Der folgende Artikel ist die Übersetzung eines Artikels aus der Zeitschrift Class Struggle (Nr.121, Frühjahr 2024), der zweimonatlichen Zeitschrift unserer britischen Genossen von Workers' Fight.
Der große Bergarbeiterstreik von 1984/5 in Großbritannien, der volle zwölfeinhalb Monate dauerte, endete mit einer katastrophalen Niederlage. Nicht, weil er das Todesurteil für den Kohlebergbau einläutete, sondern wegen seiner demoralisierenden Wirkung auf die gesamte Arbeiterklasse dieser Zeit. Es war ein Wendepunkt. Die Arbeiter waren der Meinung, wenn die Bergleute besiegt werden konnten, hätten sie selbst keine Chance zu gewinnen. Und genau das hatte die damalige Regierung unter der konservativen Premierministerin Margaret Thatcher beabsichtigt.
Dies war der Zweck der riesigen Mobilisierung der nationalen Polizei – der bewaffneten Einheiten des Staates – die Thatcher gegen die streikenden Bergarbeiter einsetzte. Es sollte ein Kräftemessen werden, bei dem Thatcher als „Stabschefin“ der Kapitalistenklasse gegen das stärkste Bataillon der Arbeiterklasse antrat.
Dieser Streik soll der gewalttätigste Streik in der britischen Geschichte gewesen sein. Insgesamt erlitten 72 Bergarbeiter und 51 Polizisten schwere Verletzungen. 11.291 Streikende wurden verhaftet. Mehr als 200 von ihnen wurden zu Gefängnisstrafen von bis zu 4 Jahren verurteilt. Zwei streikende Bergarbeiter wurden bei Streikposten getötet. Ein Taxifahrer kam ums Leben, als er einen nicht-streikenden Bergarbeiter in Südwales zur Arbeit fuhr und zwei Streikende einen Betonpfosten von einer Straßenbrücke auf sein Auto warfen. Sie wurden wegen Totschlags verurteilt.
Ein solches Ausmaß an Verlusten kommt bei Streiks in Großbritannien normalerweise nicht vor.
Thatchers konzertierter Klassenkampf gegen die Bergarbeiter war nicht darauf zurückzuführen, dass sie eine besonders bösartige Politikerin war. Vielmehr verkörperte sie genau das, was die Kapitalisten zu diesem Zeitpunkt brauchten. Einer widerspenstigen Arbeiterklasse, die weniger als zehn Jahre zuvor eine äußerst erfolgreiche Streikwelle losgetreten hatte, musste eine sehr harte Lektion erteilt werden. Es war der sogenannte „Winter der Unzufriedenheit“ gewesen: eine Streikwelle im privaten und öffentlichen Sektor, wie es sie seit dem Generalstreik von 1926 nicht gegeben hatte und die Ende der 1970er Jahre die Politik der Lohnzurückhaltung der Regierung durchbrach.
Wir müssen uns den Kontext vor Augen halten. Die 1970er Jahre läuteten die schlimmste wirtschaftliche Rezession seit der Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre ein. Die sozialdemokratische Labour-Regierung, die Thatcher vorausging, hatte alle möglichen Maßnahmen ergriffen, um die Profite der Kapitalistenklasse zu stützen – einschließlich Nullrunden bei den Löhnen. Den Arbeitern wurde gesagt, sie könnten keine Lohnerhöhungen bekommen, obwohl die Inflation im Mai/Juni 1975 auf fast 27 % anstieg. Das ist fast doppelt so hoch wie die derzeitige Inflation in ihrem höchsten Moment erreicht hat. Und genau deshalb kam es zur Streikwelle von 1977/78.
Nebenbei bemerkt handelte es sich um eine weltweite wirtschaftliche Rezession, die seitdem nicht mehr verschwinden würde. Wir befinden uns schließlich in der Endphase des Niedergangs des Kapitalismus. Alles, was die Kapitalistenklasse weltweit tun kann, ist Wege zu finden, um aus immer weniger immer mehr herauszuquetschen.
Der Rückzug des Staates
In den 1980er Jahren wurde entschieden, alle Staatsbetriebe zur Rettung der britischen Kapitalistenklasse zu verkaufen. Nach den systematischen Schließungen der Industriebetriebe in den 1970er Jahren begann in den 1980er Jahren ein massives staatliches Privatisierungsprogramm, das sich bis in die 1990er Jahre fortsetzte. Damit sollten die Kapitalisten neue Profitquellen erhalten. Sie sollen künftig Profit mit den Dienstleistungen machen können, die bis dahin vom Staat erbracht wurden sowie mit den Industrien, die der Staat betrieben hatte. Die große Zahl an öffentlich Beschäftigten sollte drastisch zusammengeschrumpft werden. Man darf nicht vergessen, dass zu dieser Zeit sowohl die Stahlproduktion als auch der Kohlebergbau Staatsbetriebe waren. Die Bergwerke wurden erst 1994 von der Regierung John Majors endgültig privatisiert.
Die Arbeiterklasse musste vorher gezähmt werden. Und das war die Funktion von Thatchers Auseinandersetzung mit den streikenden Bergarbeitern. Manche behaupten sogar, sie habe den Streik absichtlich provoziert, und es gibt einiges, was dafür spricht. Doch selbst wenn, so war die Niederlage der Bergarbeiter nicht unvermeidlich. Die Hauptursache für seine Niederlage war die Isolation des Bergarbeiterstreiks.
2004 haben wir eine ausführliche Analyse des Bergarbeiterstreiks veröffentlicht, in der wir detailliert beschreiben, was wirklich passiert ist. Im Rahmen dieses Artikels haben wir nicht die Möglichkeit hierzu. Doch kurz zusammengefasst lässt sich sagen, dass im Programm der Bergleute eine Klassenpolitik fehlte – also eine Strategie der gesamten Arbeiterklasse als Antwort und Gegengewicht zu der Klassenstrategie, die Thatcher vorbereitet und dann auch umgesetzt hat.
Damit meinen wir, dass andere Teile der Arbeiterklasse, die sich den gleichen Angriffen auf ihre Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen ausgesetzt sahen – bei der Eisenbahn, in den Häfen, in der Stahlindustrie und in den Kommunen (wie zum Beispiel die Beschäftigten der Stadtverwaltung von Liverpool, die im Frühjahr 1984 gegen Arbeitsplatzabbau streikten) – sich bewusst mit den Bergarbeitern hätten zusammenschließen und gemeinsam für gemeinsame Forderungen hätten streiken können; und für die Kontrolle der Arbeiterklasse über ihre Industrien als Antwort auf die bevorstehende Demontagepolitik.
Wäre das möglich gewesen? Klar wäre es möglich gewesen. Aber sicher nicht unter der Führung der Gewerkschaftsfunktionäre, also der Bürokratie, die hinter dem Rücken der Arbeiter so viele Absprachen wie möglich mit der konservativen Tory-Regierung getroffen hatte. Tatsächlich hatte die Führung des gewerkschaftlichen Dachverbandes Trade Union Congress (TUC) auf ihrer Konferenz 1983 eine Politik des sogenannten „neuen Realismus“ eingeschlagen. Sie vertrat die Position, dass die Labour-Partei die Wahlen von 1979 verloren habe, weil die Arbeiter in den sogenannten neuen Industrien das Gefühl hätten, ihre Bedürfnisse würden von der Gewerkschaftsbewegung nicht berücksichtig werden und sie sich daher abwenden würden. Vermutlich meinten sie jene Arbeiter, die Streiks ablehnten. Diese Politik des „neuen Realismus“ bedeutete damit jedoch nichts anderes, als dass diese Gewerkschafsführer bereit waren, letztlich bei allen künftigen arbeiterfeindlichen Maßnahmen mitzumachen. Und genau das taten sie auch.
Sie folgen der Gewerkschaftsführung nicht
Sind die kämpferischeren Arbeiter den Gewerkschaftsführern auf diesem Weg gefolgt? Ganz und gar nicht. So hat nicht etwa die Führung der Bergarbeitergewerkschaft National Union of Mineworkers (NUM) die Politik verfolgt, den Bergarbeiterstreik in den ersten Wochen nach dem 6. März 1984 auszuweiten. Dies taten die berühmten „fliegenden Streikposten“ – sowohl in Yorkshire als auch in Wales – aus eigener Initiative. Auch kämpferische Arbeiter in anderen Industrien, von denen es viele gab – wie bei der Eisenbahn, im Hafen usw. – ergriffen während der 13 Monate des Streiks Maßnahmen, um den Bergarbeitern zu helfen, und stellten sich damit gegen ihre eigenen Gewerkschaftsführungen.
Wir können einige Beispiele anführen.
Vom 3. April 1984 bis zum Ende des Streiks verhinderten die Bahnarbeiter des Coalville-Bahndepots in Leicestershire erfolgreich, dass Züge die Gruben in Leicestershire verließen. Eine Ausnahme bildeten die wenigen Situationen, bei denen es den Chefs gelang, Streikbrecher dazu zu bringen, Züge zu fahren und Stellwerke zu bedienen.
Die Hälfte der Kohleproduktion von Leicestershire wurde 35 Wochen lang aufgehalten, einschließlich der Lieferungen an Kraftwerke. Doch als die Manager von British Rail im September 1984 versuchten, die Arbeiter in Coalville zu schikanieren, und diese sich an ihre Gewerkschaft wandten, wurde ihnen gesagt, sie sollten mit ihren Aktionen dagegen bitte nicht zu einer weiteren Eskalation beitragen!
Tatsächlich boykottierten Lokführer und Stellwerker in vielen weiteren Regionen aktiv den Transport von Kohle. Wenn Lokführer sich weigerten, Kohle zu transportieren und deshalb ohne Lohn nach Hause geschickt wurden, zahlte die Lokführergewerkschaft LSLEF den fehlenden Lohn, was ebenfalls eine Unterstützung für den Streik war.
Spontane Solidarität kam sogar von den Druckern der Zeitung The Sun, die sich weigerten, ein Bild des Bergarbeiterführers Arthur Scargill mit erhobener Hand abzudrucken, das der damalige Herausgeber Kelvin McKenzie mit der Überschrift (in Deutsch geschrieben) „Minen Führer“ versehen hatte! Sie streikten außerdem drei Tage, als McKenzie sich weigerte, eine halbseitige Solidaritätsbekundung des TUC der Region Südost für die Bergarbeiter zu drucken.
Sogar in der Stahlindustrie waren die Arbeiter in den Werken bereit, den Bergarbeitern auf jede erdenkliche Weise zu helfen, und das trotz der Feindseligkeit ihrer Gewerkschaftsführung gegenüber der Führung der Bergarbeitergewerkschaft. In Südwales beispielsweise erlaubten die Bergarbeiter die Lieferung von Kohle an das Stahlwerk Llanwern, und als Gegenleistung dafür beschränkten die Stahlarbeiter ihre Produktion auf 75 %. Infolgedessen verloren die Stahlarbeiter in Llanwern zwar ihre Prämie (die damals bis zu 40 % ihres Verdienstes ausmachte), aber die Arbeiter sammelten trotzdem außerdem noch am Werkstor 4.000 Pfund für die streikenden Bergarbeiter.
Was sagte also die NUM den Arbeitern, die sich mit den Bergarbeitern solidarisierten? Nichts, außer dass sie helfen sollten, die Kohle zu boykottieren, auch wenn sie dafür ihren Lohn oder Arbeitsplatz riskierten – und dass sie wohltätige Sammlungen und Spendenaktionen für die Bergleute organisieren sollten. Zu keinem Zeitpunkt wandte sich Bergarbeiterführer Arthur Scargill an diese Arbeiter, um ihnen ein gemeinsames Kampfziel anzubieten, für das sie sich mit den Bergarbeitern hätten zusammenschließen können.
Den anderen Gewerkschaftsführungen fehlte es ebenso an jeglicher Klassenperspektive – wenn nicht sogar noch schlimmer. So hätte es beispielsweise gute Gründe gegeben, 1984 einen landesweiten Eisenbahnerstreik auszurufen. Im selben Jahr wurden bis zu 30.000 „freiwillige Entlassungen“ in den Raum gestellt, die in den nächsten vier Jahren umgesetzt werden sollten. Aber anstatt zu sagen, „Arbeitsplatzabbau ist Arbeitsplatzabbau“, ob freiwillig oder zwangsweise, stimmte der Vorsitzende der Eisenbahnergewerkschaft National Union of Railwaymen, Jimmy Knapp, diesem Arbeitsplatzabbau nicht nur zu, sondern brüstete sich sogar mit den sogenannten „Produktivitätsgewinnen“, die dadurch erzielt würden.
Und so traten die Hafenarbeiter auf den Plan
Der Fall der beiden Hafenarbeiterstreiks, die Anfang Juli 13 Tage und dann Ende August 1984 35 Tage dauerten, ist ein noch deutlicheres Armutszeugnis der katastrophalen Politik der NUM-Führung.
Die Hafenarbeiter gehörten zusammen mit den Stahlarbeitern und Eisenbahnern zu den Gruppen, die die NUM schon sehr früh um Hilfe gebeten hatte. Auslöser für die Streiks in den Hafenbetrieben war der Versuch der Unternehmer, für die Solidaritätsaktionen Vergeltung zu üben, indem sie nicht-Gewerkschaftsmitglieder in diese Betriebe holten, um die anderen zu ersetzen.
Trotz ihrer sogenannten „linken“ Gesinnung wollte die Gewerkschaftsführung der Hafenarbeiter damals keinen Kampf. Alles, was sie wollte, war den Status quo beizubehalten und die Unternehmer dazu zu bringen, die damals dort geltende Vereinbarung gegen die Beschäftigung von nicht-gewerkschaftlich organisierten Arbeitern einzuhalten (das sogenannte „Dock Labour Scheme“[1]). Die Gewerkschaftsführer haben nie den Versuch unternommen, allen Hafenarbeitern (gewerkschaftlich organisierten und nicht-gewerkschaftlich organisierten) einen Kampf vorzuschlagen, der darauf abzielte, das Dock Labour Scheme auf die neueren Häfen auszudehnen, für die es nicht galt. Wären die Führer der Bergarbeitergewerkschaft entschlossen gewesen, den Kampf der Bergleute zu stärken – indem sie Verbündete in der übrigen Arbeiterklasse suchten – hätten Scargill und die NUM sicherlich das politische Gewicht gehabt, um die Hafenarbeiter aufzurufen, sich den Bergarbeitern in einem gemeinsamen Kampf gegen die Bedrohungen der Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen anzuschließen.
Stattdessen verfolgte die NUM bewusst die Politik, die Streikposten der Bergarbeiter von den Docks fernzuhalten, solange dort gestreikt wurde.
Am Ende standen die Bergarbeiter also isoliert da, trotz der großen Sympathie, die sie in der Arbeiterklasse genossen!
Natürlich richtete Scargill viele allgemeine und abstrakte Appelle an die Arbeiterklasse mit dem Aufruf, die Bergarbeiter zu unterstützen. Aber was aktive Unterstützung angeht – die nur auf gemeinsam organisierten Aktionen für ein gemeinsames Ziel beruhen kann – vermied er es stets, in das Hoheitsgebiet anderer Gewerkschaftsführer einzugreifen. Dies spiegelt die tief verwurzelte, unüberwindliche Spaltung nach Branchen wieder, die wir auch bei den Gewerkschaftsführern von heute kennen und die an die mittelalterliche Kleinstaaterei erinnert.
Letztendlich sind die Bergleute auf sich allein gestellt
Abgesehen von den Gewerkschaften, die direkt mit der Kohleindustrie verbunden waren, richtete die NUM während der ersten sechs Monate des Streiks keine formelle Bitte um Unterstützung an andere Gewerkschaften oder an den Dachverband TUC. Tatsächlich tat sie das erst auf der TUC-Konferenz im September 1984. Alles, was Scargill dann erreichte, war eine Resolution, in der alle angeschlossenen Gewerkschaften aufgefordert wurden, „mit der NUM zu beraten“, wie sie helfen könnten. Und damit einher ging eine Verurteilung „jeglicher Gewalt“ bei den Streikposten durch den TUC-Generalsekretär Len Murray.
Dies hinderte Scargill allerdings nicht daran, den Beschluss der TUC-Konferenz in einem Artikel der Sunday Times zu begrüßen und sie als „historische Wende“ der Arbeiterbewegung „hin zu einem geeinten und entschlossenen Gegenschlag“ zu bezeichnen.
Natürlich wollten die TUC-Führer, die eigentlich die Gunst der Regierung suchten, nicht dabei ertappt werden, wie sie den Bergarbeitern halfen. Scargill wusste das genauso gut wie jeder andere. Aber das hinderte ihn nicht daran, die Niederlage der Bergarbeiter später auf die mangelnde Unterstützung des TUC zu schieben.
Bis zum 7. Januar, zehn Monate nach Beginn des Streiks, waren bis zu 5.000 Bergarbeiter wieder an die Arbeit zurückgekehrt. Einige von ihnen hatten das Angebot der Kohlebehörde angenommen, eine Weihnachtsprämie von 1.400 Pfund zu erhalten. Das war damals eine Menge Geld. Aber 110.000 Bergarbeiter streikten immer noch, was die überwiegende Mehrheit war!
Doch die Strategie der NUM, die darauf abzielte, dass die streikenden Bergarbeiter die ganze Zeit Streikposten vor ihren Gruben standen, um sie zu bewachen, führte nun dazu, dass die Streikenden de facto ihre eigenen Gruben gegen eine Handvoll Streikbrecher bestreikten, die ohnehin nicht arbeiten konnten. Sie fühlten sich isolierter denn je, und waren es auch.
Ein Streikender aus Derbyshire sagte später, die Strategie der NUM habe „aus guten Gewerkschaftern Streikbrecher gemacht – weil der Streik zu lange gedauert hat. Man kann niemanden als Streikbrecher bezeichnen, der seit zehn Monaten arbeitslos ist.“
Im Februar 1985 häuften sich die Gerichtsbeschlüsse, die die Beschlagnahmung der NUM-Gelder und das Verbot von Streikposten anordneten und die Entlassung streikender Bergarbeiter absegneten. Aber schlimmer noch: Vor Ort stießen die Streikenden an ihre Grenzen. Ein Vertreter der Yorkshire-Ortsgruppe sagte: „Die Männer haben ein Jahr lang alles gegeben, und jetzt sagen sie: ‚Führt uns um Gottes Willen aus diesem Schlamassel heraus.‘“
Als in einigen Bereichen über die Wiederaufnahme der Arbeit diskutiert wurde und der Streik offensichtlich ins Wanken geriet, brach die Gewerkschaft den Streik am 3. März offiziell ab. Eine Sonderkonferenz beschloss mit einer knappen Mehrheit – 98 zu 91 Stimmen – die Wiederaufnahme der Arbeit ohne eine Einigung mit den Kohleunternehmen, genau ein Jahr nach Streikbeginn.
Die Bergarbeiter aus Kent streikten noch einige Tage weiter, in dem vergeblichen Versuch, die Wiedereinstellung der entlassenen Bergarbeiter zu erwirken. Am 8. März kehrten sie jedoch ebenfalls an die Arbeit zurück.
Damit war der Streik vorbei und der Weg für die Regierung frei, praktisch so viele Zechen zu schließen, wie sie wollte. Thatcher hatte vor der gesamten Arbeiterklasse demonstriert, was sie demonstrieren wollte: dass es sinnlos war, sich gegen das von den Kapitalisten geforderte Anziehen der Daumenschrauben zu wehren.
Die Notwendigkeit einer Klassenpolitik
Schauen wir uns also die Gründe für die Niederlage genauer an. Natürlich waren Scargill und die NUM-Führung Reformisten. Genau wie die Gewerkschaftsführer von heute.
Und es hat keinen Sinn, sie dafür anzuklagen. Aber das bedeutet, dass sie trotz all ihrer radikalen Sprache letzten Endes nicht das Boot des Kapitalismus versenken wollen. Gewerkschaftsführer wie Arthur Scargill hatten keine andere Wahl, als sich gegen einige von Thatchers Kürzungen zu stellen. Sie waren aber nicht in der Lage, eine Politik aufzuzeigen, die die Kapitalisten hätte so bedrohen können, dass sie ihre Angriffe einstellen würden.
Tatsächlich hätte die Schließung der Bergwerke nur erfolgreich bekämpft werden können, wenn sie Teil einer allgemeinen Auseinandersetzung gegen die Sparpolitik geworden wäre, die die Kapitalisten der Arbeiterklasse aufzwingen wollten. Erstens, weil die Kapitalisten selbst den Kampf gegen die Bergarbeiter als eine Offensive gegen die gesamte Arbeiterklasse betrachteten – mit Thatcher als Stabschefin. Schließlich waren die Bergarbeiter das stärkste Bataillon der Arbeiterklasse.
Aber es gibt noch einen weiteren Punkt, der angesprochen werden muss: Die Verhinderung der Zechenschließungen war nicht unbedingt das beste Ziel für die Bergleute. Warum sollten sie verzweifelt an der Arbeit in tiefen und gefährlichen Gruben mit all den damit verbundenen Gesundheitsrisiken festhalten, wenn andere, bessere und gesündere Arbeitsplätze zur Verfügung gestellt werden könnten? Das eigentliche Problem, das sich auf gesellschaftlicher Ebene stellte, war das Problem der Arbeitsplätze für alle.
Objektiv betrachtet stellten die Bergarbeiter mit ihrem Streik also die Pläne der gesamten Kapitalistenklasse in Frage. Sie hätten dies ebenso gut bis zum logischen Ende bringen und ihren Kampf als Teil eines allgemeinen Kampfes der gesamten Arbeiterklasse gegen die kollektiven Pläne der Kapitalisten und ihres Staates betrachten können. Statt eines branchenspezifischen Streiks zur Verhinderung von Zechenschließungen – für „coal not dole“ (Kohle statt Arbeitslosengeld), wie die Parole lautete – wäre es ein politischer Streik geworden, der sich offen gegen die Politik des Staates gerichtet hätte.
Ob es den Bergarbeitern gelungen wäre, die tiefen Spaltungen zwischen den Branchen zu überwinden, die von den Gewerkschaftsapparaten zum Schutz ihrer jeweiligen Pfründe geschürt wurden, bleibt offen, da dies überhaupt nicht erst versucht wurde. Aber mit einem Kampfprogramm bewaffnet, gab es keinen objektiven Grund, warum die Bergarbeiter nicht zumindest einige Teile der Arbeiterschaft für einen solchen kollektiven Kampf hätten gewinnen können; insbesondere diejenigen, die von Thatchers Politik in gleicher Weise direkt und zeitgleich bedroht waren: Hafenarbeiter, Beschäftigte der Kommunalverwaltungen, Stahl- und Eisenbahnarbeiter usw.
Die Probleme der weiter arbeitenden Bergarbeiter in Nottinghamshire, der kleinen Minderheit an Streikbrechern in anderen Teilen des Landes und die Tatsache, dass Kohle produziert und transportiert wurde – all diese Probleme wären dann zweitrangig geworden, was sie eigentlich auch waren. Denn die wahre Waffe der Bergarbeiter wäre ihre Fähigkeit gewesen, einen Schneeballeffekt zu erzeugen und eine ständig wachsende Zahl an Arbeitern aus möglichst vielen verschiedenen Teilen der Arbeiterklasse in den Streik zu führen, um einen Punkt zu erreichen, an dem die Kapitalistenklasse die Bedrohung ihrer Profite als ernst genug empfindet, um Thatcher und ihre Pläne zurückzupfeifen und Zugeständnisse zu machen, bevor eine wirkliche soziale Explosion vielleicht weitaus größeren Schaden anrichten würde.
Welche Analogie gibt es zu heute?
Die heutige wirtschaftliche Lage ist der der 1980er Jahre sehr ähnlich. Die Streiks der Arbeiter sind vielleicht eher symbolische Streiks als echte Generalstreiks wie in den 1970er und 1980er Jahren. Aber diese müssen genauso erstmal gewonnen werden wie damals.
Doch wieder einmal leidet die Arbeiterklasse unter der von den Gewerkschaftsführern aufgezwungenen Isolation jeder einzelnen Branche. Und diese Gewerkschaftsführer wissen es eigentlich besser. Natürlich wissen sie es besser! Es ist allgemein bekannt: Je mehr streiken, desto besser und desto wahrscheinlicher ist ein Sieg. Mit anderen Worten: Die nach Branchen getrennten Kämpfe sind bewusster Defätismus seitens der Gewerkschaftsführungen.
Gibt es ein Gesetz, das einen Generalstreik verbietet? Oder ein Gesetz, das verhindert, dass die Gewerkschaftsführungen unterschiedliche Branchen an denselben Tagen zum Streik aufrufen? Nein, das gibt es nicht.
Die direkte Folge dieses bewussten Defätismus der Gewerkschaftsführungen ist, dass kein einziger Teil der Arbeiterklasse im Zusammenhang mit der Streikwelle 2022/2023 wirklich einen Arbeitskampf gewonnen hätte. Die Postbeschäftigten haben eine schreckliche Niederlage erlitten. Für die in der RMT organisierten Eisenbahner gilt bis Ende dieses Monats (April) de facto ein Streikverbot. Ihr landesweiter Streik, der zum ersten Mal seit 40 Jahren eine einheitliche Front gegen die Bahngesellschaften und die Regierung darstellte, wurde abgebrochen, damit die einzelnen Betriebsratsvertreter die Arbeitsbedingungen Unternehmen für Unternehmen selbst aushandeln konnten.
Und die einzige Gruppe von Beschäftigten, die über die Schlagkraft verfügt, um den Zugverkehr vollständig zum Stillstand zu bringen (die Lokführer der Gewerkschaft ASLEF) befinden sich nun in der 21. Streikwoche. Doch in dieser ganzen Zeit hatten sie nur 14 eintägige Streiktage und haben dabei nichts erreicht.
Beschreiben wir einmal ihren Streik, der letzten Freitag in Euston stattfand. Die ASLEF kämpft angeblich gegen 16 Bahngesellschaften für eine Lohnerhöhung, aber die Lokführer der einzelnen Unternehmen werden an unterschiedlichen Tagen zum Streik aufgerufen. Am Freitag streikten also nur die Fahrer von Avanti West Coast Midlands Trains und CrossCountry. Die Züge fuhren nicht, so dass man sagen könnte, ihr Streik sei trotz dieser lächerlichen und langwierigen Streikplanung so stabil wie immer gewesen. Aber an diesem Morgen kam kein einziger streikender Lokführer zum Streikposten. Der Streikposten wurde von vier hauptamtlichen Gewerkschaftsfunktionären und Generalsekretär Mick Whelan besetzt, der da war, um den Medien – die zahlenmäßig die Streikenden weit übertroffen haben – zu sagen, dass die Streiks fortgesetzt würden, wenn nicht jemand von der Regierung mit ihm spräche.
Worauf wollen wir hinaus? Es ist offensichtlich, dass eine Chance vertan wird, und zwar aufgrund desselben einfachen Problems: der Degeneration und dem Bankrott von Gewerkschaftsführern, die in blindem, beschränktem Branchendenken gefangen sind und ihre eigenen Interessen verfolgen. 2022 wurde eine Chance vertan. Als die sogenannte Streikwelle begann, hatte Mick Lynch von der RMT verkündet, dass „die Arbeiterklasse wieder da“ sei. Und bis Dezember dieses Jahres hatte fast jeder einzelne Bereich der Arbeiterklasse für Streik gestimmt – darunter auch Krankenschwestern und andere Beschäftigte des Gesundheitswesens, von denen einige zum allerersten Mal streikten.
Dies wäre für die Arbeiter eine Gelegenheit gewesen, sich zusammenzuschließen und ihren Kampf zu koordinieren, um die Offensive der Unternehmer zumindest zu stoppen. Denn nach dem beispiellosen Rückgang des Lebensstandards forderten alle eine Lohnerhöhung. Doch dazu kam es nicht, und zwar einzig und allein wegen der Gewerkschaftsführungen, die sich mit der betrügerischen Behauptung rechtfertigten, dass der Generalstreik – den die Arbeiter forderten – illegal gewesen wäre.
Tatsächlich hätte ein Generalstreik die Situation sofort lösen können; vor allem für die Beschäftigten des staatlichen Gesundheitswesens (NHS), darunter auch die Assistenzärzte, die sich nun im 16. Monat ihrer Streikbewegung befinden, in völliger Isolation.
Also ja, wir können sagen, dass 40 Jahre später keine Lehren gezogen wurden. Je mehr Arbeiter gemeinsam streiken, desto wirksamer ist der Streik – das ist das ABC. Weiterzugehen und eine Klassenpolitik zu entwickeln, das müsste zwangsläufig der nächste Schritt sein. Das ist heute noch dringender nötig als 1984-85. Denn heute ist die weltweite Wirtschaftskrise in jeder Hinsicht noch tiefer und gefährlicher. Wir können sagen, dass die Kapitalisten – zusammen mit der Regierung – eine gemeinsame Politik verfolgen, um auf unser aller Kosten zu überleben.
Die einzige Politik, die die Arbeiterklasse aus dieser Situation befreien kann, besteht darin, dass die Arbeiter selbst aktiv die Schranken niederreißen, die sie von den anderen Arbeitern trennen, und gemeinsam in den Streik treten. Sie müssen physisch auf die anderen zugehen und sie mitnehmen, sozusagen ein Schritt nach dem anderen gemeinsam tun!
Das ist die schwierigste Aufgabe. Sie bedeutet, die offizielle Bahnen zu verlassen und Gesetze zu umgehen. Und sie wäre umso wirksamer, weil sie die Unternehmer und die Gewerkschaftsbürokraten völlig überraschen würde.
Wenn uns der Bergarbeiterstreik von 1984-85 etwas lehrt, dann, dass wir von den bestehenden Gewerkschaftsführungen nichts erwarten können. Wenn wir auf sie vertrauen, werden wir den Kampf mit Sicherheit verlieren. Unsere Kollegen vor Ort sind unsere einzigen und besten Verbündeten.
Doch dieses Mal müssen wir uns – wenn wir gewinnen wollen – angesichts der Tiefe der wirtschaftlichen und sozialen Krise, national und international, auf viel mehr vorbereiten als darauf, nur für bessere Löhne und Arbeitsbedingungen zu kämpfen. Wir müssen darüber nachdenken, wie wir es mit dem System selbst aufnehmen. Mit anderen Worten: Worauf wir uns vorbereiten müssen, ist eine Revolution der Arbeiterklasse.
[1] Auch diese seit dem Ende des 2. Weltkriegs geltenden Schutzmaßnahmen für die Hafenarbeiter wurden 1989 unter Thatcher endgültig abgeschafft.