Es lebe der Kampf der Werktätigen auf Guadeloupe und Martinique! (Leitartikel der Lutte Ouvrière-Betriebszeitungen vom 16. Februar 2009)

Imprimer
Es lebe der Kampf der Werktätigen auf Guadeloupe und Martinique!
Februar 2009

Die Werktätigen von Guadeloupe beginnen ihre fünfte Woche Generalstreik. Ihre Genossen aus Martinique haben sich ihnen angeschlossen.

Jégo, das Ministerchen im Auftrag für Übersee, der in den Verhandlungen Lohnerhöhungen versprochen, dann jämmerlich das Wort zurückgenommen hat, spuckt heute wieder große Töne. Er findet die gewöhnliche Sprache der Bosse und der Regierung wieder, über diese Streikenden, die "die Bevölkerung als Geisel nehmen". In dieser Situation ist das Argument nicht nur schockierend, es ist lächerlich. Der Streik wird von beinahe der ganzen Bevölkerung unterstützt, abgesehen von einer Minderheit von Profitgeiern. Auf der Insel Guadeloupe, die 450.000 Bewohner zählt, reihen sich Demonstrationen von 20.000, 30.000, sogar 60.000 Personen, aneinander!

Die Streikenden haben das Einverständnis aller, denn alle leiden unter den hohen Preisen. Die Preise, einschließlich jener der Nahrung oder der unentbehrlichsten Produkte, sind um 20 % bis 50 % höher als jene auf dem Festland, wo sie bereits auf unerträgliche Weise zunehmen. Die Verantwortlichen dafür sind klar zu identifizieren. Die Mehrheit der Großmärkte, die örtliche Nahrungsmittelindustrie, der Import-Export sind in den Händen von einem Duzend großer Familien, die in einer Monopolsituation sind und die Bevölkerung mit dem Segen der Vertreter der Staatsmacht wortgetreu erpressen. Dieselben Familien besitzen einen großen Teil der Ländereien und sie bereichern sich mit dem Bananenanbau weiter, nachdem sie sich im Zuckerrohranbau bereichert haben.

Größtenteils handelt es sich um die so genannten "Békés", das heißt diese Nachkommen der ehemaligen Sklavenherren, die in einem unerhörten Luxus leben, das soziale Leben beherrschen und Beziehungen bis zu den Spitzen des französischen Staates haben.

Wenn der Streik finanzielle Forderungen und vor allem eine Lohnerhöhung von 200 Euro auf Guadeloupe und von 300 Euro auf Martinique betrifft, so ist er auch ein Streik für die Würde in dieser antillischen Gesellschaft, wo die Menschen afrikanischen oder indischen Ursprungs den ärmsten Teil der Bevölkerung bilden: Arbeiter, Angestellte, Arbeitslose. Je mehr man dagegen auf der Leiter des Reichtums oder der Staatsverwaltung nach oben steigt, desto mehr sind die Plätze von der Minderheit europäischen Ursprungs besetzt.

Wenn dieser Kampf für die Würde einen - sehr berechtigten - Aspekt des dort verlaufenden Kampfes darstellt, so verringern all jene, die nur die spezifisch guadeloupischen oder martinikanischen Aspekte der Bewegung betonen, seine Wichtigkeit und seine Bedeutung. Selbst die Verantwortlichkeit für die Preiserhöhungen liegt nicht nur bei den "Békés". Neben ihnen und über ihnen gibt es die großen europäischen oder französischen Gesellschaften, wie beispielsweise Total. Dieses Unternehmen, das reichste und das mächtigste Frankreichs, hat die völlige Kontrolle über die Erdölversorgung der Antillen mittels einer Tochterfirma. Nicht zufällig waren die Treibstoffpreise der Funke, der den sozialen Brand entfacht hat.

Somit ist der Kampf der Arbeiter und der Bevölkerung gegen die Preiserhöhungen auch der Kampf gegen diese großen französischen Unternehmen, die sie bestehlen und ausbeuten, aber die uns auch hier bestehlen und ausbeuten.

Und dann: Eine Minderheit, die die Mehrheit plündert und ausbeutet, das ist sicher der Fall auf Guadeloupe, auf Martinique, aber das gilt auch für das französische Festland. Auf dem Festland besteht natürlich nicht das Gewicht einer Vergangenheit von Sklavenhaltern. Und der Luxus der Superreichen Frankreichs ist noch mehr versteckt als jener der Békés. Trotz ihres Vermögens von 300 Millionen Euro kommt die reichste Béké-Familie nur auf den 136. Platz, weit hinter Bettencourt, Arnault, Pinault, Dassault, Lagardère, Bouygues, Bolloré, usw., die eine noch größere Macht über die Gesellschaft und über den Staat ausüben.

Die Arbeitenden von Guadeloupe und von Martinique gehen nicht nur mit gutem Beispiel für die anderen Übersee-Departements voran, sondern für alle Arbeitenden.

Die Erhöhung der Gehälter, der Stopp der Preiserhöhungen, für welche sie kämpfen, betreffen alle Arbeiter. Ein Teil von uns selbst hat den Kampf gewählt und uns den Weg gezeigt. Es ist in unser aller Interesse, dem der dortigen und dem der hiesigen Arbeiter, dass der Kampf sich auf die Ebene der gesamten Arbeiterklasse ausbreitet, denn dann erhöhen sich unsere Chancen, das Kräfteverhältnis zwischen Ausbeutern und Ausgebeuteten zu ändern.