Leitartikel der LO-Betriebszeitungen vom 14. März 2022
14. März 2022
Ein Krieg ist immer eine Katastrophe für die einfachen Leute. Aus der Ukraine kommen Bilder einer Tragödie: Schlangen von traumatisierten Menschen, die alles zurücklassen, zertrümmerte Wohnhäuser und Leichen jener, die nicht rechtzeitig fliehen konnten. Aber der Krieg ist nicht für alle eine Tragödie.
Die Waffenhändler reiben sich die Hände, wenn sie an die Profite denken, die sie damit erzielen werden. In der Woche, in der die russische Offensive begann, stiegen die Aktien von Thales, jenem Rüstungskonzern, der die Elektronik für die Rafale-Flugzeuge von Dassault liefert, um 30%. Der Vorstandsvorsitzende dieses Konzerns, der zur gleichen Zeit die besten Ergebnisse in der Geschichte seines Unternehmens für das Jahr 2021 bekannt gab, konnte hinzufügen, dass die künftigen Ergebnisse noch beeindruckender ausfallen würden. Denn „die Verteidigungsbudgets steigen in allen entwickelten Ländern, in denen wir tätig sind“, erklärte er. Selbst in Frankreich, wo es keine kriegerischen Auseinandersetzungen gibt, sieht man bereits die Kriegsgewinnler.
Die Medien und die Regierung erklärten, dass die Kraftstoffpreise steigen würden, weil die Öllieferungen aus Russland blockiert werden würden. Aber als es noch nicht eine einzige Blockade gab, sind die Preise für Benzin, Gas und Heizöl in die Höhe geschossen! In Wirklichkeit haben sich die Ölkonzerne wie Total, BP oder Esso abgesprochen, um die Preise in die Höhe zu treiben. Und dann hat die Finanzspekulation den Rest erledigt.
Die Spekulation betrifft alle Sektoren. Da die Ukraine ein wichtiger Weizenproduzent ist, hat der Preis für dieses Getreide seinen absoluten Rekord gebrochen. Überall werden die Lebensmittel noch teurer werden. In den armen Ländern bedeutet dies jedoch vorprogrammierte Hungersnöte. Und wie im Mittelalter gilt: Wenn der Mangel am schlimmsten ist, machen die Landräuber die lukrativsten Geschäfte.
Der Krieg ist ein gigantisches Handelsgeschäft. Die Textilindustrie wird sich die Aufträge für die Versorgung der Armeen sichern. Die Lebensmittelhersteller werden die Ernährung der Soldaten übernehmen. Sie werden das tun, was die Ölkonzerne mit dem Benzin gemacht haben: Sie werden ihre dominante Position ausnutzen und ihre Preise festlegen. Die Banken werden auch davon profitieren, indem sie die Staaten verschulden, die ihre Rüstungsausgaben erhöhen werden. Und die Staaten werden die Bevölkerung zur Kasse bitten.
Die von den westlichen Ländern gegen Russland verhängten Sanktionen werden auch die wirtschaftlichen Rivalitäten innerhalb des westlichen Lagers anheizen. Die USA, die gerade ein Embargo für russisches Gas verhängt hat, will, dass die europäischen Länder das Gleiche tun. Die US-amerikanischen Ölkonzerne hoffen, die Märkte von russischen Unternehmen in Europa zurückzuerobern. Vielleicht ist das auch ein Geschäft für den Elektrizitätskonzern EDF, die dann den Export von Strom aus ihren Kernkraftwerken steigern würde. Dies steht jedoch in direktem Gegensatz zu den Interessen der deutschen Industrie, für die russisches Gas eine der wichtigsten Energiequellen darstellt. Die militärischen Kämpfe beenden den Wirtschaftskrieg nicht. Sie sind seine Fortsetzung.
Die ukrainischen Proletarier bezahlen die Rivalitäten zwischen den westlichen Großmächten und Russland bereits mit Blut und Tränen. Die russischen Proletarier bezahlen diese Rivalitäten mit der Stärkung von Putins Diktatur; und mit einer Wirtschaftsblockade durch den Westen, die ihnen erneut einen katastrophalen wirtschaftlichen Zusammenbruch bescheren könnte, wie sie vor 30 Jahren unter Jelzin erlebten, der den Zerfall und die Plünderung der Sowjetunion organisierte.
Aber wir, die Proletarier hier in Frankreich, sitzen auch im selben Boot. Die französische Regierung behauptet, dass von nun an wegen des Konflikts in der Ukraine alle den Gürtel enger schnallen müssen und dass wir, ob arm oder reich, alle betroffen wären. Das ist Propaganda, um uns den Interessen der französischen Konzerne unterzuordnen.
Wenn wir nicht heute der Verschärfung der Ausbeutung ausgesetzt und morgen Kanonenfutter sein wollen, müssen wir uns organisieren, um unsere Klasseninteressen zu verteidigen. Und solange unsere Klasse nicht in der Lage ist, dieses verrottete System zu stürzen, muss zumindest die Wut darüber zum Ausdruck kommen. Die Abstimmung für meine Kandidatur bei den Präsidentschaftswahlen wird die Gelegenheit dazu bieten.
Nathalie Arthaud