Erdöl: der tödliche Wahnsinn des Kapitalismus
Noch vor nicht allzu langer Zeit, vor zwei Jahren höchstens, kostete der Barrel Erdöl 115 Dollar. Also schien es gewinnbringend, Erdöl in dreitausend Meter Tiefe auf dem Grund des Ozeans zu fördern, in Alaska, im Sibirischen Eis, oder durch das Aufbrechen (Fracking) von Erdgestein sogar in den Gärten friedlicher amerikanischer Bürger.
Unwichtig war, welche Anschläge sie damit auf Mensch und Natur verübten. Unwichtig die investierten Gelder, die zerstörten Landschaften. Es war sogar egal, wie viel Erdöl tatsächlich benötigt wurde: sowohl wie viel der Markt benötigen würde, was niemand zu berechnen weiß, wie auch wie viel die Menschheit bräuchte, was niemanden interessiert. Das einzige, was zählte, war der sofortige Profit.
Heute ist der Barrel Erdöl nur noch 28 Dollar wert. Und die Vergrößerung des Angebots durch das iranische Öl, welches der Iran wieder auf dem Weltmarkt anbieten darf, könnte den Preis noch weiter nach unten drücken. Die Arbeiter der Erdölindustrie werden also entlassen, die Anlagen aufgegeben, die Investitionen eingefroren. Schwerwiegender noch: Ölexportierenden Staaten wie Venezuela, Mexiko oder Nigeria droht der Staatsbankrott. In anderen, wie Russland, gerät die Wirtschaft aus dem Gleichgewicht; sogar in Saudi-Arabien, das einen großen Sparplan beschlossen hat. In allen Fällen werden die Bevölkerungen die Zeche für das Chaos der Weltwirtschaft zahlen.
Eine weitere absurde Folge des fallenden Ölpreises ist, dass Energiesparen zu einem Verlustgeschäft wird. Bei einem Preis von 20 Dollar für das Barrel Öl sind Wind-, Wasserkraft- und Solaranlagen unerschwinglich!
Dieses Jo-Jo-Spiel der Preise mit seinen sowohl schrecklichen wie paradoxen Folgen würde an sich schon reichen, um die kapitalistische Wirtschaft, die Jagd nach Profit und die Macht der Konzerne zu verurteilen. Doch es kann auch der Vorbote weiterer Katastrophen sein. Der Fall der Ölpreise könnte nicht nur dem Spiel der Konkurrenz, der Spekulation und dem Krieg der Kapitalisten untereinander geschuldet sein, sondern auch eine Rezession der realen Wirtschaft ankündigen.
Diese Rezession, das heißt der allgemeine und tiefe Rückgang der materiellen Produktion, der sofort bitteres Elend für die Arbeitenden der ganzen Welt zur Folge hätte, ist bislang dadurch abgewehrt worden, dass die Staaten ununterbrochen billiges Geld in die Märkte gepumpt haben. Die Staaten haben durch Anleihen auf die Zukunft und Überausbeutung der arbeitenden Bevölkerung einen künstlichen Markt aufrechterhalten. Doch dieses Verfahren hat seine Grenzen. Am Ende reguliert sich der Kapitalismus immer über die Krise und die Zerstörung überschüssiger Produktionskapazitäten, und stellt damit die Arbeitenden der ganzen Welt unverblümt vor die Frage: sie oder wir.
(Lutte Ouvrière vom 21. Januar 2016.)