USA - Der sogenannte "Krieg gegen Drogen"

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USA - Der sogenannte „Krieg gegen Drogen“: ein Krieg des Kapitalismus gegen die arbeitende Bevölkerung
August 2015

USA - Der sogenannte "Krieg gegen Drogen": ein Krieg des Kapitalismus gegen die arbeitende Bevölkerung

Der folgende Artikel ist die Übersetzung eines Artikels aus der Zeitschrift Class Struggle (Nr. 86, August-September 2015), der vierteljährlichen Zeitschrift der amerikanischen trotzkistischen Organisation The Spark.

 

Im April 2015, zwei Tage nachdem Freddie Gray von sechs Polizisten in einem Polizeiwagen in Baltimore zu Tode geprügelt worden war, erschien in der New York Times eine Sonderserie unter dem Titel "Anderthalb Millionen schwarze Männer vermisst." Die Zeitung schrieb: "Am eindrücklichsten lässt sich die Situation vielleicht so beschreiben: Jeder sechste Mann schwarzer Hautfarbe, der heute zwischen 25 und 45 Jahre alt sein müsste, ist aus dem täglichen Leben verschwunden."

Verschwunden? Diese Männer schwarzer Hautfarbe haben sich nicht einfach in Luft aufgelöst. Sie wurden im wahrsten Sinne des Wortes "aus der Gesellschaft gedrängt", wie es die New York Times formuliert. Sie wurden aus ihr verdrängt durch den Verfall vieler industrieller Zentren - ein Verfall, der die schwarze Bevölkerung zu anhaltend hoher Arbeitslosigkeit verdammt hat. Auch der seit Jahrzehnten andauernde "Krieg gegen Drogen" hat viele von ihnen ins Gefängnis gebracht. So erklärt die New York Times das Verschwinden von anderthalb Millionen Menschen. Die Zeitung schlussfolgert daraus, dass der aus dieser Entwicklung resultierende gesellschaftliche Verfall und die Gewalt wiederum Polizisten hervorgebracht haben, die bereit sind, junge Schwarze niederzuschießen, die ihnen auf der Straße begegnen. Nach dem Motto: "Erst schießen, dann fragen".

Wenigstens hat die New York Times damit ein Problem angesprochen, das von den meisten bürgerlichen Medien seit 30 Jahren ignoriert wird. Und sie zeichnet ein recht genaues Bild der Lage. Aber über die politischen und sozialen Umstände, unter denen sich die Arbeitslosigkeit und die Kriminalisierung entwickelt haben, schweigt sie. Ebenso darüber, dass die Herrschenden in Wirtschaft und Staat in den achtziger Jahren bewusst entschieden haben, ein System der Hyper-Kriminalisierung zu schaffen, das sie seitdem aufrechterhalten. Sie haben eine Politik entwickelt, die dafür sorgt, dass die ganze Hauptlast der Veränderungen auf der schwarzen Bevölkerung liegt.

Die Arbeitsplätze in der Industrie sind nicht aus der amerikanischen Wirtschaft verschwunden. Sie sind aus den Großstädten verschwunden, wo die schwarze Bevölkerung hauptsächlich lebt. Denn die Kapitalisten haben beschlossen, die Produktionsstandorte zu verlagern - weit weg von den Städten, wo die Revolten der sechziger Jahre die Unternehmen gezwungen hatten schwarze Arbeiter einzustellen. Sie haben diese Arbeitsplätze in abgelegene Vorstädte oder in halbländliche Gegenden verlegt, wo es den schwarzen Arbeitern früher aufgrund von gesetzlichen Einschränkungen oder stillschweigender Übereinkunft verboten war zu leben, und wo es nur wenige öffentliche Verkehrsmittel gibt.

Fast sofort nach dem Abklingen der letzten Revolten begannen die Spitzen des Staatsapparats und beider Parteien (Republikaner und Demokraten) eine Politik, bei der eine sehr große Zahl kleiner Delikte oder sogar einfacher Regelverstöße in schwere Verbrechen verwandelt wurden. Zehn Jahre später hatten sie die USA in eine Art riesiges Gefangenenlager für Arme verwandelt. Der angebliche "Krieg gegen Drogen", der Hauptvorwand für diese Hyperkriminalisierung, richtete sich dabei in erster Linie gegen die schwarze Bevölkerung.

Entgegen der weit verbreiteten Vorstellung - erzeugt von jahrelanger boshafter Propaganda - konsumieren Schwarze nicht mehr Drogen als Weiße und verkaufen auch nicht mehr Drogen als Weiße. Das belegt eine Studie nach der anderen, nicht zuletzt die Studien der Zentren zur Überwachung und Prävention von Krankheiten (Centers for disease control and prevention). Junge männliche Weiße der Mittelschicht werden sogar häufiger zu Drogenkonsumenten als jede andere gesellschaftliche Gruppe. Und dennoch landen schwarze Männer fünfmal öfter im Gefängnis als weiße Männer.

Was der schwarzen Bevölkerung widerfahren ist, ist nicht auf "objektive" Faktoren oder eine "rassenneutrale" Politik zurückzuführen, die sie unbeabsichtigt in die Katastrophe geführt hätten. Und es ist auch nicht nur das Ergebnis des institutionellen Rassismus, der seit der Zeit der Sklaverei zu den ständigen Merkmalen der amerikanischen kapitalistischen Gesellschaft gehört, auch wenn dieser dabei eine bedeutende Rolle gespielt hat.

Was der schwarzen Bevölkerung in den letzten 45 Jahren widerfahren ist, ist das Ergebnis einer gezielten Politik, die von den Führungskreisen der amerikanischen Gesellschaft entschieden und angewandt wurde. Das bewusste Ziel dieser Politik war es, die schwarze Bevölkerung in den Griff zu bekommen, die sich in den Kopf gesetzt hatte, die gleichen Lebensbedingungen und Rechte wie alle bekommen zu wollen. Die schwarze Bevölkerung hatte die kapitalistische Gesellschaft während der Revolten der sechziger und siebziger Jahre bis in ihre Grundfesten erschüttert.

"Eine tickende Zeitbombe"

Am 1. März 1968 veröffentlichte ein vom Präsidenten Lyndon B. Johnson eingesetzter Ausschuss einen Bericht über die Revolten, die in dem kritischen Jahr 1967 durch die amerikanischen Städte gefegt waren. Der Befund des Ausschusses war kurz, bündig und nicht überraschend: "Unser Land steuert auf die Errichtung zweier getrennter und ungleicher Gesellschaften zu, eine schwarze und eine weiße." Der Ausschuss gab zu, dass es sich bei den Ereignissen von 1967 um nichts Neues handelte, sondern dass sie "der Höhepunkt von drei Jahrhunderten rassebedingter Vorurteile" seien.

Tom Wicker machte in seiner Einleitung klar, dass weder diese lange Geschichte schmerzlicher Diskriminierung und Gewalttaten, denen die schwarze Bevölkerung seit 300 Jahren ausgesetzt war, noch die Verletzung der "grundlegenden demokratischen Werte" Präsident Johnson dazu veranlassten, den Ausschuss einzurichten. Es waren die Revolten in den Städten, die "Unruhen", wie der Ausschuss sie nannte. Allein im Jahr 1967 wurden über 150 solcher Aufstände in den Städten gezählt. Der größte und massivste Aufstand in Detroit war noch zu Ende, als Johnson am 28. Juli 1967 diesen Ausschuss einrichtete.

Wicker beschrieb die Aufständischen so: "Was die Randalierer, diese furchterregenden Plünderer und Brandstifter betrifft, deren brutales Auftreten diese Studie so dringlich veranlasst hat, sind sie eigenartigerweise tendenziell etwas gebildeter als ihre ,Brüder', die sich abseits hielten. Insgesamt handelt es sich bei den Randalierern um junge Schwarze aus den Ghettos (nicht aus dem Süden), die der sie umgebenden und sie unterdrückenden weißen Gesellschaft gegenüber feindlich eingestellt sind, und ebenso feindlich gegenüber den Schwarzen der Mittelschicht, die sich mit dieser weißen Herrschaft abgefunden haben. Die Randalierer haben kein Vertrauen in die Politik der Weißen, sie hassen die Polizei, sie sind stolz auf ihre Rasse und sind sich der Diskriminierungen, unter denen sie leiden, ausgesprochen bewusst. Sie waren und sind eine tickende Zeitbombe mitten im reichsten Land, das die menschliche Geschichte hervorgebracht hat... Sie werden nicht einfach verschwinden. Man kann sie nur entweder unterdrücken oder ihnen ihre Menschlichkeit zugestehen, und diese Entscheidung liegt nicht bei ihnen. Sie können sich nur gegen uns durchsetzen. Und was wir mit diesem Bericht aufzeigen wollen, ist dass sie bereits dabei sind, sich gegen uns durchzusetzen und dass sie die Absicht haben, weiterzumachen."

Die Aufstände in den darauffolgenden Jahren zeigten, dass sie in der Tat weitermachten. Ende der sechziger Jahre hatten sich die Revolten auf die Städte, Gefängnisse und die Armee ausgedehnt. In den Gefängnissen streikten die Gefangenen. Die schwarzen Soldaten in Vietnam verweigerten den Befehl. Weiße Offiziere, die versuchten die Soldaten in die Schlacht zu zwingen, standen manchmal am falschen Ende einer Granate, woher übrigens das amerikanische Wort Fragging kommt (von frag - Splittergranate). Schwarze Arbeiter, die endlich in großer Anzahl in den Fabriken eingestellt wurden, brachten den kompromisslosen Radikalismus von der Straße in die Werkhalle. Und die schwarzen Arbeiter waren nicht die einzigen, die sich auflehnten. 1970 gab es so viele Ausfallzeiten durch Streiks, wie seit der massiven Streikwelle von 1946 nicht mehr. Der Druck der einfachen Arbeiter, die sich in wilde Streiks stürzten, zwang die Gewerkschaftsbürokratie zu zahlreichen dieser Streiks aufzurufen. Und die Zahl der Streiks stieg bis 1974 weiter an. Sogar die Universitäten, auf die wohlhabende Kleinbürger ihre Kinder schickten, wurden von der Revolte erfasst. Die Aufstände hatten die Ohnmacht der Polizei offenbart. Sie verlor die Autorität, der sie sich vorher immer gerühmt hatte.

Für eine kurze Zeit gewährte die Bourgeoisie bestimmten Teilen der schwarzen Bevölkerung bessere Arbeitsplätze, bessere Wohnungen und Zugang zu ärztlicher Versorgung. Und dies nicht nur durch die Schaffung neuer Arbeitsplätze, sondern auch durch Medicare (eine bundesweite Krankenversicherung für über 65-Jährige) und Medicaid (eine von den einzelnen Staaten verwaltete Krankenversicherung für Arme). Viele dieser Zugeständnisse kamen auch den weißen Arbeitern zugute. In Los Angeles wurden die meisten dieser Arbeitsplätze 1965, nach den Aufständen im Ghetto von Watts, für Schwarze zugänglich. In Detroit und Newark öffneten sich die Türen der Arbeitsvermittlungen durch die große Revolte von 1967. Anfang der siebziger Jahre gab es in der schwarzen Community mehr und mehr Arbeitsplätze und steigende Löhne. Und die Kluft zwischen den Löhnen der Schwarzen und denen der Weißen wurde langsam kleiner. Über mehrere Jahre entstanden neue Sozialprogramme und bereits bestehende wurden erweitert. Sie kamen nicht nur der schwarzen Bevölkerung, sondern in nicht unbedeutendem Maß auch der weißen Arbeiterklasse zugute, insbesondere ihren ärmsten Schichten.

In manchen Polizeidienststellen wurden mehr schwarze Polizeibeamte eingestellt, was den offensichtlichsten Gewalttätigkeiten der weißen Polizisten ein Ende setzte, die ebenso gut im Gewand des Ku-Klux-Klans hätten herumlaufen können, so rassistisch, wie viele von ihnen waren. Im Staatsapparat gab es eine bemerkenswerte Veränderung: Es entstand eine ganze Schicht schwarzer Politiker, die heute bis ins Weiße Haus hinein zu finden sind. Diese Politiker spielten in den Kämpfen der schwarzen Bevölkerung dieselbe Rolle, die die Gewerkschaftsbürokratie in der Arbeiterbewegung der dreißiger und vierziger Jahre spielte: Sie lenkte die Kämpfe der schwarzen Bevölkerung in Sackgassen. Dabei kam eine kleine Schicht schwarzer Ärzte, Anwälte, Unternehmer und anderer Kleinbürger zunehmend zu Wohlstand. Für die Mehrheit der schwarzen Bevölkerung änderte sich dadurch nichts. Aber diese Schicht wurde als Beweis angeführt, dass die Mauern zwischen den Rassen eingerissen worden seien.

Die Zugeständnisse der führenden Kreise aus Wirtschaft und Staat waren nur partiell und nie dauerhaft. Die Funktion, die die schwarzen Arbeiter in den USA seit jeher hatten, nämlich einer gierigen kapitalistischen Klasse als großes Reservoir billiger Arbeitskräfte und als eine Reservearmee aus Arbeitslosen zu dienen, wurde zu keinem Zeitpunkt in Frage gestellt. Denn der Grad der Ausbeutung, den die kapitalistische Klasse den Arbeitern aufzwingen kann, hängt davon ab, dass es Arbeitslosigkeit gibt und wie hoch sie ist.

Die Zugeständnisse an die schwarze Bevölkerung waren die unmittelbare Antwort der kapitalistischen Klasse, die in Panik geraten war angesichts der Macht, mit der sich die einfache schwarze Bevölkerung ihrer Städte bemächtigte, ihre Polizei und ihre Armee in Schach hielt. Diese Menschen verstanden, dass "Gewalt ebenso amerikanisch ist wie Cherry Pie" (Kirschkuchen), wie es Rap Brown einmal ausdrückte. Die Revolten in den Städten hatten gezeigt, dass eine aufgebrachte Bevölkerung mit der organisierten Gewalt der Massen Veränderungen durchsetzen kann. Viele, die sich die Straßen der Großstädte erobert hatten, wurden von diesem grundlegend revolutionären Gedanken erfasst. Bewaffnet mit diesem Bewusstsein waren sie die "tickende Zeitbombe mitten im reichsten Land, das die menschliche Geschichte hervorgebracht hat", um noch einmal den Bericht des Ausschusses zu zitieren.

Jung, arm und schwarz zu sein wird illegal.

Beim "Krieg gegen Drogen", von dem zum ersten Mal 1970 die Rede war, handelte es sich zunächst um ein Wahlkampfmanöver von Nixon im Hinblick auf seine Wiederwahl 1972. Schleichend und manchmal ganz offen setzte Nixon ein Gleichheitszeichen zwischen Drogen und Kriminalität, und zwischen Schwarzen und Drogen, und heizte damit die Angst in der weißen Bevölkerung an, die mit Sorge an die Möglichkeit neuer Revolten dachte. Der "Krieg gegen Drogen" von Nixon war seine Art, sich als der Kandidat für Recht und Ordnung darzustellen, der hart gegen die Schwarzen auf der Straße auftrat.

Aber es war auch ein Weg, um die von den Revolten angeschlagene Ordnung wiederherzustellen. Wie der Bericht des Ausschusses von 1968 nahegelegt hatte, konnte man die schwarze Bevölkerung, die sich aufgelehnt hatte, entweder "unterdrücken" oder ihr "ihre Menschlichkeit zugestehen". Die amerikanische Bourgeoisie wollte ihr ihre Menschlichkeit nicht zugestehen.

Wie John Ehrlichman, Berater von Nixon im Weißen Haus, später erklärte: "Schauen Sie, es war uns klar, dass wir die Tatsache, jung, oder arm oder schwarz zu sein, nicht für ungesetzlich erklären konnten, aber wir konnten ihr gemeinsames Vergnügen kriminalisieren. Wir wussten, dass Drogen kein so großes Problem der öffentlichen Gesundheit waren, wie wir behaupteten, aber das Thema war so perfekt ..., dass wir ihm nicht widerstehen konnten."

Während eine ständige Propaganda zum Thema drogensüchtiger Krimineller in alle Bereiche eindrang, einigten sich Nixon und der von den Demokraten beherrschte Kongress darauf, die Bundeszuschüsse für die örtliche Polizei zu erhöhen - also genau jene Polizeikräfte, die sich gegenüber den Revolten als so unzureichend erwiesen hatten - damit diese neue Ausrüstung kaufen konnte. Außerdem erweiterten und finanzierten sie polizeiliche Behörden auf Bundesebene, die sich um die Drogenkriminalität kümmerten, was bis dahin rein lokale Zuständigkeit gewesen war. Und schließlich verabschiedeten die beiden Parteien zusammen das RICO-Gesetz (Racketeer Influenced and Corrupt Organizations - Gesetz gegen erpresserische und korrupte Organisationen), das sich angeblich gegen die Cosa Nostra richten sollte, eine nur in Hollywood-Filmen existierende Mafia-Organisation. RICO wurde quasi sofort gegen die Aktivisten und Organisationen der schwarzen und linken Bewegungen eingesetzt. Praktisch die einzigen Personen, die in den ersten Jahren vor die Sondergerichte gebracht wurden, die durch RICO eingerichtet worden waren, waren Black Panthers, Kriegsgegner, Vietnam-Veteranen gegen den Krieg, Kommunisten, Journalisten, die ihre Informationsquellen nicht offenlegen wollten, und Aktivisten, die für die Unabhängigkeit von Puerto Rico eintraten. Diese Sondergerichte, die durch RICO eingerichtet worden waren, waren eine Kopie der Sondergerichte der McCarthy-Ära. Das Gesetz ermöglichte es auch zahlreiche Bürgerrechte auszusetzen, sobald die Regierung eine Gruppe oder einen Teil der Bevölkerung als "aktives kriminelles Unternehmen" bezeichnete. Die New York Bar Association (die Anwaltskammer von New York) sagte, mit RICO würde der "Samen für die offizielle Unterdrückung" gelegt. Später diente RICO als Feigenblatt dafür, bei Razzien in den schwarzen und puerto-ricanischen Vierteln reihenweise junge Männer ohne jeden Beweis festzunehmen, nur mit der Behauptung, einer Gang anzugehören, also einem "aktiven kriminellen Unternehmen".

Kurz nach seiner Wiederwahl 1972 hatte Nixon schließlich selber Probleme mit der Justiz, die letztendlich zu einem Amtsenthebungsverfahren und zu seinem Rücktritt führten, und dazu, dass sein "Krieg gegen Drogen" auf Eis gelegt wurde. Aber die Nixon-Regierung hatte nicht nur den gesetzlichen Rahmen geschaffen, sondern auch das reaktionäre Klima, das das möglich machte, was dann in den achtziger Jahren folgen sollte.

Dabei ist übrigens anzumerken, dass alle folgenden Bundesgesetze zum Thema Verbrechensbekämpfung ebenso von beiden Parteien unterstützt wurden wie bereits 1970-1971. Egal, ob der Präsident Republikaner war oder Demokrat - das Weiße Haus pflegte die verdrehte Vorstellung, Kriminalität und schwarze Bevölkerung seien zwei Wörter für ein und dieselbe Sache. Niemand sollte jemals die schändliche Haltung von Bill Clinton in den ersten Monaten seiner Wahlkampagne von 1992 vergessen. Als Kandidat für Recht und Ordnung eilte Clinton nach Arkansas (wo er Gouverneur war), um die Leitung der Hinrichtung eines schwarzen Gefangenen zu übernehmen, der in einem Grad geistig behindert war, dass er zu seiner eigenen Hinrichtung ging, ohne überhaupt zu verstehen, dass er gleich getötet würde.

Der Kapitalismus auf der Suche nach Arbeitslosigkeit

Nach den Jahren schwerer Arbeitslosigkeit 1974-1975 und 1979-1983 hatte man Anfang der achtziger Jahre den Eindruck, die Wirtschaft sei regelrecht zusammengeschmolzen. Dies war die Reaktion der kapitalistischen Klasse, deren Profitrate seit 1966 beständig zurückgegangen war, und die außerdem weniger Staatssubventionen erhielt, da diese mit dem Vietnam-Krieg zurückgegangen waren. Die sinkende Profitrate war das Ergebnis tiefgreifender Prozesse in der Wirtschaft, aber sie spiegelte auch die Kämpfe der Arbeiterklasse zur Verbesserung ihrer Lebensumstände wider, und zwar insbesondere die der schwarzen Arbeiter.

Auf die Aussicht sinkender Profitraten reagierten die großen Unternehmen mit ersten Werksschließungen. Es kam zu einem schnellen Anstieg der Arbeitslosigkeit, die Ende 1982 fast 11 % erreichte. Die großen Werke in den Stadtzentren wurden geschlossen. Mit dem Argument der Abwanderung von Arbeitsplätzen ins Ausland und der ausländischen Konkurrenz, schlossen die Hersteller von Stahl, Autos, Glas, Reifen und anderen Schwerindustrien zahlreiche Werke, in denen die schwarzen Arbeiter nach den Revolten eingestellt worden waren. Ein Teil der Produktion wanderte tatsächlich "ins Ausland" ab. Aber selbst in den Zeiten der schweren Konjunkturrückgänge der siebziger und achtziger Jahre, hat das Kapital die Industrieproduktion in den Städten nicht einfach eingestellt. Es hat die Arbeitsplätze in Fabriken der Vorstädte verlagert, sie inmitten dieser Rezessionen modernisiert und an abgelegenen Standorten sogar neue Fabriken gebaut. Zugleich wurde die Arbeitslosigkeit als Druckmittel eingesetzt, um den Arbeitern mehr Arbeit abzuverlangen, wodurch viele weitere Arbeitsplätze abgebaut werden konnten, obwohl die Produktion gleich blieb.

Ein weiterer Faktor trat auf den Plan: die Immigration. Die katastrophalen Folgen der imperialistischen Herrschaft der USA führten zu einem Wiederanstieg der Immigration, wobei viele ohne gültige Papiere ins Land kamen. Die amerikanischen Unternehmen, die über "mangelnde Disziplin" der schwarzen Arbeiter klagten, begrüßten die Aussicht auf Arbeitskräfte, die sich aufgrund ihrer prekären Rechtslage vielleicht flexibler zeigen würden.

Natürlich vollzog sich die Verlagerung der Industrie in die Vorstädte nicht nur in den siebziger und achtziger Jahren. Und die Arbeitslosigkeit lastete schon immer mehr auf den schwarzen Arbeitern - Immigration hin oder her. "Als letzter geheuert, als erster gefeuert" war keine leere Floskel, sondern bittere historische Realität. Aber was in den siebziger und achtziger Jahren geschah, war erschreckend. Ende der sechziger Jahre war die Kluft zwischen der Arbeitslosigkeit der Schwarzen und der Arbeitslosigkeit der Weißen geschrumpft. 1970 war die Arbeitslosigkeit in der schwarzen Bevölkerung ungefähr doppelt so hoch wie in der weißen. Das war noch immer schrecklich, aber besser war es noch nie gewesen. Aber dann begann die Kluft wieder zu wachsen. 1979 war die Arbeitslosigkeit in der schwarzen Bevölkerung bereits zweieinhalb Mal so hoch wie unter den Weißen, und 1989 war sie dreimal so hoch.

Die in den sechziger Jahren als Puffer gegen die Zeiten schlimmster Arbeitslosigkeit eingerichteten Sozialprogramme wurden in dem Maße abgebaut, wie die Finanzen der öffentlichen Hand auf lokaler und Bundesebene geplündert wurden, um die Bilanzen der Großunternehmen und Banken aufzubessern. Sich an Medicaid oder Medicare zu wenden, wurde teurer. Die Mittel für öffentliche Schulen wurden zusammengestrichen. Man vergriff sich an den öffentlichen Krankenhäusern und am sozialen Wohnungsbau. In den Großstädten gab es wieder Obdachlose. Die Zugeständnisse, die größere Teile der Arbeiterklasse mit ihren Revolten und Kämpfen errungen hatten, wurden wieder abgebaut.

Ein großes Gefangenenlager

Die Aufstände hatten im Mund des Bürgertums einen Nachgeschmack von Angst hinterlassen. Die kapitalistische Klasse oder zumindest die, die ihnen im Staatsapparat dienen, hatten gesehen, was eine verzweifelte Bevölkerung, die auf die Straße geht, zu tun in der Lage ist. Dem amerikanischen Bürgertum stand klar vor Augen, dass diese jungen Leute ohne Arbeit eine weitere "Zeitbombe" werden könnten.

Der Staat des Bürgertums wartete nicht ab um zu sehen, ob es sich so entwickeln würde. Er hat offensiv reagiert. Ab den 1980er Jahren begann die Bundesregierung gezielt Gesetze gegen die Armen zu verabschieden. Das sogenannte "Strafrechtssystem" wurde drastisch ausgebaut: erst unter Reagan, dann George H. W. Bush und anschließend unter Clinton. Neue drakonische Gesetze wurden 1984, 1986, 1988, 1989, 1990, 1992, 1994 und 1996 verschiedet. Was der eine Präsident unvollendet gelassen hatte, beeilte sich der nächste zu vollenden. Und was auf Bundesebene anfing, dehnte sich bald auf die Bundesstaaten und die Städte aus. Die nachfolgenden Regierungen verlängerten diese Gesetze oder stimmten für die Gelder, die zu ihrer Umsetzung notwendig sind. Dies gilt ebenfalls für die Regierung Obama, die mehr Geld für den "Gesetzesvollzug" verwendet hat, als es Georges Bush jemals getan hatte. Selbst im Economic Recovery Act (dem Gesetz zur wirtschaftlichen Wiederbelebung) von 2009 hat Obama zusätzliches Geld für die Polizei reserviert.

Eine der ersten Folgen der neuen Bundesgesetze war, dass die Polizeieinheiten im ganzen Land militarisiert wurden: Im großen Maßstab wurde die Technologie der zerstörerischsten Armee der Welt bei der Polizei eingeführt. Die Polizei wurde "modernisiert". Man rüstete sie mit Sturmgewehren und außerdem einer ganzen Reihe angeblich nicht tödlicher Waffen aus; mit kugelsicheren Westen und anderem Körperschutz; mit hochmoderner Überwachungs- und Kommunikationstechnik; mit gepanzerten Fahrzeugen, manchmal sogar mit Panzern; ebenso mit tausenden Hubschraubern und sogar Drohnen. Und zum ersten Mal wurde ein wirkliches zentralisiertes Datensystem eingeführt, gespeist mit den Daten, die dezentral gesammelt wurden. Die militarisierte Polizei stellte dies am Tag der Beerdigung von Freddie Gray zur Schau. Bewaffnet von Kopf bis Fuß stellten sich die Polizeieinheiten in Formation vor den Schulen auf, als die Jugendlichen aus der Schule kamen, um zur Beerdigung zu gehen.

Eine zweite Folge der Kongressaktivitäten in den 1980er und 1990er Jahren war eine Serie neuer Strafgesetze, die aus kleinen Gesetzesverstößen schwere Verbrechen machten, die nun mit Gefängnis bestraft werden können. Eine Studie der Rutgers-Universität hat festgestellt, dass 70 % der US-Amerikaner Verbrechen verüben, die sie laut Gesetz ins Gefängnis bringen könnten... und zwar meistens, ohne dass sie sich überhaupt bewusst sind, dass sie ein Verbrechen verüben! Aber natürlich werden diese 70 % nicht ins Gefängnis geworfen, sondern nur ein paar von ihnen - und das sind die Armen.

Die dritte wesentliche Folge war eine allgemeine Verschärfung der Strafen. Mehr Verbrechen, die dem Bundesgesetz unterliegen, können heute mit dem Tod bestraft werden. 1994 wurde unter Clinton ein Gesetz verabschiedet, das es der Bundesregierung erlaubt, nach Belieben jeden zu verfolgen, der des Totschlags beschuldigt wird, und sich dabei über alle Entscheidungen der örtlichen Gerichte hinwegzusetzen. Dadurch hat er es den Bundesbehörden ermöglicht, auch in den 19 Bundesstaaten die Todesstrafe zu fordern, in denen es die Todesstrafe nicht gibt. Das Gesetz "zur Umsetzung der Todesstrafe", das 1996 ebenfalls unter Clinton verabschiedet wurde, hatte zum Ziel "Hinrichtungen einfacher zu machen". Das Gesetz verringerte die Zahl der Gründe, die einem kurz vor der Hinrichtung stehenden Gefangenen ermöglichen, seine Schuld zu bestreiten und es lässt den Verurteilten nur noch sehr wenig Zeit, um Einspruch zu erheben. Das Oberste Gericht hatte bereits 1988 die Todesstrafe wieder eingeführt, nachdem sie 16 Jahre lang ausgesetzt gewesen war. Außerdem wurden für alle Verbrechen die Gefängnisstrafen bedeutend erhöht. Für Drogendelikte zum Beispiel wurde man 1986 im Durchschnitt zu 22 Monaten verurteilt. 15 Jahre später waren es schon 62 Monate.

Zuletzt legte die Bundesregierung ein großangelegtes Programm zum Bau von Gefängnissen auf. Die Bundesstaaten erhielten Zuschüsse der Bundesregierung für den Bau der Gefängnisse. Schon bald wurden die Ausgaben für diese sogenannten "Besserungsanstalten" der größte Posten im Budget dieser Bundesstaaten. Der Staat Illinois zum Beispiel errichtete zwischen 1980 und 2000 zwanzig neue Gefängnisse - jedes Jahr eins mehr. Ironischerweise wurden diese Gefängnisse in ländlichen Gegenden oder in Kleinstädten gebaut, in denen die Arbeitslosigkeit vor dem Bau des Gefängnisses sehr hoch war. Die Gefängnisse brachten den Städten, die sonst Bankrott gegangen wären, Arbeitsplätze und neue Einkünfte, während in diese Gefängnisse die Arbeitslosen von Chicago gesperrt wurden. Die Gefängnisse wurden ein neuer "Wirtschaftszweig im Aufschwung". Im ganzen Land wurden allein in den 1990er Jahren 3.300 neue Gefängnisse gebaut, was rund 27 Milliarden Dollar verschlang.

Die Gesetzesänderungen ermöglichen es, jeden festzuhalten, zu durchsuchen und einzusperren, selbst wenn es kein Indiz dafür gibt, dass er in illegale Aktivitäten verwickelt ist. In der Stadt New York darf ein Polizist jemanden, der "fluchtartige Bewegungen" macht, festhalten, durchsuchen und ihn verhaften, wenn er zum Beispiel einen Joint in der Tasche hat. Menschen können "vorbeugend" in Haft genommen werden, auf den einfachen Verdacht hin, dass sie etwas machen könnten. Menschen, die sich weigern vor Gericht auszusagen, können unbegrenzt lang in Beugehaft genommen werden - solange, bis sie gehorchen. Haftbefehle wurden überflüssig, da die Polizisten nun jeden vorübergehend festnehmen und jedes Haus betreten können: Sie brauchen einfach nur zu erklären, dass ein Verbrechen "kurz bevorstand".

Die Veränderungen der Bundesgesetze erhöhten nicht nur die Strafen für Bundesverbrechen. Sie zwangen außerdem die Bundesstaaten, Strafen zu erhöhen. Wenn sie dies nicht taten, wurde ihnen das Budget gekürzt. Das Ergebnis dieser Entwicklung ist, dass man in den USA für Diebstahl eine längere Strafe erhalten kann als in manchen Ländern Europas für Mord. Auf Bundesebene und ebenso in zahlreichen Bundesstaaten gilt die Regel "Drei Treffer und du bist raus" (three strikes and you're out). Sie ermöglicht es, jemanden lebenslänglich ins Gefängnis zu stecken, wenn er drei Mal für kleinere Vergehen verurteilt wurde, von denen keines ein Gewaltverbrechen sein muss. In Kalifornien zum Beispiel kann jemand, der wegen des Diebstahls eines teuren Fahrrads, anschließend wegen des Besitzes von Marihuana und zuletzt wegen Ladendiebstahls verurteilt wurde, dafür bis zum Ende seines Lebens im Gefängnis sitzen; dasselbe gilt für jemanden, der drei Mal wegen des Besitzes von Marihuana angeklagt wurde.

Jugendliche können wie Erwachsene behandelt werden. Dies galt sogar für die Todesstrafe, bis der Oberste Gerichtshof 2005 auf internationalen Protest hin entschied, dass niemand für ein Verbrechen zum Tode verurteilt werden dürfe, das er vor seinem 17. Lebensjahr begangen hat. Aber wenn man 17 ist, dann ist das Todesurteil weiterhin OK. In einigen Bundesstaaten können Kinder noch immer zu lebenslänglicher Haft verurteilt werden, ohne die Möglichkeit auf Bewährung - und das für Vergehen, die sie im Alter von acht Jahren begangen haben. Es ist nicht neu, dass Jugendliche und Kinder so behandelt werden. Doch mit den vielen neuen Gesetzen gegen Drogen und "Regelverstöße" werden sie in viel größerer Zahl verfolgt als vorher. Und die Bundesgesetzte erlaubten es außerdem zum ersten Mal, dass Kinder von 13 Jahren vor Gericht wie Erwachsene behandelt und verurteilt werden können.

So wie die Gesetze entwickelte sich auch die Rechtsprechung und machten eine immer größere Verletzung der bürgerlichen Freiheiten möglich. Die Gerichte verschließen die Augen, wenn die Polizei in den Straßen der Armenviertel Razzien durchführen, einfach alle aufs Kommissariat schleppen und mehrere Tage lang hinter Schloss und Riegel halten. Jeder kann von der Polizei verhaftet und einer Leibesvisitation unterzogen werden. In einigen Polizeirevieren der Stadt New York gab es unter Bürgermeister Bloomberg zweimal mehr solcher Verhaftungen und Durchsuchungen, als Menschen in diesen Stadtvierteln wohnen. Das passiert nicht nur im Fernsehen, es ist der Alltag der jungen Männer in den Armenvierteln - ein Alltag, der ihnen von blau gekleideten Männern mit tödlichen Waffen aufgezwungen wird. Und genau bei diesen Operationen werden so viele junge Leute von der Polizei umgebracht.

Die bedeutende Ausweitung der Drogengesetze war direkt oder indirekt die Hauptursache für die wachsende Zahl an Haftstrafen. 1980 wurden 41.000 Menschen wegen Drogendelikten zu Gefängnis verurteilt, 2011 waren es 500.000 - zwölfmal mehr. Laut der offiziellen Propaganda nimmt der "Krieg gegen Drogen" die "großen Fische" ins Visier: diejenigen, die mit dem organisierten illegalen Drogenhandel hunderte Millionen, wenn nicht gar Milliarden Dollar machen. Doch auch wenn ein paar Versuche unternommen wurden, um gegen die größten Dealer vorzugehen - die großen Banken, die wissentlich das Geld der Kartelle waschen, wurden natürlich nie behelligt. Und ohnehin wechselte Anfang der 1980er Jahre der Fokus der Verhaftungen von den Dealern zu den Konsumenten. Bei 80% derjenigen, die 2013 auf Bundesebene wegen Drogendelikten verhaftet wurden, ging es nicht um Herstellung oder Verkauf, sondern nur um den Besitz von Drogen. Auf der Ebene der Bundesstaaten und Städte sieht es noch schlimmer aus.

Eigentlich hatte die Bundesregierung nichts mit der Anwendung der Drogengesetze zu tun, mit Ausnahme der Drogen, die über die Grenze geschmuggelt werden. Aber die Bundesregierung übte bei der Ausweitung ihres "Kriegs gegen Drogen" Druck auf die örtlichen Polizeidienststellen aus, großangelegte, öffentliche Razzien durchzuführen, um die Konsumenten zu finden. Zu Beginn leisteten die örtlichen Polizeibeamten Widerstand. In den Städten, in denen wirkliche Verbrechen grassieren und Morde an der Tagesordnung sind, schien es der Gipfel der Absurdität, dass man die Ressourcen der Polizei dafür nutzen sollte, um Leute zu verhaften, weil sie einen Joint rauchen. Die meisten Polizeidienststellen ignorierten einfach die Anweisungen aus Washington. Aber 1994 wurden die Subventionen der Bundesregierung für die Städte und Bundesstaaten an die dortige Zahl der Verhaftungen gekoppelt: Je mehr Menschen wegen Drogendelikten verhaftet wurden, desto mehr Subventionen gab es. Der "Krieg gegen Drogen" wurde mit Hilfe von Kopfgeld geführt. Die hohen Polizeifunktionäre drängten die Polizeibeamten alle und jeden in den Armenvierteln anzuhalten, zu durchsuchen, und so viele wie möglich festzunehmen. Anders gesagt: Die Gefängnisse mussten gefüllt werden.

Viele der verabschiedeten Gesetze betreffen sogenannte Fragen der "Lebensqualität", die von der Polizei als Vorwand genutzt werden können, um jeden anzuhalten, den sie auf Drogen durchsuchen wollen. Der Polizist aus Ferguson, der Michael Brown tötete, hielt ihn zum Beispiel an, weil er mitten auf der Straße lief - ein "Verbrechen" in Ferguson. Michael Brown hätte ebenso angehalten werden können, weil seine Hose zu tief hing, wie es unter den jungen Männern heute Mode ist, oder weil er ein Sweatshirt mit Kapuze trug, das sein Gesicht verbarg. Für all das kann man in Ferguson und anderen Städten strafrechtlich verfolgt werden.

Diese Politik wird manchmal unter dem Namen "Null Toleranz"-Politik verkauft und wird nach der absurden Lebensweisheit umgesetzt, dass kleine Vergehen, wenn sie nicht bestraft werden, zu "Unordnung" und die "Unordnung" zu Gewaltverbrechen führen würden. Zehntausende Jugendliche wurden auf diese Weise aufgegabelt und eingesperrt, ja manchmal getötet. Freddie Gray ist an dieser Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung gestorben. Er wurde angehalten, weil er sich an einer Straßenecke befand und dort laut der Polizei auf verdächtige Art und Weise herumlungerte. Er wurde in ein Einsatzfahrzeug der Polizei gesteckt, weil man bei ihm ein Messer fand - ein Messer, dessen Größe den gesetzlichen Vorgaben entsprach, wie das Büro des Staatsanwalts später zugab. Weil dieser junge Schwarze etwas zu sagen wagte, ließ man ihn Rodeo reiten, wie die Polizisten es nennen: Man steckte ihn hinten ohne Anschnallgurt in den Einsatzwagen und fuhr ruckartig an und bremste ab, wodurch er im offenen Wagen hin und her geschleudert wurde. Er sollte "eine Lektion erhalten". Das ist die Art und Weise, in der die Polizei die schwarzen Viertel kontrolliert: Sie setzt gezielt Gewalt ein, um einzuschüchtern und "den Jugendlichen eine Lektion zu erteilen". Haben sie damit gerechnet, dass Freddie Gray stirbt? Wahrscheinlich nicht, weil sie das ständig machen - und nicht nur in Baltimore. Bei der Polizei von Philadelphia nennt man dieselbe Methode eine "Drei-Groschen-Fahrt". Aber einige sterben dabei.

Diese Gesetze erlauben es auch, die Besitztümer derjenigen zu konfiszieren (und niemals zurückzugeben), die man des Verstoßes gegen die Drogengesetze verdächtigt. Sogar dann, wenn sie niemals für schuldig befunden werden; ja sogar, wenn sie nicht einmal angeklagt werden. Dies ist ein weit verbreitetes Mittel, mit dem die Polizeidienststellen Geld eintreiben. Es reicht, dass Sie jemanden im Ihrem Auto sitzen haben, den die Polizei verdächtigt, Drogen zu verkaufen. Auf diese Weise werden Sie ein "Komplize" und Ihr Auto wird beschlagnahmt. Ebenso Ihre Uhr und Ihr Geld.

Ein Bundesgesetz aus dem Jahr 1986 hatte verpflichtende Mindeststrafen für Kokain festgesetzt. Man musste 100mal mehr Kokain als Crack bei sich haben, um dieselbe Strafe zu bekommen. Kein Zufall, denn Crack wird in den Armenvierteln einschließlich der Schwarzenviertel konsumiert, während das pure Kokain die erlesene Droge des weißen Kleinbürgertums ist.

2010 hat Obama stolz verkündet, dass der Kongress diesen Abstand verringert hat und nun nur noch 19mal mehr Kokain als Crack nötig ist, um eine Gefängnisstrafe zu erhalten. Was nichts daran ändert, dass die weißen Kokain-Konsumenten nicht ins Gefängnis wandern, die schwarzen jedoch schon. Und auch nicht daran, dass - obwohl die Mehrheit der Crack-Konsumenten weiß ist - 80% der wegen Crack-Konsums Inhaftierten schwarz sind.

1994 wurden Haldemans Tagebücher (The Haldeman Diaries) veröffentlicht, eine Sammlung von Tonaufnahmen und Tagebuchauszügen von J. R. Haldeman, der jahrelang Nixons Kabinettschef im Weißen Haus war. Am 28. April 1969 gibt Haldeman das folgende Gespräch mit Nixon wieder: "P. [der Präsident] hat betont, dass wir uns der Tatsache stellen müssen, dass das GANZE Problem wirklich die Schwarzen sind. Und die Lösung besteht darin, ein System zu erfinden, das dies anerkennt, ohne dass es danach aussieht."

Diese Diskussion betraf die Kürzungen, die Nixon in den sozialen Hilfsprogrammen machen wollte, weil er diese für Zugeständnisse an die Schwarzen hielt. Doch genau diese bösartige Idee, ein System gegen die schwarze Bevölkerung zu erfinden, das vordergründig nicht den Anschein erweckt sich speziell gegen diese Gruppe zu richten, wurde mit diesem neuen, gewaltigen "Strafrechtssystem" in die Tat umgesetzt.

Sieben Millionen Menschen unter "gerichtlicher Aufsicht"

Alle Präsidenten seit Nixon haben den "Krieg gegen die Drogen" und das Verbrechen geführt. Und jeder von ihnen wusste, dass bei allen Veränderungen der Kriminalitätsrate die einzige bedeutende, langfristige Veränderung der Anstieg der Tatbestände ist, die als Verbrechen eingestuft werden. Spucken Sie auf den Bürgersteig und Sie können dafür verhaftet werden. Öffnen Sie eine Bierdose in der Öffentlichkeit, und Sie können dafür verhaftet werden. Verwenden Sie obszöne Flüche und Sie können verhaftet werden. Gehen Sie auf der Straße neben jemandem, der bereits als Mitglied einer Gang eingestuft wurde, und Sie können als Teil eines "aktiven kriminellen Unternehmens" verhaftet werden. Wenn Sie ein Bußgeld nicht rechtzeitig bezahlen, können Sie verhaftet werden. Wenn Sie Ihre Schulden nicht zahlen, können Sie ins Gefängnis gesteckt werden. Rauchen Sie einen Joint, und Sie können dafür fünf Jahre kriegen. Fliehen Sie, wenn ein Polizist Ihnen zuruft stehenzubleiben (wie es Walter Scott in South-Carolina getan hat), und man kann Ihnen dafür in den Rücken schießen. Wenn Sie beim Spurwechsel den Blinker nicht setzen, können Sie dafür verhaftet werden. Sie bekommen manchmal nicht einfach nur ein Bußgeld, sondern werden misshandelt und verhaftet. So wie Sandra Bland, weil sie dagegen protestierte, bevor sie in einer Gefängniszelle in Texas starb. Setzen Sie sich auf eine Parkbank mit einem Plastikrevolver für Kinder, wie es der 12jährige Tamir Rice in Cleveland tat, und Sie können wie ein Hund erschossen werden.

Ein Journalist der Washington Post hat diese Entwicklung "die Geißel der Über-Kriminalisierung" genannt. Kein anderes Land in der Welt verhaftet die Menschen in solch einer höllischen Geschwindigkeit. Bei 4,5% der Weltbevölkerung hat die USA 23% der Gefängnisinsassen der gesamten Welt. Anfang 2013 waren 2,3 Millionen Erwachsene und Jugendliche in Haft oder in Untersuchungshaft. Weitere 4,8 Millionen waren auf Bewährung, das heißt, sie konnten selbst bei kleinen Verstößen gegen die Bewährungsauflagen wieder ins Gefängnis zurückgeschickt werden. Sieben Millionen Menschen waren also unter "gerichtlicher Aufsicht" im amerikanischen Gulag.

Fast alle Unterschiede zwischen den USA und den europäischen Ländern lassen sich mit den Änderungen der US-amerikanischen Gesetze seit 1971 erklären. Die Zahl der Gefängnisinsassen ist heute mehr als achtmal so hoch wie vor vierzig Jahren, als der "Krieg gegen Drogen" begann. Und die Zahl derjenigen, die wegen Drogendelikten im Gefängnis sitzen, ist zwölfmal so hoch.

In den letzten Jahren gab es Diskussionen darüber, ob man die verpflichtenden Mindeststrafen senken sollte, um die Gefängnisbevölkerung etwas zu verringern. Aber nur deshalb, weil dieses ganze Gefängnissystem zu teuer ist: Es kostet rund 70 Milliarden Dollar pro Jahr. Die US-amerikanische Bourgeoisie würde diese "gefährliche Klasse" gerne wegsperren, aber sie möchte nicht so viel dafür bezahlen!

Unter dem Vorwand, die Verbreitung der Drogen zu stoppen, wurde ein ganzer Teil der armen Bevölkerung kriminalisiert. Anders ausgedrückt: Ein bedeutender Teil der Bevölkerung, der arbeitslos und auf der Straße gewesen wäre, verschwand aus der Wirtschaft, indem er ins Gefängnis geschickt wurde. Wenn man alle, die Ende 2014 im Gefängnis saßen, zu den Arbeitslosen rechnen würde, wäre die offizielle Arbeitslosenquote bei 7,2% statt bei 5,6%.

Die Vereinigten Staaten Amerikas sind ein Gefängnis für Menschen, deren einziges Vergehen darin besteht, arm zu sein: arme Asiaten, arme Latinos, arme Native American (Ureinwohner) und arme Schwarze. Sie alle werden von diesem System erfasst. Die Puerto Ricaner und die Native American werden in besonderem Maße mit hohen Inhaftierungsquoten schikaniert. Und die schwarze Bevölkerung wird von allen am meisten diskriminiert.

Ein "Krieg gegen Drogen"? Nein, ein Krieg gegen die schwarze Bevölkerung

Auf jeder Ebene dieses sogenannten "Rechtssystems" sind die Schwarzen überrepräsentiert. Sie werden häufiger wegen Drogenkonsum verhaftet, obwohl sie nicht mehr konsumieren als andere. Wenn man sie bei einem Vergehen erwischt, werden sie dreimal so häufig dafür angeklagt als Weiße. Und wenn sie angeklagt werden, werden sie anderthalbmal häufiger verurteilt - und die Strafen sind wesentlich höher. Ein schwarzer Angeklagter bleibt für ein Drogendelikt ebenso lang im Gefängnis (im Schnitt 58,7 Monate) wie ein weißer für ein Gewaltverbrechen (im Schnitt 61,7 Monate). Alle diese Zahlen wurden in einer Studie des Rechtshilfefonds der NAACP (Nationale Organisation für die Förderung farbiger Menschen) ermittelt.

Dieser "Krieg gegen Drogen" ist der Grund, warum die Schwarzen, deren Anteil an der Gesamtbevölkerung 13% beträgt, fast 50% der Gefängnisbevölkerung ausmachen (Erwachsene und Jugendliche).

Diese irrsinnigen Zahlen spiegeln den institutionellen Rassismus dieses kapitalistischen Systems wider. Dieser Rassismus rührt daher, dass das kapitalistische System hier aus der Sklaverei hervorgegangen ist. Die Zahlen spiegeln auch die rassistischen Vorurteile vieler, wenn nicht der meisten Amtsträger wider, die dieses "Strafrechtssystem" am Laufen halten: Polizisten, Staatsanwälte, Richter, Geschworene. Aber dieses krasse Missverhältnis spiegelt vor allem die bewusste Entscheidung der politischen Klasse dieses Landes wider, ein Gefängnisregime zu errichten, das die arme Bevölkerung in Schach hält und die schwarze Bevölkerung besonders hart trifft.

Die Folgen waren verheerend für die gesamte schwarze Bevölkerung. 33% aller schwarzen Männer zwischen 19 und 30 Jahren werden früher oder später im Gefängnis landen. Die große Mehrheit von ihnen wird beim ersten Mal wegen einfachem Drogenbesitz verhaftet - für eine Menge, für die ein Konsument der Mittelschichten niemals verhaftet würde, insbesondere kein weißer Konsument. Fast 60% aller schwarzen Männer, die die High School nicht abgeschlossen haben, waren im Gefängnis, bevor sie 35 Jahre alt sind. In einer Stadt wie Chicago entspricht die Zahl der Schwarzen, die im Gefängnis waren oder sind, 55% der schwarzen männlichen Bevölkerung der Stadt. Und es gibt fast genauso viele Häftlinge oder Ex-Häftlinge (80%), wie es schwarze Männer in der Chicagoer Arbeiterklasse gibt.

Beim derzeitigen Tempo werden jedes Jahr ungefähr 700.000 Häftlinge wieder in ihre Communities entlassen. Wenige von ihnen haben im Gefängnis eine Ausbildung genossen. Aber wenn sie einmal entlassen sind, kann erst recht keine Rede mehr davon sein. Wenn überhaupt haben sie wenig Geld und keine Zukunft. Wer im Gefängnis war, hat Schwierigkeiten eine Arbeit zu bekommen. Aber welche Möglichkeiten hat man ohne Arbeit? Die Wohlfahrt, bis man wieder auf die Füße kommt? Der Kongress beendete diese Möglichkeit 1996: Er entschied, dass niemand, der wegen eines Drogendelikts verurteilt worden ist, jemals in seinem Leben eine staatliche Hilfe oder auch nur eine Lebensmittelhilfe bekommen dürfe. Eine Sozialwohnung oder den Artikel 8 [1]? Der Kongress hat auch dies 1988 für ehemalige Verurteilte unmöglich gemacht. Man braucht sich nicht wundern, dass fast zwei Drittel derer, die aus dem Gefängnis kommen, dorthin zurückkehren, bevor drei Jahre um sind. Einige, weil sie wieder einer Razzia zum Opfer gefallen sind; andere, weil sie begonnen haben Drogen zu verkaufen oder andere Verbrechen zu begehen, um zu überleben.

Anders gesagt: Eine erste Verhaftung wegen Drogenbesitz kann leicht zu einer lebenslangen Strafe werden.

Wenn man einige Zeit im Gefängnis war, verliert man außerdem oft sein Stimmrecht. 1965 wurde ein Gesetz verabschiedet, das auf den Skandal reagieren sollte, dass 1,3 Millionen Schwarzen durch die Rassentrennung das Stimmrecht verwehrt wurde. Im Jahr 2014 verwehrt man 5,8 Millionen erwachsenen Schwarzen legal das Stimmrecht durch die einfache Tatsache, dass sie im Gefängnis waren oder sind. Es ist ein neues System der Diskriminierung.

Die Tatsache, dass so viele Männer gleichzeitig im Gefängnis sitzen, bedeutet auch, dass die Kindererziehung in noch viel größerem Maß auf den Frauen lastet. 1980 wurden 14% der schwarzen Kinder von einem Elternteil allein erzogen - meist der Frau. Heute werden 67% der Kinder von einem Elternteil allein erzogen. Eine so massive demografische Veränderung in so kurzer Zeit (nur 33 Jahre) ist fast undenkbar. Sie ist nur erklärlich durch den enormen Anstieg der Zahl inhaftierter schwarzer Männer. Dieser Krieg, der sie kriminalisiert hat, hat auch andere Opfer gefordert, und insbesondere die Kinder.

2008 hat Barack Obama während seines Präsidentschaftswahlkampfs das Problem der abwesenden Männer bei einer Predigt angesprochen, die er am Vatertag in einer Kirche Chicagos hielt. So, wie er es anschließend seine gesamte Präsidentschaftszeit hindurch an jedem Vatertag machte, machte er die Männer selber für ihre Abwesenheit verantwortlich und erklärte: "Zu viele Väter sind MIA [Missing in Action, Vermisste im Krieg], zu viele Väter sind AWOL [Absent Without Official Leave, ohne offizielle Erlaubnis abwesend - beides Begriffe der Armee]. Sie fehlen in zu vielen Leben und zu vielen Haushalten. Sie haben ihre Verantwortung abgegeben, indem sie sich wie kleine Jungs statt wie Männer verhalten haben. Und das Fundament unserer Familien ist dadurch geschwächt." Sollte er gewählt werden, so versprach er, "die nationale Seuche der abwesenden Väter" zu bekämpfen, indem er sie mit mehr Nachdruck zwingen werde, Unterhalt für ihre Kinder zu zahlen! Kein Wort über die "Seuche der Inhaftierungen" verursacht durch den "Krieg gegen Drogen".

Obama, der damals Senator von Illinois war und Präsident werden sollte, wusste ganz genau, welche Verheerungen der rasante Anstieg der Inhaftierungsrate in den armen, den schwarzen Familien anrichtete. Er warb selber damit, dass er einst aktives Mitglied in einem der Wohnungsprogramme für schwarze Familien gewesen sei. Die Realität zu ignorieren und sich damit zu begnügen, den Männern ihre Abwesenheit vorzuwerfen, hieß nichts anderes, als dass Obama die Drecksarbeit machte, diese riesige Kampagne der Hyperkriminalisierung zu decken. Und selbstverständlich hat er für eines dieser Verbrechensgesetze nach dem anderen gestimmt, und seine Regierung hat das Budget für ihre Umsetzung erhöht.

Der Krieg gegen Drogen klebt eine Zielscheibe auf den Rücken jedes jungen Schwarzen

Und dann gibt es noch all die, die von der Polizei getötet worden sind. Wie viele? Das weiß niemand. Diese Gesellschaft, die alles zählt und alles archiviert, hält es nicht für nützlich zu wissen, wie viele Menschen von der Polizei getötet worden sind, und wie viele der Toten schwarz waren. Es gibt weder eine nationale Datenbank hierfür, noch haben die einzelnen Polizeidienststellen irgendeine Verpflichtung, solche Vorfälle zu archivieren. Die meisten tun es nicht.

Nachdem Eric Garner von der Polizei in Staten Island (New York) erstickt worden war, weigerte sich die Polizeidienststelle der Stadt irgendwelche Zahlen über die von Polizisten in jüngster Zeit begangenen Morde zu veröffentlichen. Ebenso hatten sie sich seit 2006 geweigert, dem FBI irgendwelche Berichte vorzulegen. Die New Yorker Daily News versuchte selber auf diese Frage zu antworten und sammelte hierfür Informationen der letzten 15 Jahre nur allein über die Stadt New York. Ihre Statistik basiert auf Presseberichten, Gerichtsarchiven und Informationen der Bürgerrechtsbewegungen. Sie kam auf 179 Menschen, die von Polizisten im Dienst getötet worden waren; darüber hinaus auf weitre 43 Menschen, die von Polizisten getötet worden waren, die nicht im Dienst waren. Mindestens 27 % der Getöteten waren unbewaffnet. Die ethnische Herkunft war nicht immer erfasst, aber von den Ermordeten, bei denen sie erfasst war, waren 86% Schwarze oder Puerto Ricaner. Nur gegen drei Polizeibeamte wurden Ermittlungen eingeleitet, und nur einer wurde verurteilt. Aber er musste nicht ins Gefängnis. Er bekam Bewährung und 500 Stunden gemeinnütziger Arbeit.

Laut dem Rechtshilfefond (Legal Defense Fund) wurden im ganzen Land in den letzten sieben Jahren über 2.000 Schwarze von Polizisten getötet - angeblich bei der Ausübung ihres Dienstes. Sicher wurden auch andere Menschen von der Polizei getötet, vor allem andere junge Männer - Weiße, Latinos, fast immer arme - aber ihre Zahl ist sehr viel geringer.

Von den fast 300 Schwarzen, die jedes Jahr von der Polizei getötet wurden, waren mindestens ein Drittel unbewaffnet. Das mussten sogar die Behörden zugeben.

Mehr als hundert Opfer waren Frauen. Unter ihnen Tarika Wilson, die in Lima (Ohio) getötet wurde, während sie ihr zehn Monate altes Baby in den Armen hielt. Sie war, was die Polizei ein "kollaterales Opfer" nennt: Sie wurde erschossen, als die Polizei eine Razzia in der Wohnung machte, die sie sich mit jemand anderem teilte. Unter den getöteten Frauen war auch Rekia Boyd, 22 Jahre, die zusammen mit anderen Leute in einer Gasse in Chicago stand. Ein Polizist, der nicht im Dienst war, hielt das Handy von anderem jemandem aus der Gruppe für eine Waffe, schoss auf die Gruppe und tötete sie dabei.

Mindestens zehn der von der Polizei getöteten Menschen waren Kinder. Unter ihnen Aiyana Jones, sieben Jahre, die in Detroit getötet wurde, als eine Gruppe bewaffneter Polizisten bei einer Razzia aus Versehen in die falsche Wohnung eindrang.

Weniger als 30, der in die 2.000 Morde verwickelten Polizisten, wurde überhaupt mehr vorgeworfen als nur Pflichtversäumnisse. Nur zwei wurden wegen Mordes verurteilt, und einer der beiden (aus New York) wurde nach dem Schuldspruch auf Bewährung freigelassen. Doch die Mehrheit wurde für gar nichts verurteilt.

Und sie behaupten, die Vereinigten Staaten wären ein zivilisiertes und demokratisches Land!

Diese Toten, von denen man ab 2014 in der bürgerlichen Presse endlich zu sprechen anfing, waren nichts Neues. Neu war, dass sie Proteste hervorriefen. Insbesondere die Demonstrationen in Ferguson, die mehrere Nächte lang in "Krawalle" übergingen, wie die Polizei es ausdrückte. Und man schenkt ihnen noch mehr Beachtung, seit die Jugendlichen in Baltimore in der Nacht nach der Beerdigung Freddie Grays die Reihen der Polizei durchbrochen haben und die Polizei die Kontrolle über die Stadt verlor.

Die meisten Proteste waren eine Antwort auf die Ermordung unbewaffneter Personen und auf die Reaktion von blindwütigen Rassisten, die zuerst schießen und dann Fragen stellen. Aber das Problem geht tiefer und ist grundlegender als nur das Verhalten rassistischer Polizisten.

Nicht alle Polizisten sind Rassisten, aber man benutzt sie, um die Armenviertel unter Kontrolle zu halten und dies bedeutet, große Teile der Bevölkerung zu kriminalisieren, insbesondere die jungen Männer, die am ehesten "gefährlich" werden könnten. Dies führt zwangsläufig zu diesen Blutbädern.

Nicht alle, die getötet wurden, waren unbewaffnet. Man weiß, dass die Polizei auch lügt, aber viele dieser jungen Leute hatten tatsächlich Waffen. Es gibt Jugendliche, die die Straße hart gemacht hat. Der "Krieg gegen Drogen" und die Rolle, die die Polizei in ihm spielt, haben aus Jugendlichen eine Art Straßenarmee geschaffen, die wenig haben, wovor sie sich fürchten. Wovor sollen sie sich denn fürchten? Vor dem Gefängnis? Warum? Sie wissen, dass sie ohnehin irgendwann dort landen werden. Vor dem Tod? Sie denken eh, dass sie nicht lange leben werden. Manchmal klauen sie in ihren eigenen Stadtvierteln. Aber wenn sie getötet werden, dann nicht, weil sie in ihren Stadtvierteln klauen. Sondern weil die Polizei wirklich Angst vor ihnen hat. Sie sind hart geworden durch das, was diese kapitalistische Gesellschaft ihrer Generation und den Generationen vor ihr angetan hat. Und die Polizisten, die ihnen jeden Tag begegnen, wissen das.

Ein Volk mit einer langen Geschichte von Kämpfen

Die brutale Unterdrückung der schwarzen Bevölkerung hat tiefe Wurzeln. Es ist die stets gegenwärtige Prägung der kapitalistischen Herrschaft in einem Land, dessen Anfänge und längste Zeit seiner Geschichte auf der unbezahlten Arbeit der Bevölkerung basiert, die man vom afrikanischen Kontinent geraubt und versklavt hat. Die Sklaverei war nicht nur eine kurze Episode, eine kurze schlechte Phase, wie es die Rassisten sagen würden. Die Sklaverei hat die ersten 244 Jahre der Existenz Nordamerikas geprägt, 60% seiner Geschichte. Die extreme Gewalt, die eingesetzt wurde, um die Sklaverei durchzusetzen und um sie anschließend auf andere Art wieder durchzusetzen, hat alle folgenden Jahre beschmutzt.

Seit 152 Jahren und dem Ende der Sklaverei wurde diese Bevölkerung, deren Wurzeln bis nach Afrika reichen, weiterhin von allen Menschen, die hier leben, am stärksten unterdrückt; nicht zuletzt in der neusten Form, die diese Unterdrückung angenommen hat, dem angeblichen "Krieg gegen Drogen".

Aber diese Unterdrückung hat die schwarze Bevölkerung nicht nur zum Opfer gemacht. Sie hat auch Menschen, darunter eine große Mehrheit Arbeiter, mit einer langen Geschichte an Kämpfen hervorgebracht. Die Sklaven wurden nicht von anderen Mächten "befreit". Sie haben gekämpft, um sich zu befreien, in hunderten Sklavenaufständen, die aufgezeichnet wurden und wie vielen weiteren, von denen es keine schriftlichen Zeugnisse gibt. Sie engagierten sich in dem, was W.E.B. Du Bois den "großen Generalstreik der Sklaven" nannte, als sie die Plantagen verließen und sich der Armee der Union anschlossen, um im Bürgerkrieg gegen die Sklavenbesitzer zu kämpfen. Im Süden führten sie zahlreiche Kämpfe in der Zeit des Wiederaufbaus: Sie kämpften um die politische Leitung der Bundesstaaten, um die Errichtung öffentlicher Schulen und öffentlicher Gesundheitszentren, gegen das Fehlen jedweder organisierten Gesundheitsversorgung. Und die Schwarzen haben in ihren Kämpfen auch viele arme Weiße mitgerissen. Nach dem Zusammenbruch dieser Zeit des Wiederaufbaus wurden die Schwarzen in eine Art von Sklaverei zurückgedrängt, das Pachtsystem. Sie schlossen sich dem Kampf der armen Bauern in verschiedenen Volksbewegungen an. Während all der Jahre, in denen das System der Rassentrennung und der Lynchjustiz sein Unheil anrichtete, organisierten sie sich, um ihre Communities zu verteidigen. Sie waren aktiver Teil der ersten Arbeiterkämpfe im Süden, der Hafenarbeiter in New Orleans, der Holzfäller und Bergleute andernorts. Ab den 1930er Jahren gründeten sie Gewerkschaften in den Betrieben, in denen die schwarzen Arbeiter für gewöhnlich eingestellt wurden. Ihre Kämpfe gegen das "Jim Crow-System", das System der Rassentrennung, die während des Zweiten Weltkriegs im Süden begannen und sich dann im ganzen Land ausbreiteten, stellten die tausend verschiedenen Formen in Frage, mit denen die Schwarzen im Süden wie im Norden besonders unterdrückt wurden. Sie schufen örtliche Organisationen, um diese Auseinandersetzungen zu führen, um den Ku Klux Klan zu bekämpfen oder auch einfach nur, um Arbeit zu bekommen. Diese Kämpfe gipfelten schließlich in der großen Revolte der 1960er Jahre; einem Aufstand der Unterdrückten, der die größte und stärkste Weltmacht erschütterte und der das Interesse aller auf sich zog, die in der Welt ebenfalls für ihre Befreiung kämpften.

In all diesen Kämpfen kämpften sie konkret für ihre "Freiheit". Dafür, dass sie nicht mehr als die Anderen unter der Arbeitslosigkeit, unter schlechten Lebens- und Arbeitsbedingungen leiden müssen, dass die Schulen ihrer Kinder ebenso gut sind wie die der Anderen. Sie kämpften nicht offen gegen die kapitalistische Gesellschaft, aber sie waren bereit, die Fundamente dieser Gesellschaft zu erschüttern, um sich zu befreien. Sie kämpfen in den 1950er und 1960er Jahren dafür, innerhalb der kapitalistischen Gesellschaft ein besseres Leben zu haben. Aber diese Kämpfe warfen das eigentliche Problem auf: Damit sie selber und alle Arbeiter einfach nur ein würdiges Leben führen können, muss die kapitalistische Gesellschaft gestürzt und eine neue Gesellschaftsordnung aufgebaut werden. Die Kämpfe der schwarzen Massen gingen nie so weit, diese Frage bewusst zu stellen. Und es gab auch keine Partei, der es gelang, die Massen zu erreichen und die das Problem aufwarf, sich vom Kapitalismus zu befreien.

Deshalb erleben wir heute einmal wieder, wie die kapitalistische Gesellschaft in all ihren widerwärtigen Erscheinungsformen die schwarzen Massen, alle Armen und allgemein die arbeitende Klasse auf neue Weise unterdrückt.

Die kapitalistische Gesellschaft konnte den schwarzen Massen, die sich in den 1960er Jahren erhoben, ihre Menschlichkeit nicht zugestehen. Sie antwortete daher mit Unterdrückung.

Wenn es nichts anderes gäbe, das zeigt, dass die kapitalistische Gesellschaft zerstört und mit Stumpf und Stiel ausgerottet werden muss, dann dies: Die Führer der kapitalistischen Gesellschaft haben bewusst entschieden, ein Regime der Hyperkriminalisierung und der Hyperinhaftierung zu schaffen. Es war die einzige Antwort, die dieses System angesichts seiner Unfähigkeit gefunden hat, auf die Bedürfnisse der arbeitenden Klassen zu reagieren.

Es muss ein Kampf geführt werden - ein bewusster Kampf diesmal - um den Kapitalismus loszuwerden, dessen Profitgier - basierend auf der Spaltung der Gesellschaft in Klassen - zwangsläufig dafür sorgt, dass Arbeitslosigkeit und Armut weiter grassieren werden. Und die anhaltende Arbeitslosigkeit sorgt zwangläufig dafür, dass die Unterdrückung auf die eine oder andere Art weitergehen wird, um diejenigen, die keine Arbeit haben, daran zu hindern, sich zu erheben.

Aber sie können sich erheben. Sie haben es früher schon getan. Und die schwarze Arbeiterklasse, die sich der Unterdrückung oft bewusster war, kann eine Rolle dabei spielen, die gesamte Arbeiterklasse in den Kampf zu ziehen, der geführt werden muss.

Die Jugendlichen von heute, die hart geworden sind, werden eine wichtige Rolle in diesen Kämpfen haben. Der folgende Auszug aus Mein ganzes Leben habe ich gekämpft, den Memoiren von Sam Johnson, die letztes Jahr erschienen sind, handelt von dieser Frage: "Die Jugendlichen von heute sehen, dass es keine Arbeit für sie gibt. Diese junge Generation, die keinen Job hat und nicht einmal das Minimum um zu überleben, ist gezwungen, irgendeine Lösung zu finden ... und einige werden Kriminelle.

Man sieht, wie sich die Kriminalität wegen dieses verfaulten Systems ausbreitet, das so sehr gegen die Arbeiterklasse und die Armen gerichtet ist.

Die Jugendlichen, die heute auf der Straße sind, sind viel härter als die Jugendlichen zu meiner Zeit. Sie können nicht anders, wenn man bedenkt, welche Zukunft vor ihnen liegt. Es gibt heute so viel mehr auf der Straße, die keinerlei Hoffnung, keinerlei Perspektive haben.

Es gibt unter ihnen echte Kämpfer, aber gegen wen kämpfen sie heute? Gegen ihre Brüder, und vielleicht gegen die Arbeiter ihres Stadtviertels. Sie kämpfen gegen sich selber, gegen ihre eigene Klasse. Aber wenn der Kampf anfängt, wenn die Arbeiterklasse sich wirklich in Bewegung setzen wird, dann müssen wir diese jungen Leute mitnehmen. Morgen könnten sie mit ihrer Klasse kämpfen. Heute machen sie nichts anderes, als die Arbeiter zu bestehlen, die ein paar Dollar in der Tasche haben. Das Problem besteht darin, gegen die wahren Diebe vorzugehen, gegen diejenigen, die sie in diese Lage gebracht haben."

Ja, diese Jugendlichen, die hart geworden sind, könnten morgen mit den anderen ihrer Klasse gegen die wahren Banditen kämpfen - gegen die, die ein Gefängnisregime ersonnen haben, das sie in diese Lage gebracht hat.

25. Juli 2015

[1] Artikel 8 (Section 8) des Wohnungsgesetzes von 1937 ermöglicht die Zahlung von Wohngeld. Rund fünf Millionen einkommensschwache Haushalte profitieren davon.