(Dieser Text wurde vom Lutte Ouvrière-Parteitag von Dezember 2013 angenommen)
Der Misskredit der Sozialistischen Partei
1. Am Tag nach der Wahl Hollandes haben wir erklärt, dass die sozialistische Regierung Mühe haben wird, gleichzeitig dem Druck von rechts und von der extremen Rechten und dem Abfallen ihrer eigenen Wählerschaft standzuhalten. Wir haben sogar die Idee geäußert, dass Hollande vielleicht sein Amt gar nicht beenden wird. Vor fünfzehn Monaten war dies nur ein abstrakter Gedankengang.
Die von der Presse noch vergrößerten Gerüchte um eine Auflösung der Nationalversammlung, sind bislang nur Gerüchte, die vor allem die Hoffnungen und den Appetit einer Rechten und eines Zentrums widerspiegeln, die von ihren Abgeordnetenplätzen durch die "Rosa Welle" von 2012 verdrängt worden sind. Aber wir haben die konkreten Mechanismen vor Augen, die zu einer Auflösung führen können. Die Leere der parlamentarischen Opposition ist zweifellos die höchste Sicherheit der sozialistischen Mehrheit, denn in Ermangelung einer klaren Alternative wünscht die Bourgeoisie keine schwere politische Krise, die sich in eine Krise des Regimes verwandeln könnte.
2. Die Regierung hatte mit einem wirtschaftlichen Aufschwung gerechnet, um den Beweis der Wirksamkeit ihrer Politik zu erbringen. Diese winzige Hoffnung ist dabei, an der neuen Lawine von Entlassungen und Firmenschließungen zu zerschellen, etwa jene von Alcatel, Goodyear, La Redoute, Fagor. Nicht zu vergessen sind auch die Welle der Schließungen der Nahrungsmittelfabriken in der Bretagne, die zusammen mit der "Écotaxe" (Ökosteuer) die Quelle der tiefgehenden Unzufriedenheit ist, die in dieser Region explosionsartig zum Ausdruck gekommen ist.
Die Befürchtung, dass diese Mobilisierung ansteckend sein könnte, war sicher der Grund dafür, dass die Regierung bei der " Ökosteuer" nachgegeben hat.
3. Der Misskredit, in den die Regierung geraten ist, sitzt nunmehr sehr tief. Viele von denen, die Hollande gewählt haben, taten es ohne Illusionen zu haben, aber mit der diffusen Hoffnung in der Wählerschaft der arbeitenden Bevölkerung, dass die Linke an der Regierung einige Sachen ändern würde und das es für die Ärmsten leichter werden würde. Heute fühlen sie sich verraten. Verraten was die weiterhin steigende Arbeitslosigkeit anbelangt, verraten durch die Sparmaßnahmen im öffentlichen Dienst, verraten auch durch die steigenden Steuern.
In dieser Hinsicht ist die Mobilisierung in der Bretagne, eine von der Linken beherrschten Region, in der Hollande mit 56,35% der Stimmen gewählt worden war, zeigt, dass die Regierung bei der Wählerschaft in Misskredit gerät, die ihr bislang treu geblieben war.
4. Um dieses Abfallen einzudämmen, hat Hollande gefordert, nach seinen Ergebnissen beurteilt zu werden. Er hat die Invertierung der Arbeitslosenquote-Kurve zu seiner Priorität gemacht. Konnte dieses Versprechen vor acht Monaten noch durchgehen, so ist dies heute nicht mehr der Fall, wo doch augenscheinlich ist, dass nur statistische Kunststücke und auch nur das Fortschreiten der Arbeitslosigkeit vermindern können.
Unfähig Illusionen über seine wirtschaftliche und soziale Politik zu erzeugen, will die Regierung hinsichtlich seiner Sicherheitspolitik gefallen. Seit einigen Monaten ist Valls der Rettungsring der Regierung. Indem er seine sicherheitspolitischen Posen einnimmt, indem er die härtesten Reden gegen die Roma und gegen die Immigration hält, ermöglicht es Valls der Regierung, der Wählerschaft auf ihrem Weg nach rechts zu folgen, eine Entwicklung, an der sie selbst teilhat.
Ohne die Reaktionärsten überzeugen zu können, die in Sachen Sicherheit immer die Rechte und die Rechtsextremen vorziehen, verwirrt und widert die Regierung sogar Mitglieder der Sozialistischen Partei (PS) an, die geglaubt hatten, dass ihre Partei, was die Toleranz und die Menschlichkeit anbelangt, noch Werte zu verteidigen hätte.
Ganz zu schweigen vom erbärmlichen Politik-Spektakel der Sozialistischen Partei, wie dies bei der Cahuzac-Affäre und bei den Vorwahlen in Marseille der Fall war.
5. Während die Auflehnung gegen die Regierungspolitik eine Zeit lang nur durch die Vermittlung des Front de Gauche (Linksfront) zum Ausdruck gekommen ist, drückt sie sich jetzt offen auch innerhalb der Sozialistischen Partei aus. Immer mehr Mandatsträger gehen auf Distanz, indem sie die Regierung sowohl von links als auch von rechts kritisieren. Wird es doch immer augenscheinlicher, dass dies das einzige Mittel zur Schadensbegrenzung anlässlich der Kommunalwahlen ist. Je weniger man mit Hollande und seiner Politik in Verbindung zu stehen scheint, desto besser ist das für die kommenden Wahlen.
Bleibt den Sozialisten wenig Handlungsspielraum, so haben die Grünen mehr. Zwischen einem Placé, der zur Schülerrevolte aufruft, einem Mamère, der das Boot von EELV (Europe Ecologie Les Verts) verlässt, krallen sich Cécile Duflot und Pascal Canfin an ihren Ministersessel fest, was auch immer die Verleugnungen der Regierung und Sachen Umweltschutz sein mögen.
Die UMP profitiert nicht
6. Die Schwäche von Hollande und Regierung kommt der konservativen UMP nicht zu Gute. Die Bewegung gegen die "Ehe für alle" hat vielleicht die rechten Jugendorganisationen gestärkt, aber die UMP, die sich gerade Mitten im Kampf der Chefs befand, scheint nicht davon profitiert zu haben. Weder Copé, noch Fillon, noch irgendein anderer der zahlreichen Anwärter, konnte sich durchsetzen, wie es Sarkozy seinerseits gelungen war.
Die Geschwindigkeit - zwei Monate -, mit der die UMP die 11 Millionen Euro gefunden hatte, um den Wahlkampf von 2012 zu bezahlen, zeugt von der Popularität Sarkozys innerhalb der Rechten. Davon zeugt auch die Bilanz der Jahre Sarkozy, die ein reines Fiasko darstellen. Trotz dem Nachteil, das er durch seine Wahlniederlage von 2012 hat, behauptet sich Sarkozy immer mehr als der hauptsächliche Zusammenhaltfaktor in einer UMP, die sowohl an der Spitze, wie auch auf mehreren Ebenen des Apparats von Streitigkeiten durchsetzt ist.
Bis jetzt scheint die UMP nicht in der Lage, die von Hollande enttäuschten Wähler in dieser Fraktion des Zentrums und der Rechten aufzufangen, die aufgrund ihrer Ablehnung Sarkozys, zur Wahl Hollandes beigetragen haben. Und das umso weniger, als die Politik von Hollande-Ayrault jener der Regierung Sarkozy-Fillon aufs Haar gleicht. Die UMP und die PS teilen sich je zur Hälfte die Verantwortung für die Steuererhöhung. Sie teilen sich den weiteren Abbau des Rentensystems. Und wenn morgen zur "Ökosteuer" noch ein Staatsskandal hinzukommt, dann haben sie auch beide ihren Teil dazu beigetragen.
In dieser Kontinuität von rechts-links ist es der Front National ein Leichtes, den UMPS-Staat anzuprangern.
7. Da es die UMP nicht schafft, die Unzufriedenen um sich zu sammeln, hat Borloo akzeptiert, sich mit Bayrou zusammenzutun, um seine Glück zu versuchen und ein "politisches Angebot" im Zentrum zu starten, wie sie das selbst nennen. Bayrou, der dazu aufgerufen hatte, Hollande zu wählen, hat das zwei Monate später bereut, als er sowohl seinen Abgeordnetenposten als auch einen Großteil seiner Truppen verloren hat. Indem er eine gemeinsame Linie mit Borloo sucht, hofft er darauf, dass viele von der Person Hollandes selbst enttäuscht werden sein, und dass es vielleicht einen Posten abzustauben gibt. Indem er ohne Unterlass wiederholt, dass es in Hinblick auf das Versagen von rechts und links neue Ideen braucht - wobei er nicht in der Lage ist, auch nur eine einzige zu nennen -, hofft er die Enttäuschten von der UMP und die Enttäuschten von der Rechten der PS anzuziehen.
Die Spaltungen in der Front de Gauche
8. Die Wahlstrategie der Front de Gauche besteht darin, für sich die von Hollande enttäuschte Wählerschaft aufzufangen, aber jene Fraktion, die sich als links bezeichnet. Mélenchon scheut keine Mühe, in seinem Versuch, als Hollandes Hauptgegner zu erscheinen. Aber Le Pen überragt ihn bei Weitem, und die Zeiten, in denen Mélenchon geglaubt hat, mit ihr in einem eigentümlichen Kampf rivalisieren zu können, sind vorbei. Sein mediales Talent kann gegen die Entwicklung nach rechts nicht ankommen.
Dieselbe Demoralisierung der linken Wählerschaft, die den Druck nach rechts begünstigt und auf die politischen und gewerkschaftlichen Aktivisten lastet, lastet auch auf der Front de Gauche. Dazu kommen die inneren Spaltungen in der Front de Gauche, die sich aus den unterschiedlichen Strategien von Parti de Gacuhe (PG) (Linkspartei) und KP bei den kommenden Kommunalwahlen ergeben.
9. Da das Ziel der KP-Leitung darin besteht, ihre Positionen in den Kommunen, ihre Bürgermeister und ihre an die 8.000 Mandatsträger, zu behalten, zieht sie das Bündnis mit der PS ab dem ersten Wahlgang vor, wie das das Pariser Beispiel zeigt. Es gibt hier einen Interessenskonflikt mit der PG, die wenig Mandatsträger hat und auf die Europawahlen setzt. Die kommunalen Mandatsträger und darüber hinaus die kommunale Verankerung, ein Rest ihrer früheren Verankerung, sind lebenswichtig für die KP. Und sie hat mehr Chancen diese Mandatsträger zu behalten, wenn sie die Posten und Positionen mit der PS aushandelt.
Die politischen Interessen von Mélenchon sind ganz anders. Er gibt sich als Hilfe von links, als ein das Gerangel überragender Retter. Dazu wurde er - erinnern wir uns - erst durch die KP selbst gemacht, ohne die er diesen Thron nicht besteigen hätte können. Für seine politische Zukunft ist es in Mélenchons Interesse, seine Differenzen hervorzuheben - wenn er und seine Truppe sich beim zweiten Wahlgang auch die PS unterstützen werden. Von den beiden aufeinander folgenden Wahlen, passen ihm die Europawahlen am besten, und seine Strategie bei den Kommunalwahlen hängt von jener bei den Europawahlen ab.
10. Wenn die Spannungen zwischen KP und PG in den nächsten Monaten auch lebhaft sein werden - vor allem in Städten wie Paris, wo die PG-Listen gegen die Listen des Bündnisses PS, EELV und KP antreten werden -, ist das Gespann der Front de Gauche, wo Tausende Aktivisten der KP die Beine und Mélenchon der Kopf ist, wohl weit davon entfernt, auseinander zu brechen. Das gemeinsame Gespann Front de Gauche ist die Antwort auf symmetrische Bedürfnisse. Mélenchon braucht die Aktivisten der KP, während die KP die Popularität Mélenchons braucht.
11. In Paris haben die Aktivisten der KP im Sinne der Leitung mehrheitlich für die Teilnahme auf den Listen der Sozialisten ab dem ersten Wahlgang gestimmt. In zwei Provinzstädten, Grenoble und Lyon, haben die Aktivisten für zwei entgegengesetzte Wege gestimmt. Die Differenz in der Strategie von Mélenchon und der KP-Leitung findet also ihren Weg ins Innere der KP und stört und desorientiert die Aktivisten. Zahlreiche lokale Sektionen sind praktisch zweigeteilt. Und selbst dort, wo dies nicht der Fall ist, stellen sich die Aktivisten Fragen.
12. Es ist notwendig, überall wo nur möglich mit ihnen zu diskutieren. Ohne Illusionen zu haben, denn die Spaltungslinie ist nicht eine Klassenlinie sondern eine Wahltaktische Differenz. Jene Aktivisten der KP, die nicht mit der Unterstützung der Sozialistischen Partei ab dem ersten Wahlgang einverstanden sind, handeln mehr aus wahltaktischem Opportunismus als aus dem Bestreben heraus, vor den Arbeitenden eine Klassenpolitik zu verteidigen. Es genügt eigentlich, sich an das Schicksal des von der PS unterstützten KP-Kandidaten in Brignoles zu erinnern, um zu verstehen, dass der Misskredit der Regierung über alle Bestandteile der Linken abfärbt. Und das betrifft auch die KP, wenn diese auch keine Minister in der Regierung hat.
13. Es ist aber notwendig, diese Situation zu nützen, um über die Entwicklung der KP zu diskutieren, vom Wie und vom Warum seines ununterbrochenen Niedergangs. Aber diskutieren muss man auch über die lange Integrierung der KP in das bürgerliche politische System, über die prinzipiellen Gründe für das Mitläufertum gegenüber der PS, über den Elektoralismus. Diese Diskussion muss geführt werden, indem wir zeigen, dass wir zu denen gehören, die nie der Fahne des Klassenkampfs, des Kommunismus den Rücken gekehrt haben. Anders gesagt, es geht nicht darum, die "Unabhängigkeit" gegenüber dem PS zu betonen, wie das die NPA macht. Hier ist Mélenchon überzeugender. Wir müssen jene erreichen, für die das Word "Kommunismus" wenn nicht einen Sinn, so doch einen Nachhall hat. Diese sind sicher eine kleine Minderheit, aber wenn es Arbeiteraktivisten sind, sind sie in der Zukunft wichtig.
Die Politik von Mélenchon ist ein subtiler Mix aus rachsüchtiger Phrasendrescherei und Angeboten an Hollande. Hat er ihm doch vor kurzem seine Dienste als Premier Minister angeboten. Die Wählerschaft, auf die er abzielt, sind die traditionellen Wähler der PS. Es ist eine weitgehend kleinbürgerliche Wählerschaft, wenn die KP-Leitung dort auch ihre eigene Wählerschaft hineingebracht hat.
Wenn Mélenchon bei seiner eigenen Wählerschaft auch Ansehen genießt, so deshalb, weil sie ihm gleicht, sowohl durch seine Initiativen, als auch durch dasselbe Desinteresse gegenüber der Welt der Arbeitenden, ihren wirklichen Problemen, ihren Anliegen, ihrem Leben und vor allem der Perspektive, die einzig und allein die Arbeiterklasse verkörpern kann. Mélenchons Wählerschaft gleicht ihm durch ihre Ablehnung des Klassenkampfs, aus sozialem Schrecken vor jenem Kampf, den das Proletariat wird führen müssen, um sich zu emanzipieren.
Es ist vor allem notwendig, sich darüber bewusst zu sein, dass die Politik Mélenchons im Falle eines Ansteigens der Kämpfe darin bestehen wird, sie in Richtung einer für die Bourgeoisie akzeptablen politischen Lösung abzuleiten. Darin wird diese Politik das Gegenteil einer Politik darstellen, die auf die revolutionäre Bewusstwerdung der Arbeiterklasse hinzielt.
Die Front National und die Gefahren eines reaktionären Drucks
14. Der Anstieg des Einflusses der Front National bei den Wahlen, so wie er aus den Umfragen und einigen Nachwahlen aus der letzten Zeit hervorgeht, ist bezeichnend für das politische Klima.
Was Wahlen betrifft, so stellt die Rechte in diesem Land die Mehrheit. Die Rechtsextremen ihrerseits hatten in der Vergangenheit oftmals bedeutende Wahlergebnisse. Jedenfalls war das so, wenn die reaktionärste Wählerschaft um eine vereinende Persönlichkeit gruppiert war (De Gaulle und die RPF zu Beginn der 50er Jahre, Poujade in den 50ern, Tixier-Vignancourt in den 60ern und zuletzt die Dynastie Le Pen). Außerdem sind die Grenzen zwischen den Rechtsextremen und der parlamentarischen Rechten derart porös, dass sich ein Teil der rechtsextremen Wählerschaft oft mit jenem der klassischen Rechten vermischt hat.
15. Der besorgniserregende Aspekt dieses ansteigenden Einflusses der Front National bei Wahlen ist die Tatsache, dass die rechtsextreme Partei auf einen bedeutenden Teil der Arbeiterwählerschaft anziehend wirkt. Wir basieren uns bei dieser Feststellung nicht auf Umfragen, sondern auf Diskussionen in den Arbeitervierteln und sogar in den Betrieben. Die Gründe sind augenscheinlich die Enttäuschung gegenüber den traditionellen Parteien der Linken, die, wenn sie an der Regierung sind, eine Politik machen, die sich in nichts von jener der Rechten unterscheidet.
Die Bezeichnung "UMPS" von Marine Le Pen findet umso leichter ein Echo sogar bei den Arbeitenden, als sie ihrer politischen Erfahrung entspricht. Unsere Argumente bezüglich der Tatsache, dass die Front National genauso wie die anderen Parteien im Dienst der großen Wirtschaftsbossen und der kapitalistischen Ordnung steht, können ankommen, aber die stoßen sich an einem Einwand, der scheinbar dem gesunden Menschenverstand entspringt: "Diese haben wir noch nicht ausprobiert".
Unsere Praxis als Aktivisten zeigt uns, dass diese Anziehung nicht - jedenfalls noch nicht - eine Übereinstimmung im Sinne einer Mitarbeit ist, sondern der Ausdruck eines Verlustes der politischen Bezugspunkte, einer tiefgreifenden Desorientierung. Aber das Gewicht, das wir als Aktivisten haben, ist viel zu gering, um dieser Desorientierung in angemessener Weise entgegenzuwirken, und vor allem, um ihre prinzipiellen Ursachen zu überwinden.
16. Dieser Anstieg des Einflusses der Front National bei Wahlen nährt sich nicht nur aus dem Ekel, den die Politik der großen linken Parteien hervorruft, wenn diese an der Regierung sind. Sie nährt sich noch mehr aus der Abwesenheit der Parteien der Arbeiterbewegung in den Arbeitervierteln und in den Betrieben; Parteien, die zumindest auf dem Gebiet des Rassismus und der Ausländerfeindlichkeit, den Argumenten der Rechtsextremen etwas entgegnen könnten. Die Front National übernimmt selbst in demagogischer Weise die in dieser Zeit existierenden Vorurteile und verstärkt sie umso leichter als die klassischen parlamentarischen Parteien diese Vorurteile immer mehr selbst übernehmen.
Dazu kommt, dass die Tatsache, dass in unterschiedlichem Ausmaß alle sich republikanisch nennenden Parteien sich auf einer Linie mit der einen oder anderen Position der Front National befinden und diese dadurch banal werden. All jene, die zuvor diese Vorurteile hatten, aber nicht wagten, sie von sich zu geben, tun das jetzt offen.
17. Es ist müßig, darüber zu spekulieren, was im Kopf von Marine Le Pen oder ihrer Parteiführung vorgeht: sich in das traditionelle politische Spiel integrieren oder eine gewaltsamere Politik beginnen.
In Frankreich sind wir nicht auf einer Stufe angelangt, die eine Organisation wie Goldene Morgenröte en Griechenland oder Jobbik in Ungarn hervorbringen kann. Aber die Demonstrationen gegen die "Ehe für alle" sollten uns als Warnung dienen. Sie haben gezeigt, dass die menschlichen Elemente existieren, welche die Kader einer solchen Entwicklung sein können. Sie haben die Verbindungen erahnen lassen, die zwischen diesen Elementen und der Hierarchie von Armee und Polizei existieren. Der Begriff "die FN entdämonisieren" ist sicher nicht nur das Werk von Marine Le Pen, sondern kommt von einer Gesamtentwicklung der öffentlichen Meinung, in denen das unsinnige Zeug der FN nicht mehr oder nicht mehr so sehr als schändlich empfunden wird. Eine Entwicklung, in der nicht nur die parlamentarische Rechte, sondern auch die Linke, die PS an der Macht, eine bedeutende Rolle spielen. Diese Entdämonisierung erleichtert natürlich den politischen Handlungsspielraum all jener, die rechtsextreme Ideen predigen, ohne dass sie das unbedingt in faschistische Aktivisten verwandelt. Aber wenn die Kader einer eventuellen faschistischen Bewegung existieren - und sie existieren! -, wenn ein Klima herrscht, in dem sie leichter rekrutieren können, so fehlen ihnen doch die Truppen, die eine Verschärfung der Krise hervorbringen und zu ihrer Verfügung stellen kann.
Was es dem dunklen ultranationalistischen Demagogen Hitler ermöglichte, Vertrauen zu gewinnen und dann für die Macht zu kandidieren, das waren Zehn- und Hunderttausende von ruinierten Kleinbürger, die die Krise mobilisiert hatte, das heißt, ihr eigener Verfall.
In diesem Sinne hängt die Zukunft der Front National oder eines ihrer Bestandteile als zukünftige faschistische Partei von der Dauer und der Verschärfung der Krise ab.
18. Wir sind heute nicht an diesem Punkt angelangt, aber das kann sich schnell ändern. Die Demonstrationen in der Bretagne müssen uns als Alarmsignal dienen. Der Aufstand der "Roten Mützen" hat gezeigt, wie die Kleinbourgeoisie in Erscheinung treten und radikale Aktionen unternehmen kann. Diese Aktionen waren nicht im Geringsten gegen die Arbeitenden gerichtet, sondern gegen die Regierung und besonders gegen die "Ökosteuer". Aber das wäre möglich gewesen, sie hätten gegen die Gewerkschaften gerichtet sein können, insbesondere gegen die CGT, die alles gemacht hat, um sowohl von den Arbeitenden als auch von den Kleinbürgern, die am 2. November in Quimper demonstrierten, abgeschnitten zu sein, indem sie die Regierungspolitik verteidigte, wenn auch auf scheinheilige Weise.
19. Im Fall einer Radikalisierung der Kleinbourgeoisie ist die wichtigste Frage, die sich stellt, die zu wissen, auf welche Seite sie landen wird: im Lager der Arbeitenden oder im Lager der Bourgeoisie, indem sie bei den Rechtsextremen landet, bzw. sogar Stoßtrupps bildet.
Damit sie ins Lager der Arbeitenden kommt, genügt es nicht zu sagen, dass die Bourgeoisie ihre Feindin ist, die für ihren Ruin verantwortlich ist. Die Arbeitenden müssen ebenso radikal wie die Kleinbürger kämpfen, sie müssen zeigen, dass sie die Bourgeoisie wirksam bekämpfen und das sie eine Perspektive für die Zukunft darstellen.
Nichts deutet darauf hin, dass die Arbeitenden den Kampf für ihre eigenen Forderungen wieder aufnehmen, bevor die anderen Gesellschaftsschichte in Aktion treten. Es kann sein, dass beide sich wie in der Bretagne vermischen und dass die Kleinbürger die Arbeitenden hinter ihren eigenen Parolen mitziehen. Wenn es uns unsere Größe auch nicht ermöglicht, auf den Lauf der Ereignisse Einfluss zu nehmen, müssen wir dennoch auch in dieser Situation eine Politik für die Arbeiterklasse haben.
20. Im Kampf gegen die "Ökosteuer" sind wir nicht neutral geblieben. Wir haben uns mit ihm solidarisiert, trotz der uneinheitlichen Zusammensetzung der Demonstrationen. Die wichtigste Demonstration, jene von Quimper, hat sowohl entlassene Arbeiter der Lebensmittelfirmen der Region angezogen, als auch die regionalen Vertreter der Unternehmervereinigung Medef, aber auch verschiedene Kategorien der Kleinbourgeoisie: Handwerker, Fischer, kleine Bauern. Über dem Symbol der bretonischen Fahne hinaus herrschte in diesen Demonstrationen die Vorstellung von einer Einheit der Interessen der verschiedenen sozialen Klassen.
Wir prangerten die Anmaßung der Bourgeoisie, im Namen der arbeitenden Klassen, sowie jener der Entlassenden, im Namen ihrer Opfer zu sprechen, an. Wir sagten, es sei notwendig, dass die Arbeitenden ihre eigenen Forderungen und vor allem ihre eigenen Perspektiven für die Gesellschaft offen formulieren. Wir lehnten es ab, die Arbeitenden vor die falsche Wahl zu stellen, entweder in Quimper hinter den Bossen oder in Carhaix für die Regierung zu demonstrieren. In beiden Fällen haben wir der Arbeiterklasse eine unabhängige Politik vorgeschlagen. Eine Politik gegen die Bosse auf der einen Seite und auf der anderen Seite eine Politik gegen die Regierung.
Mit den Kleinbürgern solidarisch sein bedeutet nicht, dass sich sein Kampf mit dem Kampf der Arbeitenden vermischt. Wir sagen im Gegenteil, dass die Arbeitenden ihren eigenen Kampf auf dem Klassenterrain führen muss, und dass die einzige Perspektive für die Arbeitenden sowie für die gesamte Gesellschaft darin besteht, dass sie die Führung des Kampfes übernehmen, denn sie sind die einzigen, die kein Interesse an dieser Ausbeutergesellschaft haben, die einzigen, die die Diktatur der Bourgeoisie bekämpfen können.
21. Bis jetzt ist die Arbeiterklasse nicht mobilisiert aufgetreten. Für diese Tatsache tragen die Gewerkschaftsverbände eine zerdrückende Verantwortung. Allen voran die CFDT, die durch die Unterzeichnung des Abkommens ANI von Anfang an die arbeiterfeindliche Politik der Regierung unterstützt, hilft mit, Verwirrung zu stiften, indem sie in die Arbeiterklasse die Ideen der Bosse von der Wettbewerbsfähigkeit und allem Anderen einfließen lässt. Die CGT und FO, die sich gegen das Regierungsprojekt ausgesprochen haben, wollten diese Reform aber nicht als Ganzes ablehnen und waren unfähig, die Arbeiter zu mobilisieren, als sie sich entschlossen haben, es zu tun. Sie waren sogar unfähig, ihren Forderungen eine klare Richtung zu geben.
22. Diese Politiken der Gewerkschaftsverbände demoralisieren sogar die Milieus der Aktivisten. Diese sind umso betroffener und ratloser, als sie dem Ansteigen der Ideen der Front National unter den Arbeitenden beiwohnen und sich dabei ohnmächtig fühlen, dieser Entwicklung eine Politik entgegen zu stellen. Aus diesem Grund müssen wir jede Gelegenheit nutzen, in den Gewerkschaften zu diskutieren und dort unsere Politik zu verteidigen. Wir werden natürlich weiterhin sagen, dass nur mächtige Kämpfe der Arbeitenden ihre Lebensbedingungen retten können, aber auch, dass es notwendig und wertvoll ist zu kämpfen, und sei es nur mit dem Wort, und dadurch die Wertvorstellungen und die Forderungen der Klasse zu verteidigen.
Das Wahljahr
Ob es Kämpfe geben wird oder nicht, wird das kommende Jahr jedenfalls ein Wahljahr mit den Kommunal- und Europawahlen sein. Und wir müssen uns auch darauf vorbereiten, in diesem Bereich zu intervenieren.
In diesen Wahlen werden wir uns als eine Arbeiteropposition zur Regierung präsentieren. Unsere Ausrichtung wird darin bestehen, dem Lager der Arbeitenden gegen die Bourgeoisie und ihren Dienern Gehör zu verschaffen. Aber da diese Wahlen von der FN beeinflusst sein werden, werden wir uns auch gegen sie positionieren und über die Front National diskutieren müssen.
Wir werden alle das sagen, was wir gegen die FN haben, aber dabei einen Klassenstandpunkt einnehmen. Wir schlagen nicht mit dem Faschismus Alarm - sie ist nicht faschistisch - und wir kritisieren sie nicht aus dem Standpunkt der Moral. Wir erklären im Gegensatz zu den Verteidigern der republikanischen Front, dass die FN eine Partei der Bourgeoisie ist, die sich von den anderen durch die autoritäre Politik unterscheidet, die sie verspricht, aber dass auch sie im Interesse der Bosse regieren wird.
24. Wir werden den Arbeitenden erklären, dass sie die Regierungspolitik und die seit Jahrzehnten regierende Clique zu Recht ablehnen, aber dass die, die denken, dies durch die Stimme für die FN zu tun, sich täuschen. Die FN ist wie die anderen eine Partei, die an den Futtertrog herankommen will, und die nichts gegen die Bourgeoisie, nichts gegen die Ausbeutung hat. Die FN ist eine Partei, die wie die anderen die Lohnsklaverei erhalten will, aber mit diktatorischeren Methoden.
Es wird notwendig sein, jene, die dazu neigen, FN zu wählen, und sei es nur aus Provokation, über die Bedeutung zum Nachdenken zu bringen, die ihrer Stimme verliehen werden wird. Die FN-Stimme wird als eine Regierungskritik von rechts interpretiert werden, denn die Stimmen, die von den Armen kommen werden, werden sich mit jenen der schlimmsten Reaktionären vermischen, den arbeiterfeindlichen kleinen Bossen, den Kolonie- und OAS-Nostalgikern, den Rassisten. Sie wird interpretiert werden, als die Forderung nach einer härteren Politik gegen die Arbeitslosen, gegen die Gewerkschaften, gegen die Arbeitenden, die sich organisieren und verteidigen wollen.
25. Wir werden erklären, dass man die arbeiterfeindliche Regierungspolitik ablehnen muss, indem man die Interessen der Arbeiter in den Vordergrund rücken muss. Indem man ihren Willen zur Verteidigung gegen die Entlassungen, gegen die Zertrümmerung ihrer Kaufkraft, gegen die Verschärfung der Ausbeutung, gegen die Geschenke für die Bosse, die die Sozialversicherung, die Renten, den öffentlichen Dienst zerstören, betont.
Wir werden die Argumente der FN durch eine Klassenpolitik beantworten. Indem wir wieder und wieder betonen, dass hinter der Regierung die großen Bosse stehen. Es genügt nicht, seine Wut gegen die Marionetten auszudrücken, man muss auch auf jene zielen, die die Fäden ziehen: die Bourgeoisie, die Finanzbosse und die Aktionäre. Man muss auf die zielen, die Arbeiter entlassen, auf die Schmarotzer, die durch die Arbeit aller anderen reich werden.
Wir stellen es in unseren täglichen Aktivitäten fest: Auch die, die versucht sind, FN zu wählen, können uns zuhören. Wir müssen sie auf Basis ihrer Interessen als Ausgebeutete treffen.
Aus politischen Kämpfen, auch in Wahlen, kann eine politische Partei hervorkommen und sich festigen, die die Interessen der Arbeiter verteidigen, eine wirkliche kommunistische Partei.
Schluss
26. Wir wissen nicht, ob der Protest, der sich in einer gewissen Bewegung in der Bretagne geäußert hat, der Vorbote weiterer Mobilisierungen ist. Noch weniger wissen wir, in welchem Ausmaß die Arbeitenden einbezogen sein werden. Aber ab dem Zeitpunkt, in dem, angetrieben durch die Krise, die sozialen Klassen beginnen, sich zu mobilisieren, wird die Verteidigung einer Klassenpolitik für das Proletariat lebensnotwendig. Und eine Klassenpolitik bedeutet nicht nur die Verteidigung der materiellen Interessen, die der Arbeiterklasse eigen sind. Sie bedeutet, dass die Arbeiterklasse ihre Fähigkeit zeigt, einen Ausweg aus der sozialen Krise anzubieten, ein Ausweg, der nur durch die direkte Konfrontation mit der Bourgeoisie und der kapitalistischen Ordnung eröffnet werden kann.
27. Diese Politik werden wir im Wesentlichen bei den beiden kommenden Wahlen verteidigen. In Abwesenheit von Kämpfen wir dies nur Propaganda und Agitation sein. Aber die Wahlen machen es möglich, sie auf einer breiteren Ebene als gewöhnlich zu machen.
Sie bieten auch die Möglichkeit, in einem politischen Kampf all jene um uns zu gruppieren, die sich gegenüber der Krise der kapitalistischen Wirtschaft in einem kommunistischen Programm wiederfinden. Und die mit uns die Perspektiven teilen, die das Fundament dieses Programms ausmachen...
Eine wirkliche revolutionär-kommunistische Partei kann nur aus dem realen Klassenkampf entstehen. Sie kann nur dann das Vertrauen der Arbeiterklasse erringen, wenn sie um die Führung der Kämpfe wirbt und das Vertrauen jener gewinnt, die daran teilnehmen.
Aber die Wahlkämpfe sind ein Bestandteil der politischen Kämpfe, durch die sich das revolutionär-kommunistische Programm mit den politischen Entscheidungen nicht nur jener konfrontiert, die vorgeben, die Interessen der Ausgebeuteten zu verteidigen und dabei die kapitalistische Ordnung verteidigen. Muss man an die Bedeutung der Wahlkämpfe für die Anfänge der sozialistischen Bewegung erinnern? Also zu einer Zeit, in der die sozialistische Richtung das Programm der sozialen Emanzipation verkörperte.
Die Wahlkampagnen bieten die Möglichkeit, das aus den Kämpfen hervorgegangene Programm der revolutionär-kommunistischen Bewegung der Vergangenheit mit den heutigen Problemen zu konfrontieren und auf dieser Basis neue Kämpfer für diese Ideen zu gewinnen. Diese Gelegenheit müssen wir so gut es geht ergreifen.
4. November 2013