Folgender Text wurde vom Kongress von Lutte Ouvrière, der Anfang Dezember 2024 in Frankreich stattfand.
Krise und Kriege in Zeiten des altersschwachen Kapitalismus
I. Internationale Beziehungen
Ein weiteres Jahr der Krise, der Kriege, ein weiteres Jahr, in der wir in der Barbarei versinken. Das Jahr ist in gewisser Weise eine Wiederholung, ein Nachbeben des vorherigen Jahres. Doch es ist nicht nur das. Es ist auch eine Verschlimmerung all dieser Entwicklungen, allein schon aufgrund ihrer Dauer.
Ein weiteres Jahr, das deutlich macht, dass die Bourgeoisie keinen Schritt aus der Krise ihrer Wirtschaft herausgekommen ist, herauskommen konnte.
Ein Jahr Krieg „hoher Intensität“ zwischen Russland und der Ukraine wie auch im Nahen Osten bedeutet weitere Zehntausende Tote, kolossale Zerstörungen. Und – über die aktuellen Opfer hinaus – bringt es die wachsende Gewissheit mit sich, dass die Menschheit dabei ist, längerfristig in der Barbarei zu versinken. Die Herrschaft der imperialistischen Bourgeoisie über den Planeten hat der Menschheit nur diese Zukunft zu bieten.
Die gegenwärtige Phase der Krise, die bereits ein halbes Jahrhundert andauert, ist Teil eines Phänomens, das bürgerliche Ökonomen immer häufiger als „jahrhundertelange Krise“ bezeichnen. Sie hat sich seit den 1970er Jahren durch die rasche Abfolge von Krise des internationalen Währungssystems, Abschaffung der Konvertibilität des Dollars und aufeinanderfolgenden Ölkrisen verschärft.
Diese jahrhundertelange Krise beendete endgültig die „Wirtschaftswunderzeit“ (eine kurze Zeit, in der der Motor der kapitalistischen Wirtschaft wieder ansprang, wobei der Wiederaufbau nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs die wichtigste Triebfeder war). Krisen bestimmen den Rhythmus der gesamten Geschichte des Kapitalismus seit seinen Anfängen und sind eine seiner Entwicklungsphasen. Doch im Gegensatz zu den Krisen des aufsteigenden Kapitalismus, auf die ein neuer Aufschwung folgte, neigen die Krisen des altersschwachen Kapitalismus der imperialistischen Epoche dazu, lange anzuhalten und sich sogar zu verstetigen (daher der Ausdruck „jahrhundertelange Krise“).
Was die Entwicklung der gegenwärtigen Phase der Krise betrifft, so deutet alles darauf hin, dass sie sich verschärfen wird. Das sagen die Bourgeoisie und ihre (mehr oder weniger von ihr autorisierten) Sprecher selber. Die bürgerliche Presse, insbesondere die Wirtschaftspresse, scheint von der Angst vor einer möglichen Finanzkrise in einer weitgehend finanzialisierten kapitalistischen Welt verfolgt zu werden, die zu einem wirtschaftlichen Zusammenbruch führen könnte, der mit dem von 1929 vergleichbar ist, vielleicht sogar noch schlimmer.
Dies ist in der gegenwärtigen Krise bislang nicht der Fall. Daraus kann man den Schluss ziehen, dass die Weltwirtschaft bisher immerhin davon verschont geblieben ist. Man kann aber auch den viel wahrscheinlicheren Schluss daraus ziehen, dass das Schlimmste noch vor uns liegt.
Eine der wichtigsten Kennziffern für den Zustand der kapitalistischen Weltwirtschaft ist der Zustand des Handels. Bisher ist der Welthandel nicht zusammengebrochen, trotz der protektionistischen Maßnahmen der imperialistischen Mächte, vor allem der USA, die die weltweite Produktion und den Welthandel beherrschen. Die Zunahme protektionistischer Maßnahmen beginnt sich jedoch sogar auf diese Kennziffer auszuwirken. „Der Welthandel verliert an Dynamik“, so eine Schlagzeile in Les Échos vom 26. August 2024. Und weiter: „Diese Verlangsamung ist größtenteils auf eine geringere Exportleistung der Länder der Europäischen Union (EU) zurückzuführen“.
Veränderungen in den Machtverhältnissen zwischen den imperialistischen Ländern
Die Gesamtstatistik für alle imperialistischen Mächte verschleiert die Verschiebung des Machtverhältnisses zwischen ihnen.
Allein durch ihre Dauer und die Verschärfung des Konkurrenzkampfes hat die Krise bereits tiefgreifende Auswirkungen auf die weltweiten wirtschaftlichen Machtverhältnisse, insbesondere zwischen den USA und Europa. Im selben Artikel der Wirtschaftszeitung wird insbesondere auf „die Entwicklung in Deutschland hingewiesen, wo die Exporte von chemischen Erzeugnissen und anderen Industrieerzeugnissen zurückgegangen sind“.
In einer weiteren Ausgabe von Les Échos (12. September 2024) wird ein langer Bericht von Mario Draghi kommentiert, der „in Brüssel (...) davor warnt, dass die europäische Wirtschaft in Gefahr sei“. Panisch spricht er von der mangelnden Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft und warnt: „Entweder man handelt, oder es wird ein langsamer Todeskampf“.
Die Worte sind genau gewählt! Und es handelt sich hierbei nicht um den Kommentar irgendeines Journalisten, sondern von Draghi einer der prägendsten Persönlichkeiten der bürgerlichen Welt ist. Und dieser spricht von einem Europa im Todeskampf. Er spricht nicht davon, dass wir konkurrenzfähiger gegenüber Russland oder gar China werden müssten. Er spricht von den Vereinigten Staaten. Und man merkt, dass dieser Mann, der stets verantwortungsbewusst im Sinn der europäischen Bourgeoisie denkt und handelt, die Befürchtung hat, dass Europa aufgrund der USA und ihrer Konkurrenz im Sterben liegt. Und er stellt heraus, was dafür verantwortlich ist: unzureichende produktive Investitionen.
Was für eine grandiose Entdeckung! Wie viele Leitartikel haben wir seit den 1970er Jahren diesem Thema gewidmet? Ja, die Bourgeoisie neigt immer weniger dazu, in die Produktion zu investieren und immer mehr in die Spekulation, wodurch sie die Krise verschärft. Als Trotzki 1938 im Übergangsprogramm feststellte, wie verloren, hilflos und panisch die Bourgeoisie angesichts der Erschütterungen ihrer eigenen Wirtschaft war, beschrieb er eine Realität, die der heutigen sehr ähnlich ist.
Die Feststellung, dass die Kluft zwischen der europäischen und der US-amerikanischen Wirtschaft immer größer wird, ist gleichzeitig ein Beweis für das Scheitern der Europäischen Union. Die Gründe für dieses Scheitern lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: Trotz der langen und mühsamen „europäischen Einigung“ ist Europa nicht vereint; die verschiedenen Staaten, aus denen sich die EU zusammensetzt, stehen weiterhin im Wettbewerb zueinander. Die Europäische Union steht keineswegs für die Vereinigung Europas. Sie ist im Gegenteil eine weitere Arena, in der die kapitalistischen Länder Europas gegeneinander antreten. Der Vereinigungsprozess ist nicht nur begrenzt, sondern auch umkehrbar.
Die Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit innerhalb der Europäischen Union war einer der wenigen Nebeneffekte der Union, die für die gesamte Bevölkerung von Vorteil waren. Für all jene, die nicht die Staatsbürgerschaft eines der Länder besitzen, die Teil des Schengenraums sind, ist diese Bewegungsfreiheit immer ein schlechter Scherz geblieben. Doch die jüngste Entscheidung Deutschlands, die Grenzkontrollen wieder einzuführen, erinnert daran, wie leicht ein EU-Staat diese symbolträchtige Maßnahme von einem Tag auf den anderen über Bord werfen kann.
Und dies ist nur ein Aspekt der Vereinigung, der für die jeweiligen nationalen Bourgeoisien von untergeordneter Bedeutung ist. Doch auch in den für sie wesentlichen Bereichen – Armeen, Sicherheitskräfte, Behörden, politische Institutionen, Steuern, Sozialgesetzgebung, die Gesamtheit der Gesetze usw. – hat Europa seine Zersplitterung nie überwunden. Im Konkurrenzkampf zwischen Europa und den USA ist dies ein entscheidender Nachteil.
Finanzkollaps, eine bislang nur schwelende Gefahr
Wenn man die aktuelle Krise mit der von 1929 vergleicht, stellt man fest, dass der internationale Handel auf dem Höhepunkt der damaligen Krise regelrecht zusammengebrochen ist – entweder durch die Krise selbst oder infolge der protektionistischen Wirtschaftsmaßnahmen. Der Wert des internationalen Handels sank zwischen 1929 und 1933 auf ein Drittel. Heute ist dies überhaupt nicht der Fall, weder was den Handel noch was die Produktion angeht.
Der große Unterschied zwischen der aktuellen Krise und der langen Depression nach 1929 besteht derzeit darin, dass das Großkapital weiterhin riesige Profite macht. Es tut dies auf Kosten der Arbeiterklasse, der Arbeitenden, der Rentner; auf Kosten all dessen, was im Öffentlichen Dienst der einfachen Bevölkerung nützt: Gesundheit, Bildung, öffentliche Verkehrsmittel usw. Es erzielt seine Gewinne vor allem durch Spekulation und Finanzgeschäfte.
Die Finanztransaktionen tragen dazu bei, den Mehrwert unter den Kapitalisten aufzuteilen. Doch sie verwandeln sich ihrerseits in Faktoren, die die Krise verstärken. Die auf das Finanzwesen spezialisierte Presse spiegelt die tiefe Besorgnis des Großkapitals vor einem drohenden Finanzkollaps. Ein Finanzkollaps in einem Ausmaß, wie wir ihn bislang noch nicht kennengelernt haben. Wir haben ihn 2008 gestreift. Er ging jedoch nicht so weit wie in den Jahren nach 1929. In Les Échos vom 17. September 2024 heißt es dennoch in einem Zwischenbericht, dass „die europäischen Staaten sich beeilen, die Schulden der Krise von 2008 zu begleichen“ und dass „allein der niederländische Staat 27 Milliarden Euro ausgegeben hat, um ABN AMRO (die größte Bank der Niederlande) vor dem Bankrott zu retten“. Dabei handelt es sich hier nur um einen kleinen imperialistischen Staat...
Das Gespenst einer großen Finanzkrise geht nicht umsonst in den Reihen des Großkapitals um!
Künstliche Intelligenz: Von wissenschaftlichen und technischen Versprechungen zu realen Spekulationen
Die Verheißungen, wie die Produktivität gesteigert werden könne, und die Spekulationen auf diese Verheißungen sind so eng miteinander verwoben, dass selbst die großen Köpfe der Bourgeoisie völlig den Überblick verlieren. So ist es auch bei der Künstlichen Intelligenz (kurz KI), die sowohl bei Wirtschaftswissenschaftlern als auch bei Journalisten und über sie bei der breiten Öffentlichkeit in Mode ist.
Hier mischen sich wissenschaftliche Genauigkeit mit der phantastischsten Vorstellungen und wilden Spekulationen, mit einigen Abstechern in die Psychoanalyse.
Unter der Überschrift „Nvidia: Der König der Mikrochips wird mit den ersten Zweifeln an der KI konfrontiert“ geht Le Monde am 20. August 2024 auf den spekulativen Mechanismus ein, der sich rund um dieses Unternehmen entfaltet: „Der Held dieser Geschichte, Jensen Huang, Mitbegründer und CEO des Unternehmens Nvidia [...] er ist neben Elon Musk die prominenteste Persönlichkeit des Silicon Valley – und auch eine der reichsten. Denn sein Unternehmen, an dem er 3,5% des Kapitals hält, ist an der Börse nicht mehr 1 Billion Dollar wert, wie auf dem Schild angegeben, sondern über 2,5 Billionen Dollar. Am 18. Juni überholte es sogar Microsoft und Apple mit einem gigantischen Aktienwert von 3,3 Billionen Dollar und wurde kurzzeitig zur teuersten Firma der Welt.
Dabei stellt Nvidia keine Smartphones, Computer oder Software her, sondern nur Platinen. Doch diese sind magisch. Sie sind der Schlüssel zu der beunruhigenden und faszinierenden Welt der künstlichen Intelligenz (KI). Aufgrund ihrer Rechengeschwindigkeit und ihrer Flexibilität sind sie derzeit ohne Konkurrenz. Als Microsoft, Google oder Amazon im Jahr 2023 beschlossen, zig Milliarden Dollar in Rechenzentren zu investieren, in denen KI-Modelle wie der ChatGPT-Konversationsroboter trainiert werden sollten, hatten sie daher keine andere Wahl, als bei Nvidia anzuklopfen. Und ihre Milliarden flossen direkt in die Taschen des Unternehmens aus San José.
Im Jahr 2023 stieg der Umsatz um 126% auf 61 Milliarden US-Dollar und der Nettogewinn betrug fast 30 Milliarden US-Dollar. Das gab es noch nie zuvor in der Welt der Chiphersteller oder der Technologiebranche im Allgemeinen. Intel hat in den glorreichen Zeiten seines PC-Monopols mit Microsoft nie eine solche Performance erreicht. Genauso wenig wie Apple im iPhone-Rausch. Der Hype ist so extrem, dass sich die Analysten ratlos fragen: Strohfeuer, Blase oder neue Epoche?“. Je nachdem, wie die Antwort ausfällt, beginnt die Spekulation.
„Mathematik hilft der Flaute der KI“, titelte Les Échos am 27. August 2024: „Mit fortschreitender Forschung zeigt sich die Notwendigkeit, Arbeiten in der fundamentalen Mathematik wieder aufzunehmen, in der man sowohl Invarianten [...] als auch eine unendliche Anzahl ihrer Anwendungsmöglichkeiten identifizieren kann.“
Die Ende Juni veröffentlichte Studie einer der mächtigsten Banken der Welt, Goldman Sachs, spricht ihr Urteil zumindest für die unmittelbare Zukunft auf lapidare Weise: „Generative KI: zu viele Ausgaben, zu wenig Gewinn?“ (Le Monde vom 20. August 2024).
Für einen Bankchef ist ein Cent ein Cent, oder besser gesagt, eine Milliarde Dollar ist eine Milliarde Dollar.
Diese Feststellung hindert jedoch reihenweise Spekulanten nicht daran, wie beim Pferderennen auf das Pferd zu wetten, von dem sie hoffen, dass es gewinnt. Und um ihre Wetten zu würzen, wetten manche in Kryptowährungen.
Von der Finanzwelt zum Geld: andere Verbreitungswege
Ein Finanzkollaps impliziert zwangsweise mehr oder weniger schwere monetäre Zuckungen, die ihrerseits als Übertragungsvektoren der Finanzkrise fungieren können.
Derzeit ist der Dollar de facto Dreh- und Angelpunkt des Währungssystems. Aus einer Vielzahl von Gründen, darunter die Zersplitterung Europas in Staaten mit unterschiedlichen oder sogar gegensätzlichen Interessen, ist es dem Euro bei weitem nicht gelungen, den Dollar zu ersetzen. Keine der bestehenden großen Währungen - japanischer Yen, chinesischer Yuan, britisches Pfund Sterling - hat dies geschafft. Umso mehr sind die insbesondere den BRICS-Staaten[1] zugeschriebenen Pläne, eine Währung zu schaffen, die den Dollar ersetzen könnte, völlig aus der Luft gegriffen. Es mag vorkommen, dass eine Währung regional oder aufgrund bestimmter geopolitischer Umstände auf der ein oder anderen Ebene mit dem Dollar konkurrieren kann. Aber ihn zu ersetzen ist nicht möglich.
Zur Gefahr einer Finanzkrise kommt die Gefahr von Währungskrisen. Ein erster Hinweis auf eine oder mehrere zukünftige Währungskrisen ist der derzeitige Höhenflug des Goldpreises.
Kriegerische Entwicklung
Am Vorabend des Zweiten Weltkriegs konnte niemand vorhersehen, auf welchem Weg die „einzelnen Konflikte und blutigen Explosionen“ zu „einem Weltbrand“ (Übergangsprogramm) verschmelzen würden. Es gibt auch keinen Grund, warum der gegenwärtige Prozess eine Kopie des Ersten oder Zweiten Weltkriegs werden sollte. Die einzige Gewissheit ist seine Unvermeidbarkeit.
In der Vergangenheit der Bourgeoisie gab es eine Vielzahl von Situationen, die über verschiedene Wege zu großflächigen Kriegen geführt haben. Sie finden sich bereits in ihrer frühen Jugend, in Zeiten, in denen die Bourgeoisie noch nicht einmal wirklich nach Macht strebte und sich noch damit begnügte, ihren (insbesondere finanziellen) Beitrag zu Kriegen zu leisten, die vom Adel geführt wurden, der vor der Bourgeoisie die wesentliche Ausbeuterklasse war.
Die große Zeitspanne, der die Historiker im Nachhinein den Namen Hundertjähriger Krieg gaben, war weitgehend noch eine Abfolge von Feudalkriegen. Er erstreckte sich über 116 Jahre, 4 Monate und 15 Tage, von 1337 bis 1453. Und trotz ihres dynastischen, feudalen Charakters begann die Bourgeoisie, ihre Interessen und ihr Geld eine entscheidende Rolle in diesen Kriegen zu spielen.
Was den Dreißigjährigen Krieg betrifft, in dem die kriegerischen Phasen schneller aufeinanderfolgten und die von mehr oder weniger langen Waffenstillständen unterbrochen wurden, so begann er 1618 und endete 1648 mit dem Westfälischen Frieden. In einigen Regionen des späteren Deutschlands führte er zu einem Bevölkerungsverlust von 66 bis 70 Prozent. Religiöse Motive wurden als vermeintlichen Grund für diesen Krieg angegeben, in dem protestantische Fürsten gegen einen Kaiser und andere katholische Fürsten antraten. In vielerlei Hinsicht zeichnete dieser Krieg die Landkarte Europas bis zur Französischen Revolution und den Napoleonischen Kriegen.
Die altersschwach gewordene imperialistische Bourgeoisie kann also durchaus Präzedenzfälle in der Vergangenheit finden ... Nur verfügt sie heute über sehr viel mächtigere materielle Mittel. Der Vergleich ist nicht nur anekdotisch: Der Krieg im Nahen Osten ist, wenn man seinen Beginn auf die Balfour-Erklärung im November 1917 festlegt, bereits weit über hundert Jahre alt. In dieser Erklärung sprach sich die Kolonialmacht Großbritannien, die die Nachfolge der türkischen Herrschaft antreten wollte, für eine „nationale Heimstätte für das jüdische Volk" in Palästina aus: ein zweimal gelobtes Land...
In der Angst vor der Finanzkrise
Auch wenn sie den Politikern und Journalisten Kopfschmerzen bereitet: Solange es keine echte Finanzkrise mit vergleichbaren Auswirkungen gibt, wie sie die kapitalistische Welt ab 1929 erlebt hat, solange braucht sich das Großkapital keine Sorgen zu machen. Hauptsache, ihre Profite sprudeln weiter. Unabhängig vom tatsächlichen Wert der Währung, in der sie realisiert werden, gibt ihr diese Zeit, um alles Weitere vorzubereiten, insbesondere eine Verschärfung der weltweiten Kriegsentwicklung.
Es ist unbestritten, dass die Arbeiterklasse absolut nicht auf einen Krieg vorbereitet ist, und in gewisser Weise trifft dies in vielen Bereichen sogar auf die Bourgeoisie zu. Davon zeugen zum Beispiel die Schwierigkeiten der Großmächte, rechtzeitig ausreichend Waffen zu liefern, unter anderem an die Ukraine.
Der russisch-ukrainische Krieg wie auch der Krieg im Nahen Osten sind gute Schulen für die Generalstäbe. Sie sind es bereits in einer Reihe von Bereichen: z. B. in Bezug auf den massiven Einsatz von Drohnen, ihre Herstellung usw. Wie auch in einem ganz anderen Bereich, nämlich die unterirdische Kriegsführung, in der sich die israelische Armee eine bislang beispiellose Kompetenz im Kampf gegen die Hamas und seit kurzem auch gegen die Hisbollah im Libanon aneignet.
Dies gilt sicherlich auch für viele andere Bereiche, die der militärischen Geheimhaltung unterliegen und die im Übrigen die tatsächliche Bedrohung durch einen Atomkrieg relativieren. Ein möglicher Atomkrieg würde sicher nicht mit den fast 80 Jahre alten Bomben von Hiroshima und Nagasaki ausgetragen.
Nach den wenigen Dingen zu urteilen, die trotz der militärischen Geheimhaltung der Generalstäbe durchsickern, geht es diesen eher darum, die Atomwaffen anzupassen, sie handhabbarer und damit unter verschiedenen Umständen besser einsetzbar zu machen.
Im Übrigen sei daran erinnert, dass zur Zeit des Kalten Krieges zwischen der westlichen Welt und der UdSSR diese Konfrontation zwar das damals so genannte „Gleichgewicht des Schreckens“ befeuerte, aber letztlich nicht zu einem Atomkrieg führte.
Es gibt keinen Hinweis darauf, dass die zunehmende weltweite Kriegsentwicklung in der einen oder anderen Phase zu einer Kopie des Ersten oder Zweiten Weltkriegs führen wird. Der Krieg kann sich durchaus ausbreiten und vertiefen durch eine Fortsetzung der bisherigen Phänomene. Paradoxerweise ist es ebenso wahrscheinlich, dass die kriegerische Eskalation unter der altersschwachen Bourgeoisie und dem krisengeschüttelten Kapitalismus die Kriege wiederholt, die unter Mitwirkung der aufstrebenden Bourgeoisie in der Zeit des aus dem Feudalismus herauswachsenden Kapitalismus geführt wurden...
Auf der Suche nach Verbündeten
Das ständige Bemühen, neue Verbündete zu finden, ist bereits ein integraler Bestandteil des Krieges. Alle Kriege der Vergangenheit erinnern daran, dass die Suche nach neuen Verbündeten während der Kriege selbst nicht nur fortgesetzt, sondern sogar noch intensiviert wird. Gleichzeitig zeigen sie, dass es immer wieder zu Seitenwechseln kommen kann und dass die heutige Bündniskonstellation nichts darüber aussagt, wie sie sich im Laufe der Zeit entwickeln wird.
Die Presse erwähnt immer häufiger den Fall Afrika, wo der fortschreitende Verfall der „Françafrique“ neue Möglichkeiten eröffnet und viele der Karten neu gemischt werden, die noch aus der Zeit der Berliner Konferenz (15. November 1884 bis 26. Februar 1885) stammen. Diese Konferenz zog für mehr als ein Jahrhundert die Grenzen in Afrika, ohne Rücksicht auf die ethnische Zugehörigkeit der Bevölkerung. Die beiden Weltkriege haben die Landkarte Afrikas (hauptsächlich zum Nachteil des deutschen Imperialismus) verändert, aber nur marginal.
Der Kapitalismus kann die enormen Bodenschätze dieses Kontinents heute anders nutzen als im 19.Jahrhundert, als Afrika aufgeteilt wurde. Man denke nur an das Uran in Niger oder die vielen Metalle im ehemaligen Kongo, die für Elektroautos unerlässlich sind. Die Rivalität zwischen den Großmächten um die Kontrolle dieser Rohstoffe wird wahrscheinlich noch heftiger werden.
Le Monde vom 22. August 2024 titelte: „Ein Jahr nach dem Verschwinden von Jewgeni Prigoschin, dem Gründer der paramilitärischen Gruppe Wagner: Afrika, neue Frontlinie zwischen dem Westen und Russland“.
Es ist nicht verwunderlich, dass der Zusammenbruch der „Françafrique“ den Appetit auf den afrikanischen Kontinent geweckt hat!
Auch wenn die Schlagzeile von Le Monde „Russlands gewinnbringende Rückkehr nach Afrika“ stark übertrieben ist, so ist festzustellen, dass die Trümpfe, die Putins Russland in den Händen hält, zumindest zu einem großen Teil das Erbe der untergegangenen UdSSR sind. Sie sind die späten Folgen der Bündnispolitik der UdSSR mit Regimen, die damals als fortschrittlich bezeichnet wurden, d. h. die sich im Kontext der Feindseligkeit zwischen den beiden Blöcken weigerten, sich systematisch Washington anzupassen. Infolgedessen sind diese Trümpfe auf sehr indirekte Weise auch das Erbe der russischen Revolution selbst.
Eines dieser entfernten Erbstücke war, dass während des Kalten Krieges ständig Intellektuelle aus afrikanischen Ländern eingeladen wurden, in Moskau zu studieren. Dies führte damals zu - manchmal persönlichen - Verbindungen zwischen diesen afrikanischen Studenten und Sowjetbürgern, für die sich dadurch eine Möglichkeit eröffnete, die UdSSR zu verlassen. Auf beiden Seiten, den Offizieren der afrikanischen Armeen und den russischen Führungskräften, saß die gleiche Generation an den Schalthebeln der Macht.
Die fast einhellige Unterstützung der imperialistischen Mächte für die Ukraine in ihrem Krieg gegen Russland lenkt die Aufmerksamkeit zu Recht auf die Drohungen einer direkteren Konfrontation zwischen der Ukraine und der NATO, dem militärischen Ausdruck der imperialistischen Mächte.
Dies könnte eine Phase in der kriegerischen Entwicklung einer sich militarisierenden Welt darstellen. Putins Russland ist bereits direkt in den Krieg verwickelt, auch wenn die imperialistischen Mächte derzeit vermehrt rote Linien ziehen, um zu zeigen, dass sie sich noch nicht in einer Spirale befinden, die nicht mehr aufgehalten werden kann.
Die Aufmerksamkeit der politischen und militärischen Führer des US-Imperialismus richtet sich jedoch auf China. China befindet sich in einem Wettrüsten mit den USA, das sich auch in den Statistiken niederschlägt. Ganz Ostasien bis hin nach Australien ist an einer fieberhaften Suche nach Bündnissen beteiligt.
Die Straße von Taiwan (oder Formosastraße), die das chinesische Festland von der Insel Taiwan trennt, ist einer der spannungsgeladensten Orte auf der Welt. In derselben Region gibt es noch einen weiteren: die Grenze, die Nord- und Südkorea trennt. Siebzig Jahre nach dem Koreakrieg wurde immer noch kein Frieden zwischen den beiden Teilen desselben Landes geschlossen. Sie sind immer noch durch Stacheldraht und Minenfelder voneinander getrennt.
Und was angesichts der Fakten längst offensichtlich scheint, bringt ein von Antony Blinken (Bidens Außenminister) unterzeichneter Artikel in der amerikanischen Zeitschrift Foreign Affairs vom 1. Oktober 2024 unverblümt zum Ausdruck:
Der Artikel beginnt mit: „Ein heftiger Konkurrenzkampf ist im Gang, um die Bedingungen für eine neue Ära in den internationalen Beziehungen abzustecken. Eine kleine Anzahl von Ländern – hauptsächlich Russland mit seinen Partnern Iran und Nordkoreas sowie China – sind entschlossen, die Grundprinzipien des internationalen Systems zu verändern... Sie alle versuchen, die Grundpfeiler der Macht der Vereinigten Staaten zu erodieren: ihre militärische und technologische Überlegenheit, ihre dominante Währung und ihr unübertroffenes Netzwerk an Bündnissen und Partnerschaften...“.
Blinken klebt diesen Staaten das Etikett „revisionistische Mächte“ auf, während er wenig später feststellt, dass von all diesen Staaten „China das einzige Land ist, das die Absicht und die Mittel hat, das internationale System umzugestalten, der wichtigste langfristige strategische Konkurrent“.
Und doch befinden sich China und die USA, obwohl beide den Finger am Abzug haben, nirgendwo auf der Welt in einem direkten militärischen Konflikt. Doch alle fürchten, dass es durch jede Provokation oder sogar durch einen Unfall dazu kommen könnte, angesichts der vielen Kriegsschiffe und Bomber, deren Wege sich im Chinesischen Meer kreuzen.
Warum China?
In einem unserer Kongresstexte, der im Dezember 1971 veröffentlicht wurde, fassten wir unsere Positionen zum Klassencharakter des chinesischen Staates zusammen. Unsere Positionen waren entgegengesetzt zu denen der gesamten trotzkistischen Bewegung, angefangen bei der Hauptströmung, die das Etikett 4. Internationale für sich beansprucht und sich als Erben Trotzkis darstellt.
In diesem Kongresstext mit dem Titel Der Fall unterentwickelter Länder, die politisch mit dem Imperialismus brechen, wird China zusammen mit Jugoslawien, Kuba, Albanien und Nordvietnam in den folgenden Worten erwähnt: „Außergewöhnliche historische Umstände brachten einige wenige unterentwickelte Länder [...] dazu, politisch und wirtschaftlich mit dem Imperialismus zu brechen. Diese Entscheidung führte de facto dazu, dass sie eine Reihe von wirtschaftlichen und sozialen Reformen durchführten, um überleben zu können, wenn sie schon nicht wirtschaftlich wachsen konnten.“
Dieser Text entstand zu einer Zeit, als China in weiten Kreisen der Politik als kommunistisches Land betrachtet wurde. Wir wollten darin, insbesondere gegenüber dem Rest der trotzkistischen Bewegung, nicht nur bekräftigen, dass dies nicht der Fall ist, sondern auch, dass es sich keineswegs um Arbeiterstaaten, sondern um bürgerliche Staaten handelt. Dennoch verfügten sie im Vergleich zu anderen unterentwickelten Ländern über tiefgreifende Besonderheiten.
Diese ergaben sich in erster Linie aus der Tatsache, dass es radikalen politischen Vertretern der nationalen Bourgeoisie (die im Namen einer vage humanistischen Ideologie wie Castro oder mit einem kommunistischen Etikett wie Mao und Tito handelten) gelungen ist, Bauernaufstände anzuführen und sich auf diese zu stützen, um im Namen des „nationalen Bürgertums“ die Macht zu erobern. In dem Text zogen wir die Schlussfolgerung, dass „die Kommunistische Partei Chinas [...] ursprünglich eine proletarische Partei war, die später vom Proletariat abgeschnitten wurde (siehe die Niederschlagung der chinesischen proletarischen Revolution im Jahr 1927) und ihm schließlich bewusst den Rücken kehrte. Stattdessen entschied sie sich für das Programm der nationalen Bourgeoisie (Verurteilung des Klassenkampfes im Namen der Einheit der vier Klassen, nationaler antijapanischer Widerstand usw.) und wählte als Truppen die von der Intelligenzia geleitete Bauernschaft. So bestand die Rolle der kommunistischen Parteien trotz ihres Etiketts, wie Trotzki es ausdrückte, darin, als Brücke zwischen der Bauernbewegung und dem städtischen nationalen Bürgertum fungieren: Sie bot dem nationalen Bürgertum eine politische Alternative, als alle seine anderen Lösungen zusammenbrachen“.
Mit dieser Position standen wir natürlich im radikalen Gegensatz zur maoistischen Strömung, die damals die extreme Linke in Frankreich dominierte. Aber wir hatten damit auch gegensätzliche Positionen zum Rest der trotzkistischen Bewegung, für die Maos China ein Arbeiterstaat war, auch wenn diese Bezeichnung mit Adjektiven wie „entartet“ oder „deformiert“ versehen war.
Die Debatte, die wir damals in die trotzkistische Bewegung führten, drehte sich nicht nur um eine abstrakte theoretische Frage. Es ging um die grundlegende Frage: Kann ein Arbeiterstaat ohne aktive, bewusste Beteiligung des Proletariats entstehen? Mit anderen Worten: Kann das Proletariat durch eine von nationalistischen Kleinbürgern geführte Bauernarmee (China) ersetzt werden? Durch die Armee der Sowjetbürokratie (Volksdemokratien)? Oder durch eine Militärjunta, die vorgibt, revolutionär oder sogar sozialistisch oder kommunistisch zu sein, wie in mehreren afrikanischen Ländern?
Unsere Schlussfolgerung im Text von 1971 lautete wie folgt: „Unabhängig davon, wie schnell dies möglich ist, muss die Bewusstseinsbildung der Arbeiterklasse in diesen Ländern konkrete Formen annehmen, durch eigenständige Organisationen und durch die Bildung revolutionärer Arbeiterparteien, deren Ziel es ist, dass die proletarische Demokratie die Macht ergreift. Eben weil es integraler Bestandteil der weltweiten Arbeiterklasse ist, die Träger der sozialistischen Zukunft ist, ist das Proletariat auch in diesen Ländern die einzige Klasse, die ihnen eine Perspektive bieten kann. Auch wenn es im nationalen Rahmen gegenüber der riesigen Masse des bäuerlichen Kleinbürgertums schwach ist, ist es stark durch die Kraft des Weltproletariats. Doch nur eine revolutionäre Internationale kann diese Kraft verwirklichen.“
Wir brauchen an diesem Absatz nichts zu ändern. Er fasst weiterhin unsere politische Position in Bezug auf die Aufgabe der Revolutionäre im heutigen China zusammen.
China unter ständigem Druck des Imperialismus
Der chinesische Staat war in seiner jüngeren Geschichte – seit dem Bauernaufstand, der Mao Tse-tung an die Macht gebracht hatte – immer wieder dem Druck des Imperialismus ausgesetzt. Offener militärischer Druck zu Maos Zeiten (Koreakrieg 1950-1953, dann in indirekterer Form der Vietnamkrieg), aber Druck auf andere Weise auch nach Maos Tod, als Deng Xiaoping das Amt mit dem Ziel übernahm, wieder mit der vom Imperialismus beherrschten Welt in Verbindung zu treten.
Da China die direkte Herrschaft der imperialistischen Mächte nicht akzeptierte, konnte das Land aufgrund der offenen Konfrontationen, gefolgt von Zeiten des Wirtschaftsembargos, nicht von der internationalen Arbeitsteilung profitieren. Der diktatorische Charakter des Regimes unter all seinen Präsidenten, von Mao bis Xi Jinping, ergab sich aus der Notwendigkeit, eine Art primitive Akkumulation zu erreichen.
Die soziale Basis des Mao-Regimes war die Bauernschaft. Aber diese war nicht an der Macht. Das Hauptziel der Macht bestand darin, aus der Bauernschaft und dem vom Land vertriebenen und proletarisierten Teil der Bauernschaft die Mittel für eine Art primitive Akkumulation herauszupressen entziehen. Auf diese Weise wollte der Staat versuchen, den wirtschaftlichen Rückstand aufzuholen.
Der chinesische Staat, der anfangs das Vertrauen der aufständischen Bauernschaft genoss, die ihn an die Macht gebracht hatten, schaffte es nicht nur, sich eine wirkliche Industrie aufzubauen. Er erreicht sogar einen Entwicklungsstand, den kein anderes unterentwickeltes Land von vergleichbarer Größe, Bevölkerung und Ressourcen (Indien, Brasilien, Indonesien ...) erreichte. All dies gelang ihm auf dem Rücken der Bauern und Arbeiter und mit ebenso brutalen Methoden, die ihre Kumpane im Westen bei der Entwicklung des Kapitalismus angewendet hatten.
Dank der Tatsache, dass die Wirtschaft hauptsächlich vom Staat aufgebaut und gelenkt wurde, ist es China gelungen, in die Reihe der kapitalistischen Nationen aufzusteigen. Aber es steht weiterhin unter dem Druck der Nationen, die seit Jahrhunderten von der primitiven Akkumulation profitiert und eine privilegierte Stellung haben, als der Weltmarkts und seine Arbeitsteilung sich herausgebildet hat. Sie standen sich an die Spitze bei der Entwicklung zum Imperialismus, der ihnen ermöglicht hat, sich an der Ausplünderung der gesamten Welt zu beteiligen.
Wenn die Sprachrohre des Imperialismus der chinesischen Führung Ratschläge erteilen, die ihre Herren selbst nicht umsetzen können oder wollen
Der Druck auf China wird auf subtilere Weise ausgeübt als in der Vergangenheit. Aber im Grunde mit derselben Besorgnis, die Großbritannien 1839 dazu veranlasste, den ersten Opiumkrieg zu führen.
Wie die englische Zeitung London Financial Times erklärt: „Bei einem Besuch in Peking Ende letzten Jahres beklagte sich der Chefdiplomat der EU, Josep Borrell, dass Chinas Handelsüberschuss Europa gegenüber in die Höhe schnellt, während sein Markt für europäische Unternehmen immer schwerer zugänglich ist.“
Und dann kommt die Forderung: „Entweder die chinesische Wirtschaft öffnet sich weiter, oder wir könnten entsprechende Gegenmaßnahmen ergreifen“, warnte Borrell.
Dieselbe Zeitung fasst diesen Gedanken folgendermaßen zusammen: „Ökonomen fordern seit Jahren, dass China mehr tun muss, um den Konsum anzukurbeln: um eine Wirtschaft wieder ins Gleichgewicht zu bringen, die von schuldenfinanzierten Investitionen abhängig ist.“ Na so was!
Mit einem Abstand von fast zwei Jahrhunderten hat der heutige Vertreter der Bourgeoisie seinen kriegerischen Tonfall wiedergefunden und fordert etwas Ähnliches wie das britische Empire vor Beginn des ersten Opiumkriegs. Natürlich ist das Produkt heute nicht mehr dasselbe. Da das damalige China nichts von Großbritannien kaufen wollte, zwang Großbritannien das Land, Opium aus Indien, dem Flaggschiff des britischen Kolonialreichs, zu kaufen!
Und der Journalist der London Financial Times betont: „Ökonomen behaupten, dass China die Entwicklung seiner Sozial- und Gesundheitsprogramme beschleunigen muss, damit die Verbraucher sich sicher fühlen und mehr ausgeben können, insbesondere nach der Immobilienkrise. Auch wenn China Fortschritte bei der Entwicklung seiner öffentlichen Renten- und Gesundheitssysteme gemacht hat, so fehlen diese noch immer in weiten Teilen“. Es ist wunderbar, dass Vertreter des Imperialismus, die in ihrem Land selber nichts in der Richtung tun, zur Verbesserung der Lebensbedingungen der chinesischen Arbeiter aufrufen!
Es sind natürlich nicht die Lebensbedingungen der chinesischen Arbeiter, die den englischen oder amerikanischen (oder französischen - Les Échos wie Le Figaro sind voll von ähnlichen Ratschlägen an die Chinesen) politischen Wortführern Sorgen bereiten. Da China jedoch eine Art minimale primitive Akkumulation vollzogen hat, soll der chinesische Staat dazu gedrängt werden, den chinesischen Binnenmarkt zu vergrößern und es vor allem den imperialistischen Bourgeoisien, allen voran die der USA, zu ermöglichen, dadurch Profit machen zu lassen.
Der imperialistische Druck zeigt sich in dieser seltsamen Form: Die imperialistischen Länder verlangen von China, dass es weniger Investitionen in die Industrie steckt und stattdessen mehr den Konsum ankurbelt, insbesondere der einfachen Bevölkerung!
Wirtschaftswissenschaftler der imperialistischen Länder drängen darauf, dass die chinesische Regierung den Konsum durch verschiedene Formen von Lohnerhöhungen ankurbelt; ja mehr noch, dass sie auch eine Art Sozialversicherung aufbaut, damit die zu Proletariern gewordenen Bauern wenigstens ein bisschen in den Genuss einer angemessenen Gesundheitsversorgung kommen können.
Um eine bekannte Bezeichnung wieder aufzunehmen: „China ist zur Werkbank der Welt geworden“, d. h. mit anderen Worten ein Subunternehmer der imperialistischen Mächte. Das bedeutet, dass es in wirtschaftlicher Hinsicht sowohl den geforderten Gehorsam eines Subunternehmers gegenüber dem Auftraggeber mit den damit verbundenen Meinungsverschiedenheiten und Widersprüchen gibt, aber ebenso eine grundlegende, wenn auch konfliktträchtige Übereinstimmung ihrer Interessen.
Das chinesische Proletariat und die Zukunft der Menschheit
Was in China passiert, ist für die Zukunft der gesamten Menschheit von entscheidender Bedeutung. Es ist es aus der Sicht der imperialistischen Bourgeoisie. Von der Koexistenz oder gar Zusammenarbeit zwischen dem westlichen Imperialismus und China hängt die zukünftige Entwicklung in eine mehr oder weniger schwerwiegende kriegerische Richtung ab. Aber auch für die Zukunft der Arbeiterklasse ist es von entscheidender Bedeutung.
Die staatlich gelenkte Wirtschaft ermöglichte der chinesischen Bourgeoisie das, was oben bereits in Erinnerung gerufen wurde. Doch diese Entwicklung und die damit einhergehende Industrialisierung haben auch das chinesische Proletariat gestärkt. Dieses Proletariat stellt heute eines der stärksten Kontingente der weltweiten Arbeiterklasse, wenn nicht sogar das zahlenmäßig stärkste. Und obendrein ist es das Proletariat eines Landes, das auf eine Geschichte zurückblicken kann, die reich ist an Erfahrungen, darunter auch zahlreiche und radikale Revolutionen.
Wir wissen nicht, inwieweit diese Vergangenheit an die heutige Generation weitergegeben wurde. Die Diktatur, die zunächst gegen die Bauern und dann im Zuge der Industrialisierung immer mehr gegen das aus ihnen hervorgegangene Proletariat ausgeübt wurde, stellt natürlich ein starkes Hindernis für diese Weitergabe dar.
Doch revolutionäre Ideen haben in der Vergangenheit immer einen Weg gefunden, solche Hindernisse zu überwinden. Die Diktatur einer privilegierten Klasse hat noch nie verhindert, dass es zu Revolutionen kommt. Sie hat noch nie verhindert, dass eine privilegierte Klasse, deren Zeit vorüber ist, gezwungen wurde, ihren Platz zugunsten einer aufsteigenden Klasse zu räumen.
Leider ist jede Form einer revolutionären Internationale verschwunden. Daher wissen wir trotz der technischen Kommunikationsmittel, die die Kommunikation erleichtern könnten, nichts darüber, was in diesem Land und insbesondere in seinen Betrieben vor sich geht.
Eins ist jedoch sich: Wo auch immer die Revolution beginnen wird, so muss sie – um auf internationaler Ebene zu triumphieren – das chinesische Proletariat ergreifen. Und wenn wir uns daran erinnern, wie schwierig es für die russische Revolution von 1917 war, das Proletariat nicht nur an die Macht zu bringen, sondern diese Macht auch zu festigen, dann hat das chinesische Proletariat aufgrund seiner Demografie und seiner ihm zur Verfügung stehenden Mittel Trümpfe, über die das russische Proletariat seinerzeit nicht verfügte.
Schlussfolgerung
Wir können nicht wissen, wie die heutige junge Generation in China all dies übersetzt. Anfangs wahrscheinlich nicht in Richtung Kommunismus, denn es ist zu vermuten, dass das chinesische Regime das kommunistische Etikett, das es weiterhin verlogen vor sich herträgt, sehr in Verruf gebracht hat. Es muss wohl eine ähnliche Reaktion geben wie in den osteuropäischen Ländern oder in der UdSSR unter Gorbatschow oder Jelzin. Das bedeutet aber nicht, dass es nicht Gruppen, vielleicht in unserer Größe, gibt, die bereits auf diesem Gebiet aktiv sind. Denn die Geschichte kann Vieles lehren!
Es ist absolut nicht vorhersehbar, nicht zu erraten (und dies zu versuchen macht auch absolut keinen Sinn), wie sich der notwendige Bewusstseinswandel der Arbeiterklasse vollziehen wird. Man kann jedoch sagen, dass die revolutionäre Intelligenz eine wichtige Rolle dabei spielen wird. Sie muss nur geboren werden und sich an die Arbeit machen!
Der amerikanische Ökonom Francis Fukuyama schrieb während des Untergangs der UdSSR unter der Überschrift „Das Ende der Geschichte“ einen Haufen Unsinn. Doch die Geschichte endete nicht 1992, als sein Text veröffentlicht wurde.
„Die Geschichte aller bisherigen Gesellschaft ist die Geschichte von Klassenkämpfen“, hieß es 1848 im Manifest der Kommunistischen Partei. Das wird auch in Zukunft so bleiben, solange unsere Gesellschaft in zwei grundlegend gegensätzliche Klassen, die Bourgeoisie und das Proletariat, gespalten ist.
Die Gesetze der historischen Entwicklung, d. h. des Lebens und der Handlungen der rund acht Milliarden Menschen, die den Planeten bevölkern, sind unendlich mächtiger als die Ausschweifungen eines Einzelnen und sogar der aufgeregten Handlungen aller Entscheidungsträger der Welt.
„Der ununterbrochene Krieg, bald offen, bald verdeckt ..., endet immer entweder mit einer revolutionären Umgestaltung der ganzen Gesellschaft oder mit der Vernichtung der beiden kämpfenden Klassen.“ Das ist es, was Rosa Luxemburg lapidar mit „Sozialismus oder Barbarei“ zusammenfasste. Nicht als Kommentatorin, die eine Frage stellte, sondern als Kämpferin: Im Sinne der revolutionären Umgestaltung der Gesellschaft zu handeln ist der einzige Weg, die Barbarei zu verhindern.
Egal, wie sehr sich das Leben der Menschheit plötzlich verändert und wie sehr sich die Nachrichten überschlagen, und egal, wie lange es dauert, die historische Notwendigkeit wird sich letztendlich durchsetzen. Sie wird dies auf die einzig mögliche Weise tun, nämlich durch das Handeln der Menschen selbst. Das bedeutet für das Proletariat die Notwendigkeit, Parteien auf Klassenbasis und in unserer globalisierten Gesellschaft eine revolutionäre kommunistische Internationale zu schaffen. Diese Parteien und diese Internationale werden die Sprecher einer historischen Notwendigkeit und die Architekten ihrer Erfüllung sein.
II. Der Nahe Osten: der imperialistischen Barbarei ausgeliefert
Der Angriff der Hamas aus dem Gazastreifen auf das benachbarte israelische Gebiet am 7. Oktober 2023 hat das Wiederaufflammen des Krieges im Nahen Osten eingeläutet. Der derzeitige Krieg ist zwar nur eine weitere Episode in einem Konflikt, der im Grunde schon seit über einem Jahrhundert andauert. Doch schon jetzt ist er prägend: durch seine Dauer, seine Grausamkeit und seine Tendenz, sich zumindest in der Region zu einem größeren Konflikt auszuweiten.
Die Führer der Hamas wollten mit diesem Angriff die Palästinenserfrage wieder in den Vordergrund rücken, nachdem es den israelischen und westlichen Führern seit mehreren Jahren erfolgreich gelungen war, diese in den Hintergrund zu drängen.
Tatsächlich musste die Politik der israelischen Führung fast zwangsläufig zu einer solchen Explosion führen. Netanjahu hat Politiker der extremen Rechten in seine Regierung aufgenommen und damit die Rechtsentwicklung und Radikalisierung dieser Regierung weiter beschleunigt. Ihre Politik wurde praktisch diktiert von Kräften, die eine beschleunigte Besiedlung des Westjordanlandes wollen, die die Blockade des Gazastreifens aufrecht erhalten wollen, was diesem Gebiet keine Entwicklungsmöglichkeiten lässt, und die den „jüdischen“ Charakter des Staates Israel bekräftigen, was zu einem regelrechten Apartheidregime gegenüber der nicht-jüdischen Bevölkerung führt.
Die israelische Politik hat die durch das Oslo-Abkommen geschaffene Palästinensische Autonomiebehörde stark diskreditiert. Sie hat die Autonomiebehörde darauf reduziert, eine Art Hilfstruppe der Besatzungsarmee im Westjordanland zu sein. Sie hat der palästinensischen Bevölkerung jede Hoffnung auf eine Verbesserung ihres Schicksals genommen. Auch innerhalb der Autonomiebehörde konnte die israelische Politik entsprechend nur die Strömungen stärken, die entschlossen waren, den israelischen Kräften offen den Krieg zu erklären. Dies gilt insbesondere für die radikalste Strömung, die Hamas, die den Angriff vom 7. Oktober vorbereitet und durchgeführt hat.
Mit diesem Angriff hat die Hamas auf aufsehenerregende Weise die israelische Politik in Frage gestellt. Dadurch hat sie gewiss, zumindest eine Zeit lang, bei den Palästinensern an Popularität gewonnen. Allerdings hat sie zwar die palästinensische Frage tatsächlich wieder auf die Tagesordnung gesetzt, aber auf die denkbar schlechteste Weise für die Bevölkerung in Gaza und im Westjordanland. Mit ihrer Entscheidung, diesen Angriff durchzuführen und die Art und Weise, wie sie ihn durchführte – nämlich indem sie wahllos Zivilisten massakrierte und Geiseln nahm – hat die Hamas der Regierung Netanjahu einen Gefallen getan. Dies ermöglichte Netanjahu, die Bevölkerung wieder hinter sich zu vereinen und die Opposition zum Schweigen zu bringen, nachdem er wegen seiner Innenpolitik zunehmend in Misskredit geraten war.
Außerdem war die palästinensische Bevölkerung in Gaza, aber auch im Westjordanland, einem Gegenschlag der israelischen Armee vollkommen ausgeliefert. Und von Anfang an deutete alles darauf hin, dass dieser heftig ausfallen würde. Nach einem Jahr Krieg und der fast vollständigen Zerstörung des Gazastreifens kann man nicht nur ermessen, wie dramatisch dieser Gegenschlag ist. Man kann auch feststellen, dass die Hamas-Führung sich in keiner Weise darum gekümmert hatte, die Bevölkerung auf einen solchen Gegenschlag vorzubereiten oder im Vorfeld zu erfahren, was sie davon halten könnte.
Diese Politik ist nicht erstaunlich bei einer reaktionären islamistischen Organisation wie der Hamas, die ihrer eigenen Bevölkerung gegenüber zutiefst misstrauisch ist und für die es selbstverständlich ist, dass sie der Bevölkerung ihre Herrschaft aufzwingt. Dies hat sie bereits durch die Tatsache bewiesen, dass sie in Gaza seit ihrer Machtübernahme im Jahr 2007 autoritär regiert hat. Sie hat dies auch deutlich gemacht durch ihr Verhalten, wenn Massenbewegungen der arabischen Bevölkerung in Israel oder dem Westjordanland gegen die israelische Unterdrückung begannen. Jedes Mal feuerte sie dann Raketen auf Israel ab und verlagerte damit die Konfrontation auf eine militärische Ebene. Außerdem signalisierte sie der kämpfenden arabischen Bevölkerung damit, dass die Hamas ihr obligatorischer Vertreter sei und dass die einzige Möglichkeit zu kämpfen darin bestehe, ihren Krieg zu unterstützen. Das Ergebnis war übrigens jedes Mal, dass die Massenbewegung selbst zum Stillstand kam, da ihr so jede Möglichkeit einer eigenen Perspektive genommen wurde.
Mit dem Angriff vom 7. Oktober haben sie diese Methode nur fortgesetzt. Für die Führer der Hamas beschränkt sich der Kampf mit Israel auf einen Kampf zwischen palästinensischen Nationalisten und Zionisten. Sie begannen ihn mit den Mitteln des Krieges und mit der gleichen Missachtung der palästinensischen und israelischen Bevölkerung, wie man sie in Kriegen zwischen Staaten beobachten kann. Die Unverhältnismäßigkeit der militärischen Mittel zwischen Israel und der Hamas ist so groß, dass die Bevölkerung in Gaza dafür einen hohen Preis zahlen muss. Doch das interessiert die Hamas-Führung nicht. Sie verfolgt ihre eigenen Ziele. Gegenüber der Bevölkerung in Gaza sollen die Kämpfer der Hamas als mutige, opferbereite Märtyrer dastehen – was sie in der Tat sind – und eben deshalb als zwangsläufige Vertretung der Palästinenser anerkannt werden. Gegenüber der israelischen Führung und dem Imperialismus verfolgt sie damit das Ziel, sich als unumgängliche Gesprächspartner zu etablieren, denen früher oder später das Recht zuerkannt werden muss, einen palästinensischen Staat zu führen.
Tatsächlich sprachen die westlichen Politiker und die UNO schon bald wieder von einer politischen Lösung des Konflikts durch die Anerkennung zweier Staaten, Palästina und Israel. Über allgemeine Absichtserklärungen ging dies allerdings nicht hinaus. Es wurden keine wirklichen Schritte in diese Richtung unternommen, was in erster Linie auf die Politik der Netanjahu-Regierung zurückzuführen ist. Sie weigert sich, eine politische Lösung in Betracht zu ziehen, die zwangsläufig Zugeständnisse an die palästinensische Führung beinhalten würde. Sie lässt jegliche Verhandlungen über einen Waffenstillstand platzen und führt ihren Krieg als Vernichtungskrieg.
Diese Entscheidung spiegelt die Bestrebungen der extremsten Zionisten wider, für die das palästinensische Volk von Anfang an nicht existiert hat. Und der beste Weg dies sicherzustellen, besteht darin, es zu vernichten. Seit der Gründung des Staates Israel wird eine regelrechte Politik der ethnischen Säuberung betrieben, die es jedoch nie geschafft hat, die Existenz und das Wachstum des palästinensischen Volkes zu verhindern. Und auch Netanjahus derzeitiger Krieg wird es nicht auslöschen können. Allein die Tatsache, dass sie nicht in der Lage sind, die Hamas zu besiegen – obwohl dies ihr erklärtes Kriegsziel ist – zeigt, wie sehr sie sich in einer Sackgasse befinden. Dennoch ist Netanjahu offensichtlich bereit, zum Teil weil sein eigenes politisches Überleben auf dem Spiel steht, so lange wie möglich den eingeschlagenen Weg fortzusetzen.
Die Fortsetzung des Krieges und seine Ausweitung sind jedoch nicht nur auf Netanjahus Persönlichkeit und seine Sturheit zurückzuführen. Erstens ist seine Regierung nicht zufällig an der Macht: Sie ist das Ergebnis einer hundertjährigen Politik der zionistischen Führung, die – von den imperialistischen Führern immer wieder ermutigt und unterstützt – innerhalb Israels die extremistischsten und reaktionärsten Tendenzen begünstigt hat, ebenso die Siedler, die bereit sind, bis zum Äußersten zu gehen. Und zweitens ist sie letztlich nichts anderes als der ungeschminkte Ausdruck der Politik des Imperialismus im Nahen Osten.
Frankreich und Großbritannien hatten den Nahen Osten einst unter sich aufgeteilt. Sie haben ihn zerstückelt, um diese strategisch wichtige Region beherrschen und kontrollieren zu können. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs haben die USA dann die Position Frankreichs und Großbritanniens übernommen. Dabei haben sie versucht, die verschiedenen lokalen Machthaber an sich zu binden, nutzten deren Spaltungen untereinander aus, stärkten teils die reaktionärsten Kräfte und griffen manchmal auch selber militärisch ein. Ihre ständige Sorge bestand darin zu verhindern, dass einer der bürgerlichen Staaten dieser Region zu einer Regionalmacht wird, die stark genug ist, um die Herrschaft der USA in dieser Region in Frage zu stellen. Sie hatten nacheinander Ägypten, Syrien und den Irak im Visier, und seit Jahren setzen sie nun den Iran unter Druck. Die israelische Führung hat sich als sehr nützlich erwiesen, um diese imperialistische Politik zu unterstützen. Als zwangsläufige Verbündete des Imperialismus haben sie in der israelischen Bevölkerung die Überzeugung genährt, dass sie keine andere Wahl hat, als gegen ihre Nachbarn Krieg zu führen. Es ist ihnen gelungen, aus der israelischen Armee wahrhaft verlängerten Arm der US-Armee machen, die ihr nicht zuletzt einen Großteil der Ausrüstung liefert.
Die geäußerten Meinungsverschiedenheiten zwischen der Regierung Netanjahu und der US-Regierung haben etwas von einem Rollenspiel. Netanjahu zeigt, dass er bereit ist, im Namen der Sicherheit der israelischen Bevölkerung auf alle seine Nachbarn einzuschlagen und von einem Krieg in den nächsten zu ziehen. Die USA ihrerseits tut nur so, als wolle sie den Arm ihres Verbündeten zurückhalten. Dadurch bewahrt sie sich die Möglichkeit, irgendwann als Vermittler aufzutreten. Die US-Führung weiß jedoch, wie nützlich Israel für sie ist, um die Region unter ihrer Kontrolle zu haben. Daher akzeptiert sie alle seine Übergriffe auf die Palästinenser. Andererseits weiß die israelische Führung, dass sie mit ihren Angriffen auf die Hisbollah und ihren Drohungen gegen den Iran ein strategisches Ziel der USA verfolgt, das darin besteht, das Land zu schwächen, wenn möglich dessen Führung zu stürzen und es wieder in den Zustand einer Halbkolonie zurückzuversetzen. Ihre Kriegsinitiativen werden daher von den USA im Namen des „Rechts Israels auf Selbstverteidigung“ stets gebilligt oder nachträglich gedeckt.
Dies war auch bei der jüngsten Offensive, dem Einmarsch der israelischen Armee in den Libanon, wieder der Fall. Ungeachtet der scheinheiligen Appelle von US-Präsident Biden, „eine Eskalation zu vermeiden“, entschied sich die israelische Führung dafür den Krieg wiederaufzunehmen, den sie bereits in der Vergangenheit im Libanon geführt hatte. Sie sah eine Gelegenheit, die Hisbollah in ihre eigene Falle zu locken. Denn diese war zwar nicht gewillt, sich auf einen Krieg einzulassen, fühlte sich aber dennoch gezwungen, seit dem 7. Oktober Raketen auf Israel abzufeuern, um ihr Image als kämpferische Partei zu retten. Wie im Fall der Hamas spielte es für die Hisbollah-Führung keine Rolle, dass Netanjahu durch diese Angriffe die nationale Einheit um ihn herum stärken konnte. Doch wie im Fall der Hamas liefen sie darauf hinaus, die libanesische Bevölkerung gegen ihren Willen in einen Krieg mit ihren Nachbarn zu verwickeln, dessen erstes Opfer aller Wahrscheinlichkeit nach die sie selbst sein würde.
Im Nahen Osten behaupten die imperialistischen Machthaber immer, sie müssten nur noch einen letzten Feind vernichten, dann könnten sie die Region neu gestalten und Frieden und Wohlstand schaffen, da sie es nur noch mit verantwortungsbewussten und kooperationswilligen Regimen zu tun hätten. Dies ist natürlich ein Märchen, das der westlichen Öffentlichkeit erzählt wird. Immer wieder Völker mit massiven Bombenangriffen niederzuschlagen und dazu die modernste Technologie zu verwenden, das ist der krönende Endpunkt der imperialistischen Politik geworden, die letztlich nichts anderes als Staatsterrorismus ist. Als Ergebnis ihrer sukzessiven militärischen Interventionen und Kriege haben sie die Region in ein Trümmerfeld verwandelt. Der Gazastreifen ist dieses Jahr zu der Liste der zerstörten Länder hinzugekommen, zu der bereits der Irak und Syrien zählten. Hinzu gekommen ist auch der Libanon, in dem es bereits eine dramatische Wirtschaftskrise gab und nun noch die israelische Militärintervention dazukommt. Und, wenn auch etwas weiter entfernt, sind auch der Jemen, Afghanistan, Libyen, Somalia und der Sudan hinzugekommen. Was den Iran betrifft, so ist er zwar noch keinem direkten militärischen Angriff ausgesetzt. Doch seine Bevölkerung zahlt bereits teuer für die Folgen des US-Embargos und der damit verbundenen Krise, ganz zu schweigen von der reaktionären Diktatur, die sich diese Situation zu Nutze macht.
Die Frage ist nicht, ob wir auf einen „Flächenbrand“ im Nahen Osten zusteuern oder nicht. Dieser Begriff wurde von den Journalisten gewählt, weil er so schön schwammig ist. Der Flächenbrand ist längst da – in dem Sinne, dass eine große Anzahl von Ländern bereits weitgehend in Brand gesetzt worden ist. Andererseits stellt sich in der Tat die Frage, ob und wie weit der Krieg ausgeweitet wird. Die Antwort darauf hängt vollständig von den Entscheidungen Netanjahus oder besser gesagt von seinem Schutzpatron USA ab.
In diesem Krieg stehen wir selbstverständlich auf der Seite der vom Imperialismus und seinen Verbündeten unterdrückten Völker. Wir stehen voll und ganz hinter dem palästinensischen Volk gegenüber dem Massaker, dem es ausgesetzt ist. Wir unterstützen seine Bestrebungen, seine nationalen Rechte vollständig ausüben zu können, einschließlich seines Rechts auf einen eigenen Staat. In dem Krieg, den der Staat Israel gegen das palästinensische Volk führt und der sich immer weiter ausbreitet, wünschen wir uns eine militärische Niederlage des ersteren. Denn dies wäre Niederlage des imperialistischen Lagers und würde zu dessen Schwächung beitragen. Diese Niederlage ist derzeit unwahrscheinlich und hängt nicht von uns ab. Aber etwas hängt von uns ab: dort, wo wir sind, gegen die Politik unserer eigenen Regierung und der Regierungen anderer imperialistischer Staaten zu kämpfen; zu entlarven, dass sie an der Unterdrückung der Völker beteiligt und Komplizen bei den derzeitigen Massakern sind.
Echte Solidarität mit dem palästinensischen Volk oder dem libanesischen Volk bedeutet aber auch, die Politik der nationalistischen Organisationen, die sich an deren Spitze stellen, zu bekämpfen und ebenso deren Entscheidungen – angefangen bei ihren Entscheidung in Bezug auf militärische Konfrontationen. Die Kriege, die sie führen, können keines der Probleme ihres jeweiligen Volkes lösen – selbst wenn sie erfolgreich wären. Diese Organisationen streben in dem vom Imperialismus zerstückelten Nahen Osten nur eines an: ihren eigenen Staatsapparat verwalten zu können und somit ein offiziell anerkannter Unterdrücker des eigenen Volkes zu werden. Die Interessen der Arbeiterklasse zu wahren bedeutet, eine internationalistische, kommunistische und revolutionäre Politik zu vertreten. Nur eine proletarische Revolution, die sich in der gesamten Region ausbreitet, kann die Herrschaft des Imperialismus beenden und die verschiedenen bürgerlichen und kleinbürgerlichen Fraktionen hinwegfegen, die ihm dienen oder dienen wollen.
Wir haben derzeit nicht die Mittel, eine solche Politik in der einfachen Bevölkerung im Nahen Osten zu vertreten. Dennoch müssen wir aufzeigen, wie notwendig sie ist. Unsere Solidarität mit dem palästinensischen Volk darf nicht als Unterstützung der Politik nationalistischer Organisationen missverstanden werden dürfen. Dies ist umso wichtiger, da ein Teil der extremen Linken sich im Namen der Solidarität mit dem palästinensischen Volk deren Politik anschließt und sich teilweise sogar mit der palästinensischen Nationalflagge schmückt.
Heute lehnt sich ein Teil der Jugend und der Bevölkerung gegen die derzeitigen Massaker auf. Wir wünschen und hoffen, dass dies dazu beiträgt, Bewusstsein zu schaffen über den Charakter des Imperialismus und der Notwendigkeit, ihn zu zerschlagen. Den Krieg im Namen des proletarischen Internationalismus und hinter der roten Fahne zu bekämpfen, ist für uns ein Mittel, um zu diesem Bewusstsein beizutragen – so wie es revolutionäre Kommunisten, die im Nahen Osten aktiv sind, auch tun würden.
Im Fall des palästinensischen Volkes stützt sich die aggressive Politik der israelischen Führung darauf, dass sie ihr Volk davon überzeugt hat, dass es keine andere Wahl hat, als gegen alle seine Nachbarn zu kämpfen. Um die israelische Politik zu bekämpfen, muss alles getan werden, um dieses Gefühl einer nationalen Schicksalsgemeinschaft, auf das sich die israelische Führung stützt, zu untergraben und zu zerstören – und es nicht im Gegenteil noch zu verstärken. Dies ist einer der Wege, den der Kampf des palästinensischen Volkes nehmen kann – und internationalistische Revolutionäre müssen dazu beitragen, diesen Weg zu eröffnen. Die israelische Bevölkerung wird sich erst dann nicht mehr ständig im Krieg befinden und als Kanonenfutter für die Verteidigung von Interessen dienen, die nicht ihre eigenen sind, wenn sie ihre Nachbarvölker respektiert und bestrebt ist, mit ihnen nebeneinander zu leben. Revolutionäre müssen aufzeigen, dass es in Israel-Palästina Platz für beide Völker gibt – vorausgesetzt, dass keines versucht, das andere zu beherrschen, was einen Bruch mit jeder pro-imperialistischen Politik bedeutet.
Um eine echte Koexistenz und eine Zusammenarbeit zwischen den Völkern zu erreichen, müssen alle Formen der Unterdrückung beseitigt werden. Die herrschenden Klassen und die Staaten, auf die sie sich stützen, müssen gestürzt werden und die Arbeiterklasse muss die Macht ergreifen. Die Arbeiterklasse würde eine sozialistische Föderation der Völker des Nahen Ostens schaffen, die jedem Volk das Recht auf seine eigene nationale Existenz in der von ihm gewählten Form zuerkennt.
Die Völker des Nahen Ostens haben einen sehr hohen Preis dafür bezahlt, dass sich ihre Regime der imperialistischen Herrschaft unterworfen haben – und sie tun dies auch weiterhin. Aber sie zahlen auch einen hohen Preis für die Politik nationalistischer Organisationen, die in ihrem Namen handeln und sie in Sackgassen, in ausweglose Konflikte führen. Um sie zu bekämpfen, um der imperialistischen Herrschaft und allen Formen der Unterdrückung ein Ende zu setzen, müssen wir dazu beitragen, dass kommunistische Parteien und eine Internationale entstehen, die in der Lage sind, eine proletarisch-revolutionäre Politik im gesamten Nahen Osten zu führen.
III. Ukraine und Russland im Angesicht des Krieges
Laut Selenskyj „wird es in der Ukraine durch den Krieg keine verlorene Generation geben“. Was ist das, Verachtung für das eigene Volk? Zynismus? Schamlose Lüge? Wohl alles drei auf einmal. Das demografische Institut der Ukraine hat jedenfalls festgestellt, dass sich die Zahl der Menschen, die das Land verlassen haben, „im Vergleich zu 2023 mehr als verdreifacht hat“. Gleichzeitig hat Eurostat, die Statistikbehörde der Europäischen Union, feststellt, dass ein Drittel der Ausreisenden Minderjährige sind. Allein die EU hat mehr als 4,5 Millionen Ukrainer aufgenommen und damit jeden neunten, der aufgrund des Krieges geflohen ist.
Ende September machte eine Sendung des ukrainischen Senders der BBC auf die wachsende Zahl an 17jährigen aufmerksam, die das Land verlassen (Gesetz und Armee verbieten es Männern zwischen 18 bis 60 Jahren, ins Ausland zu gehen). Einige der 17jährigen, die das Land verlassen sagen, dass es für sie „eine Frage von Leben und Tod“ sei.
Dies machten die Zahlen auf eindrückliche Weise deutlich, die das Wall Street Journal am 17. September veröffentlichte. Dort wird die Zahl der Toten und Verwundeten in diesem Krieg auf eine (vorläufige) Gesamtzahl von einer Million ukrainischer und russischer Soldaten geschätzt: 80.000 Tote und 400.000 Verwundete auf ukrainischer Seite, 200.000 Tote und 400.000 Verwundete auf russischer Seite.
So kommt es im Westen der einstigen Sowjetunion – die damals ein einziges Land war – seit fast drei Jahren zu einem schrecklichen Brudermord zwischen zwei Völkern, die durch kulturelle, historische, familiäre und sprachliche Bande verbunden waren. Hinzu kommen noch die unermesslichen materiellen Schäden. Dies geschieht nicht, wie Putin behauptet, um die außerhalb Russlands lebenden Russen zu schützen. Es geschieht auch nicht, wie Selenskyj und seine NATO-Paten behaupten, um der Ukraine die Möglichkeit einer selbstbestimmten Zukunft zu geben (denn sie treffen an ihrer Stelle die Entscheidungen). Dieser Krieg findet statt, weil der Imperialismus seit dem Ende der UdSSR 1991 unaufhörlich in die ehemaligen Sowjetrepubliken vordringt – unter ihnen die Ukraine – um Russland aus ihnen zu verdrängen.
Die Ukrainerinnen, die für die Demobilisierung ihrer Ehemänner, Söhne und Brüder demonstrieren, die seit Februar 2022 an der Front sind, haben wenig Chancen, dass ihre Forderungen erfüllt werden.
Wenn die Behörden oder die Medien über die Demobilisierung dieser Soldaten sprechen, fügen sie stets hinzu, wie z.B. die Ukrainska Pravda, das führende digitale Medium des Landes: „Allerdings müsste es dafür auch andere wehrpflichtige Personen geben, die sie ersetzen könnten.“ Dies ist jedoch nicht der Fall.
Die Zeiten, in denen Freiwillige in Scharen in den Kampf zogen, sind vorbei. Die meisten Wehrpflichtigen versuchen, den martialischen Razzien der Feldjäger auf der Straße zu entgehen, bei denen sie vom Fleck weg in ein militärisches Sammelzentrum geschickt werden. Manche dieser Verweigerer entkommen bei den Razzien jedoch auch den Feldjägern, vor allem wenn sich Passanten einmischen. Man muss dazu sagen, dass laut ukrainischen Umfragen mittlerweile fast die Hälfte der Bevölkerung Friedensverhandlungen mit Russland befürwortet.
Die russische Armee gewinnt stückweise an Boden – über die 19% des Territoriums hinaus, das sie bereits besetzt hält. Und laut der ukrainischen Führung wären daran die „Drückeberger“, die „schlechten Patrioten“ Schuld. Letztlich macht sie also die Bevölkerung verantwortlich für die Rekrutierungsschwierigkeiten und die militärischen Rückschläge der Armee.
Selenskyj nutzt außerdem einen alten demagogischem Trick: Er sucht auch unter den Herrschenden und Besitzenden Sündenböcke – unter denen, die die Bevölkerung zu Recht hasst. In regelmäßigen Abständen entlässt er Minister, setzt Generäle ab oder lässt einen Oligarchen unter dem Vorwurf der Korruption verhaften. Doch angesichts dessen, was am meisten schockiert – die enormen Kriegsgewinne und diejenigen, die sich damit die Taschen vollmachen – kommt es natürlich nicht in Frage, die Staatsmacht als solche in Frage zu stellen, die Selenskyj verkörpert. Auch die wirklich Reichen, denen der Staat direkt dient, werden nicht ins Visier genommen. Sie hatten von Anfang an die Mittel hatten, den Gefahren des Krieges zu entgehen. Die Reichsten unter ihnen konnten sich sofort im Ausland im Luxus niederlassen, zum Beispiel in Monaco, weshalb sie von der Bevölkerung ironisch als „Monaco-Bataillon“ bezeichnet werden.
In Russland stellt sich der Staatsmacht die Frage, wie die Front mit Kanonenfutter versorgt werden kann, ebenfalls immer nachdrücklicher, allerdings in deutlich anderen Formen. Und obwohl der Kreml alles tut, um die Bevölkerung davon abzulenken, wie viel der Krieg sie kostet, belastet dieser zunehmend alle Aspekte des gesellschaftlichen Lebens.
Da ist zum einen die Rekrutierung immer neuer Soldaten aus der Zivilbevölkerung, um die eroberten Gebiete halten zu können – und auch, um neue Gebiete zu erobern und somit in einer Position der Stärke bei möglichen Verhandlungen zu sein. Schließlich ermuntern die imperialistischen Mächte Kiew zur Aufnahme von Verhandlungen... während sie allerdings gleichzeitig genügend finanzielle und militärische Unterstützung für eine weitere Eskalation des Krieges bereitstellen.
Bei der Rekrutierung neuer Soldaten bewegt sich der Kreml auf dünnem Eis: Die Reaktionen auf seine „partielle“ Mobilmachung von 300.000 Mann im September 2022 haben ihn vorsichtig werden lassen. Sie hatte einen Schock in der Bevölkerung ausgelöst, zornige Demonstrationen in den ärmeren Regionen Dagestans und Burjatiens, aber auch die Flucht ins Ausland von einer Million Männern, die oft jung und eher gut ausgebildet waren, was bis heute negative Folgen für die Wirtschaft hat.
Putin befindet sich in einem Dilemma. Er muss einerseits die verhältnismäßig zu geringe Zahl an Soldaten ausgleichen – so hatte der Generalstab zum Beispiel keine Reserven mehr, um sich dem ukrainischen Durchbruch bei Kursk entgegenzustellen. Gleichzeitig aber darf aber nicht riskieren, die Unzufriedenheit der Bevölkerung weiter zu schüren oder den Arbeitskräftemangel in vielen Wirtschaftszweigen zu verschärfen.
Putin schwankt also zwischen zwei gegensätzlichen Notwendigkeiten hin und her. Einerseits erklärt er, dass er die Idee einer allgemeinen Mobilmachung ablehne. Andererseits unterzeichnete er Mitte September zum dritten Mal seit 2022 einen Erlass, der die Armee anweist, ihre Truppenstärke um 180.000 Mann zu erhöhen. Doch gleichzeitig erteilen die Behörden Beschäftigten in Wirtschaftsbereichen mit „angespannter Lage“ Freistellungen, vor allem im militärisch-industriellen Komplex. Sie behaupten zwar, dass diese Freistellungen nicht die Wehrpflichtigen betreffen, die in der Ukraine eingesetzt sind – woran sie sich allerdings nicht immer halten. Diese Freistellungen und die weitaus höheren Löhne als in anderen Wirtschaftssektoren erklären, warum seit 2022 mehr als eine halbe Million Arbeitende in die Rüstungsindustrie gewechselt sind.
Doch der militärisch-industrielle Komplex saugt nicht nur die menschlichen Ressourcen aus dem Land ab. Die Militärausgaben, die für die Regierung Priorität haben, machen bereits 30% des Staatshaushalts aus. Für 2024 wurde eine weitere Erhöhung des Militärbudgets um 70% beschlossen. Zusammen mit den Plänen für nächstes Jahr werden 2025 dann sogar 40% der gesamten Staatsausgaben in den Krieg fließen.
Das Regime rühmt sich, dass die Wirtschaft wächst (um 4%). Dieses Wirtschaftswachstum ist zum Teil die Folge des westlichen Embargos. Eine Reihe, oft hochmoderne Produkte und Ausrüstungen werden aus dem Westen nicht mehr an Russland geliefert, und ein Teil davon wird nun im Land selber hergestellt. Russland gelingt es außerdem, einen Teil der westlichen Sanktionen zu umgehen: Es bezieht über Drittländer (Türkei, Indien, China usw.), was es nicht mehr direkt kaufen kann – und verkauft umgekehrt über diese Länder sein Öl und sein Gas, die den größten Teil der russischen Exporte ausmachen. Die russische Bratstwo-Pipeline versorgt Mitteleuropa weiterhin über die Ukraine mit Gas. Die EU-Behörden und Kiew, das hierfür Transitgebühren kassiert, erklären das Gas ab der ukrainischen Grenze einfach... für „ungarisches Gas“.
Das angebliche Wirtschaftswachstum wird allerdings in vielen Bereichen dadurch gebremst, dass die Rüstungsindustrie auf allen Ebenen Vorrang hat. Und vor allem reicht es bei weitem nicht, um den explosionsartigen Anstieg der Militärausgaben zu finanzieren, zu der der Imperialismus den Kreml nötigt – in der Hoffnung, dass dieser irgendwann nicht mehr mithalten kann.
Die Westmächte halten das ukrainische Regime finanziell mit Ach und Krach über Wasser (sie zahlen sogar die Gehälter seiner Beamten). Doch damit halten sie nun auch Kiew an der Kehle gepackt. Denn das internationale Kapital wird dem ukrainischen Regime früher oder später die Rechnung präsentieren. Besser gesagt, es wird – und es hat bereits damit begonnen – auf tausendfache Weise das Land und insbesondere die ukrainischen Arbeiterklasse auszuplündern: durch Steuern, durch das Ausplündern öffentlicher Dienste, durch den Verkauf der wirtschaftlichen Juwelen des Landes an westliche Großkonzerne (Kiew erklärt stolz, dass seit Beginn des Krieges Unternehmen aus über 100 Ländern im Land Fuß gefasst haben). Ganz zu schweigen von den zig Milliarden, auf die sich die Kosten für den Wiederaufbau des zerstörten Landes bereits belaufen: ein Kuchen, um den sich die kapitalistischen Staaten bereits drängen und Ansprüche für ihre Großkonzerne anmelden.
Der russische Staat befindet sich in einer anderen Lage. Er finanziert mithilfe der Notenpresse die Staatsausgaben, die wegen des Krieges explodieren.
Da sind zum einen die Ausgaben für Waffen: Kauf von Granaten von Nordkorea, Drohnen vom Iran... Hinzu kommen die Personalkosten, da das Regime darauf achtet, nur Freiwillige in den Kampf zu schicken. In ärmeren, benachteiligten Regionen (meist in den Autonomen Republiken) und auch in den ärmeren Teilen der städtischen Bevölkerung kann die Höhe des Soldes, wenn man sich verpflichtet, das Fünf- bis Sechsfache des Durchschnittslohns betragen. Das und die Prämien, die bei Verletzungen und vor allem im Todesfall gezahlt werden, sind für einige eine einmalige Gelegenheit. Umso mehr, da örtliche Gouverneure und Bürgermeister von Großstädten diese Prämien immer weiter aufstocken, um den „freiwilligen“ Einsatz attraktiver zu machen und sich so gegenüber dem Kreml damit brüsten zu können, dass sie ihre Rekrutierungsziele übertreffen.
Bisher hat das Regime dadurch die kriegsbedingte Unzufriedenheit in breiten Gesellschaftsschichten verringern und bis zu einem gewissen Grad sogar seine Position festigen können. So muss sich das städtische Kleinbürgertum keine allzu großen Sorgen mehr um seine Sprösslinge machen, die ein Studium absolvieren. Denn in einer Art stillschweigender Übereinkunft erlauben die Behörden Studierenden, de facto den Wehrdienst zu umgehen. Was die Arbeiterklasse betrifft, so leidet sie am meisten unter der Inflation, die zum Jahresende bei fast 10% lag und die ihren Lebensstandard senkt. Allerdings haben einige qualifizierte Arbeiter nun bessere Löhne als vorher, weil sie in Rüstungsbetrieben oder bei der Armee eingestellt wurden.
Die Zehntausenden (unter ihnen viele Studierende), die im Februar/März 2022 gegen den Krieg und gegen Putin demonstriert haben, wurden dafür vom Regime hart verfolgt. Viele befinden sich noch immer im Gefängnis. Andere sind aus Angst vor einer Verhaftung ins Exil gegangen.
Die pro-westliche Opposition, die für einen (wie sie es nennt) „ehrlichen Kapitalismus“ wirbt, hat ihre Galionsfigur Alexei Nawalny verloren, der im Gefängnis ermordet wurde. Seine Beerdigung im Februar ermöglichte es den Sympathisanten dieser Opposition sich zu zeigen und in Anwesenheit eines riesigen Polizeiaufgebots zu demonstrieren. Seitdem hat das Regime versucht, weniger wichtige Mitglieder der Bewegung zu neutralisieren. Sie wurden verhaftet oder in den Westen abgeschoben. Die Opposition wird jedoch vor allem durch die jüngsten Enthüllungen über die Gangstermethoden eines gewissen Nevzlin erschüttert, einem Geschäftspartner des im Exil lebenden russischen Ölmagnaten Michail Chodorkowski. Dieser versucht derzeit, die Reste des Navalny-Teams zu liquidieren – Ausdruck des Machtkampfes um die Frage, wer zukünftig an der Spitze dieser sogenannten demokratischen Opposition stehen wird.
Der einzige noch öffentlich sichtbare Protest ist der der Soldatenfrauen, die sich zu der Bewegung Pout’Domoï (der Weg nach Hause) zusammengeschlossen haben. Wie ihre ukrainischen Schwestern kämpfen sie mutig weiter, obwohl die Polizei systematisch eingreift, um sie am Demonstrieren zu hindern und sie zu verhaften.
Laut russischen Medien und sozialen Netzwerken ist die Zahl der Streiks in letzter Zeit zurückgegangen. Bemerkenswert ist, dass 40% der Streiks ihre Ursache in nicht gezahlten Löhnen haben. Dies kommt angesichts der kriegsbedingten Wirtschaftskrise immer häufiger vor und erinnert in gewisser Weise an die Situation in der ehemaligen UdSSR Anfang der 1990er Jahre. Die Arbeitenden in den zivilen Wirtschaftssektoren können verständlicherweise den Eindruck gewinnen, dass sie weniger geschützt sind als im militärisch-industriellen Sektor. Aber auch dort herrscht die Angst vor Entlassungen – mit allem, was dazu gehört. Das Management nutzt diese Angst aus, um teilweise 16 Stunden Arbeit am Stück zu verlangen, oder die Arbeitenden zu Wechselschichten zu zwingen oder zu verlangen, dass einer die Arbeit von zwei Arbeitsplätzen gleichzeitig übernimmt, für nur 20% Prämie.
Den Arbeitskräftemangel (der aufgrund der in den Krieg eingezogenen Soldaten entstanden ist sowie aufgrund der Tatsache, dass massenhaft Arbeiter aus Zentralasien weggegangen sind, da sie in Russland einer institutionalisierten Fremdenfeindlichkeit ausgesetzt sind) bekämpft das Regime auch auf eine andere Weise, für die in erster Linie die älteren Arbeitenden bezahlen müssen: Zwar werden nämlich die Renten 2025 ganz leicht steigen. Aber all die Jahre vorher waren sie eingefroren. Die Renten sollten auf diese Weise so miserabel werden, dass die älteren Arbeitenden de facto dazu genötigt werden, so lange wie möglich weiterzuarbeiten und so die Arbeitsplätze weiter zu besetzen, die sonst unbesetzt geblieben wären.
Putin, der seit 1999 an der Macht ist, wurde im März 2024 von 76 der 112 Millionen registrierten Wähler als Präsident wiedergewählt. Dies ist die höchste Stimmenzahl, die er je erhalten hat. Die Machthaber hatten jeden Konkurrenten, der ihn in den Schatten hätte stellen können, aus dem Weg geräumt – obwohl Putin neben den Nutznießern des Regimes auch so immer noch Anhänger in den unteren Schichten hat.
Sicher, viele Arbeiter möchten sich gerne einreden, dass der aktuelle Krieg sie nicht betrifft: Er sei ein „Konflikt von Berufssoldaten“, von Freiwilligen, wie der Kreml betont. Dennoch sind seine Auswirkungen überall spürbar. Selbst wenn die Löhne am Jahresende an die offizielle Inflation angepasst werden, schrumpft die Kaufkraft, da die reale Preissteigerung deutlich höher ist. In den Betrieben sagen die Vorgesetzten und die Geschäftsleitung bei jedem Konflikt: „Ihr meckert, während andere ihr Blut für das Vaterland vergießen“. Druck und Erpressung erklären, warum so wenig gestreikt wird. Das ändert aber nichts daran, dass – wenn es auch noch immer Arbeiter gibt, die Feuer und Flamme für den Krieg sind – viele Arbeiter kritisch sind. Als bekannt wurde, dass ukrainische Truppen in die Kursker Region einmarschiert sind – und das, nachdem Russland seit 1941 nicht mehr militärisch überfallen worden war – waren die Chauvinisten empört, dass Putin nicht einmal in der Lage schien, dies zu verhindern. Dies führte jedoch weder zu einem Ansturm auf die Rekrutierungsbüros noch zu einem patriotischen Fieber in den Betrieben und der Bevölkerung.
Was die westliche Presse als „Kriegsmüdigkeit“ der Ukrainer bezeichnet und ebenso die Tatsache, dass große Teile der russischen Bevölkerung trotz der allgegenwärtigen Propaganda nicht hinter Putins „Sonderoperation“ stehen (auch wenn sie dies nicht offen zeigen): All das könnte einen sozialen Nährboden bilden, auf dem eine andere Entwicklung möglich wäre als die eines Bruderkriegs, dessen Ende nicht abzusehen ist. Doch damit es dazu kommen kann, fehlt dem ukrainischen und russischen Volk, fehlt seiner Arbeiterklasse wie überall sonst auch das Werkzeug für ihre Emanzipation, das Werkzeug für die Niederlage ihrer Unterdrücker und Ausbeuter: eine revolutionäre und internationalistische kommunistische Partei, die es versteht, sich in der Arbeiterklasse zu verankern.
IV. Die Vereinigten Staaten
Immer reichere Reiche, eine verarmte Arbeiterklasse
Die Bourgeoisie in den USA bereichert sich weiterhin ohne große Hindernisse, indem sie das amerikanische Proletariat und den Rest der Welt ausbeutet. Der Aktienindex S&P 500 hat sich seit 2020 verdoppelt und seit 2009 verachtfacht. Die verstärkte Ausbeutung der Arbeiter, ultraprofitable Staatsaufträge, insbesondere im Verteidigungsbereich, Spekulationen und die Ausplünderung armer Länder tragen Früchte. Im Jahr 1982 gab es in den USA 13 Dollar-Milliardäre, heute sind es wohl 801 sein, und ihr Anteil am Gesamtvermögen wird immer größer. Ein Magnat wie Elon Musk besaß im März 2020 bereits 25 Milliarden US-Dollar und seitdem hat sich sein Vermögen verzehnfacht.
US-amerikanische Firmen haben direkten Zugang zu einem riesigen Binnenmarkt mit 330 Millionen Einwohnern. Die USA fördern das Wachstum ihrer Profite außerdem durch massive finanzielle Hilfen wie den Inflation Reduction Act (2022) – staatliche Hilfen, die ihrerseits durch Schulden finanziert werden. Während sich die französische Regierung bei einem Haushaltsdefizit von fast 6% Sorgen darüber macht, dass dies einen „Angriff“ der Finanzmärkte bewirken könnte, wird dies in den USA nicht als Problem angesehen. Das Ausmaß der Schulden des Bundes (35,7 Billionen US-Dollar) beunruhigt zwar regelmäßig die Kommentatoren. Doch die starke Position des Landes ermöglicht es ihm, sich zu niedrigen Zinsen zu verschulden und gleichzeitig Vermögenswerte mit hohen Renditen anzuhäufen. Der Dollar bleibt die wichtigste Währung für Handelsgeschäfte und Rücklagenbildung in der kapitalistischen Welt, was den USA ein enormes Privileg verschafft. Es senkt die Verwaltungskosten für US-amerikanische Unternehmen und Banken. Auch wenn der „Niedergang des amerikanischen Imperiums“ regelmäßig verkündet wird, haben die USA weiterhin eine vorherrschende Position in der Weltwirtschaft inne – eine Position, die auf ihrer militärischen Vorherrschaft beruht.
Gleichzeitig hat neben der ungezügelten Bereicherung der Kapitalistenklasse und in geringerem Maße auch eines Teils des Kleinbürgertums die Inflation, die noch war höher als in Europa, den Lebensstandard der einfachen Bevölkerung verschlechtert. Millionen Arbeitende mussten einen Zweit- oder gar Drittjob annehmen, um ihren Lebensunterhalt bestreiten und ihre Wohnung behalten zu können. Das Land rühmt sich zwar einer niedrigen Arbeitslosenquote (4%), doch in Wirklichkeit haben weniger als 63% der Erwachsenen eine gemeldete Arbeit (73% in Frankreich), während sich ein ganzer Teil der Bevölkerung aus dem Arbeitsmarkt verabschiedet hat. Im Herzen der Weltmacht Nr.1 explodiert die Zahl der Obdachlosen. Allein in Los Angeles soll es über 75.000 geben, die kaum älter als 50 Jahre werden. Die Lebenserwartung der gesamten Bevölkerung ist in den letzten Jahren zurückgegangen, so dass die USA in dieser Hinsicht weltweit auf Platz 35 hinter Kuba und Chile liegen. Die Zahl der Todesfälle durch Überdosis ist von weniger als 20.000 im Jahr 2000 auf 108.000 im Jahr 2022 gestiegen (638 in Frankreich), wobei dieses Massensterben hauptsächlich in der einfachen Bevölkerung seine Opfer findet.
Streiks, aber ein politisch abwesendes Proletariat
Der Herbst 2023 war von einem breiten, von der Automobilgewerkschaft UAW angeführten Streik anlässlich der Tarifverhandlungen geprägt. Die Gewerkschaftsbürokratie hatte sich dafür entschieden, die „großen Drei“ unter Druck zu setzen - General Motors, Ford und Stellantis - aber nur in einigen ihrer Werke zu streiken. Nach anderthalb Monaten hatten 40.000 streikende Arbeiter (von den 145.000 UAW-Mitgliedern in der Automobilindustrie) ihren Bossen deutlich mehr abgerungen, als sie vor dem Streik angeboten hatten: 25 Prozent Lohnerhöhung und fast 30 Prozent mit einer Teuerungszulage, die nach und nach über die viereinhalbjährige Laufzeit des neuen Vertrags kommen werden. Stellantis hatte damals auch zugestimmt, die Produktion in der Fabrik in Belvidere (Illinois) wieder aufzunehmen, was der UAW erlaubte zu verkünden, dass sie auf ganzer Linie gesiegt habe. Ein Jahr später scheint es, als würde der Konzern sein Versprechen, das Werk wieder zu eröffnen, zurücknehmen.
Seitdem kam es in verschiedenen weiteren Branchen zu Streiks, immer anlässlich der Tarifverhandlungen, die von den Gewerkschaftsapparaten kontrolliert werden. 45.000 Hafenarbeiter in den Häfen an der Ostküste und am Golf von Mexiko streikten drei Tage lang: Ihre Gewerkschaft, die den Streik mit der Forderung nach 77% Lohnerhöhung für die nächsten sechs Jahre (Vertragslaufzeit) begonnen hatte, brach ihn ab, als die Bosse 62% anboten, wobei sie kaum die Kraft dieser Streikenden genutzt hatten. Selbst die Leitung des derzeit laufenden Teilstreiks von 33.000 Boeing-Arbeitern, der nach der fast einstimmigen Abstimmung gegen den Willen der Gewerkschaftsführung ausgerufen wurde, bleibt unter der Kontrolle der Gewerkschaftsführung.
In diesen Streiks spielt die Frage der Lohnerhöhungen eine wichtige Rolle. Dies lässt sich durch den Verlust der Kaufkraft erklären, der wegen der höheren Inflation größer war als in Frankreich. So kam es 2023 in den USA zu einem deutlichen Anstieg der Streikaktivitäten, mit 16,6 Millionen Streiktagen allein für die Streiks, an denen mindestens 1.000 Arbeitende beteiligt waren. Im Vergleich zum Zeitraum 1947-1981 entspricht diese Zahl jedoch einem Jahr mit geringer Streikaktivität. Denn seit vier Jahrzehnten ist die Zahl der Streiks und der Streikenden insgesamt niedrig. Was die ersten acht Monate des Jahres 2024 betrifft, so herrscht wieder die Ebbe bei der Zahl der Streiks, wie die amerikanische Arbeiterbewegung sie seit den 1980er Jahren erlebt.
Aufgrund der Streikdauer, der Anzahl der Streikenden (die der Größe der Industrie dieses Landes entspricht) und der durchgesetzten Lohnerhöhungen geben die in Frankreich medienwirksam inszenierten US-amerikanischen Streiks einen Eindruck von der potenziellen Macht des Proletariats eines großen Industrielandes. Es gibt dort jedoch derzeit keine ansteckende Welle von Massenstreiks, auch wenn die Arbeitenden da sind, wenn die Gewerkschaften sie zu Aktionen aufrufen. Die Kapitalisten sind trotzdem misstrauisch: Sie tendieren dazu, die Dauer der Tarifverträge in einigen Branchen auf bis zu sechs Jahre zu verlängern. In der Logik der Gewerkschaften, deren sichtbarste Tätigkeit darin besteht, in den Tarifrunden mit den Unternehmern zu verhandeln, werden mögliche Streiks also immer seltener.
Die Entwicklung von Klassenbewusstsein wird außerdem ständig von den Gewerkschaftsapparaten behindert. Die meisten betätigen sich als Wahlunterstützer der Demokratischen Partei, die sie auch finanzieren. In diesem Wahljahr nutzte Shawn Fain, der Vorsitzende der UAW, seinen Ruf als kämpferischer Gewerkschaftsführer, um Joe Biden als „gewerkschaftsfreundlichsten Präsidenten unserer Zeit“ zu loben. Die Vorsitzende des Gewerkschaftsdachverbands AFL-CIO, Liz Shuler, erklärte ihrerseits: „Biden glaubt an die Gewerkschaften, und wir glauben an ihn.“ Der Ton änderte sich auch nicht mit dem Wechsel zu Kamala Harris, die nie auf Stimmenfang bei den Streikposten ging, über die Fain aber sagte: „Sie ist eine Kämpferin für die Arbeiterklasse“ – wobei er einräumte, dass ein Teil der Arbeiter, die der UAW angehören (die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft ist in einer ganzen Reihe von Betrieben Pflicht), für Trump stimmen würden. Der Milliardär trieb die Demagogie sogar so weit, dass er den Vorsitzenden der Teamster-Gewerkschaft (Trucker) einfliegen ließ, um auf dem Parteitag der Republikaner eine Rede zu halten, die ihn als Kandidaten nominierten. Letztendlich ist die Teamster-Gewerkschaft nicht so weit gegangen, Trump zu unterstützen, aber sie hat sich vor allem nicht für die Demokraten ausgesprochen, was vielleicht darauf hindeutet, dass ihre Basis bei der Wahl gespalten ist. Wenn Trump erklärt, dass er mit einer noch ausgeprägteren protektionistischen Politik als Biden „Arbeitsplätze und Fabriken aus anderen Ländern“ in die USA zurückbringen werde, dann wendet er sich damit gezielt an die Arbeiter, die jahrzehntelang von den Gewerkschaftsapparaten beigebracht bekommen haben, dass die Schuld an ihrer Arbeitslosigkeit bei den Arbeitern im Ausland liege.
Mangels Partei, die die Interessen der Arbeiterklasse zum Ausdruck bringt, handelt das Proletariat der USA bei diesen Wahlen politisch nicht als Klasse. Es enthält sich der Stimme oder wählt teils die Demokraten, teils die Republikaner, nachdem es eine ziemlich große Dosis der bürgerlichen Ideen absorbiert hat, die diese Parteien verbreiten. Kleine Gruppen von Arbeiteraktivisten bemühen sich, den Arbeitern dort, wo sie die Kraft dazu haben, zumindest bei Wahlen eine Alternative zu bieten. Doch im Maßstab des ganzen Landes, bzw. Kontinents können sie die Lage natürlich nicht ändern.
Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten, Säbelrasseln mit China
Die unerschütterliche politische, finanzielle und militärische Unterstützung Israels – des Staates, der seit einem Jahr die Menschen in Gaza abschlachtet, die Kolonisierung im Westjordanland fortsetzt und nun den Krieg auf den Libanon ausdehnt – zeigt, wozu der US-Imperialismus bereit ist, um seine übergeordneten Interessen zu verteidigen. In der Ukraine führt er mit den Ukrainern als Soldaten auch einen Krieg gegen Russland, dessen gesamte Westgrenze nun von NATO-Ländern gesäumt ist, von Finnland und den baltischen Staaten im Norden bis nach Rumänien und der Türkei im Süden.
Es ist jedoch China, das die US-Führer nun als die größte Bedrohung für ihre Vorherrschaft betrachten. Seit Jahren beschuldigen sie das Land der Kriegsvorbereitungen und werden dabei von Europa unterstützt. In den letzten Monaten wurde insbesondere Pekings Anspruch auf Taiwan von westlichen Kommentatoren und Politikern als „Imperialismus“ angeprangert, der mit dem Putins in der Ukraine vergleichbar sei. In Wirklichkeit geben die USA (4% der Weltbevölkerung) 900 Milliarden US-Dollar bzw. 39% der weltweiten Gesamtsumme für Militär aus, während China (18% der Weltbevölkerung) weniger als 300 Milliarden US-Dollar bzw. 13% der weltweiten Gesamtsumme dafür ausgibt. Die USA unterhalten außerhalb ihres Hoheitsgebiets 750 Militärstützpunkte in 80 Ländern, während China nur einen in Dschibuti hat. Die USA verfügen über 20 Flugzeugträger, China über zwei. Vor allem aber: Während sich kein einziges chinesisches Schiff der kalifornischen Küste nähert, umzingeln die USA China mit einer Reihe von Militärstützpunkten, von Taiwan über Japan, Südkorea, die Philippinen, Australien usw. bis nach Thailand. Im indopazifischen Raum haben sie 400.000 Soldaten, 2.500 Flugzeuge und 200 Kriegsschiffe stationiert. China hat in den letzten 45 Jahren keinen einzigen Krieg geführt, während die USA Dutzende von Kriegen geführt haben. Allein im Nahen und Mittleren Osten haben ihre Militärinterventionen seit 2001 niedrig geschätzt 940.000 Tote gefordert. Entgegen den Lügen der westlichen Propaganda ist also nicht China die größte Bedrohung für die Völker, sondern die USA und deren französische und britische Stellvertreter.
Die Präsidentschaftswahlen
Für die Präsidentschaftswahlen am 5. November haben die westlichen Medien ihre Kandidatin gewählt, die sie früher als farblos und autoritär kritisierten und nun mit allen Tugenden schmücken. Harris, die seit vier Jahren Bidens Vizepräsidentin ist, führt eine ausgesprochen konservative Kampagne und wendet sich insbesondere an die mit Trump unzufriedenen Republikaner. Die ehemalige Staatsanwältin verkörpert die Verteidigung von Recht und Ordnung. Sie hat versprochen, dass sie die Militärhilfe für die Ukraine fortsetzen wird, was ihr die Gunst der europäischen Staats- und Regierungschefs einbringt. Sie hat weiterhin versprochen, die Hilfe für Israel fortzusetzen, was die Hoffnungen derjenigen dämpft, die auf eine Politik gehofft hatten, die sich weniger unverschämt mit dem Massaker an den Palästinensern solidarisiert. Sie will den Handelskrieg mit China fortsetzen, der seit 2016 mit höheren Zöllen geführt wird. Da sie darauf bedacht ist, keinen Bereich des US-Kapitals zu brüskieren, hat sie ihre früheren Äußerungen gegen das Fracking begraben. Der größte politische Unterschied zu ihrem Gegenkandidaten betrifft das Recht auf Abtreibung, das sie verteidigt, während Trump durch die Ernennung reaktionärer Richter am Obersten Gerichtshof dazu beigetragen hat, es in Frage zu stellen. Trump hat sich außerdem rassistisch gegenüber Migranten geäußert und sie als „Abschaum“, „Tiere“, „blutrünstige Kriminelle“ mit „schlechten Genen“ bezeichnet und sogar versprochen, sie „zu töten“. Und die Unterstützung, die er genießt, zeugt von den tiefen Vorurteilen und Spaltungen, die in der amerikanischen Arbeiterklasse herrschen. Doch auch wenn Harris nicht die Sprache ihres Gegners spricht, verteidigt sie die restriktive Migrationspolitik, die die Regierung seit Jahren betreibt. Sie antwortet mit dem Versprechen, dass sie die Grenze zu Mexiko sichern wird und schließt sich dem Plan an, eine Mauer zu bauen. Bernie Sanders und die Linke der Demokratischen Partei, die einst als Inbegriff des Radikalismus gepriesen wurden, unterstützen sie und passen sich vollständig dem demokratischen Establishment an.
16. Oktober 2024
ANHANG
Als Mao Tschiang Kaishek stürzte und in China die Macht übernahm, war Trotzki bereits neun Jahre tot, von Stalin ermordet. Er konnte uns keine Analyse des Klassencharakters des chinesischen Staates hinterlassen, ebenso wenig wie die des jugoslawischen Staates unter Tito oder – auch wenn die Situation hier anders gelagert ist – der Volksdemokratien.
Unsere Analyse des Klassencharakters des chinesischen Staates wurde jedoch von Texten geleitet und inspiriert, die Trotzki lange vor Maos Machtantritt geschrieben hatte. Es handelt sich um zwei Texte, die er aus großer Entfernung der maoistischen Bewegung widmen konnte, als diese noch in ihren Anfängen steckte.
Die beiden Artikel trugen die Titel: „Was ist los in China?“ bzw. „Der Bauernkrieg in China und das Proletariat (Brief an die chinesischen Bolschewiki-Leninisten)“. (Der erste ist vom 10. November 1929 und der zweite vom 22. September 1932 datiert; sie wurden in Prinkipo geschrieben, wohin Trotzki geflohen war, nachdem er von Stalin aus der Sowjetunion vertrieben worden war). Es ist der zweite Text, den wir im Folgenden veröffentlichen.
Der Bauernkrieg in China und das Proletariat (Brief an die chinesischen Bolschewiki-Leninisten)
Bulletin der Opposition (Bolschewiki-Leninisten).
Nach langer Pause erhielten wir Ihren Brief vom 15. Juni. Wir brauchen wohl nicht zu betonen, wie sehr uns das Aufleben und die Wiedergeburt der chinesischen Linken Opposition gefreut hat, nachdem die Polizei sie so grausam zerschlagen hatte. Soweit das von hier aus aufgrund unserer äußerst unzureichenden Informationen beurteilt werden kann, gleicht die in Ihrem Brief formulierte Position der unsrigen.
Die unversöhnliche Haltung gegenüber der vulgär-demokratischen Einstellung der Stalinisten zur Bauernbewegung hat natürlich mit einer achtlosen oder passiven Haltung gegenüber der Bauernbewegung nichts gemein. In dem vor zwei Jahren herausgegebenen Manifest der Internationalen Linken Opposition („Über die Aufgaben und Perspektiven der chinesischen Revolution“), das eine Einschätzung der Bauernbewegung in den südlichen Provinzen Chinas gab, hieß es: „Die betrogene, zerschlagene, ausgeblutete chinesische Revolution zeigt, dass sie lebt. Hoffen wir, dass die Zeit nicht allzu fern ist, in der sie neuerlich ihr proletarisches Haupt erhebt.“ Und weiter: „Die gewaltige Flut des Bauernaufstands kann ohne Zweifel der Wiederbelebung des politischen Kampfes in den Industriezentren einen Impuls geben. Wir rechnen fest darauf.“
Ihr Brief zeugt davon, dass sich unter dem Einfluss der Krise und der japanischen Intervention sowie vor dem Hintergrund des Bauernkriegs der Kampf der städtischen Arbeiter wieder belebt. Im Manifest schrieben wir hierzu mit der erforderlichen Vorsicht: „Niemand kann vorhersagen, ob das Feuer des Bauernaufstandes die lange Periode hindurch geschürt werden kann, die die proletarische Avantgarde benötigt, um selbst Kraft zu gewinnen, die Arbeiterklasse in den Kampf zu führen und ihren Kampf um die Macht mit der allgemeinen Offensive der Bauern gegen ihre unmittelbaren Feinde zu koordinieren.“ Jetzt gibt es offensichtlich mehr Grund zu der Hoffnung, dass es – bei einer richtigen Politik – gelingen wird, die proletarische und überhaupt die städtische Bewegung mit dem Bauernkrieg zu verschmelzen. Das wäre der Beginn der dritten chinesischen Revolution. Aber bislang ist dies alles nur erst eine Hoffnung und keine Gewissheit. Die Hauptarbeit steht noch bevor.
In diesem Brief möchte ich nur auf eine Frage eingehen, die mir jedenfalls aus der Ferne als äußerst wichtig und aktuell erscheint. Ich erinnere mich noch einmal daran, dass die Nachrichten, über die ich verfüge, völlig unzureichend, zufällig und lückenhaft sind. Jede Ergänzung und Korrektur nehme ich dankbar an.
Die Bauernbewegung hat sich ihre eigenen Armeen geschaffen, sie hat große Territorien erobert und sie dem Befehl eigener Institutionen unterstellt. Im Falle weiterer Erfolge – die wir uns alle natürlich brennend wünschen – geht die Bewegung mit den städtischen und industriellen Zentren eine Verbindung ein und steht dann unmittelbar der Arbeiterklasse gegenüber. Wie wird sich diese Begegnung gestalten? Ist sicher, dass sie friedlich und freundschaftlich verläuft?
Die Frage mag auf den ersten Blick überflüssig erscheinen. An der Spitze der Bauernbewegung stehen Kommunisten oder Sympathisierende. Ist es nicht klar, dass sich Arbeiter und Bauern bei ihrer Begegnung unter dem kommunistischen Banner freundschaftlich zusammenschließen müssen?
Leider ist die Sache keineswegs so einfach. Ich verweise auf die Erfahrungen in Russland. IN den Jahren des Bürgerkriegs hat dort die Bauernschaft in verschiedenen Teilen des Landes Partisanenabteilungen gebildet, die manchmal zu ganzen Armeen anwuchsen. Einige dieser Abteilungen hielten sich für bolschewistische Verbände; sie wurden nicht selten von Arbeitern befehligt. Andere bleiben parteilos und wurden meist von ehemaligen Unteroffizieren aus der Bauernschaft geführt. Es gab auch eine „anarchistische“ Armee unter dem Kommando von Machno. Solange die Partisanenarmeen im Hinterland der Weißgardisten operierten, dienten sie der Sache der Revolution. Einige von ihnen zeichneten sich durch ungewöhnlichen Heldenmut und Standhaftigkeit aus. Aber in den Städten kamen diese Armeen nicht selten in Konflikt mit den Arbeitern und den örtlichen Parteiorganisationen. Konflikte entstanden auch beim Zusammentreffen der Partisanen mit der regulären Roten Armee; in einigen Fällen waren diese Konflikte äußerst schmerzhaft und heftig.
Die harten Erfahrungen des Bürgerkriegs stießen uns auf die Notwendigkeit, die Bauernabteilungen sofort zu entwaffnen, sobald die Rote Armee ein von Weißgardisten gesäubertes Gebiet einnahm. Die besten, bewusstesten und diszipliniertesten Elemente wurden dabei in die Reihen der Roten Armee aufgenommen. Aber ein bedeutender Teil der Partisanen versuchte, selbstständig zu bleiben, und begann nicht selten einen offenen bewaffneten Kampf gegen die Sowjetmacht. So verhielt es sich mit der anarchistischen, durch und durch von kulakischem Geist durchdrungenen Armee Machnos. Aber nicht nur mit ihr: Viele Bauernabteilungen, die ausgezeichnet gegen die Restauration der Gutsbesitzer gekämpft hatten, verwandelten sich nach dem Sieg in eine Waffe der Konterrevolution.
Die Konflikte zwischen den bewaffneten Bauern und den Arbeitern – wodurch sie im Einzelfall auch hervorgerufen wurden: durch eine bewusste Provokation der Weißgardisten, durch Taktlosigkeit der Kommunisten oder durch eine ungünstige Verknüpfung von Umständen – hatten stets die gleiche gesellschaftliche Basis: den Unterschied in der Klassenlage und -erziehung der Arbeiter und Bauern. Der Arbeiter sieht alle Fragen unter sozialistischem Gesichtspunkt, der Bauer – unter kleinbürgerlichem. Der Arbeiter will das Eigentum, das man den Ausbeutern genommen hat, sozialisieren; der Bauer will es aufteilen. Schlösser und Parks will der Arbeiter der allgemeinen Nutzung zuführen; der Bauer hingegen ist geneigt, die Schlösser anzuzünden und die Parks abzuholzen, wenn er sie nicht aufteilen kann. Der Arbeiter bemüht sich, die Fragen in gesamtstaatlichem Maßstab und planmäßig zu lösen; der Bauer hingegen misst alle Fragen nach lokalem Maßstab und verhält sich den Plänen des Zentrums gegenüber feindlich.
Natürlich ist auch ein Bauer in der Lage, sich zu einem sozialistischen Standpunkt hochzuarbeiten. Unter einem proletarischen Regime werden immer größere Massen von Bauern in sozialistischem Geist umerzogen. Aber das erfordert Zeit, Jahre, sogar Jahrzehnte. Wenn man nur die Anfangsetappe der Revolution betrachtet, dann spitzen sich die Widersprüche zwischen dem proletarischen Sozialismus und dem Individualismus des Muschiks nicht selten außerordentlich zu.
Aber an der Spitze der chinesischen roten Armeen stehen doch Kommunisten? Schließt nicht allein das schon das Konflikte zwischen den Bauernabteilungen und den Arbeiterorganisationen aus? Nein. Dass einzelne Kommunisten an der Spitze der Bauernarmeen stehen, verändert deren sozialen Charakter noch keineswegs, selbst wenn die führenden Kommunisten eine harte proletarische Schule durchlaufen haben. Aber wie steht es damit in China? Unter den kommunistischen Führern der roten Abteilungen gibt es zweifellos nicht wenige deklassierte Intellektuelle und Halbintellektuelle, die die harte Schule des proletarischen Kampfes nicht absolviert haben. Zwei oder drei Jahre lang leben sie das Leben von Partisanenkommandeuren und -kommissaren, kämpfen, erobern Territorien usw. Sie werden vom Geist des sie umgebenden Milieus durchdrungen. Die Mehrheit der einfachen Kommunisten in den roten Abteilungen besteht zweifellos aus Bauern, die sich ganz aufrichtig als Kommunisten bezeichnen, praktisch, aber revolutionäre Verelendete oder revolutionäre Kleineigentümer bleiben. Wer in der Politik nach Bezeichnungen und Etiketten urteilt, nicht nach sozialen Fakten, ist verloren. Besonders, wenn es um Politik mit der Waffe in der Hand geht.
Die wirkliche kommunistische Partei ist die Organisation der proletarischen Avantgarde. Doch die Arbeiterklasse Chinas befand sich im Laufe der letzten vier Jahre in einem Zustand der Unterdrückung und Zersplitterung und zeigt erst jetzt Anzeichen einer Wiederbelebung. Es ist eine Sache, wenn die Kommunistische Partei, die sich fest auf die Blüte des städtischen Proletariats stützt, versucht, den Bauernkrieg mit Hilfe von Arbeitern zu führen. Eine ganz andere Sache ist es aber, wenn einige Tausend oder sogar Zehntausend Revolutionäre, die den Bauernkrieg führen, Kommunisten sind oder sich so nennen, ohne im Proletariat einen wirklichen Rückhalt zu haben. Und gerade das ist in China der Fall. Das vergrößert das Risiko von Konflikten zwischen Arbeitern und bewaffneten Bauern außerordentlich. Jedenfalls wird es an bürgerlichen Provokateuren nicht mangeln.
In Russland war das Proletariat in der Epoche des Bürgerkriegs im größten Teil des Landes schon an der Macht; die Führung des Kampfes ging von der starken, kampferprobten Partei aus; der gesamte Leitungsapparat der zentralisierten Roten Armee lag in den Händen der Arbeiter. Und trotzdem gerieten nicht selten Bauernabteilungen, die ungleich schwächer waren als die Rote Armee, mit dieser in Konflikt, wenn sie siegreich in das Gebiet des bäuerlichen Partisanentums vorrückte.
In China ist die Lage eine ganz andere – zum Nachteil der Arbeiter. In den wichtigsten Gebieten Chinas gehört die Macht den bürgerlichen Militärmachthabern. In anderen Gebieten den Führern der bewaffneten Bauern. Eine proletarische Macht existiert noch nirgendwo. Die Gewerkschaften sind schwach. Der Einfluss der Partei bei den Arbeitern ist unbedeutend. Die Bauernabteilungen, die ganz vom Bewusstsein der errungenen Siege durchdrungen sind, stehen unter dem Schutz der Komintern. Sie nennen sich „Rote Armee“, d.h., sie identifizieren sich mit der bewaffneten Macht der Sowjets. Es zeigt sich, dass die revolutionäre Bauernschaft Chinas in Gestalt ihrer führenden Schicht sich gleichsam im Voraus das politisch-moralische „Kapital“ angeeignet hat, das eigentlich den chinesischen Arbeitern zukommt. Ist es nicht möglich, dass dies „Kapital“ sich in einem bestimmten Moment gegen die Arbeiter richtet?
Natürlich haben die armen Bauern (und das ist in China die große Mehrheit), wenn sie politisch denken (und das ist nur bei einer kleinen Minderheit der Fall), den ehrlichen und glühenden Wunsch nach einem Bündnis und nach Freundschaft mit den Arbeitern. Aber die Bauernschaft ist sogar, wenn sie unter Waffen steht, nicht in der Lage, eine selbstständige Politik durchzuführen.
Im Alltag nimmt sie eine mittlere, unbestimmte, schwankende Position ein und kann in den entscheidenden Augenblicken entweder dem Proletariat oder der Bourgeoisie folgen. Den Weg zum Proletariat findet die Bauernschaft nicht so leicht und nur nach einer Reihe von Fehlern und Niederlagen. Die Brücke zwischen Bauernschaft und Bourgeoisie bildet das städtische Kleinbürgertum, vor allem die Intelligenzija, die gewöhnlich unter der Flagge des Sozialismus oder sogar des Kommunismus auftritt.
Die kommandierende Schicht der chinesischen „Roten Armee“ konnte sich zweifellos eine eigene Kommandopsychologie erarbeiten. Wenn eine starke revolutionäre Partei und proletarische Massenorganisation fehlen, ist eine Kontrolle über die kommandierende Schicht faktisch ausgeschlossen. Kommandeure und Kommissare sind uneingeschränkt Herren der Lage und werden, wenn sie in die Städte einziehen, sehr dazu neigen, auf die Arbeiter herabzusehen. Die Forderungen der Arbeiter werden ihnen nicht selten unzeitgemäß oder unangebracht erscheinen. Dabei ist auch eine solche „Kleinigkeit“ nicht zu vergessen, dass in den Städten die Stäbe und Einrichtungen der siegreichen Armeen nicht in proletarischen Hütten untergebracht werden, sondern in den besten Gebäuden der Stadt, in den Häusern und Wohnungen der Bourgeoisie. Und das bestärkt die Tendenz, dass die Oberschicht der bäuerlichen Armee sich als Teil der „kultivierten“ und „gebildeten“ Klassen und nicht als Teil des Proletariats fühlt.
In China sind also die Ursachen und Anlässe für einen Zusammenstoß zwischen der ihrer Zusammensetzung nach bäuerlichen, ihrer Führung nach kleinbürgerlichen Armee und den Arbeitern nicht beseitigt, im Gegenteil: Die gesamte Situation vergrößert die Möglichkeit, ja, sogar Unausweichlichkeit solcher Konflikte ganz außerordentlich, wobei die Chancen des Proletariats von vornherein sehr viel ungünstiger sind, als das in Russland der Fall war.
Von theoretischer und politischer Seite vergrößert sich die Gefahr noch und vieles dadurch, dass die Stalinsche Bürokratie die widersprüchliche Lage mit der Losung der „demokratischen Diktatur“ der Arbeiter und Bauern bemäntelt. Kann man sich eine attraktivere, in Wahrheit aber gefährlichere Falle denken? Epigonen denken nicht in konkreten gesellschaftlichen Begriffen, sondern in stereotypen Phrasen: Formalismus ist der Grundzug der Bürokratie. Die russischen Narodniki haben den russischen Marxisten einst vorgeworfen, sie würden die Bauernschaft „ignorieren“, im Dorf keine politische Arbeit leisten u.a. Darauf haben die Marxisten geantwortet: Wir werden die fortschrittlichen Arbeiter aufrütteln und organisieren und dann die Bauern durch die Arbeiter aufrütteln. Das ist der für eine proletarische Partei einzig denkbare Weg.
Ganz anders sind die chinesischen Stalinisten vorgegangen. In der Zeit der Revolution von 1924-1927 haben sie die Interessen der Arbeiter und Bauern direkt und ohne Umschweife den Interessen der nationalen Bourgeoisie untergeordnete. In den Jahren der Konterrevolution sind sie vom Proletariat zur Bauernschaft umgeschwenkt, d.h. sie haben die Rolle übernommen, die bei uns die Sozialrevolutionäre gespielt haben, als sie noch eine revolutionäre Partei waren. Hätte die chinesische Kommunistische Partei in den letzten Jahren ihre Anstrengungen auf die Städte, die Industrie, die Eisenbahnen konzentriert; hätte sie die Gewerkschaften, die Bildungsklubs und -zirkel unterstützt; hätte sie den Arbeitern, ohne die Verbindung mit ihnen zu verlieren, die Bedeutung der Entwicklung im Dorf erklärt – dann wäre das Gewicht des Proletariats im allgemeinen Kräfteverhältnis heute ungleich größer. Die Partei hat sich aber praktisch von ihrer Klasse gelöst. Dadurch kann sie letzten Endes auch der Bauernschaft schaden. Denn wenn das Proletariat auch weiterhin beiseite stehen wird, ohne Organisation, ohne Führung, dann wird der Bauernkrieg, selbst wenn er im Ganzen siegreich verläuft, unweigerlich in eine Sackgasse geraten.
Im alten China schloss jede siegreiche Bauernrevolution mit der Gründung einer neuen Dynastie ab, deren Gefolge zu neuen Großeigentümern wurde. So geriet die Bewegung in einen Teufelskreis. Unter den gegenwärtigen Bedingungen kann der Bauernkrieg von sich aus, ohne direkte Führung der proletarischen Avantgarde, die Macht nur einer neuen bürgerlichen Clique übertragen, irgendeiner „linken“ Guomindang, einer „Dritten Partei“ usw., die sich in der Praxis wenig von Tschiang Kaisheks Guomindang unterscheiden wird. Und das bedeutet, dass den Arbeitern mit der Waffe der „demokratischen Diktatur“ eine neue vernichtende Niederlage beigebracht wird.
Welche Schlussfolgerungen sind daraus zu ziehen? Erstens, dass man den Tatsachen mutig und offen ins Auge sehen muss. Die Bauernbewegung ist ein mächtiger revolutionärer Faktor, sofern sie sich gegen die Großgrundbesitzer, die Militärmachthaber, die Feudalherren und Wucherer richtet. Aber in der Bauernbewegung selbst gibt es sehr starke eigentumfixierte und reaktionäre Tendenzen, die sich in einem gewissen Stadium feindlich – sogar mit Waffengewalt – gegen die Arbeiter richten können. Wer die Doppelnatur der Bauernschaft vergisst, ist kein Marxist. Man muss die fortschrittlichen Arbeiter lehren, hinter den „kommunistischen“ Aushängeschildern und Bannern die wirklichen gesellschaftlichen Prozesse zu erkennen.
Man muss die Operationen der „Roten Armeen“ aufmerksam verfolgen, den Arbeitern Verlauf, Bedeutung und Perspektiven des Bauernkriegs systematisch erklären und die aktuellen Forderungen und Aufgaben des Proletariats mit den Losungen der Bauernbefreiung verbinden.
Auf der Grundlage eigener Beobachtungen, der Rechenschaftsberichte und anderer Dokumente ist das interne Leben der Bauernarmeen und die Ordnung in den von ihnen eingenommenen Gebieten sorgfältig zu untersuchen, wobei an den konkreten Tatsachen die widersprüchlichen Klassentendenzen aufzudecken sind und den Arbeitern deutlich gemacht werden muss, welche Tendenzen wir unterstützen und welche wir bekämpfen.
Besonders aufmerksam sind die Beziehungen zwischen den Roten Armeen und den örtlichen Arbeitern zu beobachten, wobei auch kleine Missverständnisse zwischen ihnen nicht außer Acht gelassen werden dürfen. Selbst heftige Zusammenstöße in einzelnen Städten und Regionen können sich wie unbedeutende lokale Episoden ausnehmen. Aber wenn sich die Dinge weiterentwickeln, können die Klassenkonflikte nationalen Umfang annehmen und die Revolution in eine Katastrophe stürzen, bis hin zu einer Niederwerfung der Arbeiter durch die bewaffneten, von der Bourgeoisie getäuschten Bauern. Die Geschichte der Revolution ist voll von solchen Fällen.
Je klarer die fortgeschrittenen Arbeiter die konkrete Dialektik der Klassenbeziehungen zwischen Proletariat, Bauernschaft und Bourgeoisie begreifen, desto energischer werden sie das Bündnis mit den ihnen am nächsten stehenden Schichten der Bauernschaft suchen und desto erfolgreicher werden sie den konterrevolutionären Provokateuren in den Bauernarmeen selbst und auch in den Städten entgegenwirken.
Man muss Gewerkschaften und Parteizellen aufbauen, die fortgeschrittenen Arbeiter erziehen, die proletarische Avantgarde zusammenschweißen und in den Kampf führen.
Wir müssen uns mit Erklärungen und Appellen an alle Mitglieder der offiziellen kommunistischen Partei wenden. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die von der stalinistischen Fraktion in die Irre geführten einfachen Kommunisten uns nicht sofort verstehen werden. Die Bürokraten werden über unsere „Unterschätzung“ der Bauernschaft, ja vielleicht sogar über unsere „Feindschaft“ den Bauern gegenüber zetern (Tschernow hat Lenin immer der Feindschaft gegenüber den Bauern bezichtigt). Natürlich lassen sich die Bolschewiki-Leninisten von diesem Geschrei nicht verwirren. Als wir noch vor dem April 1927 vor dem unvermeidlichen Staatsstreich Tschiang Kaisheks warnten, beschuldigten uns die Stalinisten der Feindschaft gegenüber der chinesischen nationalen Revolution: Die Ereignisse haben gezeigt, wer recht hatte. Sie werden auch dieses Mal ein Prüfstein sein. Die Linke Opposition kann sich als zu schwach erweisen, um schon in der jetzigen Etappe den Ereignissen eine Richtung zu geben, die den Interessen des Proletariats entspricht. Aber sie ist auch jetzt schon stark genug, um den Arbeitern den richtigen Weg zu zeigen und ihnen im weiteren Verlauf des Klassenkampfes die Richtigkeit unserer Position und unseren politischen Scharfblick zu demonstrieren. Nur so kann die revolutionäre Partei Vertrauen gewinnen, wachsen, erstarken und an die Spitze der Volksmassen treten.
Prinkipo, 22. September 1932
P.S. Um meinem Gedanken größtmögliche Klarheit zu geben, möchte ich noch die folgende, theoretisch durchaus denkbare Variante zu skizzieren.
Stellen wir uns vor, die chinesische Linke Opposition entfaltet im Verlauf der nächsten Periode eine umfangreiche und erfolgreiche Arbeit im Industrieproletariat und erlangt dort ausschlaggebenden Einfluss. Die offizielle kommunistische Partei konzentriert unterdessen weiterhin alle ihre Kräfte auf die „Roten Armeen“ und die bäuerlichen Gebiete. Dann kommt der Augenblick, in dem die bäuerlichen Truppen in die industriellen Zentren eindringen und direkt mit den Arbeitern zusammenstoßen. Wie werden sich in diesem Fall die chinesischen Stalinisten verhalten? Das ist nicht schwer vorherzusehen: Sie werden die Bauernarmee den „konterrevolutionären Trotzkisten“ feindlich gegenüberstellen, das heißt, sie werden die bewaffneten Bauern gegen die fortschrittlichen Arbeiter aufhetzen. So sind die russischen Sozialrevolutionäre und Menschewiki im Jahr 1917 verfahren: Als sie die Unterstützung der Arbeiter verloren hatten, kämpften sie mit aller Kraft um Unterstützung durch die Soldaten und hetzten die Kaserne gegen die Fabrik, den bewaffneten Bauern gegen den Arbeiter-Bolschewik. Kerenski, Zeretelli, Dan nannten die Bolschewiki zwar nicht direkt Konterrevolutionäre, aber doch „unbewusste Helfer“ und „unfreiwillige Agenten“ der Konterrevolution. Die Stalinisten gehen mit der politischen Terminologie weniger wählerisch um. Aber die Tendenz ist die gleiche: böswilliges Aufhetzen der bäuerlichen und überhaupt der kleinbürgerlichen Elemente gegen die Avantgarde der Arbeiterklasse.
Der bürokratische Zentrismus kann, als Zentrismus, keine eigenständige Klassenbasis haben. Aber im Kampf gegen die Bolschewiki-Leninisten muss er Unterstützung von rechts, d.h. bei der Bauernschaft und beim Kleinbürgertum suchen, die er gegen das Proletariat aufbringt. Der Kampf der beiden kommunistischen Fraktionen, der Stalinisten und der Bolschewiki-Leninisten, hat demnach die Tendenz, sich in einen Klassenkampf zu verwandeln. Die revolutionäre Entwicklung der Ereignisse in China kann diese Tendenz zu voller Entfaltung bringen, d.h. bis zum Bürgerkrieg zwischen der von den Stalinisten geführten Bauernarmee und der von den Leninisten geführten proletarischen Avantgarde.
Käme es durch Verschulden der chinesischen Stalinisten zu einem solchen tragischen Konflikt, so hieße das, dass die Linke Opposition und die Stalinisten aufhörten, kommunistische Fraktionen zu sein und zu feindlichen politischen Parteien mit unterschiedlicher Klassenbasis würden.
Ist das aber eine unvermeidliche Entwicklung? Nein, das glaube ich keineswegs. In der stalinistischen Fraktion (das heißt in der offiziellen chinesischen Kommunistischen Partei) gibt es nicht nur bäuerliche, d.h. kleinbürgerliche, sondern auch proletarische Tendenzen. Für die Linke Opposition ist es daher äußerst wichtig, mit dem proletarischen Flügel der Stalinanhänger in Verbindung zu treten und ihm die marxistische Beurteilung der „roten Armeen“ und der Wechselbeziehungen von Proletariat und Bauernschaft darzulegen.
Indem sie ihre politische Unabhängigkeit verteidigt, muss die proletarische Avantgarde stets bereit sein, die Aktionseinheit mit der revolutionären Demokratie sicherzustellen. Auch wenn wir die bäuerlichen bewaffneten Abteilungen nicht mit einer Roten Armee, das heißt der bewaffneten Macht des Proletariats identifizieren, auch wenn wir nicht die Augen davor verschließen, dass das kommunistische Banner den kleinbürgerlichen Charakter der Bauernbewegung verdeckt, sehen wir doch deutlich die gewaltige revolutionär-demokratische Bedeutung des Bauernkrieges. Wir lehren die Arbeiter, diese Bedeutung zu begreifen, und sind bereit, alles zu tun, was in unseren Kräften steht, um zu dem notwendigen Kampfbündnis mit den Bauernorganisationen zu kommen.
Unsere Aufgabe besteht folglich nicht nur darin zu verhindern, dass die sich auf die bewaffneten Bauern stützende kleinbürgerliche Demokratie eine politische und militärische Herrschaft über das Proletariat errichtet, sondern auch darin, eine proletarische Führung der Bauernbewegung und insbesondere der „Roten Armee“ vorzubereiten und zu sichern.
Je klarer die chinesischen Bolschewiki-Leninisten die politische Situation und die sich daraus ergebenden Aufgaben erkennen; je erfolgreicher sie ihre Basis im Proletariat erweitern; je hartnäckiger sie eine Politik der Einheitsfront gegenüber der offiziellen Partei und der von ihr geführten Bauernbewegung verfolgen – desto sicherer wird es ihnen gelingen, nicht nur die Revolution vor dem äußerst gefährlichen Konflikt zwischen Proletariat und Bauernschaft zu bewahren und nicht nur die notwendige Aktionseinheit zwischen den beiden revolutionären Klassen zu gewährleisten, sondern auch aus der Einheitsfront eine historische Stufe zur Diktatur des Proletariats zu machen.
L. T., Prinkipo,
26. September 1932
Dieser Brief veranschaulicht, wie sehr Trotzki ein internationaler Arbeiterführer war. Was, wie man sagen muss, nie für diejenigen galt, die sich als seine Nachfolger bezeichneten und sich darum stritten, den von ihnen geleiteten Apparat mit dem Etikett „IV. Internationale“ zu versehen. Oder genauer gesagt, auf all die Apparate, die im Zuge der Abspaltungen entstanden – Abspaltungen, die unter anderem ihre Inkompetenz gepaart mit Anmaßung hervorgebracht hat.
Es ist hier nicht der Ort, die Geschichte der immer kleiner werdenden Apparate aufzugreifen, deren Hauptaktivität darin bestand, dem benachbarten Apparat die Legitimität abzusprechen, sich als IV. Internationale zu bezeichnen. Es gibt heute noch ein Apparat, der die alte Strömung des Vereinigten Sekretariats der Vierten Internationale fortsetzt.
Doch die gesamte Geschichte der trotzkistischen Bewegung macht deutlich, dass es nicht genügt, sich für die Vierte Internationale zu halten, um eine solche zu sein. Man muss die politische Kompetenz dazu haben, vor allem die Kompetenz, im Sinne der Klasseninteressen des Proletariats zu argumentieren. Dies ist bei den verschiedenen kleinen Apparaten, die existieren oder existiert haben, nicht der Fall, die nur Inkompetenz und Überheblichkeit gemeinsam haben. Sie haben die politische Treue zur Arbeiterklasse durch die flachste Gefolgschaft gegenüber einer Vielzahl von nationalistischen Organisationen (die jüngsten sind Hamas und Hisbollah) ersetzt.
Trotzki hatte diese Fähigkeit, die trotzkistische Bewegung politisch zu führen, und zwar aus der Ferne, nicht nur geografisch, sondern auch zeitlich, wie der obige Text verdeutlicht.
Denn die Frage des Klassencharakters des chinesischen Staates war nicht nur eine theoretische Frage, sondern die konkrete Umsetzung der Politik der Organisation, die sich auf diese Charakterisierung berief. Die Behauptung, der Bauernkrieg könne einen Arbeiterstaat ohne Beteiligung des Proletariats hervorbringen, war der deutlichste Ausdruck der Tatsache, dass die Organisationen, die sich zu dieser Position bekannten, den Klassenstandpunkt des Proletariats völlig verlassen hatten. Das ist bei Lutte Ouvrière nicht der Fall.
[1] Zusammenschluss von Brasilien, Russland, China, Indien, Südafrika, Saudi-Arabien, Iran, Ägypten, Äthiopien und den Vereinigten Arabischen Emiraten