Donald Trumps Europareise, der NATO-Gipfel in Brüssel und sein Besuch in Großbritannien machten deutlich, welche Gegensätze derzeit zwischen den USA und den europäischen Mächten vor dem Hintergrund des Handelskrieges und vielleicht auch des amerikanischen Wahlkampfes bestehen.
Trump spricht laut aus, was normalerweise nur verhüllt in diplomatischer Sprache ausgedrückt wird. Er wirft Deutschland vor, russisches Gas zu kaufen und den Bau einer zweiten Gaspipeline durch die Ostsee zu unterstützen, die es Russland ermöglichen wird, seine Exporte nach Europa zu steigern. Trump schrieb in einem Tweet: "Die Vereinigten Staaten zahlen für den Schutz Europas und verlieren dann Milliarden im Handel." Trump hat die Verringerung des US-Handelsdefizits zu seinem Lieblingsthema gemacht. Die US-Handelsbilanz mit Europa weist seit Jahren ein Defizit von rund 100 Milliarden Euro pro Jahr auf.
Die Europäische Union - eine Zielscheibe für Trump
Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Europa basieren auf Rivalität und Wettbewerb. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren die USA übermächtig. Ein Ausdruck hiervon waren der Marshall-Plan und die Errichtung des Gemeinsamen Marktes unter der Schirmherrschaft der Vereinigten Staaten, deren Exporte durch die Zersplitterung Europas behindert wurden. Die amerikanische Wirtschaftsmacht ist zwar immer noch vorherrschend. Doch die europäischen Kapitalisten sind auf dem Weltmarkt, der begrenzt ist und in der Krise steckt, stärker geworden. Dies macht die EU zu Trumps Zielscheibe, auch wenn diese Union kaum mehr als eine Freihandelszone ist, in der jeder Mitgliedstaat die Interessen seiner eigenen Kapitalisten verteidigt. Er versucht die vielfältigen Spaltungen in der EU zu verschärfen, indem er fremdenfeindliche Nationalisten wie Orban in Ungarn oder Salvini in Italien ermutigt und Theresa Mays sanften Brexit kritisiert.
Spiegelt Trump den Willen der amerikanischen Bourgeoisie wider, eine langfristige aggressive protektionistische Politik zu beginnen? Das ist absolut nicht sicher, denn die Mehrheit der US-amerikanischen Bourgeoisie ist nicht für einen Handelskrieg. Erstens, weil das Handelsdefizit nicht unbedingt wirtschaftliche Schwäche bedeutet: Da der weltweite Handel hauptsächlich in Dollar abgewickelt wird, können die Vereinigten Staaten, während sie mehr konsumieren als sie produzieren, Geld drucken oder Schulden machen, um ihr Handelsdefizit zu finanzieren. Darüber hinaus bringt vieles von dem, was als Importware gilt, des amerikanischen Kapitalisten Geld ein. iPhones zum Beispiel werden in China zusammengebaut und dann in die USA exportiert, doch die Gewinne gehen erster Linie an Apple.
Protektionismus - ein zweischneidiges Schwert
Ein echter Handelskrieg könnte einzelnen Unternehmen und sogar ganzen Sektoren der US-Wirtschaft schaden. Dies ist das Ziel der Vergeltungsmaßnahmen Chinas und der EU. Darüber hinaus kann der Schutz einiger US-Unternehmen durch Zölle anderen wiederum schaden: Stahlzölle können den US-Stahlkonzernen zugutekommen, ihre höheren Preise aber können den Autoherstellern des Landes schaden, deren Herstellungskosten dadurch steigen werden. Wenn die Demokratische Partei den Handelskrieg ablehnt, verteidigt sie die Interessen der amerikanischen Bourgeoisie ebenso wie Trump.
Trump erklärt, dass er Zölle einführt, um Arbeitsplätze zu erhalten. Die Vereinigten Staaten verloren in 30 Jahren 5,5 Millionen oder 30% der Industriearbeitsplätze. Aber gleichzeitig ist die US-Industrieproduktion um 60% gestiegen! Wenn amerikanische Unternehmen diese Arbeitsplätze abgebaut haben, dann weniger wegen der Konkurrenz als vielmehr wegen der höheren Produktivität und um ihre Profite zu erhöhen.
Wird Trump also hauptsächlich von innenpolitischen Entscheidungen getrieben? Trump ist ein Demagoge, der gewählt wurde, indem er die republikanische Wählerschaft auf diejenigen ausgeweitet hat, die für chauvinistische und protektionistische Reden und für die Rückverlagerung von Industriearbeitsplätzen in die USA empfänglich ist. Da die "Midterms", also die Halbzeit-Wahlen Anfang November stattfinden, will er seinen Wählern zeigen, dass er seine Versprechen hält.
Vorerst sind es vor allem Inszenierungen: So haben amerikanische Unternehmen, die höher besteuerten Stahl und Aluminium importieren, das Handelsministerium mit 20.000 Anträgen auf Befreiung überschwemmt, Anträge, die die Verwaltung wegen Personalmangel nicht bearbeiten kann.
Tatsache bleibt, dass das, was mit demagogischer Rhetorik beginnt, zu einem echten Handelskrieg führen kann, der die Krise verschärfen würde. In Europa wie in Amerika wäre es für die Arbeiter falsch zu glauben, dass protektionistische Maßnahmen oder im Gegenteil handelspolitische Liberalisierungen ein Schutz für sie sein könnten. Die einzigen wirklichen Garantien für die Arbeitenden werden diejenigen sein, die sie den Kapitalisten in Bezug auf Löhne, Arbeitsplätze und Lebensbedingungen abringen, unabhängig von den Krämpfen dieses krisengeschüttelten Systems.
18. Juli 2018