Cerberus seit der Übernahme von Chrysler nach jemandem gesucht, der die verschuldeten Fabriken übernimmt, jedoch ohne Erfolg. Letztendlich hat Fiat im Januar 2009 angekündigt, dass sie einen "nicht zwingenden Vertrag" mit Cerberus abschließen, der Fiat die 35%ige Teilhabe an Chrysler überlässt. Damit der Vertrag zustande kommt, muss die amerikanische Regierung noch mal 3 Mrd. Dollar locker machen und die Arbeiter sollen zu weiteren Zugeständnissen bereit sein. Fiat hat dann Zugang zum Verkaufsnetz von Chrysler in Nordamerika und kann eine Chrysler-Fabrik zur Herstellung der eigenen Marke nutzen. Cerberus hofft, Chrysler abzustoßen, nachdem sie fast das gesamte Kapital herausgepumpt haben. Die verbleibenden Fabriken sind dann sich selbst überlassen, also am Rande des Konkurses. Die Geschäftsführer sind sich dessen bewusst: Vier von ihnen haben sich schon abgesetzt.
Aber GM und Ford sind vor dem Konkurs auch nicht sicher. Die drohende Arbeitslosigkeit hält die Kauflust der Leute vom Automobilmarkt fern und das Einfrieren der Kredite verhindert Kauffinanzierungen. So sind im letzten Jahr die Verkaufszahlen eingebrochen. 13 Millionen verkaufte Autos, während die Zahlen in den Jahrzehnten vorher bei 16 bis 17 Millionen lagen. Im Laufe der letzen drei Monate sind die Zahlen nochmals herunter gegangen, so dass es auf 10 Millionen verkaufte Autos im Jahr hinauslaufen würde. Die Produktion 2009 dürfte also 10 Millionen nicht übersteigen.
Ein Fakt ist also unbestreitbar: Wenn die Autoindustrie heute am Rande des Konkurs steht, ist es ihre eigene Schuld. Und sprechen wir nicht von der Dummheit, die LKW-Produktion und die Geländewagen auf dem gesamten amerikanischen Markt durchzusetzen, auch wenn das sicher ein Teil der Probleme ausmacht.
In der Realität sind es die Finanzpraktiken - weit verbreitet in der gesamten Wirtschaft - die in den Konkurs geführt haben. Wie in anderen Industriezweigen auch haben die Autohersteller versucht, um jeden Preis Profit aus der Produktion zu schlagen, um sie den Aktionären und Banken zu schenken, wobei sich die eigenen Vorstände nicht schlecht bedient haben, bevor sie den Rest in die Finanzspekulation geworfen haben.
Selbst die verfälschten Bilanzen von Ford und GM zeigen das. Nach 12 Jahren, für die Periode von 1996 bis 2007, zeigt Ford ein Gewinn von 23,8 Milliarden Dollar an. Aber das Resultat setzt sich folgendermaßen zusammen: Das Unternehmen hat 8,9 Mrd. in der Produktion verloren, während es 32,7 Mrd. Dollar durch Finanzgeschäfte gewonnen hat. Um es noch deutlicher zu sagen, Ford gibt vor, kein Gewinn durch die Herstellung von Autos zu machen, sondern einzig durch die Finanzierung von Auto- und LKW- Käufen. Es reicht ein wenig genauer in die Bilanzen zu schauen und man wird finden, dass Ford seine Gewinne aus der Produktion in die Finanzgeschäfte verschoben hat.
GM hat das genau so gemacht. Und die in seine Finanzbranche, die GMAC, transferierten Gewinne sind durch die Spekulation mit den Hypotheken, den "Subprimes" verschwunden.
Die Geschäftsbücher von Chrysler wurden während des Verkaufs an Cerberus geheim gehalten, aber die komplizierte Organisationsform, die von Cerberus eingeführt wurde, lässt eigentlich keinen Zweifel zu, dass genau so wie bei den anderen vorgegangen wurde.
Was immer auch die genaueren finanziellen und steuerlichen Hintergründe für die Verschiebung der Gewinne in die Finanzbranche gewesen sein mögen, ein Resultat war auf jeden Fall, dass die Gewinnbeteiligungen der Arbeiter reduziert oder ganz und gar abgeschafft wurden, die ihnen als Lohnersatz versprochen wurden. Während der letzten vier oder fünf Jahre hat die Finanzbranche die Gewinne aus der Produktion verschlungen und weit darüber hinaus zu den Defiziten beigetragen. Die als Verluste der Produktion ausgezeichneten Bilanzen müssen nun als Rechtfertigung für immer größere Opfer auf Seiten der Arbeiter herhalten: reduzierter Firmenbeitrag zur Krankenversicherung 2003, 2005 neuerliche Angriffe auf die medizinische Versorgungsleistungen bei den Rentnern und bei den Löhnen der Beschäftigten, 2007 neue Lohn- und Sozialverträge für alle Neueingestellten, die weniger als die Hälfte von dem vorsehen, was ein Arbeiter, der schon eine Stelle hat, verdient. Außerdem wurden die Unternehmen aus der Verantwortung für die Krankenbeiträge der Rentner entlassen, indem die Verwaltung der dafür vorgesehenen Fonds VEBA den Gewerkschaften übertragen wurde, die von nun an ganz und gar für die Krankenbeiträge verantwortlich sind.
Aber das ist nur der Anfang der Geschichte. Während über Jahrzehnte die Autoindustrie enorme Profite gemacht hat, sind doch mehr als diese wieder ausgegeben worden. Selbst die verfälschten Bilanzen zeigen das: Als Ford zwischen 1996 und 2007 23,8 Milliarden Dollar Profit realisiert hat, sind 19,2 Milliarden an Dividenden ausgezahlt worden und mindestens 10 Milliarden Dollar wurden ausgegeben, um die eigenen Aktien zu kaufen. Anders gesagt, hat Ford 29,2 Milliarden Dollar an seine Hauptinvestoren ausgezahlt, darunter die Familie Ford, das wären 5,4 Milliarden mehr als das, was an Gewinnen eingenommen wurde.
Diese Praktiken sind bezeichnend für die letzten Jahre geworden, als die Verluste in den Bilanzen Überhand genommen haben. Von 2005 bis 2007 hatte GM keine Gewinne zu verzeichnen, nur Verluste, die sich auf 16,6 Milliarden Dollar beziffern. Trotzdem wurden an die Aktionäre 2,3 Milliarden Dollar an Dividenden ausgezahlt. Die fünf größten Manager haben 87 Millionen Dollar bekommen, offensichtlich als Anerkennung dafür, dass sie so viel Geld verteilt haben, während rote Zahlen geschrieben wurden.
Und um dem ganzen noch die Krone aufzusetzen, haben sich die Automobilkonzerne noch mit Hingabe in Investitionskäufe geworfen. Ford hat 30 Milliarden Dollar ausgegeben, um seine Anteile in 22 Gesellschaften oder Werken im Ausland zu vergrößern, dabei die größte japanische Supermarktkette. GM hat über seine Finanzbranche mehr als 20 Gesellschaften für Hypothekenkreditgeschäfte gekauft. Als ob Supermärkte oder Hypothekenkredite irgendetwas mit der Autoproduktion zu tun haben!
Woher kam all das Geld?
Es gibt nicht hunderttausend Möglichkeiten, einer Katze das Fell abzuziehen. Oder in dem Fall: Mehr auszugeben, als man in der Tasche hat. Das, was die Autokonzerne nicht den Arbeitenden abnehmen konnten, haben sie sich geborgt. Aber das geborgte Geld zog Zinsforderungen nach sich - die wiederum den schon angehäuften Defiziten der Betriebsbilanzen dazu addiert werden.
Wenn GM heute in den roten Zahlen steht, kommt das davon, das mehr als da war an die reichen Parasiten ausgeteilt wurde, die sich so von der produktiven Wirtschaft ernähren. Das ist das Geheimnis hinter dem aktuellen Flirt von GM mit dem Konkurs.
Natürlich ist das kaum noch ein Geheimnis. Die gesamte Ökonomie, besonders die großen Unternehmen sind in derselben Situation. Nach Floyd Norris (in der New York Times vom 9. Januar 2009) haben die großen Unternehmen, im S&P 500 Index notiert, 900 Milliarden an Dividenden in vier Jahren von 2004 bis 2008 ausgezahlt. Sie haben außerdem Aktien im Wert von 1 700 Dollar gekauft. Alles zusammengerechnet haben die Unternehmen 2600 Milliarden Dollar an die Aktionäre ausgezahlt. Das sind 200 Milliarden mehr als der reine Nettogewinn für diese Periode.
Wie haben sie das fertig gebracht? Norris erklärt das so: "Viele Unternehmen haben sich aus Krediten finanziert, die jedes Jahr erneuert werden müssten. Selbst die Schuldverschreibungen sind für nur 5 bis 10 Jahre ausgegeben."
Die Anleihen der Unternehmen müssen regelmäßig erneuert, das heißt refinanziert werden. Aber da der Kreditmarkt zusammen gebrochen ist, können die Unternehmen keine Kreditgeber finden. Das nächste Jahr wird noch schlimmer, da wenigstens 700 Milliarden Dollar Kredite ausstehen.
Darum wollen die großen Unternehmen, dass die Arbeiter für die Schulden zahlen, die sie gemacht haben. Darum erklären sie den Arbeitern den Krieg. Darum drohen sie mit Konkursverfahren, vielleicht eben nur als Drohung oder aber auch als einzigen Ausweg.
Ob das Unternehmen nun wirklich ins Konkursverfahren kommt oder nicht, die Arbeitenden haben keine andere Wahl sich zu schützen, als dafür zu kämpfen, dass nicht sie, sondern die Unternehmer selbst zur Verantwortung gezogen werden.
Das Wettrennen um die "Wettbewerbsfähigkeit" ist eine Abwärtsschleife
Die Opfer in der Automobilindustrie wurden im Namen der Wettbewerbsfähigkeit mit den ausländischen Unternehmen verlangt - die Idee ist absurd, dass sich die Arbeiter schützen, wenn sie für geringere Löhne als die anderen Arbeiter kämpfen.
Das ist kein Schutz, sondern eine Abwärtsentwicklung. Die einzigen Gewinner dabei sind die Unternehmer.
Anfang Dezember, noch bevor Bush die Kredite bewilligt hat, verbreitete Toyota einen internen Bericht, der vorschlägt, dass Toyota die Stundenlöhne in seinen Werken eher an die Stundenlöhne der Bundesstaaten anpasst, in denen sie sich niedergelassen haben, als "sich den Löhnen der amerikanischen Automobilindustrie oder der anderen Konkurrenten anzugleichen".
Um zu verhindern, dass die Arbeiter sich an die Gewerkschaften wenden, hat Toyota, wie auch Honda oder Nissan, seine Löhne ursprünglich den in Detroit gezahlten angepasst, gleichzeitig aber ein deutlich geringeres soziales Netz gewährt. Da aber Toyota und die anderen Autohersteller sich in den Südstaaten angesiedelt haben, wo die Löhne im Allgemeinen niedriger sind, hieß das, dass dort attraktive Löhne gezahlt wurden, wenn es auch an der sozialen Absicherung mangelte. So wurden bei Toyota bis zu 30 Dollar die Stunde gezahlt, bei Honda ungefähr 26 Dollar, der durchschnittliche Stundenlohn in der Industrie lag weit darunter (z.B. Kentucky 12,65 Dollar Stundenlohn oder Alabama 10,80 Dollar).
Anscheinend fühlt sich Toyota jetzt vollkommen berechtigt, die Stundenlöhne zu reduzieren, um sie den im Süden gezahlten anzupassen, zumal die Gewerkschaften, den wiederholten Lohnkürzungen in Detroit zugestimmt haben.
Wo wird diese Abwärtsspirale enden? Eine Sache ist sicher, die Unternehmen werden diesen Weg weiter vorantreiben, solange sie können und die Arbeiter keinen Widerstand leisten.
Gettelfinger: Die Gewerkschaften wurden zwar nicht gefragt... stimmen aber auf jeden Fall zu
Seit dem Anfang der Kampagne haben sich die Chefs der UAW stark für die Unterstützung der Unternehmen engagiert.
Der Präsident der UAW, Ron Gettelfinger, hat deutlich formuliert und mit einigem Nachdruck verurteilt, dass außer den Arbeitern, die anderen "betroffenen Seiten" nicht dazu aufgefordert waren, auf irgendetwas zu verzichten und dass die Gewerkschaft nicht zu Rate gezogen wurde.
Aber von Anfang bis Ende hat er das Recht der Unternehmen gerechtfertigt, Opfer von der Belegschaft zu fordern und daran erinnert, welche Opfer die Unternehmen den Beschäftigten schon mit Hilfe der Gewerkschaft abgerungen haben. Anlässlich seiner Zeugenaussagen vor dem Kongress zählte er die schon 2005 und 2007 erbrachten Kürzungen beim Sozialschutz auf. Selbst die 150.000 vernichteten Arbeitsplätze bei GM, Ford und Chrysler hat er als einen Erfolg der UAW angepriesen, die der schnelleren Einführung der neuen Arbeitsnormen zu verdanken war.
In einer Detroiter Zeitungen schreib er: "Die zehn wettbewerbfähigsten Betriebe in Nordamerika sind dort, wo die Gewerkschaft existiert. Die gewerkschaftlich organisierten Arbeiter machen ihre Arbeit in weniger Stunden pro Auto als die Konkurrenz." Als ob die Beschleunigung des Arbeitstakts etwas wäre, worauf eine Gewerkschaft stolz sein dürfte.
Selbst noch bevor Bush Zugeständnisse von den Beschäftigten verlangte, war Gettelfinger schon einverstanden, dass die Unternehmen damit aufhören, Entschädigungen an die Entlassenen auszuzahlen. Er akzeptierte, dass die Unternehmen die Zahlungen an den VEBA aussetzen, der die Renten und Umschulungen für die Arbeiter finanziert. Er akzeptierte, dass die Urlaubsregelungen modifiziert werden. Das alles hat er abgeschrieben, ohne jedoch die Belegschaft gefragt zu haben. Schlussendlich akzeptierte Gettelfinger die Neuverhandlung der Arbeitsverträge, die neue und bedeutendere Zugeständnisse von den Arbeitern verlangen.
"Zugeständnisse, dieses Wort stört mich", sagt Gettelfinger, "aber warum soll man es verstecken: Genau die haben wir gemacht." Das stimmt, und damit haben die Gewerkschaftsführer den Unternehmen eine Einladung auf dem Tablett serviert, dass sie bereit sind, wenn sie noch mehr fordern.
Was steht auf dem Ziel?
Über Jahre hinweg waren die Arbeiter in der Automobilindustrie die Avantgarde der Arbeiterklasse. In den Jahrzehnten als die Arbeiterklasse Fortschritte gemacht hat, waren die Automobilarbeiter in den vordersten Kampfreihen und haben die anderen mit sich gezogen.
Es gab Streiks mit Betriebsbesetzungen bei GM und Chrysler Ende der 30er Jahre. Der Streik von 1941 bei Ford im Standort Rouge hat Henry Ford zum Rückzug gezwungen und Gewerkschaften mussten zugelassen werden. Während des Zweiten Weltkriegs gab es hunderte wilder Streiks, bei GM 1945-46 den 113- Tagestreik, bei Chrysler 1950 einen 104-Tagestreik, viele andere wilde Streiks in den 60er Jahren, der 72-Tagestreik bei Ford 1967, der 69-Tagestreik bei GM 1970.
Die Kämpfe der Arbeitenden in der Automobilindustrie haben geholfen, das Lebensniveau der so genannten "Mittelstandsklasse" zu erreichen, nicht nur für sie selbst, sondern auch für Millionen andere Arbeiter, die ihnen im Kampf für ein besseres Lebensniveau gefolgt sind. Das Lebensniveau der so genannten "Mittelstandsklasse" wurde ihnen nicht geschenkt, sie haben es sich in harten Kämpfen errungen, wobei viele in weitaus schwierigeren Situationen geführt wurden, als wir sie heute haben.
Die Gewerkschaften konnten über Jahre hinweg die Arbeitenden in anderen Industrien nur organisieren, weil sie sich auf das stützen konnten, was die Arbeiter in der Automobilindustrie in harten Kämpfen erreicht haben.
Es ist also kein Zufall, dass der gesamte Kongress und auch die Bush- Verwaltung sowie die von Obama sich in einer Kampagne gegen die Beschäftigten der Automobilindustrie engagieren. Wenn diese Kampagne diese Arbeiter nieder zwingt, kann die Bourgeoisie dem Rest der Arbeiterklasse größere Zugeständnisse viel leichter abnötigen. Die Regierung legt ihr ganzes Gewicht auf die letzten Hochburgen, die von den Automobilarbeitern gehalten werden. Damit helfen sie nicht nur der Automobilkonzernen, sondern der gesamten kapitalistischen Klasse. (...)
Es steht heute sehr viel auf dem Spiel: Der Angriff soll entscheiden, wer für die Kosten der Krise aufkommt. Trotz der Vernichtung von Arbeitsplätzen in der Automobilindustrie bleiben immer noch 160.000 in den Werken von Detroit. Die sind immer noch ein Rückhalt für die Arbeiterklasse, selbst heute. Wenn die politische Kampagne gegen die Arbeiter der Automobilindustrie gewonnen wird, wenn sie ohne Widerstandsversuch fallen, wäre das ein großer Rückschlag für alle Arbeitenden.
Es ist offensichtlich, dass die Automobilarbeiter weder auf Gettelfinger noch auf irgendeinen anderen Gewerkschaftsführer rechnen können, die verteidigen, dass Zugeständnisse nötig sind und selbst tief in die Kampagne gegen die Arbeiter verstrickt sind. Aber die Automobilarbeiter haben in der Vergangenheit gezeigt, welche Macht sie aufgrund ihrer Anzahl besitzen. Es ist wichtig, dass sie ihre Kräfte zusammen bringen, um gegen die Angriffe zu bestehen und mit der übrigen Arbeiterklasse gemeinsam die Bosse für die Krise bezahlen zu lassen.