Seit dem 15. Mai wird der große Platz Puerta del Sol in Madrid durchgängig von Demonstranten besetzt, die sich selbst "die Empörten" nennen. Empört über die Sparpolitik der Regierung, empört über die steigende Arbeitslosigkeit - jeder fünfte Spanier und jeder zweite Jugendliche hat keine Arbeit - empört über die Diktatur der Märkte, über die Macht der Banker, über die Korruption der Regierenden, empört über das ganze System.
Ihre Zahl stieg rasch an. Das Demonstrationsverbot am vergangenen Wochenende, aufgrund der Wahlen, konnte sie nicht entmutigen.
Die Berichterstatter und die Demonstranten stellen den Vergleich mit den Vorfällen in Ägypten her, wo das Aufbegehren gegen die Diktatur von Mubarak die Form der permanenten Besetzung des Tahrir-Platzes in Kairo angenommen hat. In Madrid zielt die Empörung nicht auf einen Mann sondern auf ein ganzes System ab.
Die Tageszeitung Le Parisien zitiert diesen Satz eines Besetzers der Puerta del Sol: "Wir machen Politik mit einem großen P." Der Wut auf der Straße Ausdruck zu verleihen ist für die arbeitende Bevölkerung in der Tat eine wirksamere Art Politik zu machen als einen Wahlzettel in eine Urne gleiten zu lassen und dann zu hoffen vor der Arbeitslosigkeit, vor dem Einbruch der Kaufkraft und vor der Krise durch eine veränderte Parlamentsmehrheit gerettet zu werden.
Nach den griechischen Arbeitern sind die spanischen Arbeiter gerade dabei, die schmerzhafte Erfahrung einer sozialdemokratischen Regierung zu machen, die dieselbe Politik zugunsten der Großunternehmer und der Banker macht wie Sarkozy hier in Frankreich. Die Sparmaßnahmen, die von der Regierung Zapatero durchgesetzt werden sind drakonisch: 5%-Kürzung der Beamtengehälter, Streichung der Unterstützung von 400 Euro für ausgesteuerte Arbeitslose, Verschiebung des Rentenantrittsalters von 65 auf 67 Jahre und Einfrieren der Pensionen.
Überall in Europa versucht die Kapitalistenklasse, die Profite ihrer Unternehmen zu erhalten und sogar zu vergrößern, indem sie die Löhne blockieren, mehr Arbeit von weniger Arbeitenden machen lassen, die Ausbeutung verschärfen. Überall in Europa nehmen die Regierungen die Staatsverschuldung zum Vorwand, um die Zahl der Lehrer und der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes sowie der öffentlichen Verkehrsmittel zu reduzieren. Dabei haben die Milliardenhilfen für die Banker und die Subventionen für die Bosse der großen Unternehmen die Verschuldung der Staaten sprunghaft verschlimmert.
Der Klassenkrieg, der von der Großbourgeoisie gegen die ausgebeuteten Klassen geführt wird, kann sich mit Fortdauer der Wirtschaftskrise nur verschärfen. Er trifft uns bereits hier in Frankreich aber wir haben noch nicht alles gesehen!
Indem sie ihre Desillusionierung über die großen politischen Parteien sowie über die falschen Hoffnungen hinsichtlich eines Regierungswechsels zum Ausdruck bringen, haben die von der Puerta del Sol einen Schritt nach vorn gemacht. Aber es genügt nicht, die Finanzmärkte und die Macht der Banker anzuprangern. Weder die einen noch die anderen sind imstande, sich zu verbessern oder sich zu reformieren, auch nicht unter dem Druck der Straße.
Auf Basis des Privatbesitzes an den Unternehmen und der kapitalistischen Verwaltung der Wirtschaft haben die ausgebeuteten Klassen in dieser Periode keine andere Zukunft als die Verschärfung ihrer Lage. Aber sie können sich verteidigen und zum Gegenangriff übergehen. Man muss sich dessen bewusst sein: Um unser Recht auf Existenz zu verteidigen, müssen wir uns ihre Profite und deren Quelle, die Ausbeutung, vornehmen.
Man kann Diktatoren wie Ben Ali oder Mubarak loswerden, indem man ihnen schreit "Hau ab!". Man muss sehr zahlreich und sehr entschlossen sein, um ihren Beschützern Angst zu machen.
Aber das genügt nicht, damit die Diktatur der Finanz verschwindet. Dafür muss man das kapitalistische System in seinen Grundfesten zerstören: dem Privatbesitz an den Produktionsmitteln, der Ausbeutung. Man muss die Bourgeoisie enteignen und die Wirtschaft unter der Kontrolle der produktiven Klassen neu organisieren.
Um dies eines Tages zu erreichen, ist es notwendig, die Ziele durchzusetzen, die unsere Existenzgrundlagen sichern. Gegen die Arbeitslosigkeit, die Aufteilung der Arbeit auf alle ohne Lohneinbußen. Gegen die Verschlechterung der Kaufkraft der Löhne, ihre Angleichung an die Preissteigerungen, das heißt, die mobile Lohnskala. Gegen die Sparmaßnahmen, die die Ausgebeuteten treffen, um die Zinsen für die Gläubiger des Staates zu finanzieren, die Enteignung der Banken. Das durchzusetzen ist das Ziel für die kommenden Monate und Jahre, um die Parasiten, die die Wirtschaft und die Politik beherrschen, daran zu hindern, die Gesellschaft zu ruinieren und die Klassen zu erdrücken, durch die sie lebt.