Eine Naturkatastrophe jagt die nächste. Riesige Brände in Kalifornien, Hitzekuppeln in Kanada und im Maghreb, heftige Überschwemmungen in Belgien und Deutschland, eine außergewöhnliche Dürre in Brasilien. Diese Ereignisse nähren die Sorge und die Revolte eines wachsenden Teils der Bevölkerung, vor allem der Jugend, angesichts der beschleunigten Erderwärmung. Gleichzeitig wird der Klimawandel von den Politikern, die bereits an der Macht sind oder danach streben, instrumentalisiert, während der ökologische Wandel zum neusten Vorwand geworden ist, um die Bevölkerung für die nächsten Investitionen der Kapitalisten zahlen zu lassen.
„Das ist alles, was wir von unseren sogenannten Führern hören: Worte, Worte, die großartig klingen, aber bisher zu keiner Aktion geführt haben, unsere Hoffnungen und Träume sind in ihren leeren Worten und Versprechen untergegangen“, sagte die junge schwedische Umweltaktivistin Greta Thunberg auf einem Jugendgipfel zum Klimawandel Ende September in Mailand und brachte damit ein Gefühl zum Ausdruck, das unter Jugendlichen weit verbreitet ist. Von den 157 Ländern, die auf der 2015 abgehaltenen 21. UN-Klimakonferenz Verpflichtungen eingegangen waren, haben neun von zehn diese nicht eingehalten. Alles deutet darauf hin, dass auf der 26. Konferenz, die Anfang November in Schottland stattfinden wird, dieselben großen Reden geschwungen werden und ebenso wenig greifbare Taten folgen werden - zumindest was die Erderwärmung betrifft.
2018, nach einem weiteren Sommer voller Naturkatastrophen, hatten in Frankreich verschiedene Umweltorganisationen und Persönlichkeiten wie die ehemaligen Ministerinnen Cécile Duflot und Corinne Lepage sowie der Filmemacher Cyril Dion öffentlichkeitswirksam die „Affäre des Jahrhunderts“ ins Rollen gebracht: eine Klage gegen den Staat, dem vorgeworfen wurde, seine eigenen Verpflichtungen zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen nicht einzuhalten. Das Urteil des Pariser Verwaltungsgerichts wurde gerade verkündet. In ihm wird der Staat verurteilt und aufgefordert, bis zum 31. Dezember 2022 „den ökologischen Schaden wiedergutzumachen“ und etwa 15 Millionen Tonnen mehr an Treibhausgasen einzusparen. Die Aktivisten, die hinter der „Affäre des Jahrhunderts“ stehen, jubeln. Cécile Duflot, Ex-Ministerin unter Präsident Hollande und nun Geschäftsführerin von Oxfam, erklärte ohne Witz: „Der nächste Präsident der Republik, wer auch immer er sein wird, wird dieses Damoklesschwert über seinem Kopf schweben haben.“ Oxfam und andere haben beschlossen, alle Präsidentschaftskandidaten anzusprechen und von ihnen zu erfahren, wie sie konkret, „mit Zahlen untermauert, den Staat aus der Illegalität holen und die Klimaziele einhalten wollen“.
In Wirklichkeit verpflichtet ein solches Urteil die Regierung zu nichts. Und überhaupt entscheiden am Ende in diesem Wirtschaftssystem ohnehin nicht die politischen Führer darüber, wie die Güter produziert werden und damit zu welchen ökologischen oder sozialen Kosten sie hergestellt werden. Diese Entscheidungen treffen diejenigen, die alle Produktions- und Transportmittel besitzen.
Die Kapitalisten sind die wahren Entscheidungsträger
Die wichtigsten Wirtschaftssektoren, die Treibhausgase ausstoßen – Verkehr, Industrie, Bauwesen und Landwirtschaft – werden letztlich von einer kleinen Anzahl großer kapitalistischer Konzerne kontrolliert und organisiert. Die Regierungen können Gesetze erlassen, strengere Normen einführen und zusätzliche Steuern einführen, und sie tun dies auch. Aber jede ihrer Entscheidungen respektiert das Privateigentum und die Interessen der Industriellen, die sie vertreten. Was auch immer die politischen Führer entscheiden, es muss den Interessen der Kapitalisten dienen.
Das hat sich bei dem französischen Gesetz „Klima und Resilienz“ gezeigt, dass die Vorschläge des Bürgerkonvents zum Klimaschutz gesetzlich verankern sollte. 150 Bürger waren per Los ausgewählt worden, um an diesem Bürgerkonvent teilzunehmen. Und Macron hatte sich verpflichtet, die dort vorgeschlagenen, recht moderaten Maßnahmenungefiltert in das Gesetz zu übernehmen. Doch dann strich er alle Vorschläge von der Liste, die den Autoherstellern hätten schaden können (wie die Besteuerung von SUVs) oder die den Fluggesellschaften hätten schaden können (wie das Verbot von Flügen unter 2,5 Stunden, wenn es eine Alternative mit dem Zug gibt). Auf dieser Grundlage erarbeitete die ehemalige Grünen-Politikerin und jetzige Ministerin von Macron, Barbara Pompili, den Gesetzentwurf. Und aus diesem wurden noch einmal eine Reihe Maßnahmen gestrichen. So wurden alle Vorschläge gestrichen, die das Recht der Industrie, für umweltschädliche Produkte zu werben, auch nur ein klein bisschen hätten einschränken können. Sie wurden mit der Begründung verworfen, dass „dies darauf hinauslaufen würde, den Unternehmen die Freiheit abzusprechen, dort zu investieren, wo sie es wünschen. Das geht wirklich zu weit!“ Dieser Aufschrei der macronistischen Abgeordneten Aurore Bergé fasst die Geisteshaltung derer, die den Staat leiten, gut zusammen: Jede noch so kleine Kontrolle über die Entscheidungen der Kapitalisten ist ein Sakrileg.
Die Energiewende als jüngster Vorwand, um die Bourgeoisie mit Geld zu überhäufen
Das bedeutet nicht, dass die Regierungen nichts auf dem Gebiet des Umweltschutzes machen würden. Ganz im Gegenteil. Die Umsetzung der Energiewende, die der bedrohliche Klimawandel erfordert und die seit Jahrzehnten verschleppt wird, ist in allen Ländern zum neuesten Vorwand geworden, um die Kapitalisten in den verschiedensten Bereichen mit Geld zu überhäufen. Die Konjunkturprogramme in Höhe von Hunderten Milliarden Euro, die die Regierungen der reichsten Länder nach der Pandemie beschlossen haben, sind alle in ein grünes Gewand gekleidet. Es handelt sich um eine Art Green New Deal (Grüner New Deal). So sieht Präsident Macrons neuster Plan, der sogenannte „Plan Frankreich 2030“ Folgendes vor: 8 Milliarden Euro für Energie und Dekarbonisierung (Förderung von Atomkraft, Wasserstoff, Elektrifizierung der Industrie), 4 Milliarden für den Verkehr (Batterien, kohlenstoffarme Flugzeuge) und 2 Milliarden für die Entwicklung einer „gesunden, nachhaltigen und nachvollziehbaren Ernährung“.
Die Automobil-, Chemie- und Energieindustrie lässt also die Allgemeinheit für die hohen Investitionen aufkommen, die für den Ersatz von Verbrennungsmotoren durch Elektromotoren oder von Wärmekraftwerken durch andere Stromquellen unerlässlich sind. Sie lassen sie obendrein zusätzlich direkt von den Verbrauchern bezahlen, indem sie die Preise für Gas, Benzin oder Strom massiv und dauerhaft erhöhen.
Der Gipfel des Zynismus dabei ist: Die Kapitalisten, die heute die Gesellschaft unter dem Vorwand ausplündern, die Energiewende zu organisieren, sind dieselben, die jahrzehntelangall ihre Macht eingesetzt haben, um eben dies zu verhindern. Sie haben die Erderwärmung geleugnet und klimaskeptische Studien finanziert, die Zweifel an den gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen schüren sollten. So hat die Zeitschrift Global Environmental Change diesen Monat eine Recherche veröffentlicht, die die vielfältigen diesbezüglichen Manöver seitens Ölkonzerne von Total und Elf ans Licht gebracht hat. Letztere waren bereits 1971, lange vor der breiten Öffentlichkeit, über die Erderwärmung informiert!
Sprich: Nachdem die Kapitalisten große Naturgebiete zerstört, die Ozeane und das Grundwasser verschmutzt, die Ressourcen geplündert, das Klima erwärmt und Hunderte Millionen Menschen in Abgasen erstickt haben, bereiten sie sich nun darauf vor, im Namen des Umweltschutzes weitere Gewinne einzufahren!
Ein weiterer Hebel, den die Regierungen ansetzen, um die Treibhausgasemissionen zu senken, ist die Einführung von Steuern auf allen Ebenen. Da gibt es die CO2-Emissionszertifikate, die den Industriellen theoretisch in begrenzter Menge zugeteilt werden und die sie auf dem CO2-Markt kaufen können. Lange Zeit waren die Regierungen bei der Zuteilung dieser Quoten an ihre Industrie so großzügig, dass der Preis für eine Tonne CO2 kaum anstieg. Die schrittweise eingeführten Beschränkungen und die auf dem Energiemarkt tobende Spekulation haben den Preis nun in die Höhe getrieben. Auf dem europäischen Markt lag der Preis für eine Tonne CO2 im Oktober bei 65 Euro, während er seit der Einführung des Marktes im Jahr 2005 kaum über 30 Euro gestiegen war. Natürlich schlagen die Kapitalisten diese Kosten auf ihre Produktpreise drauf. Diese Kosten tragen außerdem direkt zum Anstieg des Gaspreises bei. Und am Ende zahlt alles die Bevölkerung.
Die arbeitende Bevölkerung wird zahlen
Die Bevölkerung zahlt auf viele weitere Arten. Seit 2013 wird in Frankreich zusätzlich zu den sonstigen Verbrauchersteuern auf Energie eine CO2-Steuer erhoben. Je nach Schwankungen der Energiepreise und sozialen Bewegungen wie der der Gelbwesten im Jahr 2018 hat die Regierung den Steuersatz für diese Steuern angepasst, ebenso wie den für die Mehrwertsteuer, dieser ungerechten Steuer, die sogar auf Energiesteuern erhoben wird – eine Steuer auf Steuern sozusagen. Doch im Schnitt, über mehrere Jahre betrachtet, ist die Höhe dieser CO2-Steuer immer weiter gestiegen. Belief sie sich auf 7 Euro pro ausgestoßener Tonne CO2 im Jahr 2014, so ist sie auf 45 Euro pro Tonne im Jahr 2020 gestiegen. Und 2022 soll sie noch einmal stark ansteigen. Im Jahr 2018 brachte diese Steuer dem Staat 9 Milliarden Euro ein, die er über seine Konjunkturprogramme an die Kapitalisten weiterreicht.
Nicht anders, wenn die Regierung unter dem lobenswerten Vorwand, Energieverluste zu bekämpfen, die geltenden Normen für Häuser ändert. Auch hier zahlen am Ende die einkommensschwachen Haushalte die aufgrund der energetischen Sanierung gestiegenen Wohnungspreise, bzw. Baukosten – während gleichzeitig noch mehr arme Familien dazu verurteilt werden, in schlecht isolierten alten Buden zu frieren.
Auf allen möglichen Wegen wird die Arbeiterklasse, die einen bedeutenden Teil ihres Lohns oder ihrer Rente für Heizung, Licht und Mobilität ausgibt, für die Energiewende bezahlen, die von und für die großen Energie- und Industriekonzerne umgesetzt wird. Die Intellektuellen der Bourgeoisie erkennen dies und fürchten es. „Das Problem der CO2-Steuer ist, dass sie die schwächsten Haushalte am härtesten trifft“, erklärte der Chef des Centre ; économique, dass der Regierung unterstellt ist. In einem kürzlich in der Zeitung Les Échos veröffentlichten Beitrag äußerte sich Patrick Artus, Berater der Bank Natixis, besorgt über den „starken Anstieg der Energiepreise [...], die sich in den nächsten 20 Jahren mehr als verdoppeln könnten“. „Die schwächeren Haushalte werden vor der Situation stehen, stark gestiegene Energiepreise bezahlen zu müssen, während gleichzeitig die Preise für [Elektro-]Autos undwärmeisolierte Häuser ebenfalls stark gestiegen sind.“ Zusätzlich zu diesem Preisanstieg prognostiziert Artus „eine massive Vernichtung von Arbeitsplätzen in den Industrien, die fossile Energieträger produzieren und nutzen, sowie in der Autoindustrie“. Allein für die Automobilbranche schätzt er die Zahl der wegfallenden Arbeitsplätze auf 120.000 bis 200.000. Ähnliches verkündet Jean Pisani-Ferry, ein anderer, Macron nahestehender Wirtschaftswissenschaftler. Er sagt einen „negativen Angebotsschock“ mit dem Verschwinden von Anlagen, Fabrikschließungen und dem damit verbundenen Verlust von Arbeitsplätzen voraus.
Patrick Artus fürchtet die „soziale Krise“, die ein solcher Schock auslösen könnte. Aber, wenig überraschend, hat er zu ihrer Verhinderung nichts anderes vorzuschlagen, als Arbeitslose besser auszubilden, die Unternehmer, die am schlechtesten zahlen, zu Lohnerhöhungen zu „ermutigen“ oder Neubauten zu subventionieren. Er holt die gleichen abgedroschenen Rezepte hervor, die seit 50 Jahren bei jeder neuen Verschärfung der Krise der kapitalistischen Wirtschaft serviert werden. Es gibt nämlich keine anderen – es sei denn, man entreißt den Kapitalisten die Macht, denn sie sind am Ende die einzigen Entscheidungsträger.
Die grünen Aasgeier
Alle Kandidaten machen jetzt Klima-Versprechungen, aber alle verbeugen sich vor dem Privateigentum – auch diejenigen, die von „ökologischer Planung“ sprechen wie Mélenchon und seine Partei La France insoumise. Einige geben vor, „sozial gerechte“ ökologische Maßnahmen einführen zu wollen. Aber in einer Klassengesellschaft sind das nur leere Worte. Wenn sie an die Macht kommen, werden sie weiterhin zusätzliche Steuern einführen und die Industrie mit Subventionen und kostenlosen Krediten überschütten, um den ökologischen Wandel zu beschleunigen. Sie werden einkommensschwache Haushalte aus den Stadtzentren vertreiben, indem sie alte Fahrzeuge mit zu hohem Schadstoffausstoß verbieten und ihnen den Alltag erschweren, um in Industriegebieten am Stadtrand zur Arbeit zu fahren.
Umweltschutz ist für Politiker das geworden, was sozialistische Ideen für die französische Sozialistische Partei (PS) und die Kommunistische Partei (PC) in den 1970er und 1980er Jahren waren: ein Trittbrett, um an die Macht zu gelangen; ein Mittel, um die Stimmen all derer einzufangen, die über die Umweltkatastrophen beunruhigt sind. Am widerwärtigsten verhalten sich die Kandidaten der EELV (der französischen Grünen), die jede neue Katastrophe regelrecht ausschlachten, um zu erklären, dass sie an die Macht kommen müssen.
Ihr Präsidentschaftskandidat Yannick Jadot wiederholt immer wieder: „Wir sind an der Reihe, die Zeit der Umweltschützer ist gekommen“. Während der gesamten Vorwahlen (in denen die Grünen ihren Präsidentschaftskandidaten gewählt haben) hat sich Jadot als verantwortungsbewusster Kandidat präsentiert: „Man kann die Gesellschaft nicht gegen die Unternehmen verändern“, hat er immer wieder betont. Vor ihm hatte bereits die neue grüne Mehrheit im Stadtrat von Lyon diese Argumentation angeführt, um sich gegen ihre Gegner zu verteidigen, die sie beschuldigten, wirtschaftsfeindliche Ideologen zu sein. Sie wendeten sich mit zahlreichen Liebeserklärungen an die Unternehmen: „Die Ökologie ist nicht der Feind der Wirtschaft, sie ist ihr bester Verbündeter“; „Wir wollen den ökologischen Wandel mit den Unternehmern gestalten.“ Die großen Bosse des Baugewerbes, der Pharma-, Chemie- oder Metallindustrie waren beruhigt: Unter der Voraussetzung, dass ihre Projekte das Gütesiegel „nachhaltig“ oder „CO2-sparend“ erhalten, werden sie weiterhin die Millionen an direkten und indirekten Subventionen der reichen Metropole Lyon erhalten.
Sandrine Rousseau, Jadots Gegnerin bei den Vorwahlen der Grünen, gab vor, radikalere Umweltschutzforderungen zu vertreten und sich mehr um die sozialen Folgen des ökologischen Wandels zu sorgen. Auch ihr Konzept besteht jedoch darin, den Staat leiten zu wollen, ohne das Privateigentum der Konzerne in Frage zu stellen. Ihr Radikalismus bestand darin, die CO2-Steuer für Unternehmen zu erhöhen und sich für eine europaweite Besteuerung einzusetzen. Solange die Kapitalisten die Wirtschaft lenken, wird sich jede zusätzliche Steuer allerdings auf die Warenpreise niederschlagen und die ärmere Bevölkerung belasten. Sandrine Rousseau erweitert ihren Horizont zwar auf Europa, was erst mal nur eine Geisteshaltung bleibt, da die Europäische Union nichts vorschreibt, was nicht von jedem Mitgliedstaat akzeptiert wird. Aber sie geht nicht so weit, im weltweiten Maßstab zu argumentieren. Doch nur auf dieser Ebene können die Klimaprobleme gelöst werden.
Was die von vielen Grünenvertretene „Abkehr von der Wachstums- und Konsumgesellschaft“ betrifft, so können die Kapitalisten selbst damit leben. Ihre gesellschaftliche Organisation verurteilt bereits große Teile der Menschheit zu einer erzwungenen starken Einschränkung ihres täglichen Konsums. Kapitalismus, insbesondere in seiner senilen Phase, ist nicht Wachstum um jeden Preis, sondern das Streben nach höchstem Profit.
So haben sich die Autohersteller angesichts der aktuellen Knappheit an Bauteilen und Rohstoffen dafür entschieden, die Produktion auf die hochpreisigen Modelle zu beschränken, die am meisten Gewinn einbringen. Die Produktionsrückgänge haben ihre Gewinne nicht geschmälert, im Gegenteil. Der Autokonzern Stellantis (mit den Marken Peugeot, Citroen, Opel etc.) hat für das erste Halbjahr 2021 einen Gewinn von 5,8 Milliarden Euro angekündigt, obwohl sie 700.000 Fahrzeuge weniger produziert hat. In der Pharmaindustrie stellte Sanofi die Produktion bestimmter Impfstoffe und Medikamente ein, die dem Unternehmen nicht genug einbrachten, obwohl sie gesellschaftlich sehr nützlich waren. Der ökologische Wandel unter kapitalistischer Herrschaft könnte zu Produktionsrückgängen führen, die für einen Teil der Menschheit katastrophale Folgen haben könnten.
Heilmittel, die genauso gefährlich sind wie das Übel
Er äußert sich bereits in widersprüchlichen und absurden Entscheidungen, die dazu führen, dass eine Bedrohung durch eine andere ersetzt wird. So hatte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel nach der Katastrophe von Fukushima unter dem Druck der öffentlichen Meinung die Abschaltung der Atomkraftwerke beschlossen. Um deren Produktion zu kompensieren, hielt Deutschland seine Kohlekraftwerke, die am meisten CO2ausstoßen, mindestens bis 2038 aufrecht.
Aufgrund des derzeitigen Anstiegs der Gaspreise „wird Kohle bei der Stromerzeugung trotz des Preises für CO2-Zertifikate wettbewerbsfähiger als Gas“, so ein Experte für den Handel am Energiemarkt. Im Moment werden 19% der Stromerzeugung in Europa aus Kohle gewonnen, gegenüber 14% zu Beginn des Jahres. Während China sich verpflichtet hatte, die Anzahl seiner Kohlekraftwerke zu reduzieren, zwang der Anstieg der Gas- und Ölpreise das Land dazu, neue Kohlekraftwerke zu eröffnen. Wieder einmal scheitert jede Umweltpolitik am Wahnsinn der kapitalistischen Wirtschaft und an der Spekulation.
Während Merkel die deutschen Atomkraftwerke stillgelegt hat, setzt sich Macron im Wahlkampf für die Atomkraft ein, die er mit allen ökologischen Tugenden ausstattet. Die widersprüchlichen Entscheidungen der beiden Länder haben wenig mit Umweltgründen zu tun, dafür umso mehr mit den Interessen ihrer jeweiligen wichtigsten Industriekonzerne.
Im Namen der Energiewende wurde die große Wende hin zu Elektromotoren eingeleitet. Doch das ist eine Flucht nach vorn, denn es gibt viele ungelöste Probleme. Wie sollen Batterien hergestellt und vor allem recycelt werden, die Schwermetalle und andere gefährliche Substanzen enthalten? Wie kann man genug Strom erzeugen, um diese Motoren anzutreiben? Mit welchen Folgen für die Umwelt? So viele unbeantwortete Fragen, so viele zukünftige Umweltkatastrophen in Aussicht.
Um das Problem der Erderwärmung zu lösen, müssten weltweit abgestimmte und kohärente Maßnahmen ergriffen werden. Die Vor- und Nachteile jeder Technologie müssten abgewogen werden, und zwar nicht sehr kurzfristig und um die Interessen einiger Privatkonzerne zu verteidigen, sondern langfristig und mit Blick auf die gesamte Menschheit. Dies erfordert eine Bedarfserhebung und eine Produktionsplanung. Das setzt voraus, dass dem ungezügelten Wettbewerb und den verrückten Gesetzen des Marktes ein Ende gesetzt wird, die die Spekulation hervorbringen.
Um „den Planeten zu retten“, wie es die Jugend auf der Straße zu Recht fordert, gibt es keine andere Lösung, als die Kapitalisten unter die direkte Kontrolle der Arbeitenden und der Bevölkerung zu stellen. Das Geschäfts- und Industriegeheimnis muss abgeschafft werden. Jeder Arbeitende, unabhängig von seiner Position oder Verantwortung, muss die Möglichkeit bekommen, alle gefährlichen Machenschaften, von denen er Kenntnis hat, öffentlich zu machen, ohne seinen Arbeitsplatz zu riskieren. Dies kann nur ein erster Schritt sein, bevor alle kapitalistischen Konzerne vergesellschaftet werden und nach einem gemeinsamen Produktionsplan arbeiten, der darauf abzielt, die Bedürfnisse der Bevölkerung zu befriedigen, bei maximaler Schonung der Ressourcen und ohne den Planeten zu zerstören.
Ja, es ist dringend notwendig, die ökologische Katastrophe aufzuhalten, genauso wie es dringend notwendig ist, die soziale Katastrophe aufzuhalten. Beide stehen nicht im Widerspruch zueinander. Beide sind miteinander verbunden und beide erfordern das gleiche bewusste Eingreifen der Arbeiterklasse, die alles produziert.
18. Oktober 2021