(Vortrag des Leo Trotzki-Kreises - Paris - vom 10. März 2023)
Die Spannungen zwischen den USA und China sind eine Tatsache. Sie nehmen zu, im Chinesischen Meer und um Taiwan herum. Sie kommen zum Ausdruck im Wettrüsten sowohl auf chinesischer als auch auf amerikanischer Seite, in neuen Allianzen, die organisiert werden, als würden die Hauptakteure die Kulisse für die zukünftige Tragödie aufbauen. Sie zeigen sich in militärischen Manövern und Erklärungen, die auf beiden Seiten das Kriegsklima aufrechterhalten und die Eskalation anheizen.
China ist nicht mehr das, was es vor 40 Jahren war. Die imperialistischen Mächte, allen voran die USA, haben China zur Werkbank der Welt gemacht und versucht, Chinas immer größer werdenden Binnenmarkt zu erschließen. Sie haben es China ermöglicht zu einer regionalen Macht zu werden, deren Entwicklung heute unaufhaltsam mit den Interessen derselben imperialistischen Mächte kollidiert, insbesondere mit denen des US-Imperialismus, der seit dem Zweiten Weltkrieg die Welt beherrscht.
Stehen wir am Vorabend eines großen Konflikts, in den China und die USA verwickelt sind? Wir sind keine Hellseher, aber die Dynamik, die den wachsenden Spannungen zwischen China und den USA zugrunde liegt, setzt sich weiter fort, wie eine unaufhaltsame Spirale.
Die Verantwortung der Vereinigten Staaten ist überwältigend. Sie haben seit 70 Jahren die Hand im Spiel. Erst Embargo, dann Öffnung, heute Eindämmung: Seit die Kommunistische Partei Chinas 1949 die Macht übernahm, ist es den USA nicht gelungen, dieses nationalistische Regime zu unterwerfen. Während der Kapitalismus in eine Krise ohne Ende schlittert, können sie die Entstehung einer Macht, die sie nicht kontrollieren können und die in einigen Sektoren und Gebieten mit ihnen konkurriert, nicht tolerieren. Der Krieg, den sie derzeit nur auf dem Gebiet des Handels und der Wirtschaft führen, bereitet die militärischen Konflikte von morgen vor.
Doch die Sackgasse, in der sich die Völker heute befinden, ist auch eine des Nationalismus. Die von Xi Jinping geführte Partei, die in China an der Macht ist, bezeichnet sich als kommunistisch und behauptet sogar, einen "Sozialismus mit chinesischen Merkmalen" aufzubauen. Ihren Namen hat sie aufgrund ihrer Geschichte, die vier Jahre nach der russischen Arbeiterrevolution von 1917 begann und die die Gründer der Kommunistischen Partei Chinas inspirierte. Doch der Verlauf ihrer Geschichte wurde von der stalinistischen Bürokratie in eine bürgerlich-nationalistischen Richtung gelenkt. Schließlich wurde die sozialistische Revolution aufgegeben und versucht, eine nationale kapitalistische Wirtschaft in einer vom Imperialismus beherrschten Welt aufzubauen. Das von Mao und seinen Nachfolgern aufgebaute China ist ein bürgerlicher Staat, der auf der Ausbeutung der chinesischen Arbeiterklasse und der Bauernschaft beruht. Obwohl er unabhängig vom Imperialismus und zeitweise sogar gegen ihn aufgebaut wurde, stößt er heute an die Grenzen, die der Imperialismus gesetzt hat. Er stößt auf sie von Großmacht zu Großmacht und hat keine andere Perspektive für sein Überleben als eine neue Ära der Barbarei.
1949 - 1971,Chinas unter dem Embargo
Ein Jahrhundert der Erniedrigung
Um seine nationalistische und autoritäre Politik zu rechtfertigen, zögert Xi Jinping nicht, der Bevölkerung die Demütigungen ins Gedächtnis zu rufen, die die imperialistischen Mächte China über ein Jahrhundert lang, von den 1840er Jahren bis zur chinesischen Revolution von 1949, zugefügt haben. Das chinesische Kaiserreich, das damals von der Qing-Dynastie beherrscht wurde, war ein riesiger Staat, der bevölkerungsreichste der Welt. Die Bürokratie und die Feudalherren beuteten dort hunderte Millionen landloser Bauern aus. Das Jahrhundert der Erniedrigung begann 1840, als die Armeen des englischen und später des französischen Imperialismus mit Kanonenschüssen das chinesische Reich für den Opiumhandel öffneten. In diesem Opiumkrieg wurde das chinesische Kaiserreich besiegt und die westlichen Diplomaten konnten, gestützt auf ihre Militäreinheiten, China regieren, damit ihre Wucherer es plündern und aushungern konnten.
Nachdem sie die herrschende Dynastie unter Vormundschaft gestellt hatten, schützten die Streitkräfte dieser imperialistischen Koalition sie bis 1911 vor Volksaufständen, die das Land 70 Jahre lang immer wieder erschütterten. Es war die Zeit der westlichen Kanonenboote, die flussaufwärts fuhren, um die aufständische Bevölkerung zu massakrieren. Die Dynastie stürzte schließlich und 1911 wurde in Nanjing von einem Nationalisten Sun Yat Sen, die Republik ausgerufen. Doch weder er noch seine Partei, die Kuomintang, erbte die Macht in der neuen Republik.
Tatsächlich machte der Zusammenbruch der Dynastie Platz für eine Reihe von Militärcliquen, die sich in Peking abwechselten. Was die "Einheit Chinas" betrifft, so war diese mehr denn je eine Fiktion. Von 1917 bis 1927 verwüsteten mehr als 1500 Militärführer, kleine und große Kriegsherren, das Land. Der Westen passte sich der Situation an. Bei jeder neuen revolutionären Bedrohung, bei jeder Erschütterung der Macht blockierten die westlichen Kanonenboote die Häfen und ihre Soldaten gingen an Land. Sie ließen protestierende Studenten oder Streikende erschießen oder erschossen sie auch selber und warteten, welche neue Clique die alte an der Macht ersetzen würde, um mit ihr die nächsten niederträchtigen Abkommen zu treffen.
Doch ab 1923 wuchsen die bürgerlich-nationalistische Bewegung und die Arbeiterbewegung gemeinsam mit außerordentlicher Geschwindigkeit, was größtenteils auf die Erfolge der Russischen Revolution zurückzuführen war. Zweifellos reifte eine ähnliche Revolution heran, wie sie Russland 1917 erlebt hatte. Zwei Jahre lang, von 1925 bis 1927, erhoben sich Zehntausende und später Hunderttausende Arbeiter. Als Reaktion auf die Erschießungen der Westmächte demonstrierten und streikten sie und legten monatelang Großstädte wie Kanton und Hongkong lahm. Die Arbeiter und die Bauern, die sich nun ebenfalls auflehnten, setzten ihre Hoffnungen zunehmend auf eine soziale Revolution, die diebesitzenden Klassen - chinesische wie ausländische - hinwegfegen und ihre jahrhundertelange Unterdrückung beenden sollte. Die Kommunistische Partei Chinas, die 1921 von einer Handvoll Intellektueller gegründet wurde, organisierte in kurzer Zeit Tausende Arbeiter in Kanton und Shanghai, die in die Fußstapfen der russischen Arbeiterrevolution traten. Doch die Entartung des sowjetischen Arbeiterstaates, die aus seiner Isolation in einem rückständigen Land resultierte, griff auf die Dritte Internationale über – auf jene Internationale, die die kommunistischen Parteien der ganzen Welt organisierte. Ab dem Moment, als Stalin die Führung übernahm, begannen diese kommunistischen Parteien, die Ideen, auf die sie sich gestützt hatten, zu verraten. In China musste sich die junge Kommunistische Partei unter dem Vorwand, dass die Revolution laut Stalin zuerst bürgerlich sein müsse, mit der Kuomintang, der bürgerlich-nationalistischen Partei, verschmelzen. Die Internationale stellte der Kuomintang Berater zur Verfügung und half ihr bei der Bildung einer Armee, die 1926 von Kanton aus unter Chiang Kai-Sheks Führung ihren Marsch nach Norden und zur Macht antrat.
Die chinesische Bourgeoisie in Shanghai und Peking war aber über die Volksaufstände, die den Marsch der Kuomintang-Armee begleiteten, äußerst beunruhigt. Sie hatte gesehen, wie aus Streiks Generalstreiks wurden, und in Shanghai kam es nun zum Arbeiteraufstand. Ihre Interessen standen ebenso auf dem Spiel wie die der ausländischen Kapitalisten, die sich in ihren Stadtvierteln verbarrikadiert hatten. Doch alle wurden bald beruhigt. Als Chiang Kai-Shek 1927 in Shanghai ankam, wo Arbeiter und Kommunisten die Macht ergriffen hatten, um sie ihm zu übergeben, schloss er einen Deal mit englischen, amerikanischen und französischen Bankiers und Geschäftsleuten. Er ließ Tausende von Arbeitern und Aktivisten erschießen. Das Massaker von Shanghai leitete eine lange Periode des weißen Terrors ein, in der die Fortschritte der nationalistischen Armee von nun an mit den Massakern an den roten Bauern und Arbeitern einhergingen. Die ausländischen Mächte hatten endlich ihren neuen starken Mann in China, Chiang Kai-Shek, und die kommunistische Gefahr war gebannt. Es blieben, so sagten chinesische Bourgeois und Diplomaten, nur noch ein paar vereinzelte Banditen auf dem Land übrig. Die proletarisch-kommunistische Bewegung, die der chinesischen Bourgeoisie so viel Angst gemacht hatte, war in der Tat auf ein paar kleine, zersplitterte Truppen unter der Führung eines gewissen Mao Zedong geschrumpft.
Um es mit den Worten von Harold Isaacs zu sagen, der diese Revolution beschrieb: Die Niederlage der Arbeiter 1927 war eine Tragödie, und zwar auf mehreren Ebenen. Unter dem Vorwand, die Feudalherren und den Imperialismus zu besiegen, hatte Stalin die chinesischen Arbeiter und Bauern gezwungen, sich hinter die Bourgeoisie und ihre nationalistische Partei zu stellen. Und das obwohl die russische Revolution gezeigt hatte, dass eine solche Politik eine Sackgasse ist. In Russland hatten die Arbeiter 1917 bewiesen, dass sie, obwohl sie wie in China in der Minderheit waren, die einzige soziale Kraft waren, die die Gesellschaft aus dem Feudalismus herausführen und sich dem Imperialismus entgegenstellen konnte. Dazu hatten sie die Bourgeoisie stürzen müssen, indem sie mithilfe der Bauern die Macht übernahmen. Der Sieg der russischen Sowjets hätte der Beginn einer Revolution
sein können, die, wenn sie die Arbeiterklasse in den westlichen Ländern mitgerissen hätte, zum weltweiten Sturz des Kapitalismus geführt hätte. Nach den revolutionären Niederlagen von 1919 bis 1923 in Deutschland und 1919 in Ungarn hätte die proletarische Revolution in China für die Arbeiter auf der ganzen Welt eine Ermutigung sein können, erneut zum Angriff überzugehen. Sie hätte auch die russische Arbeiterklasse wieder gegen die stalinistische Bürokratie mobilisieren können. Stattdessen stärkte die Niederlage deren Diktatur.
Eine weitere Folge der Niederlage der Arbeiter 1927 war, dass die Kommunistische Partei ihren Charakter änderte. Die Repressionen und ihre Isolation von der Arbeiterklasse verwandelte sie in eine radikale nationalistische Partei. Von diesem Zeitpunkt an war sie nur noch dem Namen nach eine kommunistische Partei. Mao, der ihre Führung übernommen hatte, richtete ihre Politik auf die Errichtung von Militärstützpunkten auf dem Land aus. 1932 schrieb Trotzki: "Die Mehrheit der gewöhnlichen Kommunisten in den Roten Armeen besteht aber unzweifelhaft aus Bauern, die sehr ehrlich und aufrichtig den Namen der Kommunisten annehmen, jedoch in Wirklichkeit nur revolutionäre Pauper oder revolutionäre Kleinbesitzer bleiben. [...] Unter den kommunistischen Führern der Roten Truppen, gibt es zweifellos nicht wenig deklassierte Intellektuelle und Halbintellektuelle, die keine ernsthafte Schule des proletarischen Kampfes durchgemacht haben. Im Laufe von 2-3 Jahren führen sie das Leben von Partisanenkommandeuren und Kommissaren, führen Krieg, besetzen Gebiete…" [Leo Trotzki, 1932: Der chinesische Bauernkrieg und das Proletariat].
Die roten Armeen, die sich in diesen Jahren bildeten, unterschieden sich von denen der Kriegsherren nur dadurch, dass sie die Bauern, von denen sie lebten, mehr respektierten – eine Möglichkeit, länger geduldet zu werden. Sie wurden gejagt und hatten schließlich in einer abgelegenen Provinz im Norden Zuflucht gefunden, als der japanische Imperialismus 1937 in China einmarschierte. Angesichts der japanischen Besatzung trafen Mao und Chiang eine Vereinbarung. Die Kommunistische Partei Chinas verzichtete offiziell darauf, die Kuomintang gewaltsam zu stürzen. Die Rote Armee wurde reorganisiert und unter dem Namen Achte Marscharmee unter die direkte Kontrolle des Regionalkommandos der Kuomintang gestellt. Der Krieg gegen den japanischen Imperialismus sollte das Sprungbrett der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) zur Macht werden.
Der Krieg führt zu einem Wechsel der Machthaber
In dieser Zeit wurde die Rolle des US-Imperialismus in China entscheidend. Vor dem Zweiten Weltkrieg waren der französische, deutsche und englische Imperialismus dort stark vertreten. Ab 1940 waren Frankreich und England aus dem Rennen. Die einzigen beiden, die noch präsent waren, waren das mit Deutschland verbündete Japan und die USA, die sich gegenüberstanden und um die Weltherrschaft kämpften.
Tatsächlich sparten die USA nicht mit Militärhilfe für die Kuomintang, die einzige Regierung, die auch von der UdSSR anerkannt wurde. Die kommunistischen Truppen hingegen erhielten keinerlei Unterstützung, weder von den USA noch von der Sowjetunion. Sie mussten sich mit den Waffen begnügen, die sie dem Feind abgenommen hatten. Trotzdem schrumpften die von den Nationalisten kontrollierten Gebiete bis zur Kapitulation Japans vor den USA im Jahr 1945, während sich die von Maos Truppen gehaltenen befreiten Gebiete nach und nach ausdehnten. Die kommunistischen Truppen umfassten 1945 fast eine Million Soldaten und doppelt so viele Milizionäre. Sie waren eins mit der Bevölkerung. Es war das erste Mal, dass der chinesische Bauer eine Armee sah, die nicht von Raubzügen und Plünderungen lebte, sondern zwischen den Kämpfen auf dem Feld arbeitete und sich so weitgehend selbst versorgte.
In der nationalistischen Zone war das Regime nicht nur bei der Bauernschaft verhasst, die dort unter Steuern und Requirierungen erstickte, sondern sogar bei breiten Teilen der Bourgeoisie, denen Chiang Kai-Sheks Diktatur zu erdrückend geworden war und die sie als Synonym für Korruption, Bestechung und Einflussnahme empfanden. Zu diesem Parasitentum kam eine offenkundige militärische Ineffizienz – die Kuomintang-Bürokratie verkaufte sogar Waffen auf dem Schwarzmarkt weiter, die sie von den USA erhalten hatte. Es war eine Armee, in der die Offiziere das Prügeln der Soldaten, der armen Bauern, als ihr Privileg betrachteten", eine Armee, die "keine Seele hatte" – wie Jack Belden es in seinem Buch China erschüttert die Welt ausdrückt.
Die Revolution von 1949
Das Ende der japanischen Besatzung löste eine wahre Bauernrevolution aus. Maos KP übernahm nach langem Zögern die Führung. Während Mao, um die sogenannten patriotischen Herren nicht zu verprellen, als Agrarprogramm nur einige moderate Maßnahmen zur Senkung der Pachtpreise hatte, vertrauten die Bauern immer mehr den roten Partisanen, die sie respektierten und die sie in der Selbstverteidigung gegen die japanischen Besatzer unterrichteten. Diese Besatzung war in Nordchina grausam gewesen. Die Feudalherren hatten sich zu willigen Vollstreckern der japanischen Übergriffe gemacht. Die Bauern, die sich monatelang gebeugt hatten, lehnten sich jetzt auf – auch gegen die Feudalherren. Aber wie Jack Belden berichtet: "Die Kommunistische Partei warf die Flinte ins Korn ... Die Forderungen der Bauern nahmen an Intensität zu. Der Winter 1946 kam und ging. Immer noch keine Entscheidung. Der Frühling kam. Die Kommunisten zögerten noch immer [...] Ein Schritt zurück, Frieden mit den Feudalherren; ein Schritt vor, Krieg gegen das Feudalregime."
Tatsächlich war die KPCh immer bereit, mit Chiang Kai-Shek zu verhandeln; ihre einzige wirkliche Forderung war eine Koalitionsregierung, eine Position, die vom US-Imperialismus lange unterstützt wurde. Es war Chiang Kai-Shek, der den Bruch vollzog. Er war besorgt, dass die KPCh an Stärke und Einfluss zunehmen würde. Die Bourgeoisie hingegen hielt es nicht mehr aus. Jack Belden berichtet von einem aus der nationalistischen Zone geflohenen Chef von 3.000 Arbeitern, der "die Agrarrevolution befürwortete, weil die Industrie ohne sie nicht wachsen kann" und nicht verstand, "warum Amerika absichtlich den Krieg aufrechterhielt, indem es Chiang Kai-Shek half". Auf internationaler Ebene bewegten sich die USA auf einen Abbruch der Zusammenarbeit mit der UdSSR zu. Das waren die Anfänge des Kalten Krieges. All dies gab Mao für den Ausschlag. "Im Sommer 1946 überbrachten Kuriere den Kommissaren den Befehl: Teilt das Land auf. Die Würfel waren gefallen. Die Kommunistische Partei hatte gewählt". Sehr schnell wurden die von der Bevölkerung verhassten Kuomintang-Armeen geschlagen und aufs Meer zurückgedrängt. Chiang Kai-Shek flüchtete mit mehreren zehntausend Männern nach Taiwan.
So waren nach Maos Sieg die imperialistischen Mächte vom chinesischen Festland verschwunden. Dieses Ergebnis war nicht nur die Folge des Kampfes des chinesischen Volkes, sondern auch eine Nachwirkung des Zweiten Weltkriegs. Die imperialistischen Mächte hatten sich gegenseitig verschlungen und sich damit schließlich auch in China gegenseitig vernichtet.
Das alte China war tot, und zwar sehr tot. Aber die Kommunistische Partei Chinas war keine revolutionäre proletarische Partei. Sie misstraute den Arbeitern, die sie sorgfältig von der Bauernrevolution fernhielt. Wie Trotzki schon 1932 ahnte, waren die kommunistischen Kommandeure beim Einmarsch in die Städte "vor allem geneigt, auf die Arbeiter von oben herab zu blicken" und ihre Forderungen als "unzeitgemäß und unpassend " zu betrachten [Leo Trotzki, 1932: Der chinesische Bauernkrieg und das Proletariat]. Die Ausweitung der Revolution, die Weltrevolution war nicht das Anliegen der Kommunistischen Partei, die auf den Schultern der aufständischen Bauern an die Macht gekommen war. Ihr ging es um den Aufbau einer nationalen Wirtschaft, die der Bevormundung durch den Imperialismus widerstand und der chinesischen Bourgeoisie das Überleben ermöglichte. Im Grunde war es die Fortsetzung des Traums des Nationalisten Sun Yat Sen, der Traum einer bürgerlichen nationalen Revolution, die jedoch bald auf den Widerstand der chinesischen Bourgeoisie selber und des Imperialismus stieß.
Taiwan, ein Geschöpf des Imperialismus
Zwar waren die USA mit den Nationalisten vom chinesischen Festland vertrieben worden, doch eine Karte blieb ihnen noch: Taiwan, das zu ihrem regionalen Standbein, ihrem Vorposten wurde.
Taiwan ist eine kleine Insel mit einer Fläche von 30 000 km², die weniger als 200 km vor der Südostküste Chinas liegt und heute von etwas mehr als 23 Millionen Menschen bewohnt wird. Die Insel wurde lange Zeit vom kaiserlichen China regiert, bevor sie 1895, nach dessen Niederlage gegen den entstehenden japanischen Imperialismus, zu einer Kolonie Japans wurde.
Ab 1945 baute der US-Generalstab Taiwan zu einem Militärstützpunkt aus und rüstete und trainierte die Kuomintang-Divisionen, die auf das Festland geschickt worden waren, um den Vormarsch von Maos Truppen aufzuhalten. Zunächst begrüßte die Inselbevölkerung den Abzug der japanischen Kolonialherren mit Erleichterung. Doch der Kuomintang-Apparat verhielt sich wie auf dem chinesischen Festland und war einzig und allein davon getrieben, sich die Taschen zu füllen, indem er sich an den Einwohnern bereicherte.
Daraufhin begann am 27. Februar 1947 ein Aufstand gegen die Kuomintang. Er dauerte zwei Wochen und wurde niedergeschlagen. Eine Woche lang, Tag und Nacht, führten die Kuomintang-Truppen Exekutionen wie am Fließband durch und erschossen alle, die sich ihnen in den Weg stellten. Zwischen 10.000 und 30.000 Menschen starben. So konnte die Insel 1949 unter dem Schutz der US-Truppen zum letzten Zufluchtsort der nationalistischen Truppen werden.
In den 1950er und 1960er Jahren gab es mehrere Zwischenfälle mit China wegen kleiner Inseln rund um Taiwan. Die USA hatten sich jedoch für den Status quo entschieden. Sie wollten sich nicht wegen ein paar Kieselsteinen in ein militärisches Abenteuer verwickeln lassen. Sie hatten Taiwan auferlegt, im Falle eines chinesischen Angriffs auf diese Inselchen keine militärischen Operationen ohne vorherige Zustimmung der USA durchzuführen.
Auf Taiwan herrschte vierzig Jahre lang weißer Terror. 140.000 Menschen wurden wegen ihrer Sympathien für die Kommunistische Partei Chinas oder ihrer Opposition gegen die nationalistische Regierung inhaftiert. Zwischen 3.000 und 4.000 von ihnen wurden hingerichtet. Und die Insel wurde zu einem Straflager für die Arbeiterklasse. Das Kriegsrecht wurde erst 1987 aufgehoben, was es dem Regime ermöglichte, sich ab den 1990er Jahren eine demokratische Fassade aufzubauen.
Die USA finanzierten zu einem großen Teil die Entwicklung der lokalen Bourgeoisie und ihrer Industrie. Milliarden an direkten Subventionen kamen zu der Militärhilfe und den Einnahmen aus dem Vietnamkrieg hinzu, in dem Taiwan als Rückzugsgebiet für die US-Truppen diente. So machte der US-Imperialismus die von nationalistischen Gangstern regierte Insel zur Fackel des Kampfes der "Demokratie" gegen den "totalitären Kommunismus".
Der Imperialismus verhängt ein Embargo über China
Auf dem chinesischen Festland setzte sich Mao Zedong zum Ziel, das Land zu modernisieren und die chinesische Wirtschaft auf bürgerliche Art und Weise zu entwickeln. Daraus machte er auch keinen Hehl. 1945 erklärte er beispielsweise: "Da die Revolution nicht gegen die Bourgeoisie im Allgemeinen, sondern gegen die imperialistische und feudale Unterdrückung gerichtet ist, ist das Programm der Revolution nicht die Abschaffung des Privateigentums, sondern der Schutz des Privateigentums im Allgemeinen; diese Revolution wird den Weg für die Entwicklung des Kapitalismus ebnen."
Wenn das chinesische Regime auch gezwungen war, Unternehmen zu verstaatlichen, so geschah dies also nicht, weil es proletarisch war, sondern weil es keine andere Wahl hatte. Im Jahr 1949 war China immer noch ein rückständiges Agrarland. Die chinesische Bourgeoisie waren im Wesentlichen Kompradoren, bloße Vermittler im Handel mit dem Imperialismus. Die magere nationale Industrie war einfach, technisch rückständig oder aus dem Ausland importiert worden. Und nach fast 20 Jahren Krieg und Revolution war ein Teil davon zerstört. Die Bourgeoisie war also äußerst schwach und die Wirtschaft ziemlich ruiniert. Der US-Imperialismus sollte die Lage noch verschlimmern. Seine Politik seit 1947 und dem Beginn des Kalten Krieges war die des "containment". Es ging darum, eine Ausweitung der Einflusssphäre der UdSSR zu verhindern. Der Ausbruch des Koreakriegs im Juni 1950 und die chinesische Beteiligung auf Seiten Nordkoreas lieferten ihm einen Vorwand, um China eine wirtschaftliche und politische Blockade aufzuerlegen, die über 20 Jahre lang andauern sollte.
Das mit einem Embargo belegte China musste den Großteil seiner Ressourcen und Produktionsmittel innerhalb seiner nationalen Grenzen finden. Auf internationaler Bühne wurde ihm jedes Recht auf Meinungsäußerung und Vertretung verwehrt. In den Vereinten Nationen wurde sein Sitz von Taiwan eingenommen, das damals acht Millionen Einwohner hatte, während die Volksrepublik 500 Millionen Einwohner zählte.
An der Macht stellte die KPCh, wie schon während des Bürgerkriegs, die "nationalpatriotischen" Kapitalisten auf ein Podest. Die Aktionäre der Unternehmen erhielten Dividenden, die per Verordnung festgelegt wurden. Das Hauptproblem waren die Kapitalisten selbst. Diejenigen, die nicht geflohen waren, hinterzogen im großen Stil Steuern, sabotierten staatliche Aufträge und zahlten gleichzeitig Bestechungsgelder an die, die sie brauchten. Kurzum, die Bourgeoisie verhielt sich so, wie sie sich überall verhält, und machte eine nennenswerte nationale Entwicklung in jedem Fall unmöglich.
So sah sich das Regime, das das Land trotz des Embargos aus der Unterentwicklung herausführen wollte, 1955 dazu veranlasst, Industrie- und Handelsunternehmen zu verstaatlichen, im Grunde genommen aufzukaufen. Es stieß dabei kaum auf Widerstand. Die Leitung der verstaatlichten Unternehmen wurde häufig den ehemaligen Eigentümern übertragen, die zu "patriotischen nationalen Kapitalisten, die mutig den Weg des Sozialismus beschreiten" erhoben wurden.
Mehr als zwanzig Jahre lang war es also der Staat, der den Großteil der Wirtschaftstätigkeit organisierte und große Fortschritte ermöglichte, und zwar auf Kosten der riesigen chinesischen Bauernschaft, die noch Ende der 1970er Jahre drei Viertel der Bevölkerung ausmachte. Die Landwirtschaft, die in den 1950er Jahren kollektiviert worden war, wurde etwas modernisiert, die Erträge wurden gesteigert. Auf dem Land und in den Fabriken herrschte ein gewisser Egalitarismus, allerdings vor dem Hintergrund allgemeiner Armut. Auf dieser Grundlage wuchs die Industrie von einem sehr niedrigen Niveau aus um durchschnittlich 9% pro Jahr, wobei Grundstoffindustrien wie die Stahlindustrie ausgebaut wurden. Der Anteil der Chinesen, die lesen und schreiben konnten, stieg von 20 % im Jahr 1949 auf 75 % im Jahr 1978, und die Lebenserwartung stieg im selben Zeitraum von 38 auf 64 Jahre. Kurz gesagt: Entgegen dem, was die westlichen Kommentatoren in einem Fort behaupten, hat der Staat die Entwicklung Chinas nicht gebremst, sondern im Gegenteil ermöglicht. Er ermöglichte in gewisser Weise eine primitive Akkumulation, die die Grundlage für die weitere Entwicklung wurde.
(Begrenzte) Sowjetische Hilfe
Bei dieser primitiven Akkumulation spielte die sowjetische Hilfe eine wichtige Rolle. In der ersten Hälfte der 1950er Jahre waren die chinesisch-sowjetischen Beziehungen von Zusammenarbeit geprägt. Davon zeugen die zahlreichen wirtschaftlichen und industriellen Entwicklungsprojekte und die Entsendung Tausender sowjetischer Techniker nach China. Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern, die vom "großen Bruder" Sowjetunion abhängig waren, hatte China jedoch die Mittel, sein eigenes Spiel zu spielen. Es unterstützte die Viet Minh im Indochinakrieg gegen Frankreich und schickte zwischen 1950 und 1953 über eine Million "Freiwillige" in den Koreakrieg, um auf der Seite Nordkoreas zu kämpfen, während die UdSSR ihre Vereinbarungen mit den USA auf dem Rücken des koreanischen Volkes respektierte.
Die Beziehungen zwischen China und der UdSSR spannten sich nach Stalins Tod 1953 an, als Chruschtschow, der aus den USA zurückkehrte, begann, für eine "friedliche Koexistenz" zwischen dem US-Imperialismus und der UdSSR zu werben. Die Chinesen befürchteten, dass die UdSSR sie fallen lassen würde, um sich den USA annähern zu können. Im Juli 1960 wurden die sowjetischen Berater in die UdSSR zurückgerufen. 1962 warf China der UdSSR vor, während der Kuba-Krise vor den USA kapituliert zu haben. 1963 wurden die diplomatischen Beziehungen zwischen China und der UdSSR offiziell abgebrochen und zu allem Überfluss erlaubte sich China, 1969 einen Krieg gegen die UdSSR wegen ihrer Grenze in der Mandschurei zu führen.
Der Bruch zwischen den beiden Ländern schien ein ideologischer Konflikt zwischen zwei Strömungen in der sogenannten kommunistischen Welt zu sein. In Wirklichkeit lagen die Ursachen der Krise im Wesen der beiden Mächte. Auch wenn sich beide Regime als kommunistisch bezeichneten, waren es weder das eine noch das andere. Beide Staaten vertraten die Interessen der privilegierten Klassen und Schichten in ihren eigenen Ländern. Die UdSSR war das Ergebnis einer Arbeiterrevolution, die von einer riesigen Bürokratie verraten wurde. Maos China war aus einer bürgerlichen nationalen Revolution hervorgegangen. Und die Interessen der beiden Staaten stimmten nicht überein. Solange die USA den Kalten Krieg gegen die UdSSR führten und ein Embargo gegen China verhängten, konnten die beiden Regime kooperieren. Doch der Versuch einer Annäherung zwischen der UdSSR und den USA, der zu dieser Zeit unternommen wurde, konnte nur auf Kosten Chinas gehen.
Aus diesen Gründen stellte sich China gegen die UdSSR. Und man konnte darauf wetten, dass es seinen Ton schnell ändern würde, wenn die Amerikaner China Avancen machen würden – was nach dem Krieg gegen die UdSSR in der Mandschurei auch nicht lange auf sich warten ließ.
1971 - 2011, das amerikanische Engagement
1971, der Wendepunkt in der US-Politik
Im Gegensatz zu dem, was uns oft erzählt wird, ist Chinas Weg aus der Isolation nicht auf einen Wendepunkt in der chinesischen Politik nach dem Tod Mao Zedongs im Jahr 1976 zurückzuführen. Vielmehr handelte es sich um eine Wende in der Politik der USA, die im Übrigen schon zu Lebzeiten Mao Zedongs Ende der 1960er Jahre stattfand.
Durch den langen Krieg, den die USA in Vietnam führten, war der Staat in einen Sumpf geraten, aus dem er nicht mehr herauskam und der ihm immer mehr innenpolitische, wirtschaftliche und politische Probleme bereitete, darunter die Revolte der Jugend und der Schwarzen. Vietnam war verloren, aber ein überstürzter Rückzug hätte für andere Völker das Signal zur Revolte sein können. Um die Völker in ihrer Einflusssphäre zu halten, konnten sich die USA nicht mehr allein auf ihre militärische Stärke verlassen. China hatte genug Gewicht und Einfluss, um andere Völker an der Leine zu halten. Mit seiner Unterstützung konnten die USA hoffen, aus dem vietnamesischen Sumpf herauszukommen, ohne dass sich andere Völker berechtigt fühlten, sich ihrerseits zu emanzipieren.
Die USA wussten, dass eine Einigung mit Peking möglich war, weil sowohl China als auch die UdSSR grundsätzlich immer dazu bereit waren, solange es den globalen Status quo und damit ihre Existenz sicherte. Die USA hatten 1947 die Fäden zu China zerrissen; es war an ihnen, sie wieder zu knüpfen. Und der Bruch zwischen China und der UdSSR zeigte den USA, dass sie sich auf China stützen konnten, indem sie es gegen die UdSSR ausspielten. Daher beschlossen die USA bereits 1969, im Zuge des chinesisch-sowjetischen Krieges, die Beziehungen zu Peking etwas offener zu gestalten. Ab 1971 ersetzten Diplomaten der Volksrepublik China die Diplomaten Chiang Kai-Sheks bei den Vereinten Nationen. Im Februar 1972 besuchte der amerikanische Präsident Richard Nixon China. Mao stellte ihm keine Bedingungen in Bezug auf Taiwan. Das chinesische Regime war in der Tat in die Enge getrieben. Die Wirtschaft befand sich in einer Sackgasse, die "proletarische Kulturrevolution", die einige Jahre zuvor eingeleitet worden war, um Maos Kontrolle über die KPCh zu bekräftigen, war eine Katastrophe, die China ausbluten ließ.
Das Treffen von 1972 war ein starkes Signal an die Verbündeten der USA, dass diese nichts mehr gegen offizielle, auch wirtschaftliche Beziehungen zu China einzuwenden hatten.
China zeigte schnell, dass es sich an die Bedingungen des neuen Vertrags halten würde. Es unterstützte die Niederschlagung einer maoistischen Revolte in Ceylon 1971 und unterstützte Pakistan bei der Abspaltung Bangladeschs, wobei es in beiden Fällen eine ähnliche Haltung einnahm wie die USA.
Die große chinesisch-amerikanische Freundschaft
Die Weltwirtschaftskrise in den 1970er Jahren beschleunigte die Annäherung zwischen den beiden Ländern. Im Jahr 1979 nahmen sie offiziell diplomatische Beziehungen auf. Die USA verlegten ihre Botschaft nach Peking. Deng Xiaoping, dem es nach Maos Tod 1976 gelungen war, die Macht zu übernehmen, unternahm im Januar 1979 eine Reise in die USA, auf der er die offizielle wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern einleitete: Hunderte von gemeinsamen Forschungsprojekten wurden ins Leben gerufen und im Laufe des Jahres 1979 wurde ein erstes bilaterales Handelsabkommen unterzeichnet. Deng Xiaoping erschien auf der Titelseite von Time als Mann des Jahres 1978.
Die Politik der USA bestand darin, China für ihre Zwecke zu nutzen. Da die Weltwirtschaft seit Mitte der 1970er Jahre von einer Krise heimgesucht wurde, waren die westlichen kapitalistischen Mächte entschlossen, die Profitraten wieder zu steigern, indem sie viele Standard-Produktionen in Niedriglohnländer auslagerten.
Darüber hinaus versprach die Öffnung Chinas den westlichen Unternehmen einen riesigen, unberührten Markt, der von den amerikanischen Bankern und Industriellen bereits 1979 als "Markt des Jahrhunderts" gesehen wurde. Jeder träumte davon, jedem Chinesen Waren im Wert von einem Dollar zu verkaufen. Während sich die Exporte der USA nach China 1977 auf 172 Millionen Dollar beliefen, erreichten sie 1978 bereits eine Milliarde Dollar – für Haushaltsgeräte, Konsumgüter, die China nicht herstellen konnte. China hingegen exportierte Öl und Textilien.
In den 1980er Jahren tauschten China und die USA im Rahmen einer ständig wachsenden Zusammenarbeit zahlreiche Geheimnisse aus, darunter auch militärische und technologische. 1984 behauptete Ronald Reagan, ein notorischer Antikommunist, in Peking gegenüber dem chinesischen Premierminister: "Wir haben uns verpflichtet, Freunde zu sein", und er fügte hinzu, so erstaunlich das auch klingen mochte: "Dieses Versprechen ist solide." Alle chinesischen Führer schickten ihre Kinder zum Studium an die besten amerikanischen Hochschulen, und in den höchsten Kreisen Chinas war es Mode, seinen Kindern einen amerikanischen Vornamen zu geben.
Die Wirtschaftsreformen in China wurden langsam und stückweise umgesetzt. Durch die Wiedereinführung des Marktes auf dem Land und die Überführung des kollektivierten Bodens in den Privatbesitz der Bauern zwischen 1978 und 1984 begann eine Schicht von Bauern, reich zu werden und Land in ihren Händen zu konzentrieren. Einige begannen mit kommerziellen und industriellen Aktivitäten, indem sie kleine Unternehmen auf dem Land gründeten. Diese Wirtschaftsreformen und das amerikanische Sponsoring waren für die ausgewanderte chinesische Bourgeoisie, die Diaspora, das Signal, dass es möglich war, in die Heimat zurückzukehren und dort riesige Gewinne zu machen. Die meisten Diaspora-Chinesen waren Emigranten aus Südchina, insbesondere aus den Städten des Perlflussdeltas um Kanton und nicht weit von Hongkong entfernt. Sie waren Anfang des 20. Jahrhunderts oder 1949 ausgewandert. 1992 zählte die Diaspora 50 Millionen Menschen, von denen 17 Millionen in Taiwan, 5 Millionen in Hongkong, 2 Millionen in den USA lebten.
Um die Diaspora aus Hongkong anzulocken, eröffnete Deng Xiaoping zwei der ersten vier Sonderwirtschaftszonen (SWZ) in Guangdong, direkt jenseits der Grenze. Ihre Mitglieder genossen eine privilegierte Behandlung. Die Löhne in den Sonderwirtschaftszonen waren 1978 zehnmal niedriger als in Hongkong, die Grundstücke dreimal billiger. Zollbefreiungen und Steuererleichterungen für Personen und Gewinne überzeugten die ausgewanderten Bourgeois davon, ihre Industrien dorthin zu verlagern und ihre neuen Investitionen dort anzusiedeln. So beschäftigte die Hongkonger Industrie 1992 800.000 Menschen in Hongkong selbst und 2,5 Millionen in Guangdong. Die taiwanesische Industrie siedelte sich in der Sonderwirtschaftszone Fujian an, die auf der anderen Seite der Taiwanstraße liegt. Anfang der 1990er Jahre kamen zwei Drittel der ausländischen Investitionen in China von der Diaspora, viele davon in der Textil- und Schuhindustrie. Kurz gesagt, die Bourgeoisie kehrte in ihre Heimat zurück.
Diejenigen Kapitalisten, die sich im chinesischen Staat auskannten oder über ein entsprechendes Netzwerk (auf Chinesisch guanxi) verfügten, waren besonders im Vorteil. Sie fungierten als Mittelsmänner für viele westliche Kapitalisten. Sie dienten aber auch als Strohmänner für viele Mitglieder der chinesischen Führungsschicht, die das Geld, das sie in China veruntreuten, in den Sonderwirtschaftszonen wiederverwerteten, wobei das gewaschene Geld als ausländische Investition mit vielen Vorteilen zurückkehrte. Ein Journalist schätzte 1993, dass in den drei Jahren von 1990 bis 1992 zwischen 30 und 40 Milliarden Dollar auf diese Weise umgeschichtet wurden.
Vor allem Hongkong war für die chinesische Führung – insbesondere für die Oberhäupter der Provinzen und Kommunen – der Ort, um ihre unlauteren Geschäfte abzuwickeln und eine Lehre im modernen Kapitalismus zu absolvieren. Diese Chinesen aus den oberen Etagen des chinesischen Staatsapparats oder ihre Kinder integrierten sich in das Leben vor Ort, heirateten dort und wurden in die örtlichen Niederlassungen chinesischer Unternehmen berufen.
Eine Figur, die sich in diesen Jahren herauskristallisierte, war Rong Yiren, der Erbe einer Dynastie Shanghaier Kapitalisten. Obwohl vier seiner sechs Brüder China während der Revolution verlassen hatten, blieb er und leitete weiter die Familienunternehmen, selbst als die Regierung 1956 die Kontrolle über sie übernahm. Obwohl er nicht der KPCh beitrat, wurde er 1957 zum stellvertretenden Bürgermeister von Shanghai und 1959 zum stellvertretenden Textilindustrie-Minister ernannt.
1979 beauftragte Deng ihn, eine Gesellschaft zu gründen, um ausländisches Kapital anzulocken. Die CITIC, die auf dem Papier staatlich war, funktionierte in Wirklichkeit wie ein kapitalistisches Unternehmen: Sie betrieb eine Bank, die mit den Staatsbanken konkurrierte, ermöglichte Kredite, investierte und importierte Ausrüstung für chinesische Unternehmen und besaß Unternehmen und Niederlassungen im Ausland. Die CITIC wurde zu einem Schlupfwinkel für die Söhne von Würdenträgern, die in Führungspositionen berufen wurden und dort die Gesetze des Marktes, der Akkumulation und des Raubbaus wieder lernten.
Nachdem er Vizepräsident des Nationalen Volkskongresses gewesen war, wurde Rong von 1993 bis 1998 zum Vizepräsidenten Chinas gewählt. In der CITIC trat sein Sohn Larry Yung seine Nachfolge an.
Der Milliardenmarkt
Die ersten Investitionen der chinesischen Diaspora aus Hongkong und Taiwan bewiesen, dass westliche und japanische Kapitalisten von nun an in China Profit machen konnten.
Der chinesische Staat rollte ihnen den roten Teppich aus. Er war sozusagen der Agent des Imperialismus auf chinesischem Boden, führte ihn ein und tat alles, um ihm den Markt und die Profite zu sichern.
Die Automobilindustrie ist ein Paradebeispiel. Die 1955 entstandene Automobilindustrie produzierte 1980 nur 5.000 PKWs pro Jahr. Im Jahr 2000 beschäftigte sie 2 Millionen Menschen und produzierte jährlich über 600.000 PKWs – 100-mal mehr als 20 Jahre zuvor, aber immer noch sehr wenig in diesem riesigen Land.
Im Jahr 1989 wurde der Markt vom chinesischen Staat organisiert und die Produktion auf verschiedene Hersteller aufgeteilt. Einer der ersten ausländischen Investoren war der deutsche Volkswagen-Konzern, der 1985 die SAIC, die Shanghai Automobile Industrial Corporation, als Partner wählte, ein Unternehmen im Besitz der Stadt Shanghai, das bereits Autos herstellte und über ein Netzwerk von Zulieferern und ein Handelsnetz verfügte. Volkswagen erhielt über dieses Joint Venture vom chinesischen Staat 60% des Marktes. Mit Hilfe der chinesischen Behörden hatte Volkswagen eine risikofreie Lösung gefunden.
Der Eintritt multinationaler Konzerne in den chinesischen Markt war für sie daher von Anfang an sehr profitabel. Die mit amerikanischen, europäischen und japanischen Partnern gegründeten Joint Ventures hatten eine viermal höhere Produktivität als der Durchschnitt der chinesischen Industrie und eine mehr als fünfmal höhere Produktivität als die der Staatsunternehmen.
Erst in den 1990er und 2000er Jahren jedoch investierten westliche Unternehmen direkt oder indirekt in großem Umfang in China. Im Jahr 2002 waren nicht mehr Taiwan und Hongkong die größten ausländischen Investoren, sondern Japan und die USA. China hatte mit den Steuervorteilen der Sonderwirtschaftszonen und qualifizierten, aber schlecht bezahlten Arbeitskräften einen klaren Wettbewerbsvorteil. In der Automobilbranche zum Beispiel stieg die Zahl der Joint Ventures von 20 im Jahr 1989 auf 600 Ende des Jahres 2000. Natürlich nutzten die chinesischen Unternehmen die Gelegenheit, um Technologien zu erwerben, die sie nicht beherrschten, und holten so einen Teil ihres Rückstands auf, sodass sie heute mit westlichen Automobilunternehmen konkurrieren können. Doch die westlichen Kapitalisten verdienten Milliarden. Sie hatten kein anderes Ziel.
Im Einklang mit ihren Konzernen vertrat die US-Regierung eine Linie, die sie „Engagement" nannte. Mit all der Heuchelei, zu der imperialistische Führer fähig sind, behauptete sie, dass sie den Handel zum trojanischen Pferd machen würde, das China, so Clinton, in „eine verantwortungsvolle Macht“ verwandeln würde, die „nicht nur wirtschaftlich, sondern auch an politischer Reife wächst, bis zu dem Punkt, an dem die Menschenrechte geachtet werden". Dabei ging es ihnen vor allem um die Rechte des reichen, kapitalistischen und noch dazu amerikanischen Menschen.
Tiananmen, aber die Geschäfte gehen weiter
30 Jahre lang, bis in die frühen 2010er Jahre, störte nichts, nicht einmal das Massaker auf dem Tiananmen-Platz, diese übereinstimmenden Interessen zwischen der amerikanischen Bourgeoisie und der wiedererstarkten chinesischen Bourgeoisie. In all diesen Jahren störte sie die Diktatur des chinesischen Regimes nicht.
1989 überschwemmten Studenten- und Arbeiterproteste China. Sie protestierten nicht nur gegen den Mangel an politischen Freiheiten, sondern auch gegen die Inflation und die Korruption des Regimes, die seit der Wiedereinführung des Marktes allgegenwärtig geworden waren. Wochenlang demonstrierten immer mehr Menschen, bis sich das Regime am 4. Juni dazu entschloss, sie auf dem Tiananmen-Platz unter den Ketten seiner Panzer zu zermalmen. In den folgenden Monaten kam es im ganzen Land zu Tausenden von Verhaftungen und Hinrichtungen.
Nach der Niederschlagung der Proteste kündigte Präsident George Bush an, dass er alle Waffenverkäufe und -exporte nach China sowie den Austausch zwischen amerikanischen und chinesischen Militärführern aussetzen werde. Diese Maßnahmen hielten jedoch nicht lange an. George Bush entschuldigte sich sogar in einem Brief an Deng Xiaoping für diese Maßnahmen, die er nur der Form halber hätte ergreifen müssen. Und Henry Kissinger, der Vordenker der amerikanischen Außenpolitik seit den 1970er Jahren, veröffentlichte in der Washington Post vom 1. August 1989 einen Artikel, dessen Überschrift Programm ist. Sie lautet: "Die Karikatur von Deng Xiaoping als Tyrann ist nicht fair". Er schrieb: "Keine Regierung der Welt hätte es geduldet, dass der Hauptplatz der Hauptstadt acht Wochen lang von Zehntausenden Demonstranten besetzt ist... Repressionen waren unvermeidlich." In Wahrheit taten die amerikanischen Unternehmer, die auf dem chinesischen Markt investierten und immer mehr Waren von dort importierten und mit guten Gewinnspannen weiterverkauften, alles, damit sich nichts ändert.
Wie ein chinesischer Verteidigungsminister dreißig Jahre später zynisch formulierte: "Die damals ergriffenen Maßnahmen [...] ermöglichten China Stabilität und Entwicklung". Die Unterdrückung auf dem Tiananmen-Platz unterbrach die erste Phase der Wirtschaftsreformen nur so lange, bis die Proteste vollständig erstickt waren. Nachdem die Arbeiterklasse mundtot gemacht worden war, glaubte der chinesische Staat, freie Bahn zu haben, um sie frontal anzugreifen.
Der chinesische Staat gegen die Arbeiterklasse
Die Offensive gegen die Arbeiterklasse wurde mit der zweiten Phase der Wirtschaftsreformen wieder aufgenommen, die 1992 von Deng Xiaoping selbst eingeleitet wurde. Sie bestand zunächst in der Privatisierung großer Teile der Wirtschaft. Der Staat wollte "die großen Fische behalten und die kleinen ziehen lassen", d. h. nur die kleinen Unternehmen verkaufen. In Wahrheit wurden die meisten Unternehmen verkauft. Bis 2001 waren 86% der staatlichen Unternehmen umstrukturiert und 70% teilweise oder vollständig privatisiert worden. Dieser Prozess ging mit der Entlassung von 30 bis 40 Millionen Arbeitern einher. Innerhalb von sechs Jahren, zwischen 1996 und 2001, wurde die Beschäftigung in der verarbeitenden Industrie um 40% reduziert.
Mit den Arbeitsplätzen in den Staatsbetrieben wurde auch der dortige Status der Arbeiter angegriffen. Bis dahin sicherte der Arbeitsplatz jedem Arbeiter die „eiserne Reisschüssel“ zu: lebenslange Beschäftigung, garantierter und annähernd gleicher Lohn für die Arbeiter, medizinische Versorgung, kleine und karge, aber billige Wohnungen, Schulbildung und das Recht auf eine Rente. Die Arbeiterklasse der Staatsbetriebe stand daher am wenigsten schlecht da. Doch nun wurde sie, die kein Recht auf freie Meinungsäußerung oder gewerkschaftliche oder politische Organisation außerhalb der Parteiorganisationen hatte, massenhaft in die Arbeitslosigkeit entlassen, „freigesetzt“, um unter viel schlechteren Bedingungen in den neuen Privatbetrieben angestellt zu werden.
Trotz der Demoralisierung der Arbeiter nach der Niederlage und Unterdrückung von 1989 gab es Reaktionen, Zehntausende von Streiks, Demonstrationen, Petitionen, Fabrikbesetzungen und Zerstörungen von öffentlichen Gebäuden, Entführungen und sogar Lynchjustiz an Managern. Nicht selten protestierten die Arbeiter im Namen der politischen Interessen ihrer Klasse, indem sie behaupteten, die Arbeiter seien die Herren des Landes, gegen die neue Bourgeoisie, für den Sozialismus und gegen den Kapitalismus. Allerdings explodierte diese Wut nur unkoordiniert.
Die Privatisierungen sorgten für einen raschen Aufstieg der Direktoren staatlicher Unternehmen und der Leiter der örtlichen Regierungsbehörden, die bei der Gelegenheit zu Eigentümern oder Geschäftsführern privater Unternehmen wurden. Einem Bericht aus dem Jahr 2002 zufolge wurden in 95 Prozent der Fälle die Mitglieder der alten Führungsebene zu den Hauptinvestoren oder den neuen Geschäftsführern der privatisierten Unternehmen. Die chinesische Führung versuchte auf diese Weise, sich eine breitere soziale Basis zu verschaffen. Diejenigen, denen dies gelang und die unermesslich reich wurden, waren am engsten mit dem Staatsapparat verbunden. Der Aufstieg von Desmond Shum und seiner Lebensgefährtin Whitney Duan, die zeitweise zu den reichsten Chinesen gehörten, ist typisch. Desmond Shums Familie gehört zu jenen sogenannten patriotischen Kapitalisten, die nach Hongkong auswanderten und dann in die Heimat zurückkehrten, um dort Geschäfte zu machen. Sein Vater vermittelte für das amerikanische Unternehmen Tyson foods in China den Verkauf von Hühnerinnereien, mit denen das US-Unternehmen nichts anzufangen wusste. Whitney Duan, eine Angestellte der Armee, riss sich während der Privatisierung in den 1990er Jahren den Import von Computerausrüstung für die Armee auf eigene Rechnung unter den Nagel. Das Paar konnte jedoch nur dank seiner Beziehungen zur Frau des Premierministers der 2000er Jahre, Wen Jiabao, wirklich hoch aufsteigen. Durch ihre Vermittlung erhielten Shum und Duan profitable Aufträge, darunter den Bau eines Flughafens – Geschäfte, an denen Tante Zhang, die Frau von Wen Jiabao, 20% oder 30% verdiente.
Die herrschende Kaste, die die wirtschaftliche und politische Macht im Zentralstaat und in den Provinzen an sich reißt, besteht in China aus etwa 5.000 Familien. Ein Journalist hat errechnet, dass diese Kaste in den letzten 30 Jahren 2 Billionen US-Dollar angehäuft hat. Unter diesen Familien sollen die Familien der Roten Prinzen, der Nachkommen der Revolutionäre von 1949, die Hälfte der Milliardäre Chinas stellen. Der reichste Mann Chinas war lange Zeit Wang Jianlin. Er ist ein ehemaliger Soldat der Volksbefreiungsarmee, der später in die Immobilienverwaltung wechselte und zusammen mit Bo Xilai, Xi Jinpings Konkurrenten um die Macht im Jahr 2012, die groß angelegte Immobilienkorruption erfand. Er blühte auf dank der Investitionen von hochrangigen Politikern wie Xi Jinping, Hu Jintao und Wen Jiabao. Er soll bis zu 35 Milliarden US-Dollar besessen haben. Hu Jintao, der ehemalige Generalsekretär der KPCh, der im Oktober letzten Jahres von Sicherheitsleuten live im Fernsehen aus dem Parteitag der KPCh herausgeholt wurde, soll nur einen zweistelligen Millionenbetrag besessen haben. Die Familie von Bo Xilai wiederum soll im Laufe der Jahre 6 Milliarden US-Dollar ins Ausland transferiert haben, bevor sie gewaltsam ins Abseits gedrängt wurde.
Die Plünderung dessen, was der Staat in Jahrzehnten angehäuft hatte, war die Grundlage für die Entstehung einer Großbourgeoisie, die heute aus einigen hundert Dollar-Milliardären, mehreren Millionen Millionären und mehreren Dutzend Millionen kleinerer Bourgeois besteht – ein großer Markt für chinesische und westliche Unternehmen.
Diese können auch die Millionen Arbeiter vom Land ausbeuten – Binnenmigranten, die auf der Suche nach besseren Löhnen die ländlichen Gebiete verlassen haben. Denn die Wirtschaftsreformen Anfang der 1980er Jahre haben zwar eine kleine Schicht von Bauern reich gemacht. Ansonsten jedoch haben sich durch sie die Lebensbedingungen auf dem Land sehr schnell verschlechtert. Die Öffnung für den Weltmarkt und die Getreideimporte ließen die Preise für Agrarprodukte sinken. Immer mehr Bauern konnten nicht mehr von ihrer Arbeit leben. Sie wurden in die Sonderwirtschaftszonen gedrängt, um in den Industriegebieten nach Arbeit zu suchen, oft nach einem Gelegenheitsjob. Gab es in den 1970er Jahren einige Millionen dieser Mingong, dieser Wanderarbeiter aus dem Landesinneren, waren es im Jahr 2000 bereits 150 Millionen und 2019 fast 300 Millionen. Sie arbeiten auf Baustellen, als Dienstboten, in "kollektiven" oder privaten Fabriken, in Unternehmen mit ausländischem oder gemischtem Kapital, wobei sie zu Tausenden oder gar Zehntausenden in regelrechen Fabrikgefängnissen konzentriert sind. Es ist diese Arbeitskraft, die der chinesische Staat der chinesischen und westlichen Bourgeoisie zur Verfügung gestellt hat.
In den chinesischen Textil- und Elektronikfabriken wird oft sechs oder sieben Tage die Woche, 10 oder 12 Stunden am Tag, unter schrecklichen Bedingungen, mit höllischem Tempo und für miserable Löhne gearbeitet. Eine Arbeitsmigrantin berichtet, wie man in einer Druckerei in Shenzhen (der Stadt gegenüber von Hongkong, in der eine der ersten Sonderwirtschaftszonen eingerichtet wurde) in der Hitze und den Dämpfen von Chemikalien arbeiten musste, dass der Menstruationszyklus der Frauen nach einigen Monaten unregelmäßig wurde und sie nach einigen Jahren ihre Bewegungen nicht mehr kontrollieren konnten. In Schuhfabriken verloren die Arbeiterinnen durch das Kleben der Sohlen das Gefühl in den Fingerspitzen für immer und viele wurden teilweise oder ganz gelähmt. Es gibt zahlreiche Berichte dieser Art.
Die Menschen starben auch häufig bei Unfällen und es gab viele Selbstmorde in den Fabrikgefängnissen. Im Jahr 2010 geriet Foxconn sogar in die Schlagzeilen, weil es Netze gegen Selbstmorde installierte. Die Profite in China werden wie überall mit dem Blut und Schweiß von Millionen Arbeitern gemacht. All dies sollte sich in den 2000er Jahren noch beschleunigen.
Die Werkbank der imperialistischen Welt
Die chinesischen Behörden feierten ihren Beitritt zur Welthandelsorganisation WTO im Dezember 2001 mit ebenso viel Pomp und Stolz wie sie feierten, dass Peking zum Austragungsort der Olympischen Spiele 2008 erklärt wurde. China wurde als vollwertige Macht anerkannt! Aber dafür haben die USA extrem hohe Zugeständnisse von ihnen erpresst. Der ehemalige WTO-Direktor Pascal Lamy, der an den Verhandlungen mit China beteiligt war, behauptete 2021: "China hat für seinen Beitritt zur WTO einen hohen Preis bezahlt, und zwar weit mehr als andere Länder seiner Kategorie zum damaligen Zeitpunkt." Die Zölle wurden im Durchschnitt um die Hälfte gesenkt, die Dienstleistungsmärkte und der Bankensektor für ausländisches Kapital geöffnet, der Agrarmarkt geöffnet und die Konkurrenz mit europäischen und amerikanischen Getreideproduzenten eingeführt... Die USA holten China in ihre Welt, zu ihren Bedingungen.
Die chinesische Führung hatte ohnehin keine andere Wahl. Die USA hatten nicht nur beschlossen, alles, was sie konnten, in Billiglohnländer auszulagern. Sie hatten auch entschieden, ihren eigenen Markt für immer billiger hergestellte Produkte zu öffnen, was es ihnen ermöglichte, die Löhne der amerikanischen Arbeiter zu drücken, indem sie ihnen billige Produkte verkauften. Und die USA konnten jederzeit den Lieferanten wechseln, wenn die Bedingungen, die sie wollten, nicht mehr gegeben waren. Sie konnten China mit Vietnam, Indien, Indonesien oder Mexiko konkurrieren lassen. Sie konnten ihren Markt ganz oder teilweise gegen China abschotten. China wiederum konnte nicht auf den US-Markt verzichten. Es integrierte sich als Zulieferer für die westliche Industrie in die Weltwirtschaft, indem es seine billigen Arbeitskräfte verkaufte.
Der Beitritt zur WTO beschleunigte den Zustrom von ausländischem Kapital. Ursprünglich betrafen die Standortverlagerungen die Bereiche Spielzeug, Kleidung und die Montage von Fernsehgeräten. Später wurden sie auf immer wettbewerbsfähigere Technologiesektoren wie Computerhardware und Elektronik ausgeweitet. Bis 2010 war China zum zweitgrößten verarbeitenden Land der Welt aufgestiegen, noch vor Japan und hinter den USA. Diese Entwicklung, der Technologietransfer und der technische und wissenschaftliche Fortschritt in China haben zwar dazu geführt, dass viele chinesische Unternehmen mit ausländischen Unternehmen konkurrieren können. Doch diese haben dank China auch Vermögen angehäuft. Im Jahr 2010 blieben von einem Apple iPod, der in den USA für 329 US-Dollar verkauft und aus chinesischen Fabriken importiert wurde, nur 4 US-Dollar in China. Der von den chinesischen Arbeitern produzierte Mehrwert wurde von den westlichen Aktionären an sich gerissen.
Engagement – und gleichzeitig Druck
Parallel zu seinem wirtschaftlichen Engagement hat der Imperialismus immer auch einen gewissen militärischen Druck auf China aufrechterhalten. Die USA haben Taiwan als Standbein in der Region nie aufgegeben. Das erste gemeinsame chinesisch-amerikanische Kommuniqué, das im Februar 1972 in Shanghai unterzeichnet wurde, erkannte an, dass es nur ein China gibt, ließ aber offen, ob dieses China von Taipeh, der Hauptstadt Taiwans, oder von Peking aus regiert werden sollte. Die USA behielten ihre Botschaft in Taipeh bis 1979 bei. Während die US-Regierung ihre diplomatischen Beziehungen zu Peking formalisierte, verabschiedete der Kongress den Taiwan Relations Act, der die USA ermächtigten, Waffen an Taipeh zu verkaufen und es militärisch zu unterstützen. Kurzum, die große Freundschaft zwischen China und den USA war nicht symbiotisch, was die USA immer wieder betonten.
Auf Seiten der chinesischen Führung häuften sich die Widersprüche. Die Öffnung war für sie von größtem Nutzen, aber würde sich China in der Dollarflut auflösen? Würde China wieder unter dem imperialistischen Druck untergehen, wie Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts?
Bis in die 1970er Jahre hatte die Partei alle Macht zentralisiert und herrschte in den Unternehmen. In den frühen 1980er Jahren lockerte die Regierung die Verbindungen der Unternehmen zur KPCh und allgemein die Verbindungen zwischen dem Zentralstaat und den Provinzen sowie zwischen den Provinzregierungen und den Gemeinden, was zu einer allgemeinen Dezentralisierung der Wirtschaft führte. Die Provinzen erhielten finanzielle Autonomie. Die Bürokraten vor Ort konnten ihren Haushalt in Ordnung halten, indem sie die Nutzung des Landes der Bauern an Bauträger verkauften. Es lag an ihnen, dafür zu sorgen, dass der Ärger über Grundstücksgeschäfte und Spekulationen nicht zu große Wellen schlug.
In den Unternehmen wurden die Direktoren für ihre Entwicklung verantwortlich. Ausländische Unternehmen mussten das Ohr der Beamten vor Ort finden, um ihre Geschäfte zu machen. Die Korruption wuchs auf allen Ebenen. Nach der Niederschlagung der Tiananmen-Proteste erhielt die KPCh den Auftrag, in den Staatsbetrieben "einen politischen Kern" zu bilden, um an wichtigen Entscheidungen teilzunehmen und "weitere politische Störungen" zu verhindern. Der Tiananmen-Aufstand und die Arbeiterkämpfe der 1990er Jahre hatten ihnen gezeigt, dass die Einführung des Kapitalismus die Spannungen in der Gesellschaft erhöhte. Aber auch der Fall der Berliner Mauer und der Fall der UdSSR im Jahr 1991, der von den chinesischen Offiziellen als Ergebnis der Schwäche der KPdSU gegenüber den von liberalen Einflüssen geschürten Zentrifugalkräften interpretiert wurde, zeigte ihnen, wie schnell es zu Zersetzung und Zersplitterung kommen kann. Die Mitgliedschaft in der KPCh, die zig Millionen Mitglieder hat – heute sind es fast 100 Millionen – ist notwendig für diejenigen, die Karriere machen wollen. Die Kommunistische Partei bietet den Staatschefs auch direkte und schnelle Hebel, um in der gesamten chinesischen Gesellschaft zu agieren, da ihr Organe de facto eine Verdoppelung des Staatsapparats auf allen Ebenen bedeutet, auch des Unterdrückungsapparats.
Der chinesische Staat versucht, die Kontrolle zu behalten
Obwohl der chinesische Staat der WTO versprochen hatte, China noch weiter für ausländische Kapitalisten zu öffnen, versuchte er, die Kontrolle über eine Reihe von Schlüsselsektoren zu behalten: Energie, Internet, Luft- und Raumfahrt, Telekommunikation und Bankwesen. So waren Joint Ventures nur in einer Reihe von Sektoren möglich: in der Automobilindustrie, im Handel, der Pharmazie, der Gastronomie, der Lebensmittelindustrie. Gleichzeitig versuchte der Staat, Unternehmen hervorzubringen, die mit den westlichen Unternehmen konkurrieren konnten. Imperialistische Länder sprechen in diesem Zusammenhang von Souveränität. Die chinesische Führung tat nichts anderes. Im Jahr 2013 waren 57 chinesische Unternehmen in der Fortune-Liste der 500 größten Unternehmen der Welt vertreten. Fast alle waren in staatlichem Besitz. Sie sind sehr profitabel und haben Quasi-Monopole in den Bereichen Öl, Gas, Atomkraft, Elektrizität, Transport, Telekommunikation, IT und Finanzdienstleistungen.
Viele andere Unternehmen stehen entweder unter direkter staatlicher Kontrolle oder unter der Kontrolle der verschiedenen Ebenen der öffentlichen Körperschaften, der Provinzen, Bezirke und Gemeinden. Und selbst wenn sie privat sind, haben sie oft enge Verbindungen zum Staatsapparat, über ihre Führungskräfte, ihre Aktionäre. Alle diese Unternehmen profitieren von zahlreichen indirekten Subventionen: fast kostenlose Grundstücke, sehr günstige Zinssätze, eine wohlwollende Besteuerung, eine Infrastruktur nach ihren Vorstellungen. Kurzum, viel mehr als die "unsichtbare Hand" des Marktes war es die "gut sichtbare Hand" des Staates, die den wirtschaftlichen Aufschwung der 2000er Jahre ermöglichte.
Die Weltwirtschaftskrise von 2008 verstärkte die staatliche Intervention. Die weltweite Rezession führte zu einem weltweiten Rückgang des Verkaufs industrieller Konsumgüter, der Grundlage, auf der der chinesische Kapitalismus in den letzten zehn Jahren floriert hatte. Um den Auswirkungen der Krise entgegenzuwirken, beschloss das Regime ab 2008 Konjunkturprogramme, die mit denen der USA vergleichbar waren. Das Regime gab Billionen von Dollar für den Bau von Eisenbahnlinien, Flughäfen, Industriegebieten, aber auch Theatern und Museen aus... Der Bau von Infrastruktur und Immobilien wurde zu einem neuen Eldorado für Spekulanten. Die Financial Times schätzte 2015, dass die Hälfte der Investitionen, also 6.800 Milliarden Dollar, unnötige Ausgaben waren. Unnötig vielleicht, aber diese Billionen waren ein Rettungsanker für die chinesische Bourgeoisie und auch für einen Teil der westlichen Bourgeoisie, die nach China strömte, um zu versuchen, einen Teil des Geldregens abzugreifen. Alles zusammen führte dazu, dass die Staatsschulden in die Höhe schnellten.
Außerdem entstand in dieser Periode der kapitalistischen Entwicklung Chinas eine junge, kämpferische Arbeiterklasse mit Hunderten Millionen Mitgliedern, die überausgebeutet wurde und deren Arbeit nicht nur die westliche Bourgeoisie, sondern auch eine chinesische Kleinbourgeoisie und Bourgeoisie bereicherte, die in großem Stil wieder aufblühte. Ihre Wiederauferstehung fand unter dem Schutz des chinesischen Staates statt, der es aufgrund seiner Geschichte verstand, nicht unterzugehen, sondern sich sogar weiter zu entwickeln und dieser neuen Bourgeoisie ihren Anteil an den Gewinnen zu sichern. Auf wirtschaftlichem Gebiet standen die westlichen Unternehmen immer stärker im Wettbewerb, der chinesische Markt war weniger günstig und weniger zugänglich, was Pascal Lamy zu der Aussage veranlasste: "Der Annäherungskurs zum Marktkapitalismus wurde umgekehrt. Wenn Peking beschließt, dass 30% seiner Wirtschaft in Staatshand sein sollen, ist das seine Entscheidung, aber es muss verstehen, dass es schwierig ist, gegen subventionierte Unternehmen zu kämpfen."
Der chinesische Staat löste sich keineswegs auf, sondern wurde immer stärker. Er beginnt erneut an die vom Imperialismus tolerierten Grenzen zu stoßen.
2011 bis heute, die Rückkehr des Kanonenboots
Der imperialistische Schwenk nach Asien
Es war nicht Trump, der die Politik der USA gegenüber China geändert hat. Die Wende war bereits 2007 unter George Bush angedacht worden. Und es war Barack Obamas Außenministerin Hillary Clinton, die im November 2011 die Wende in der internationalen Politik der USA ankündigte, die als "strategischer Schwenk" nach Südostasien bezeichnet wurde. Ziel dieser Politik war es, den US-Imperialismus im Herzen der nun dynamischsten Region der Welt zu platzieren und seine Interessen dort zu verteidigen.
Bis zum Ende der 2000er Jahre waren Europa und der Nahe Osten die strategischen Prioritäten des US-Imperialismus gewesen. In zwei Kriegen hatte der US-Imperialismus die Regionalmacht, die der Irak in den 1980er Jahren gewesen war, in ein Trümmerfeld verwandelt. Dies hatte ihn mehrere tausend Männer und mehrere tausend Milliarden Dollar gekostet. Im Jahr 2011 konnte sich der Imperialismus aus dem Nahen Osten zurückziehen und seine Kräfte nach Asien verlagern, wo es galt, das aufstrebende China in seine Schranken zu weisen und einzudämmen.
Mike Pence, Trumps Vizepräsident, drückte am 4. Oktober 2018 in einer Rede vor einer sorgfältig ausgewählten Zuhörerschaft aus, was ein Teil der amerikanischen Bourgeoisie über China denkt. Nach einer Bilanz seiner Entwicklung, für die er behauptet: "Amerikanische Investitionen haben eine führende Rolle gespielt", prangert Mike Pence ausführlich den chinesischen Staat und die protektionistischen Maßnahmen und Subventionen an, die er chinesischen Unternehmen gewährt. Und er schließt mit den Worten: "Wir wollen nicht, dass die chinesischen Märkte leiden. Wir wollen sogar, dass sie gedeihen. Aber die USA wollen, dass Peking eine Handelspolitik betreibt, die auf Freiheit, Fairness und Gegenseitigkeit beruht. Und wir werden weiterhin standhaft bleiben und sie auffordern, dies zu tun". Damit ist ein Teil der Ziele der USA erneut bekräftigt worden. Indem sie den chinesischen Staat des Protektionismus beschuldigen, versuchen die USA zu erreichen, dass die Teile des chinesischen Marktes für sie geöffnet werden, zu denen sie noch keinen Zugang haben – oder andernfalls zu verhindern, dass ihnen ihr eigener Markt weggeschnappt wird... womit sie eigene protektionistische Maßnahmen rechtfertigen.
Unter Präsident Obama schlugen die USA einigen Ländern in der Region und an der Pazifikküste Amerikas ein neues Zollfreihandelsabkommen vor, die Trans-Pacific Partnership, kurz TPP, ein Abkommen, das China ausschloss. Diese TPP-Politik wurde von Obamas Nachfolger Trump als ineffizient und unzureichend angeprangert. Trump führte die USA auf einen anderen Weg, den des Handelskriegs, indem er eine Reihe von Waren, die in die USA exportiert wurden, mit Steuern belegte, aber auch indem er einer Reihe von Unternehmen wie ZTE und Huawei verbot, ihre Waren in den USA und bei ihren Verbündeten zu verkaufen.
Der wirtschaftliche Wettbewerb zwischen den USA und China in bestimmten Sektoren ist in Wirklichkeit Teil des Kampfes um die globale Vorherrschaft. Und die USA verteidigen ihre Position. In den Worten von Mike Pence: "Peking hat es sich zur Priorität gemacht, Mittel und Wege zu finden, um die militärischen Vorteile der USA zu Land und zu Wasser, in der Luft und im Weltraum zu verringern. China versucht ganz einfach, die Vereinigten Staaten von Amerika aus dem Westpazifik zu vertreiben und versucht uns daran zu hindern, unseren Verbündeten zu Hilfe zu kommen". Mike Pence zeigt sich zudem besorgt über Chinas Hilfe "für das korrupte und inkompetente Maduro-Regime [...] in unserer eigenen Hemisphäre“ (Venezuela), d. h. vor ihrer Nase, in ihrem unmittelbaren Vorgarten. Pence verhält sich wie ein Boss der Unterwelt, dessen Territorium von einem kleinen Neuling herausgefordert zu werden beginnt.
Die USA ergänzten ihren Handelskrieg durch eine Erhöhung des militärischen und diplomatischen Drucks. Die unter Obama begonnene militärische Umverteilung führte dazu, dass die Marine und die Luftwaffe 60% ihrer Kräfte nach Südostasien verlagerten. Die Amerikaner haben damit begonnen, neue Stützpunkte zu bauen und die militärische Zusammenarbeit mit Japan, den Philippinen, Vietnam und Malaysia zu verstärken. Mit Japan, Indien und Australien bilden sie nun ein Bündnis, das Quad, für Quadrilateraler Sicherheitsdialog... Trump beschleunigte diese Entwicklung. Das lässt sich an den Militärausgaben der USA ablesen. Nachdem die Militärausgaben nach dem Rückzug aus dem Irak und dem Rückzug aus Afghanistan bis 2014 auf 800 Milliarden US-Dollar (einschließlich Nebenhaushalte) zurückgegangen waren, sind sie seit 2015 wieder sprunghaft angestiegen. Im Jahr 2020 lagen sie bereits bei über 1 Billion, wobei sie besonders auf Asien ausgerichtet waren. Mit dem Krieg in der Ukraine sind sie noch einmal deutlich gestiegen.
All diese Bemühungen und all dieser Militäreinsatz zielen darauf ab, Druck auf China auszuüben, damit es in dem vom US-Imperialismus definierten und tolerierten Rahmen bleibt, der mit seinen Interessen vereinbar ist. Eine moderne Version der Kanonenbootpolitik.
Regionale Reibungspunkte
Es ist eine Tatsache, dass sich China auf der internationalen Bühne nicht mehr bedeckt hält, wie Deng Xiaoping seinerzeit sagte. Für seine Entwicklung, ja sogar für seine Existenz hat es keine andere Wahl, als seine Grenzen zu überschreiten und an die Grenzen zu stoßen, die ihm der Imperialismus in den 1950er Jahren auferlegt hat.
Einer der Streitpunkte zwischen China einerseits, den USA und ihren Verbündeten andererseits ist die Kontrolle der Seewege – nicht am anderen Ende der Welt, sondern in der Nähe der chinesischen Küste. China hat zwar eine 18.000 km lange Meeresküste, doch diese mündet überall in Meere, die von seinen Nachbarn und Rivalen halb abgeschottet werden: Vietnam, Malaysia und die Philippinen im Süden; weiter nördlich Taiwan; noch weiter nördlich Japan und die Senkaku-Inseln, die China für sich beansprucht, sowie Südkorea. Die meisten dieser Staaten sind seit langem Verbündete der USA. Selbst Vietnam hat sich ihnen angenähert, indem es kürzlich einen ihrer Flugzeugträger beherbergte und mehrere Patrouillenboote als Geschenk erhielt. Und obwohl die Philippinen eine Zeit lang die Nähe zu China suchten, hielten sie stets an ihrem Bündnis mit den USA und Japan fest. Am westlichen Ende dieser Region befindet sich die strategisch wichtige Straße von Malakka. Durch sie werden ein Drittel der weltweit gehandelten Warenwerte transportiert, die Hälfte des weltweiten Seehandels (in Tonnage gerechnet)... und damit fünfmal so viel im Suezkanal. Sie ist die kürzeste Route zwischen Europa, dem Nahen Osten und Ostasien. Über sie wird zwei Drittel des in dieser Region verbrauchten Öls und 90% des chinesischen Außenhandels transportiert. Mit der Marine, die sie in der Region stationiert hat, ist die US-Regierung in der Lage, den chinesischen Handelsverkehr jederzeit zu unterbrechen. Durch die Kontrolle aller Seewege kann die US-Regierung die chinesische Marine am Zugang zum Pazifischen und Indischen Ozean hindern.
Das Südchinesische Meer zwischen der Straße von Malakka und den großen chinesischen Häfen spielt in diesem Zusammenhang eine besondere Rolle. Es grenzt an acht Länder, die alle Ansprüche auf die Inseln und die Vielzahl an einfachen Riffen, Klippen und sogar teilweise aufgetauchten Sandbänken erheben, die im Meer verteilt sind. China verhält sich nicht anders, es hat sie, wie auch Taiwan und Tibet, in den Bereich seines "nationalen Interesses" aufgenommen. Als Vietnam und die Philippinen 2009 ihre Wirtschaftszonen in von China besetzte Seegebiete ausdehnen wollten, begann China, die von ihm kontrollierten Inselchen zu polderisieren und zu militarisieren. China errichtete auf vielen von ihnen Luftwaffen- und Marinestützpunkte und gewann Gebiete aus dem Meer, wodurch es die Streitpunkte mit seinen Nachbarn und der US-Marine vervielfachte.
Mit seiner wirtschaftlichen Entwicklung kann China als bürgerlicher Staat, der für die Interessen seiner herrschenden Klasse verantwortlich ist, keinen Status quo tolerieren, in dem andere Staaten seine Handelsrouten und damit seine Wirtschaft unter den Druck setzen können. Die Krise von 2008 trieb es noch weiter. Die Hunderten Milliarden, die in die Wirtschaft gepumpt wurden, um die chinesische und internationale Bourgeoisie vor dem Bankrott zu retten, förderten den Ausbau der Produktionskapazitäten in einem solchen Ausmaß, dass bereits 2013 klar war, dass diese Kapazitäten den Bedarf bei weitem übersteigen. Die Wirtschaft hält sich nur durch Immobilienspekulationen und dadurch, dass der Staat viele Unternehmen auf Pump unterstützt. Und die chinesische Arbeiterklasse kämpft, vor allem um die Löhne. Im Jahr 2010 kam es in Guangdong in der Nähe von Hongkong zu spektakulären Konflikten, die von massiven Streiks in den Honda-Werken und Demonstrationen der Bauern geprägt waren. Hundertachtzigtausend "Massenvorfälle", Streiks und Demonstrationen wurden 2011 offiziell gezählt, 2,5 Mal mehr als 2008... Die Angst vor den Reaktionen der Arbeiterklasse und die Notwendigkeit, Märkte für eine unterbeschäftigte Industrie zu finden, trieben den chinesischen Staat zu dem, was er, auf die vergangene chinesische Größe anspielend, die Neue Seidenstraße nannte. 2013 wurde sie von Xi Jinping, der gerade erst zum Staatsoberhaupt ernannt worden war, eingeweiht. Die Seidenstraße besteht zu einem großen Teil aus Krediten an Staaten wie Pakistan, Sri Lanka, Malaysia, Venezuela, Kenia usw., mit denen Infrastrukturarbeiten finanziert werden, deren Nutzen nicht immer ersichtlich ist. Im Gegenzug beauftragen diese Staaten chinesische Unternehmen mit dem Bau, während es ihre Aufgabe ist, ihre Bevölkerung dafür zahlen zu lassen. Bei der neuen Seidenstraße geht es nicht nur um wirtschaftliche Erwägungen. Während die USA versuchen, einige dieser Länder in ihre Eindämmungspolitik einzubeziehen, nutzt China die Milliarden der Seidenstraße, um ein Gegengewicht zu schaffen und eine Reihe von Ländern in Asien und Afrika politisch näher an sich heranzuführen.
Zunehmender Druck der USA
Angesichts der Entwicklung Chinas haben die USA den Druck an Chinas Außengrenzen erhöht. Seit 2015 patrouillieren die USA im Chinesischen Meer, wobei sie vorgeben, im Namen der Einhaltung des Völkerrechts zu überprüfen, dass das Meer frei und offen für alle ist. Es handelt sich jedoch jedes Mal um eine Machtdemonstration des Imperialismus. Die Chinesen reagieren auf diese Provokationen, indem sie ihrerseits Flugzeuge und Kriegsschiffe in das Gebiet schicken oder Raketen mit dem Spitznamen Flugzeugträger-Killer abfeuern. Bisher waren die Manöver auf beiden Seiten minutiös geplant, um jegliche Entgleisung zu vermeiden. Doch 2018 näherte sich ein chinesischer Zerstörer bei einer dieser Operationen einem US-Zerstörer bis auf 40 Meter.
China ist von den USA umzingelt: Stützpunkte in Thailand, Singapur, auf den Philippinen, in Südkorea, Japan, Australien und auf der Insel Guam. Die US-Flotte ist ständig vor Ort, östlich von Taiwan, im Indischen Ozean und im Südchinesischen Meer. Und die US-Armee hat beschlossen, ihre Stützpunkte und Truppen zu verteilen, um, wie sie sagt, zu verhindern, dass sie in einem neuen Pearl Harbor alles verlieren. Lloyd Austin, der US-Verteidigungsminister, kündigte vor einigen Tagen die Stationierung einer schnellen Eingreiftruppe der Marines auf ihrem Stützpunkt in Okinawa an, eine Truppe, die er als "tödlicher und mobiler" als das derzeit stationierte Artillerieregiment bezeichnete. Wenn sie auch keinen Krieg führen, so bereiten sie sich doch darauf vor.
Die sogenannte indopazifische Strategie der USA, wie sie sich seit Trump nennt, besteht auch darin, ihre traditionellen Verbündeten in immer mehr gemeinsame Militärübungen einzubinden und sie aufzufordern, ihre Militärbudgets zu erhöhen. Sie haben Australien dazu gebracht, dem AUKUS-Bündnis mit ihnen und dem Vereinigten Königreich beizutreten, dessen Verlängerung 2021 zum Verkauf von acht in den USA hergestellten, atomgetriebenen Kampf-U-Boote an die australische Marine geführt hat, zum großen Missfallen der französischen Naval Group. Sie haben Indien dazu gebracht, jedes Jahr an gemeinsamen Marinemanövern mit ihnen teilzunehmen. Und was Japan angeht, das gut in das amerikanische System eingebunden ist, so hat dessen Regierung gerade angekündigt, ihre Militärausgaben zu verdoppeln.
Die jüngste Episode ist ein Anfang Februar mit dem philippinischen Staat geschlossenes Abkommen über die Einrichtung von vier neuen US-Militärstützpunkten auf den Philippinen – Stützpunkte, die die Umzingelung der chinesischen Küsten vervollständigen sollen. Es handelt sich um eine systematische Politik, die nichts unversucht lässt. Die USA haben angekündigt, Botschaften auf den Inselstaaten Tonga und Kiribati mit jeweils 100.000 Einwohnern zu eröffnen, und es wurden Militärabkommen mit den Marshallinseln und Palau mit 70.000 bzw. 20.000 Einwohnern unterzeichnet. China hat auf den Salomon-Inseln Fortschritte gemacht, während in Mikronesien die USA 2021 ein Militärabkommen unterzeichnet haben.
In diesem Go-Spiel, in dem es um das Leben der Völker geht, scheint der Platz zweitklassiger imperialistischer Länder wie Frankreich oder Großbritannien lächerlich gering zu sein. Dennoch rühmt sich der französische Staat, eine Macht zu sein, die im Indopazifik Interessen zu verteidigen hat, weil sie über Territorien und Militärstützpunkte im Pazifik und im Indischen Ozean verfügt. Frankreich behauptet sogar, zwischen China und den USA einen dritten Weg anbieten zu wollen, was ihm vor allem ermöglicht, gute Handelsbeziehungen mit möglichst vielen Ländern aufrechtzuerhalten. Doch in der Praxis stellt sich der kleine französische Imperialismus wie der englische Imperialismus hinter die USA und verteidigt den Status quo, d. h. die unveränderte Beibehaltung der vorherrschenden Position des US-Imperialismus. So beteiligt er sich im Südchinesischen Meer an Operationen zur "Freiheit der Schifffahrt" und an gemeinsamen Militärübungen mit den USA.
Unterm Strich hat Trumps Präsidentschaft den US-Imperialismus dazu veranlasst, seine Großoffensive gegen China in Ton und Tat zu verstärken. Der Demokrat Joe Biden setzte diese Politik fort, sowohl in militärischer als auch in handelspolitischer Hinsicht. So behauptete Bidens Team im Vorfeld des Parteitags der KPCh im Oktober letzten Jahres, dass seine "Priorität darin besteht, den Wettbewerbsvorteil gegenüber China zu erhalten" und dass "die Volksrepublik China der einzige Konkurrent ist, der die Absicht hat, die internationale Ordnung neu zu gestalten, und der auch zunehmend die wirtschaftliche, diplomatische, militärische und technologische Macht besitzt, um seine Ziele zu erreichen." Die Maßnahmen der USA ließen nicht lange auf sich warten. Die USA verhängten ein de facto-Embargo auf die Lieferung der leistungsfähigsten Halbleiter und der Maschinen zu ihrer Herstellung an China. China antwortete zwar mit der Ankündigung eines staatlichen Plans im Wert von 143 Milliarden US-Dollar, um diese Halbleiter selbst zu entwickeln. Die Unternehmen ASML aus den Niederlanden und Tokyo Electron und Nikon aus Japan, die ein Quasi-Monopol auf die Maschinen zur Herstellung dieser Chips haben, haben sich jedoch den amerikanischen Anweisungen gebeugt, was die chinesischen Versuche, technologisch aufzuholen, zwangsläufig erschweren. Biden verschärft somit den Handelskrieg durch den Krieg um Mikrochips. Apple, das angekündigt hatte, Speicherchips von dem chinesischen Unternehmen YMTC zu beziehen, gab dies auf, nachdem das Unternehmen auf den Index gesetzt worden war.
Was Taiwan betrifft, so organisierte Joe Biden dort im August den Besuch von Nancy Pelosi, der Sprecherin des Repräsentantenhauses, sowie den Besuch mehrerer Staatssekretäre. Er, der mit dem Versprechen des Friedens gewählt wurde, macht deutlich, dass er Taiwan als unabhängigen Staat betrachtet, was eine faktische Provokation gegenüber Peking ist. Schließlich erklärt China seit 40 Jahren unmissverständlich, dass es eine formale Unabhängigkeit Taiwans nicht tolerieren wird. Seit der Wahl von Joe Biden wurden von der US-Regierung mindestens neun Waffenverkäufe an Taipeh genehmigt. Und regelmäßig laufen US-Kriegsschiffe in die Straße von Taiwan ein und gehen damit bewusst das Risiko ein, einen militärischen Zwischenfall zu verursachen.
China, getrieben von seinen inneren Widersprüchen
Angesichts der Verlangsamung der Weltwirtschaft muss sich die chinesische Bourgeoisie mit der Verlangsamung ihrer eigenen Wirtschaft auseinandersetzen. Nach dem Eingeständnis des ehemaligen Premierministers Li Keqiang im Jahr 2020 müssen 600 Millionen Chinesen mit weniger als 150 Euro im Monat auskommen und leben weiterhin in großer Armut. Während sich die Küstenprovinzen rund um die großen Metropolen wie Shanghai und Peking durchaus entwickelt haben, hinken die ländlichen Gebiete weiterhin hinterher. Was die Zukunft betrifft, so sieht sie wie überall auf dem kapitalistischen Planeten düster aus. Und die Rechnung wird die Bourgeoisie der Arbeiterklasse präsentieren. Kapitalisten, darunter auch chinesische, sind der Ansicht, dass die chinesischen Löhne zu hoch geworden sind. Einige haben sich bereits dafür entschieden, einen Teil ihrer Produktion nach Indien oder Vietnam zu verlagern. Das gilt insbesondere für die Textilbranche seit den 2010er Jahren. Die Jugendarbeitslosigkeit, insbesondere unter jungen Akademikern, hat im Übrigen bereits eine steigende Tendenz. Der drohende Immobiliencrash verschärft die Situation zusätzlich. Diese Woche wurde bekannt, dass Provinzregierungen für den Ausgleich ihrer Haushalte, die vom eingebrochenen Verkauf von Immobiliengrundstücken abhängen, die Gehälter der Beamten gekürzt und die Heizung in Städten im Norden niedriger gestellt haben. In Wuhan protestierten Zehntausende Rentner gegen die drastische Kürzung der Leistungen der Krankenversicherung, die von den Provinzregierungen verwaltet wird.
Der Wirtschaftskrieg von Trump und Biden kann die Lage nur verschlimmern. So hat Apple nach den jüngsten US-Sanktionen angekündigt, bis 2027 die Hälfte seiner iPhones in Indien produzieren zu lassen, obwohl derzeit mehr als 80% aus China kommen. Sie werden dort vor allem von jenen Foxconn-Arbeitern produziert, die im Oktober dagegen rebelliert haben, dass sie wegen Corona auf der Arbeit eingesperrt wurden. Andere große Unternehmen haben ähnliche Ankündigungen gemacht, weshalb manche von der Entkopplung der westlichen Wirtschaft von der chinesischen Wirtschaft sprechen.
Was das genau heißen wird, wird die Zukunft zeigen, denn in Wirklichkeit macht jeder Kapitalist seine Berechnungen im Interesse seiner Profite und berücksichtigt dabei nicht nur die US-Sanktionen, die Löhne und die Zölle, sondern auch die Vorteile in Bezug auf die Infrastruktur und das Bildungsniveau der Arbeitenden in diesem oder jenem Land. Insgesamt sind die chinesischen Warenimporte in die USA zwar nach wie vor hoch, aber sie wachsen tendenziell langsamer als die ihrer europäischen oder vietnamesischen Konkurrenten. Es scheint, dass die amerikanischen Kapitalisten ihre Lieferungen tatsächlich diversifizieren. Dennoch werden immer noch jedes Jahr Hunderte Milliarden in die USA exportiert. China bleibt noch zum Großteil in seiner Funktion als "Werkbank der Welt".
In den Berechnungen der westlichen Kapitalisten spielt der chinesische Binnenmarkt mit seinen neuen Bourgeois und Kleinbürgern eine wichtige Rolle. Gewiss, einige verzichten darauf, wie PSA angesichts der Konkurrenz durch lokale Hersteller. Aber für andere wie Volkswagen, das in China mehr als 3 Millionen Fahrzeuge verkauft, für LVMH, Total sowie für US-Konzerne wie GM oder Exxon kommt ein Weggang nicht in Frage. Die deutsche Bourgeoisie hat dort noch nie so viel investiert wie heute.
Trotz allem haben die Verlangsamung der Weltwirtschaft seit der Krise von 2008 und die letzten beiden Jahre der Pandemie die Schwierigkeiten der chinesischen Wirtschaft noch verschärft. Wiederholte Ausgangssperren, Fabriken, die stillstanden oder nur eingeschränkt in Betrieb waren, selbst wenn sie sich in einem "geschlossenen Kreislauf" befanden mit Arbeitern, die rund um die Uhr in den Werkshallen eingesperrt waren, haben Produktion und Exporte verringert. Viele kleine und mittlere Fabriken, die ihre Tore geschlossen hatten, haben sie noch nicht wieder geöffnet. Viele Arbeitsmigranten gingen zurück in ihre Heimatdörfer oder wurden zu Lieferboten.
Angesichts dieser sich häufenden Schwierigkeiten bietet der Kampf gegen die Korruption der chinesischen Diktatur eine offensichtliche politische Chance. Die Korruption, die die Bevölkerung schockiert, ist auch ein politisches Risiko für die Macht, da die Spitzen nicht frei von ihr sein können. Als Xi Jinping nach seinem Amtsantritt den Kampf gegen die Korruption aufnahm, ging es ihm also in erster Linie darum sicherzustellen, dass er die Kontrolle über die Affären behält, die ans Licht kommen könnten. Außerdem ging es ihm darum, seine Legitimität zu festigen, indem er auf die Wünsche der Bevölkerung einging und nebenbei seine politischen Konkurrenten aus dem Weg räumte. Auf diese Weise sorgt er für einen gewissen Zusammenhalt des Staatsapparats. Es wird keine abweichende Stimme in den oberen Etagen geduldet.
Dasselbe gilt für die Entmachtung einer Reihe von Großkapitalisten, was in einem westlichen Land undenkbar wäre. Der letzte, der vor einigen Tagen festgenommen wurde, war der Milliardär Bao Fan. Aber auch Jack Ma, den Chef von Alibaba, hätte offenbar fast das gleiche Schicksal ereilt. Die Machthaber blockierten den Börsengang seiner Tochtergesellschaft Ant an der New Yorker Börse. Und er verschwand Ende 2020 für mehrere Monate von der öffentlichen Bühne. Laut den westlichen Medien war der Grund dafür, dass Jack Ma den Fehler machte, das chinesische Finanzsystem zu kritisieren, das für seinen Geschmack nicht liberal genug war. In Wirklichkeit haben einige chinesische Privatunternehmen eine solche Größe erreicht, dass sie sich von der Partei und dem Staat emanzipieren könnten. Nicht umsonst hat Xi Jinping sie zur Ordnung gerufen. Der internationale Kontext, die Konfrontation mit den USA drängen auf eine engere Kontrolle der chinesischen Privatunternehmen durch den Staat. Die chinesische Bourgeoisie ist eng mit dem Staat verbunden, sie geht aus ihm hervor, sie verdankt ihm alles. Und der chinesische Staat schafft es noch, sie immer wieder daran zu erinnern.
Schlussendlich kann der chinesische Staat wie alle Staaten, die in ihren nationalen Grenzen gefangen sind, in denen sich die Schwierigkeiten häufen, nur versuchen, die Bevölkerung in einen immer stärkeren Nationalismus zu treiben. Taiwan dient als Ventil, ebenso wie die Erinnerung an das Jahrhundert der Erniedrigung, die die chinesische Regierung in ihrer Propaganda aufrechterhält. Der chinesische Nationalismus, der durch einen staatlichen Rassismus gegenüber allen Nicht-Han, wie den Uiguren und Tibetern, ergänzt wird, ist somit ein Versuch des chinesischen Staates, die Gesellschaft trotz der zunehmenden Schwierigkeiten unter seiner Kontrolle zu halten.
Militärische Macht und Imperialismus
In den zunehmenden Spannungen rechtfertigen die USA ihre Maßnahmen mit der wachsenden militärischen Stärke Chinas. Dies ermöglicht Xi Jinping, mit einer gleichgerichteten Propaganda zu arbeiten und so die Militärausgaben gegenüber der Bevölkerung zu rechtfertigen. Doch auch wenn die chinesische Armee große Fortschritte macht, ist sie weit von dem Bild entfernt, das die westliche Presse von ihr zeichnet. Zwar ist sie mit zwei Millionen Mann zahlenmäßig stark, während die USA nur 1,35 Millionen Mann haben. Aber während aus dem chinesischen Haushalt vor allem Personal finanziert wird, werden aus dem US-Haushalt Hightech-Waffen von einer Industrie gekauft, die weltweit quasi ein Monopol darauf hat.
Der US-Verteidigungshaushalt ist mindestens dreimal so hoch wie der chinesische Militärhaushalt. Die US-Armee übertrifft die chinesische in allen Bereichen, sowohl in Zahl als auch im technologischem Fortschritt: bei der Atomkraft, der Luftfahrt... sogar der Marine. Die westliche Presse betont die große Anzahl der chinesischen Schiffe, 360, die tatsächlich höher ist als die 297 Schiffe der US-Flotte. Dabei werden jedoch die Verbündeten der USA nicht mitgezählt, und es wird nicht erwähnt, dass China hauptsächlich Patrouillenboote im Wasser auf, während die USA elf atomar bestückte Flugzeugträger besitzt, die Hunderte von Flugzeugen an Bord nehmen können. Peking besitzt nur zwei Flugzeugträger der sowjetischen Generation, deren Reichweite und Aktionsradius weitaus geringer sind.
Rüstung ist nicht alles. So verfügt der US-Imperialismus weltweit über 800 Militärbasen mit 200.000 Mann, während China nur eine in Afrika hat, in Dschibuti – und das, wo selbst Frankreich als zweitklassiger Imperialismus über vier Militärbasen verfügt und Truppen in fünf weiteren Ländern stationiert hat. In Wirklichkeit sind die Meeresstraße von Malakka und die Chinesischen Meere unter amerikanischer Kontrolle. China wird also nicht morgen den Pazifik besetzen und vor der Küste Kaliforniens auffahren – im Gegensatz zu den USA, die derzeit an der chinesischen Küste entlangschippern.
Ist China ein neuer Imperialismus? Wie alle kapitalistischen Mächte versucht China, sein Kapital zu exportieren, Märkte zu gewinnen und seine Rohstoffversorgung zu sichern, indem es seine Nachbarn verführt oder bedroht. Dies ist nichts besonders Originelles. Ist Katar, das sich den Fußballverein PSG angeeignet hat, deshalb eine imperialistische Macht? Imperialismus ist die Mobilisierung von Streitkräften, um die wirtschaftlichen Interessen der großen nationalen kapitalistischen Konzerne zu verteidigen, die ihr Kapital massiv exportieren. China ist zwar in der Lage, diesem oder jenem Land Geld zu leihen, damit es Aufträge an chinesische Unternehmen vergibt, aber das macht der Staat, nicht private Banken, und China hat noch nie militärische Kräfte außerhalb seiner Grenzen eingesetzt, um die Einhaltung von Handelsabkommen oder die Rückzahlung von Krediten zu erzwingen. Es ist darauf beschränkt, mit "soft power" zu handeln, d.h. zu überzeugen und zu verführen, wo der Imperialismus ihm Räume lässt – z.B. dort in Afrika, wo der Imperialismus das Interesse verloren hat. Insgesamt bleibt China eher ein Ziel für das Kapital der imperialistischen Länder als umgekehrt.
Die Dynamik
Ob zu Beginn des 20. Jahrhunderts oder nach der Weltwirtschaftskrise von 1929: Die imperialistischen Länder, die die Welt beherrschten, duldeten nie einen Konkurrenten, der in ihre Einflusszonen eindrang und ihre Marktanteile anknabberte. Auf regionaler oder globaler Ebene hat jedes Mal ein Krieg die Frage entschieden, welche Macht die Oberhand gewinnen würde. Die USA gingen aus dem Zweiten Weltkrieg als der Imperialismus hervor, der alle anderen Imperialismen unangefochten beherrschte. Dieser Krieg, seine Massaker und Zerstörungen ermöglichten es dem Kapitalismus, sich etwa zwanzig Jahre lang zu erholen, doch die Krise der kapitalistischen Wirtschaft hat sich seit den 1970er Jahren immer weiter vertieft. Der Kampf um die Kontrolle der Märkte und der Quellen für die Versorgung mit Rohstoffen und billigen Arbeitskräften, kann dadurch nur noch heftiger werden. China konnte dem Imperialismus zwar neue Profitquellen eröffnen, indem es ihm sein zahlreiches und gebildetes Proletariat zur Verfügung stellte, aber nur um den Preis der Entwicklung eines Staates, der die Interessen der amerikanischen Bourgeoisie in Frage stellen kann; eines Staates, der 1,4 Milliarden Menschen auf einem Sechstel der Erde umfasst und damit über beträchtliche Stärke und Mittel verfügt; eines Staates, der unabhängig vom Imperialismus aufgebaut wurde und den der Imperialismus nicht zu unterwerfen vermochte. Wie Russland und in geringerem Maße auch der Iran kann der US-Imperialismus ihn nicht einfach gewähren lassen.
Die Spannungen zwischen den USA und China werden also nicht nachlassen. Grundsätzlich sind sie das Ergebnis der kapitalistischen Welt, einer Welt, die in Nationalstaaten unterteilt ist und vom Imperialismus beherrscht wird. Sie sind der Beweis dafür, dass es auf diesem kapitalistischen Planeten keine nationale Lösung gibt. Wie die Geschichte Chinas zeigt, kann jede nationale Entwicklung nur unter den Bedingungen des Imperialismus und innerhalb der vom Imperialismus gesetzten Grenzen stattfinden.
Werden diese Spannungen in einen Krieg münden? Auf jeden Fall versuchen die westlichen Regierungen, bevor sie die Menschen als Soldaten einziehen, sie im Kopf darauf vorzubereiten. Die USA versuchen, China mit Putin und dem Krieg in der Ukraine in Verbindung zu bringen, indem sie China beschuldigen, Russland unter der Hand zu helfen. Während Abhöraktionen der NSA die Regel sind, lassen die Regierungen der USA oder Australiens Kameras chinesischer Hersteller abmontieren, verbieten chinesisches 5G und sogar TikTok, die beschuldigt werden, uns auszuspionieren. In der Eskalation ist alles erlaubt. Der Höhepunkt in den letzten Wochen war zweifellos die Affäre um den chinesischen Wetterballon, der der Spionage beschuldigt und live im Fernsehen von den USA abgeschossen wurde – von den USA, die mit ihren Satelliten und ihrer Kontrolle über das Internet den Planeten rund um die Uhr ausspionieren.
Trotz der internationalen Spannungen und des Drucks des US-Imperialismus ist die Verflechtung der Wirtschaft der USA, Europas und Japans mit der chinesischen Wirtschaft nach wie vor groß. Doch eine solche gegenseitige Abhängigkeit hat noch nie verhindert, dass Kriege ausbrechen. Wenn die Situation eskaliert, werden sich die Unternehmen anpassen, die Nationalität wechseln wie Ford in Deutschland während des Zweiten Weltkriegs oder untergehen. Die Staaten verteidigen die allgemeinen Interessen ihrer Bourgeoisie, trotz oder über die Einzelinteressen hinweg, wenn es sein muss.
Es ist sehr unwahrscheinlich, dass China die USA frontal angreifen wird. Aber wenn die USA Taiwan dazu drängen, sich offiziell für unabhängig zu erklären, wenn die Anhäufung von Kriegsschiffen im Chinesischen Meer zu einem Zwischenfall führt oder wenn die USA sich dazu entschließen, den Chinesen im Chinesischen Meer einige kleine Inseln wegzunehmen, wie weit wird dann die kriegerische Eskalation gehen? Wie weit wird die eine oder die andere Seite gehen? Das ist schwer zu sagen. Die Arbeiter können sich jedenfalls nicht darauf verlassen, dass die Mechanismen der kapitalistischen Wirtschaft die Katastrophe verhindern werden.
Ganz im Gegenteil. Heute versucht der US-Imperialismus, China dazu zu bringen, seine Position zu halten und seine Wirtschaft weiter zu öffnen. Zu diesem Zweck führt er einen Wirtschaftskrieg gegen China und lässt zur Unterstützung seine Armada aufmarschieren. Aber Wirtschaftskriege sind oft die Vorstufe zu Kriegen. Dies war nach 1929 der Fall, als der Protektionismus in den Industrieländern um sich griff. " Der imperialistische Krieg ist die Fortsetzung und Verschärfung der Raubpolitik der Bourgeoisie", schrieb Trotzki 1938 im Übergangsprogramm. Nur der Sturz des Imperialismus kann den Frieden wirklich sichern.
Die gesellschaftliche Kraft, die zu einer solchen Revolution fähig ist, existiert. Es ist die internationale Arbeiterklasse. Die chinesische Arbeiterklasse hat sich zur größten der Welt entwickelt, und sie ist durch tausend Fäden mit der europäischen und amerikanischen Arbeiterklasse verbunden. Die Tausenden chinesischen Foxconn-Arbeiter, die im November dagegen aufbegehrten, dass sie in den Fabriken eingesperrt wurden, sind Zulieferer des amerikanischen Unternehmens Apple und haben einen taiwanesischen Chef. Trotz der Polizeidiktatur kämpft diese chinesische Arbeiterklasse. Arbeiteraktivisten in China müssten dem Kampf gegen ihre Bourgeoisie einen internationalistischen Charakter verleihen, aus der Vergangenheit lernen und aufzeigen, dass es selbst auf der Ebene eines Landes wie China keine langfristigen Perspektiven ohne den Sturz des Imperialismus gibt. Sie würden sich dem Kampf der bewussten Arbeiter in Europa und Amerika anschließen, die gegen ihre eigene Bourgeoisie kämpfen – die Bourgeoisie der imperialistischen Länder, die die Welt beherrschen. Um einen Krieg zu verhindern, gibt es keinen anderen Weg als die weltweite soziale Revolution.