Frankreich: Der Gegenschlag der Arbeitenden ist sowohl notwendig als auch möglich
Mit etwa 500.000 Demonstranten im ganzen Land und fast 50.000 in Paris hat am 22. März in Frankreich eine massive Mobilisierung stattgefunden. Krankenpfleger/innen, Lehrer/innen, Beamte des Steuerwesens... waren auf der Straße, und zwar in viel höherer Zahl als bei der Demo vom 10. Oktober.
Für die Eisenbahner/innen, die sich auf den Streik am 3. April vorbereiten, musste dieser Tag ein Erfolg werden. Das wurde er schließlich auch. Viele haben gestreikt und sind aus dem ganzen Land nach Paris gefahren. Sie haben ihre Kraft gezeigt.
Abgesehen von der Anzahl der Leute, hat dieser Tag den Willen der Demonstrierenden, gemeinsam zu kämpfen, ausgedrückt. So gab es in den Demonstrationszügen Eisenbahner/innen, Beamte und Vertragsbedienstete, neu eingestellte Jugendliche und auch Pensionist/innen, denen allen bewusst war, dass sie gemeinsame Ziele haben. Das ist auch positiv für die Zukunft, denn um zu gewinnen, müssen die Arbeitenden kollektiv handeln.
Im Gesundheitswesen, in der Bildung, in der Justiz... überall schließt der Staat Abteilungen, spart bei den Budgets und kündigt Dienstleistungen. Glücklicherweise gibt es ab und zu Reaktionen. Welches Gewicht haben aber diese lokalen Proteste gegenüber der Macht des Staatsapparates?
Im privaten Sektor ist es mit der Macht der Unternehmer nicht anders. Die einzelnen Arbeitenden, allein und jeder für sich in seinem Beruf oder seinem Betrieb, können sich vor diesen Angriffen nicht schützen. Wie viele Betriebsschließungen haben gezeigt, dass ein gut qualifizierter Ingenieur oder ein kleiner Chef genauso leicht gekündigt werden kann wie ein Arbeiter ohne Qualifikation?
« Spalten, um zu herrschen » war immer die Politik der Unternehmer und des Staates in ihrem Dienst. Den öffentlichen Dienst gegen den privaten Sektor, die unbefristeten gegen die befristeten Arbeitsverträge oder die Franzosen gegen die Einwanderer auszuspielen heißt, bei ihrem Spiel mitzumachen.
Heute gibt es keinen Platz mehr für "jeder für sich selbst" oder "jeder nur für seine Branche". Seitdem die Krise den Wettbewerb verschärft hat, müssen die Unternehmer einen stets anhaltenden Krieg gegen die Arbeitenden führen, um ihre Profite zu schützen. Sie greifen alle an und versuchen, das wiederzugewinnen, was sie bestimmten Arbeitenden vor Langem zugestehen mussten. Vor der Krise war das noch weniger der Fall und die Unternehmer haben manchmal den sozialen Frieden erkauft, indem sie einigen ein paar Vorteile eingeräumt haben. Aber es funktionierte nur deswegen, weil sie Angst vor den Arbeiter/inne/n hatten und weil sie fürchteten, dass der kleinste soziale Brand sich verbreiten könnte. Die Siege, die die Arbeitenden in ihrer jeweiligen Branche erlangen konnten, waren auch und vor allem das Ergebnis eines globalen Machtverhältnisses, das zugunsten der Arbeiterklasse lag.
Um die Rückschritte echt zu bekämpfen, die uns Macron und die kapitalistische Klasse weiter aufzwingen wollen, ist es also notwendig auf der Ebene der Arbeiterklasse anzusetzen, damit das Machtverhältnis sich wieder zugunsten der Arbeiterklasse verändert .
Wenn man in die Vergangenheit schaut, hat die Bourgeoisie nur dann Zugeständnisse gemacht, als die Arbeitenden sich massiv erhoben, also gestreikt, demonstriert und die Betriebe besetzt haben, wie 1936 und 1968. 1968 haben die Arbeitenden gestreikt, bevor sie ihre Forderungen noch nach Unternehmen getrennt gestellt haben, und sogar bevor es noch einen Aufruf durch die Gewerkschaft gab. Das Unbehagen gegenüber der erstickenden Macht von De Gaulle, die Härte der alltäglichen Ausbeutung und das Beispiel der studentischen Revolte, waren Gründe genug.
Es ist der Generalstreik, der das Machtverhältnis und die politische Situation änderte und der den Unternehmern Zugeständnisse aufzwang. Je nach Firma bedeuteten diese Zugeständnisse eine Arbeitszeitverkürzung, Lohnerhöhungen und neue gewerkschaftliche Rechte. Für Macron und seine Unterstützer, die dem Leben der Arbeitenden genauso feindlich wie fremd gegenüberstehen, gehören die Arbeiterbewegung und die Streiks vergangenen Zeiten an.
Was haben aber die Arbeitenden 1968 angeprangert? Unerträgliche Arbeitszeiten, die das Leben ungenießbar machten; unwürdige Löhne; gefährliche Arbeitsbedingungen; die Arroganz und die Verachtung durch die Firmenleitungen und höheren Chefs. Keine dieser Kritiken ist veraltet! Dieser Liste muss man sogar die Garantie eines Jobs für alle, die Aufrechterhaltung der öffentlichen Dienste, und Pensionen, die unserer Epoche würdig sind, hinzufügen. Also ist ein Mai-Juni 2018 absolut notwendig!
Wer wird diesen Weg eröffnen? Die Eisenbahner, denen Macron keine andere Wahl lässt und die sich auf den Streik am 3. April vorbereiten? Das sollen wir uns wünschen und dafür kämpfen. Ein Sieg der Eisenbahner wäre eine Schmach für die Regierung und die Unternehmer, und er würde den Arbeitenden viele Perspektiven eröffnen.
(Leitartikel der Betriebszeitungen von Lutte Ouvrière vom 26.März 2018)