Die internationale Lage (Dezember 2009)

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Die internationale Lage
Dezember 2009

(Dieser Text wurde vom Lutte Ouvrière-Parteitag von Dezember 2009 angenommen)

 

1. Die Zukunft der internationalen Beziehungen hängt von der Entwicklung der Krise der kapitalistischen Weltwirtschaft ab und davon, wie sehr sie sich vertiefen wird.

2. Die Solidarität zwischen den Großmächten in der Gestalt von G7-, G8-, und seit der Erweiterung auf Länder wie China, Indien, Saudi-Arabien, Brasilien, aber auch Indonesien, Mexiko oder Südafrika von G20-Gipfeltreffen scheint derzeit noch vorzuherrschen. Die Grundlage dieser Solidarität ist das gemeinsame Interesse der Bourgeoisien, die Finanzkrise zu stoppen, indem die ausgebeuteten Klassen noch ein wenig mehr niedergedrückt werden. Sie beendet jedoch weder die Konkurrenz noch die Rivalität zwischen den kapitalistischen Ländern, und die Tatsache, dass zu diesen Beratungen zwischen imperialistischen Räubern ein paar Staatschefs aus großen armen Ländern eingeladen wurden, beendet auch nicht die Unterjochung der unterentwickelten Länder durch die imperialistischen.

3. Der amerikanische Imperialismus beherrscht trotz der Schwächung seiner Wirtschaft und seiner Währung, dem Dollar, das Konzert der Nationen. Er hat ein Jahrhundert wirtschaftlicher Entwicklung auf seiner Seite, die durch den großen Binnenmarkt auf einem riesigen Gebiet begünstigt wird, in dem es weder an Gütern noch an Menschen mangelt. Die amerikanische Bourgeoisie ist, seit sie dem britischen Imperialismus folgend die Weltherrschaft angetreten hat und ihre Stellung als Anführer der kapitalistischen Welt in zwei Weltkriegen gefestigt hat, die mächtigste der Welt und seit dem zweiten Weltkrieg in der Lage, der Weltwirtschaft ihren Zehnt abzuverlangen. Nur die Sowjetunion konnte ein wenig Schatten auf ihren Glanz werfen, aber seit sie, unterminiert durch die Gier der Bürokratie, ihre Herrschaft über die Wirtschaft zu festigen, implodiert ist, sind die USA die einzige "Supermacht", wo die Macht der Bourgeoisie und die Entwicklung ihres Wirtschaftssystems keine andere Grenze kennen, als die des Kapitalismus selbst. Der derzeitige Rückgang ihrer Wirtschaft, die Brüchigkeit ihres Bankensystems, die die Krise ans Licht gebracht hat, sowie die wachsende Armut eines Teils ihrer Bevölkerung haben einzig innere Ursachen.

Die USA behalten jedoch das Privileg, das sie aus ihrer Entwicklung im Jahrhundert ihres Aufstiegs geerbt haben, sich nicht nur zu Lasten des unterentwickelten Teils des Planeten zu bereichern - insbesondere zu Lasten ihres Hinterhofs Lateinamerika -, sondern auch die, die anderen imperialistischen Mächte zu ihren Kriegen zu verpflichten.

4. Die Verleihung des Nobelpreises für den Frieden an Obama wird den amerikanischen Imperialismus nicht friedfertiger machen. Bereits in den Texten über die internationale Lage in 2007 und 2008 stellten wir fest: "[...] die Militärausgaben, die, nachdem sie in den Jahren des Zerfalls der ehemaligen Sowjetunion zurückgegangen waren und 1996 ihren Tiefpunkt erreicht hatten, sind wieder gestiegen und haben 2005 das Niveau wieder erreicht, das sie am Ende des kalten Krieges hatten. Ihr schnelles Wachstum hat sich fortgesetzt. Der amerikanische Verteidigungshaushalt ist zwischen 1996 und 2005 von 318 auf 478 Milliarden Dollar gestiegen, d.h. ein Zuwachs von 50% in neun Jahren. [...] Dieser Wettlauf in der Rüstungsindustrie, deren Anteil an der im Übrigen stagnierenden Güterproduktion steigt, spiegelt die vielfachen Spannungen in den internationalen Beziehungen wider, ist aber für die kapitalistische Klasse auch eine wirtschaftliche Notwendigkeit."

Die amerikanischen Militärausgaben bleiben bis heute sehr hoch, wobei die amerikanischen Interventionen im Irak und in Afghanistan einen großen Teil der Ausgaben darstellen.

5. Die neuerlichen blutigen Attentate bis hinein in die am besten geschützten Stadtviertel von Bagdad zeigen, wie unsicher die seit 2007 eingetretene, sehr bedingte Stabilisierung der Lage ist. Obwohl das Versprechen Obamas, die amerikanischen Truppen aus dem Irak abzuziehen, so verhalten vorsichtig es auch war, zu seiner Wahl beigetragen hat, sind die USA weit davon entfernt, dies zu verwirklichen. Die USA können sich aus dem irakischen Dilemma, in das sie sich selbst gebracht haben, nicht zurückziehen, ohne zuvor einheimische Repressionskräfte eingesetzt zu haben, die in der Lage sind, die Ordnung aufrecht zu erhalten. Das scheint umso weniger der Fall zu sein, als scheinbar einige der jüngsten Attentate Hilfe aus den Reihen der irakischen Streitkräfte bekommen haben.

Die USA sind weiterhin mit demselben Dilemma konfrontiert, wie schon seit Jahren: Die Truppen aus dem Irak abziehen und das Risiko eingehen, ein Chaos zu hinterlassen, in dem die Milizen verschiedener Glaubensrichtungen oder Ethnien aufeinander losgehen werden - oder bleiben und das Chaos dennoch nicht aufhalten können. Da aber die ganze Region ein einziges Pulverfass ist, stellt das irakische Chaos eine Ansteckungsgefahr für die gesamte Region dar.

6. Die Lage im Irak ist mit Sicherheit einer der vielen Faktoren, die die Ausrichtung der amerikanischen Politik gegenüber dem Iran mitbestimmen. Die lautstarken Auseinandersetzungen zwischen den iranischen und den amerikanischen Machthabern bezüglich der iranischen Atompolitik gleichen einer Partie Lügenpoker.

Die USA haben ein Interesse daran, die iranischen Machthaber an der Aufrechterhaltung der Ordnung in der Region zu beteiligen. Man muss daran erinnern, dass dies zur Zeit des Schahs bereits die Rolle des Iran war. Nach dem Umsturz des Schahs 1979 und der Machtergreifung Khomeinis hatten die USA eine Strategie angenommen, die auf den Sturz des Mullah-Regimes abzielte. Der Irak unter Saddam Hussein war eines der Werkzeuge dieser Politik. Aber der Krieg, den der Diktator von Bagdad und damaliger Handlanger der Westmächte, von denen er bewaffnet und finanziert wurde, zwischen 1980 und 1988 geführt hat, hat das iranische Regime nicht zerstört.

Es war zwar von diesem langen Krieg, dessen Todesopfer auf eine Million geschätzt werden, geschwächt und hat einige Zeit lang keine bedeutende Rolle mehr auf dem Schachbrett des Mittleren Ostens gespielt, aber das hat sich seit einigen Jahren geändert. Das Mullah-Regime legt nicht nur eine gewisse Stabilität an den Tag, während die Nachbarländer Irak und Afghanistan mehr oder weniger im Chaos versinken, es hat auch Einfluss auf die schiitischen Organisationen im Irak und sogar auf die Hisbollah im Libanon.

Und ganz bestimmt ist es nicht der theokratische Charakter des iranischen Regimes, der die USA stört, die mit dem - wenn möglich - noch reaktionäreren Regime Saudi-Arabiens sehr gut zu Recht kommen.

7. Da sie sich des Mullah-Regimes nicht entledigen können, liegt das strategische Interesse der USA darin, es auf ihrer Seite und jedenfalls nicht gegen sich zu haben.

Zwar deuten einige Anzeichen auf eine Orientierung der USA auf eine Art Versöhnung hin, aber das iranische Regime, das über eine gewisse populäre Basis verfügt, ist sicher nicht geneigt, ein Marionettenregime zu werden. Daher der Druck, den die USA auf die iranischen Machthaber auszuüben versuchen, indem sie die Bedrohung hervorheben, die die Fähigkeit des Irans, sich mit Atomwaffen auszurüsten, für die Region darstellen würde (das alles mit der glühenden Zustimmung Israels, das die Atombombe besitzt!).

Dieses Voranstellen einer "nukleare Bedrohung" hat gegen das iranische Regime dieselbe Funktion wie "die Massenvernichtungswaffen" gegen Saddam Hussein. Das zielt wahrscheinlich nicht auf Krieg ab, den die USA nicht in der Lage wären, an einer dritten Front zu führen, sondern darauf, den Iran dahin zu bringen, die Bedingungen für eine Versöhnung mit den USA zu akzeptieren, die für diese am günstigsten wären.

Das Argument, dass der Iran eine Bedrohung für die Region sei, ist von Seiten der imperialistischen Mächte nicht weniger zynisch. Zunächst weil sie selbst und ihre Verbündeten in der Region über eben diese Atomwaffen verfügen, die sie dem Iran verweigern. Dann weil, wie Chirac gesagt hat, eine iranische Rakete mit Nuklearsprengköpfen kaum die Zeit hätte, abzuheben, bevor sie schon von den in der Region stationierten Raketenabwehrsystemen der Großmächte und Israels zerstört sein würde. Und in erster Linie schließlich hat man im vergangen Jahrhundert nie gesehen, dass der Iran die westlichen Mächte bedroht hätte, während diese mehrere Male direkt oder indirekt eingegriffen haben. 1941 war es die britische Armee, die, im Verein mit der Sowjetunion in das Land einmarschierte, um den Schah zu stürzen, der verdächtigt wurde, die Neutralität des Landes im Krieg bewahren zu wollen. 1953 organisierte der CIA den Umsturz des Premierministers Mossadegh, der die iranischen Erdölvorkommen verstaatlichen wollte, die sich damals in der Hand des englisch-iranischen Konzerns Oil Company befanden, der in der Folge British Petroleum (BP) wurde. Und 1980 war der Angreifer Saddam Hussein mit Unterstützung der USA.

8. In Afghanistan sind die koalierten Truppen unter der Leitung der USA in einer Lage, die durchaus nach einer Sackgasse aussieht. Die Komödie der Wahlen, um dem Regime des von der westlichen Koalition eingesetzten Karzai einen demokratischen Anstrich zu geben, wird mehr und mehr zu einer Posse. Es handelte sich so oder so um Pseudowahlen, die für die öffentliche Meinung im Westen veranstaltet wurden, um der imperialistischen Intervention den Anschein einer Intervention für die Demokratie zu geben.

Das ist ein altes Rezept bei allen imperialistischen Interventionen, die natürlich nie stattfinden, um eine Herrschaft aufzuzwingen oder zum Schutz eines Raubs, sondern immer im Namen des Friedens, der Demokratie oder der Zivilisation. Aber so naiv die öffentliche Meinung im Westen auch sein mag, die von einer Presse informiert wird, die nur sagt, was sie sagen will, das Märchen von der Demokratie auf dem Vormarsch in Afghanistan ist schwer zu schlucken.

Dem französischen Imperialismus ist es daran gelegen, als Hilfskraft des amerikanischen Imperialismus in der Region Präsenz zu zeigen. Was auch immer die Minister behaupten mögen, es handelt sich um einen räuberischen Krieg, der mit der Haut der Soldaten und in noch viel höherem Maße mit der Haut der afghanischen Bevölkerung geführt wird.

9. Als Ergebnis der Intervention der westlichen Truppen bleibt eine bis aufs Mark korrupte Regierung, deren Macht nicht über die Stadtgrenzen von Kabul hinausgeht... wenn überhaupt.

Es bleiben auch die sozialen Strukturen aus einer anderen Zeit, die die großen westlichen Demokratien unangetastet gelassen haben, und die vom Klanwesen, der Unterdrückung der Frau und der Macht der Religion geprägt sind.

Es bleibt vor allem eine weiterhin Not leidende Bevölkerung in einem der ärmsten Länder der Welt, und die einzige Modernität, die die westliche Intervention ihr gebracht hat, sind Kampfflugzeuge, die am Himmel kreisen, um ihre Bomben abzuwerfen, und als einzige materielle Hilfe das, was von den Summen, die für die westlichen Truppen ausgegeben werden, für den lokalen Handel abfällt.

10. Es ist die zunehmend feindliche Einstellung (der Bevölkerung) gegenüber den Besatzungstruppen, die die Vermehrung und die Verstärkung der bewaffneten Guerillatruppen begünstigt, die unter dem Oberbegriff "Taliban" zusammengefasst werden. Insgesamt eine falsche Bezeichnung, da sich nicht alle, die gegen die westlichen Truppen und die Karzai-Regierung kämpfen, zu dem alten Regime bekennen, das von diesen Religionsschülern, geleitet wurde, die sich Taliban nennen.

Die Karzai-Regierung sieht sich Milizen verschiedener Kriegsherren gegenüber, von denen jeder seinen persönlichen regionalen Lehen hat. Die Regierung und hinter ihr die Westmächte sind unfähig, sie zu bekämpfen, und so verständigen sich mit ihnen, versuchen, sie gegeneinander auszuspielen und stärken sie dabei nur. In diesem komplizierten Spiel mit den Kriegsherren ist im Übrigen nicht sicher, ob die westlichen Besatzungstruppen und Karzai mit denselben Karten spielen. Es ist nicht einmal sicher, ob die verschiedenen Truppen der Besatzungsmächte dasselbe Spiel spielen.

11. Wenn für den Irak die Aussicht eines Abzugs der Besatzungstruppen ins Auge gefasst wird, ohne verwirklicht zu werden, so wird im Fall von Afghanistan nicht einmal mit dem Gedanken gespielt, sondern es ist sogar die Rede davon, weitere Truppen dorthin zu schicken. Dass sich der Westen in Afghanistan festgefahren hat, zeigt sich auch in der Tatsache, dass die Guerilla mindestens drei Viertel des Landes kontrolliert und sie mehr und mehr Operationen in Kabul selbst durchführt. Vor dieser Tatsache haben die USA die Flucht nach vorne angetreten und planen eine Verstärkung ihrer militärischen Präsenz. Das ist ihnen in Vietnam nicht gut bekommen. Bleibt die Frage, wie lange die amerikanische Bevölkerung noch die Heimkehr von Soldatensärgen akzeptieren wird, bevor sie massiv reagiert.

Von Obama, über Sarkozy, bis Brown versuchen alle Regierungschefs, die öffentliche Meinung ihres Landes von der Wichtigkeit dieses Krieges zu überzeugen, der dabei ist, ein Ansteckungsherd für die gesamte Region zu werden.

Angefangen bei Pakistan. Die Geheimdienste dieses Landes, wichtiger Verbündeter der USA und Besitzer der Atombombe, spielten während der sowjetischen Besatzung Afghanistans eine beachtliche Rolle, als es darum ging, die Kriegsherren, die gegen die damaligen Besatzungstruppen kämpften, sowie die Taliban auszubilden und zu bewaffnen. Ihre Politik von gestern kommt ihnen heute wie ein Bumerang entgegen. Das gesamte pakistanische Grenzgebiet zum benachbarten Afghanistan steht unter der Kontrolle bewaffneter Gruppen mit religiösem oder ethnischem (paschtunischem) Hintergrund. Trotz der wiederholten Interventionen der pakistanischen Armee, um mit Unterstützung der USA ihr eigenes Gebiet zurückzuerobern, schwappt die Instabilität über die Grenze und bedroht ganz Pakistan.

12. Was Palästina betrifft, ist außer ein paar an die Staatsführer der arabischen Länder gerichteten Reden keine Veränderung in der amerikanischen Politik festzustellen.

Die USA haben, wie alle Großmächte, die israelische Luftwaffe Gaza in diesem Winter 2008-2009 mehrere Wochen lang pausenlos bombardieren lassen.

Die im Februar 2009 angetretene Netanjahu-Regierung liegt so weit rechts, ist so reaktionär und dem palästinensischen Volk gegenüber so offen feindlich eingestellt, wie schon lange keine Regierung mehr. Sie setzt die Errichtung neuer jüdischer Siedlungen in Westjordanland fort, die Festigung der schändlichen Mauer, die eine ganze Apartheidpolitik zwischen den beiden Völkern Gestalt gibt, und trifft immer mehr Maßnahmen, in denen das palästinensische Volk nur eine ständige Provokation sehen kann.

Man muss daran erinnern, dass diese Politik im Namen der Sicherheit Israels und seiner Bevölkerung von allen israelischen Regierungen geführt wurde. Sie hat einen tiefen Graben voller Blut und Hass zwischen den beiden Völkern gegraben, die Unterdrückung des palästinensischen Volkes verschlimmert und seine materielle Lage unhaltbar gemacht, sie hat zur Stärkung des Hamas innerhalb der Palästinenserbewegung geführt und zur Zerstückelung einer palästinensischen Instanz, die bereits zwischen Gaza und Westjordanland aufgeteilt ist. Aber das alles hat die Sicherheit Israels nicht verbessert. Die Bombardierung Gazas, die Vermehrung der Siedlungen in Westjordanland, das Schandmal der Trennungsmauer, die Wasserverteilung, die mit 20 Liter Wasser pro Person und pro Tag in Westjordanland die Palästinenser verdursten lässt, können die Aktionen von Seiten der palästinensischen Bevölkerung, einschließlich die der schlimmsten Verzweiflung, nur nähren.

13. Auf dem afrikanischen Kontinent sind bestimmte Kriegsherde in Liberia oder Sierra Leone zwar - zumindest momentan - erloschen, aber an ihrer Stelle sind andere entstanden. In einem Teil des Sudans, im Tschad und in Somalia herrscht Kriegszustand. Ganz zu schweigen von den internen Kriegen auf ethnischer oder religiöser Grundlage, die in Nigeria, Niger, Guinea-Bissau oder Mauretanien mehr oder wenig heftig wüten. Was die Elfenbeinküste betrifft, ist an die Stelle des Krieges zwischen dem Norden und dem Süden des Landes, der mit dem Militärputsch im September 2002 begonnen hatte, zwar eine Art bewaffneter Frieden getreten, aber das Land ist immer noch nicht geeint.

Die Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage kann die Konflikte nur vermehren und intensivieren. Als Folge der Armut in den Regionen, wo der Besitz eines Gewehrs ein Mittel zum Überleben ist, vermehren sich die bewaffneten Banden, die die Armut noch schlimmer machen.

Schwarzafrika, das in früheren Zeiten den Aufstieg der Bourgeoisie in Westeuropa mit Sklavenhandel und Entvölkerung am eigenen Fleisch erlitten hat, ist ohne Zweifel der Kontinent, der für die Aufrechterhaltung des heutigen dekadenten Imperialismus den höchsten Preis bezahlt.

14. Die Demokratische Republik Kongo, ehemals Zaire, das drittgrößte und von der Vielfalt seiner Bodenschätze her mit Abstand reichste Land, ist stellvertretend für das Schicksal des gesamten Kontinents. Ein Untersuchungsbericht des kongolesischen Senats, der im Oktober in Kinshasa veröffentlicht wurde, stellt fest, dass der Staat dieses Landes nicht einmal in der Lage ist, eine vollständige Liste der Bergbaugesellschaften zu erstellen, die im Land tätig sind, und ganz zu schweigen Steuern von ihnen einzunehmen. Tatsächlich ist eine große Zahl großer westlicher Firmen im Land, um direkt oder indirekt Kobalt, Kupfer, Gold, Silber, Diamant, Koltan abzubauen, das an die Industrie der entwickelten Länder geht, ohne dass auch nur das geringste für die örtliche Bevölkerung und nicht einmal für den kongolesischen Staat abfällt. Höchstens die zahlreichen Kriegsherren, die den Konzernen, die das Land ausrauben, als Schutztruppen dienen, bekommen etwas von diesem Reichtum ab. Die erdrückende Mehrheit der rund 70 Millionen Einwohner lebt nach den Worten der Zeitung Le Monde "unter menschenunwürdigen Bedingungen, Opfer der lokalen Kriege, Opfer der Verschwendung in Politik und Verwaltung, Opfer vor allem der Plünderung des Landes".

15. Die Einsetzung unter Applaus der französischen Regierung von Ali Bongo in Gabun als Nachfolger seines Vaters Omar Bongo, der 42 Jahre lang Diktator dieses Landes war, sowie die jüngsten Wendungen des so genannten Angolagate-Prozesses erinnern an die aktive Präsenz und die nicht gerade glorreiche Rolle, die Frankreich in seinen ehemaligen Kolonien in Afrika und darüber hinaus spielt.

Natürlich war von Sarkozy nicht zu erwarten, dass er, wie er bei seinem Machtantritt behauptet hatte, "La Françafrique"( Das teilweise staatliche, teilweise private Netzwerk, das auf mafiose Art und Weise erhebliche Teile der afrikanischen Politik und Ökonomien kontrolliert), die engen Bande zwischen den Diktaturen oder mehr oder weniger autoritären Regimes des ehemaligen Kolonialreichs und zahlreichen Spitzenpolitikern und hohen Beamten des französischen Staats aufgeben würde. Jeder kommt dabei auf seine Rechnung, die afrikanischen Diktatoren durch internationalen Schutz und diplomatische Anerkennung, und der französische Imperialismus durch Bestellungen und Aufträge, ein Einflussgebiet, und ganz zu schweigen durch die Krümel, die dabei für den politischen Klüngel abfallen, denn die afrikanischen Machthaber verstehen es, großzügig mit dem Geld umzugehen, dass sie aus ihren Völkern herauspressen. Wenn auch nichts anderes dabei herumkommt, hat der Angolagate-Prozess einen Zipfel des Schleiers angehoben, der über diesem Milieu liegt, in dem sich Politiker von rechts und links, ein ehemaliger Minister, ein ehemaliger Präfekt, Waffenhändler, anrüchige Geschäftsleute und als Würze einige Erfolgsschriftsteller und Essayisten einander die Hand reichen. Die Millionen, die die einen wie die anderen dabei eingesteckt haben, sind allerdings nur ein paar Bröckchen des Profits, der den ärmsten Bevölkerungen der Erde abgepresst und aus der Plünderung des Kontinents gezogen wird.

Zwar beschert die Kontrolle über die Wirtschaft der meisten dieser Länder dem französischen Großkapital nur noch einen Bruchteil seines gesamten Profits, doch ist dieser Bruchteil für einige kapitalistische Dynastien wie Bolloré, Bouygues, Micheli, Pinault, Saadé, Aga Khan und anderen, und für einige der größten Unternehmen des CAC 40 wie Total, Areva, Air France, Eromet, Vinci, für Banken wie die BNP, die Société Générale oder der Crédit du Nord und ganz zu schweigen von den Waffenhändlern durchaus beachtlich.

16. Der französische Staat hat derzeit in Afrika zum Schutz seiner Interessen rund 10.000 Soldaten im Einsatz. Die Hälfte ist in den ständigen Stützpunkten in Djibuti, in Senegal und in Gabun stationiert, die anderen nehmen an militärischen Einsätzen mit poetischen Namen wie "Licorne" (Einhorn) an der Elfenbeinküste und "Epervier" (Falke) im Tschad teil. Ohne die französischen Soldaten mitzurechnen, die an den europäischen Streitkräften beteiligt sind oder die sie sogar leiten, und die sich ebenfalls im Tschad und in der Zentralafrikanischen Republik befinden.

Im Tschad hält die französische Armee den Diktator Déby künstlich an der Macht, den bewaffnete Oppositionen bereits zwei Mal beinahe gestürzt hätten, wäre ihm nicht die französisch Luftwaffe zu Hilfe gekommen.

17. In Elfenbeinküste hat die französische Armee rund viertausend Soldaten, die dort theoretisch als Friedensstreitkraft zwischen den zwei sich gegenüber stehenden Teilen der ehemaligen ivorischen Armee im Einsatz ist, wobei die so genannten loyalen Truppen den Süden des Landes, wo die legale Regierung sitzt, und die rebellischen Truppen den Norden besetzt halten. Seit zwischen Gbagbo, dem amtsführenden Präsidenten von Elfenbeinküste, und Soro, dem politischen Führer der Rebellion im Norden, eine Einigung erreicht wurde, die mit der Ernennung des letzteren zum Premierminister des ersteren besiegelt wurde, bereitet sich die gesamte politische Kaste auf eine Präsidentschaftswahl vor, die die Sezession liquidieren, die Einheit des Landes wiederherstellen und - am wichtigsten für den französischen Imperialismus - die Einheit der Armee wiederherstellen soll.

Diese Wahlen, die mehrere Male verschoben wurden, wurden "endgültig" auf den 29. November 2009 festgelegt. Zum Zeitpunkt, an dem wir schreiben, deutet jedoch alles darauf hin, dass dieser Termin ein weiteres Mal verschoben werden wird, weniger wegen der angeblichen Langsamkeit der Erfassung der Wahlberechtigten und der Verteilung der Wahlberechtigungen, sondern wegen des Widerstands einiger rebellischer Militärchefs, die sich gewinnbringende Lehen ergattert haben. "Sie beuten die natürlichen Rohstoffe aus und exportieren sie, darunter Kakao, Baumwolle, Holz, Cashewnüsse, Gold und Diamanten", heißt es in einem jüngsten Bericht der UNO.

Gbagbo selbst zieht ebenfalls Vorteile aus diesen Verschiebungen der Wahlen - die Präsidentschaftswahlen hätten bereits 2005 stattfinden sollen - denn inzwischen bleibt er im Präsidentschaftspalast.

Und "übergeordnetes Interesse der Nation" oder nicht, sie sind nur gegen umfassende Entschädigungen gewillt, ihre Lehen aufzugeben. Die ivorische wie die französische Bourgeoisie haben die Diener, die sie verdienen.

18. Aber die Spannungsherde, in denen unter der Asche die Glut schwelt und droht, in Flammen aufzugehen, beschränken sich nicht auf die unterentwickelten zwei Drittel des Planeten. In Europa, wurde zwar einer der aus der Auflösung Jugoslawiens hervorgegangenen Staaten, Slowenien, in die Europäische Union und sogar in die Eurozone eingegliedert, zwar ist ein weiterer, Kroatien, auf dem Weg dahin, doch sind Bosnien und der Kosovo weit davon entfernt, die Stabilität erreicht zu haben, die ihr die westlichen Schutzmächte angeblich bringen wollten.

Bosnien ist ein Protektorat, das seinen Namen nicht nennt, am Gängelband eines "Hohen Vertreters" und vierzehn Jahre nach den Verträgen von Dayton institutionell gelähmt. Das Land bleibt gespalten in zwei quasi unabhängige Einheiten, eine "Serbische Republik" und eine "Kroatisch-moslemische Föderation". Die erste wird von der politisch-mafiosen Clique seines Regierungschefs geführt, der die Herrschaft über sein Lehen nicht aufgeben will. Die zweite ist eine zusammen gewürfelte Einheit mit einer offiziellen ethnischen Trennung.

Der Kosovo, dessen Unabhängigkeit von nicht sehr vielen Staaten anerkannt wurde, darunter Russland, aber auch Spanien, usw., ist zerrissen zwischen seiner albanischen Mehrheit und seiner serbischen Minderheit. Die politischen Konflikte begünstigen auch dort die organisierte Kriminalität und Schmuggelhandel aller Art.

Durch die Spaltung von Ex-Jugoslawien, die die internationale Diplomatie mit dem Grundsatz der Nationalitäten rechtfertigt, wurde das Kunststück vollbracht, dass trotz der Zersplitterung des Staates oder gerade wegen ihm, zumindest zwei der nationalen Fragen, die die Region bereits seit den Balkankriegen zu Beginn des vorigen Jahrhunderts verfolgen, nämlich die serbische und die albanische, noch immer nicht gelöst sind.

19. Zwar sind die nationalen, oder gar ethnischen oder religiösen Spannungen noch immer in Ex-Jugoslawien am sichtbarsten, aber eigentlich wird ganz Mitteleuropa davon untergraben. Überall in den ehemaligen Volksdemokratien sind die Krise und die aufsteigende Armut dabei, die Spannungen zwischen den Völkern anzuheizen.

In diesem ganzen Teil Europas wurden die Grenzen von den imperialistischen Siegermächten des Ersten Weltkriegs ihren Interessen gemäß gezogen, ohne sich jemals um die Interessen oder gar um die Identität der Völker zu scheren, die man da zerstückelte oder zwangsweise mit anderen zusammenwürfelte. Die meisten dieser Staaten sind Mehrvölkerstaaten, mit einer oder mehreren nationalen Minderheiten, die natürlich als Zielscheibe der rechtsextremen Demagogien dienen.

Zu diesen nationalen Minderheiten kommen die Roma, die überall sind und die überall den ärmsten und am meisten unterdrückten Teil der Bevölkerung ausmachen, der auch die bevorzugte Zielscheibe faschistoider Grüppchen ist. Die jüngsten Europawahlen haben den Aufstieg der rechtsextremen Richtungen, die auf die chauvinistische Demagogie setzen, was die nationalen Minderheiten anbelangt, und auf rassistische Demagogie, was die Roma betrifft, bestätigt.

20. Über das widerliche Gedankengut, deren Träger sie sind, hinaus, sind diese extremrechten Gruppen, die dabei sind, an Mitteln und Ansehen zu gewinnen, auch eine physische Bedrohung für die Werktätigen dar. Die Arbeiterklasse stellt in diesen Ländern eine zahlenmäßig bedeutende Kraft dar, die oft in großen Betrieben aus der Zeit der Volksdemokratien, die seitdem noch nicht alle geschlossen oder aufgespaltet wurden, konzentriert ist.

Die polnische Arbeiterklasse, wie auch die der ehemaligen Tschechoslowakei, Ungarns oder Rumäniens blicken auf eine reiche kämpferische Vergangenheit zurück. Diese Arbeiterklassen, die zuvor unter Staatssystemen ausgebeutet und unterdrückt wurden, die sich als sozialistisch ausgaben, sind es nunmehr zugunsten privaten Kapitals unter meistens sehr reaktionären Regierungen, und sind wahrscheinlich noch orientierungsloser als die westliche Arbeiterklasse. Aber die Schwere der Krise droht mit sozialen Explosionen, die für die Bourgeoisie dieser Länder mit ihrer neureichen Überheblichkeit und hinter ihnen für das westliche Großkapital, das die Wirtschaft dieser Länder kontrolliert, gefährlich sind.

In diesem Kontext ist die Entwicklung der rechtsextremen Gruppen, die die Kommunismusfeindlichkeit auf ihre Fahne geschrieben haben, chauvinistische Reden schwingen, und als "Streikbrecher" mobilisierbar sind, eine Gefahr für die Werktätigen.

21. Die Wirtschaft Russlands und der Haushalt dieses Landes wurden seit 2000 durch die hohen Preise für Erdöl, Gas und andere Rohstoffe getragen. Erdöl und Erdgas stehen für über 50% der Ausfuhren, Metalle und Metallprodukte für beinahe 20%. Die hohen Kurse dieser Rohstoffe haben es Russland ermöglicht, seine Schulden abzubauen und Reserven anzulegen, die im August 2008 auf 600 Milliarden Dollar angestiegen waren (was nebenbei auch die Oligarchen bereichert hat, die es geschafft haben, diese Sektoren unter ihre Kontrolle zu bekommen). Putin brüstete sich im November 2008: "Die Wirtschaft wird vor brutalen externen Wirkungen durch unsere internationalen Reserven geschützt sein". In Wirklichkeit sind diese Reserven binnen weniger Monate auf 370 Milliarden Dollar in 2009 zusammengeschmolzen.

Was für Russland ein Vorteil gewesen war, ist mit der Krise und den Schwankungen bei den Gas- und Ölpreisen zu einem Nachteil geworden. Der Sturz der Industrieproduktion um 9% im November 2008, um 10% im Dezember 2008 und um 16% im Januar 2009, jeweils im Vergleich zum Vorjahr, hat die Produktivwirtschaft schwer getroffen.

22. Gewiss braucht man über das Schicksal der großen Oligarchen der russischen Wirtschaft, die mit den politischen Machtkreisen eng verbunden sind, keine Träne zu vergießen - ein gewisser Deripaska, der unter dem Schutz Putins der König des Aluminiums geworden ist, hätte zwanzig Milliarden Dollar verloren - , aber die Folgen der Krise haben eine originelle Wendung angenommen, die mit der sowjetischen Vergangenheit zusammenhängt.

Ein Grundpfeiler der Planwirtschaft in der Sowjetunion war die Entwicklung sehr großer Unternehmen, die auf eine einzige Produktion spezialisiert waren - z. B. das Autowerk AvtoWAS mit seinen 102.000 Arbeitern (an dem Renault heute 25% der Aktien besitzt) - , was zur Entwicklung monoindustrieller Städte rund um diese Werke geführt hat. Trotz der Entwicklung der ehemals sowjetischen Wirtschaft in den letzten zwanzig Jahren, trotz der rechtlichen Veränderungen, die mit reichlichen Schwankungen eingetreten sind, bleibt die Grundstruktur der gesamten russischen Wirtschaft geprägt von dieser Besonderheit aus den Zeiten der Planwirtschaft. Den jüngsten Zahlen zufolge (Quelle: Le Monde) wurden bei Eintritt der Krise 40% des Bruttoinlandsprodukts von diesen monoindustriellen Städten generiert, die nur auf eine Art der Produktion und ein einziges Unternehmen ausgerichtet sind.

Die russische Föderation hat vierhundert solcher monoindustriellen Städte, in denen 25 Millionen Menschen wohnen. Darüber hinaus war es mit der Planwirtschaft möglich, solche Städte auch in den ungastlichsten Regionen des Landes aus dem Boden zu stampfen. Die Gegenwart und Zukunft dieser Betriebe und der Städte, die mit ihnen entstanden sind, hingen und hängen immer noch von ihrer Eingliederung in ein industrielles Gewebe im Maßstab des gesamten Landes ab. Das war mit der Planwirtschaft von Natur aus gegeben. Aber heute, wo die Bande, die im Rahmen der Planwirtschaft geknüpft wurden, gerissen sind, werden die Probleme dadurch noch vermehrt und verschlimmert.

Wenn die Krise einen dieser Betriebe trifft, ist dies nicht nur aufgrund der drohenden Entlassungen für einen Teil der Arbeiter dramatisch, sondern auch, weil der Betrieb und die Stadt in einer Symbiose leben. Oft erzeugt die Fabrik auch den Strom und die Heizung für die Einwohner und sorgt für eine Reihe sozialer Dienstleistungen (Ferienlager für die Kinder, eine Kantine, in der die ganze Familie essen kann, Gesundheitsversorgung...).

Das unter diesen Umständen vervielfachte Risiko sozialer Explosionen erklärt, warum die Politiker wie auch die Leitungen der Betriebe selbst, unter dem Druck dieser Bedrohung, lieber die Arbeitszeiten kürzen und mehr oder weniger lang andauernde Kurzzeitarbeit einführen, als die Betriebe zu schließen.

23. Dank der übermäßigen Ausbeutung seiner Arbeiter hat der chinesische Staat Devisenreserven in Höhe von beinahe 2 Billionen Dollar angehäuft, die es zu einem der größten Halter amerikanischer Devisen macht, nach den USA natürlich. Die gegenseitige finanzielle Abhängigkeit, die daraus zwischen den beiden Ländern entsteht, führt zu allerlei Fantasievorstellungen, in denen China als das Land dargestellt wird, dessen Dynamik die kapitalistische Weltwirtschaft aus der Krise führen wird, oder sogar als die zukünftige Weltwirtschaftsmacht, die den USA das Wasser reichen wird. Dabei wird aber vergessen, dass diese gegenseitige Abhängigkeit eine ist, die ein entwickeltes Land, das über einen starken Binnenmarkt und ein noch stärkeres Finanzsystem verfügt, mit einem unterentwickelten Land verbindet, das zwar vier Mal mehr Menschen hat, dessen Binnenmarkt aber durch die Armut der Bevölkerung begrenzt bleibt.

Wenn China die Werkstatt der Welt geworden ist, wie es heute allgemein gesagt wird, wird in dieser Werkstatt nur zum Teil für die chinesische Bevölkerung produziert. Darüber hinaus sind die Unternehmen, die in China produzieren, meistens Zulieferunternehmen unter japanischem, amerikanischem, taiwanesischen oder Kapital anderer Herkunft.

Das China von heute, das sind auf der einen Seite die ultramodernen Stadtviertel von Shanghai oder Peking und die Lichter der olympischen Spiele, und auf der anderen der Großteil der ländlichen Gebiete, wo die Menschen ein ärmliches Dasein fristen und die Bevölkerung unter Duodezfürsten lebt, die der Bürokratie oder der Partei entsprungen sind.

24. Die Krise selbst scheint, bisher jedenfalls, die seit mehreren Jahren bestehenden Tendenzen zu noch beschleunigen. Einerseits hat sich China auf den zweiten Platz der Länder mit den meisten Milliardären gehisst, gleich nach den USA. Die USA hätten demnach 359 Milliardäre, China 130, was, nach den Zahlen der Zeitung Le Monde ein Gesamtvermögen von 571 Milliarden Dollar (ein Sechstel des chinesischen BIP) ergeben würde. Andererseits hätten die Auswirkungen der Krise bereits mehrere zehn Millionen Menschen, die auf der Suche nach Arbeit und einem Einkommen in die chinesischen Riesenstädten gekommen waren, wieder nach Hause getrieben, d. h. zurück in das Elend der ländlichen Gebiete.

Die Kommentatoren auf der Suche nach Sensationen haben aber vielleicht nicht Unrecht, zu denken, dass sich die Zukunft der Welt in diesem Land entscheiden wird. Nicht wegen der Anzahl der chinesischen Milliardäre, die, so hört man, seit einigen Jahren die Hersteller von Luxusartikeln und Erzeuger von Champagnern und Cognacs zu 10.000 Euro die Karaffe beglücken. Sondern aufgrund der wachsenden zahlenmäßigen Größe des chinesischen Proletariats.

Unter der Führung einer Partei, die sich noch heute kommunistisch nennt, ist China, wenn man den Experten für diese Art von Vergleichen Glauben schenken will, das Land mit den größten sozialen Ungleichheiten geworden, direkt hinter Brasilien, ein wenig vor Südafrika (obwohl es auf diesem Gebiet einiges an Konkurrenten für diese wenig glorreiche Siegerliste gibt). Mit der Entwicklung dieser sozialen Ungleichheit ist China vielleicht dabei, die Explosivstoffe anzuhäufen, mit denen die wirtschaftlichen und sozialen Strukturen des Landes eines Tages in die Luft gehen werden. Und angesichts seines Gewichts in der Welt, vielleicht auch darüber hinaus.

China ist ohne Zweifel auch das Land, in dem das Fehlen einer politischen Partei, die die Interessen des Proletariats vertritt, wahrscheinlich am grausamsten zu spüren ist.

In diesem riesigen Land, von der Fläche her und noch mehr von seiner Bevölkerungszahl her, ist der einzige Faktor für den Zusammenhalt ein mächtiger Staatsapparat, der voll und ganz im Dienste der privilegierten Klasse steht. Dieser Zentralisierung gegenüber sind Explosionen, die zwar heftig, aber verstreut und zeitlich unkoordiniert sind, machtlos.

Aber in einer anderen Zeit, in den 20er Jahren ist die chinesische Arbeiterklasse, unendlich viel kleiner als heute, in der Lage gewesen, aus ihren Reihen eine kommunistische Partei hervorzubringen. Der Schlüssel zur Zukunft liegt ganz sicher in ihrer Fähigkeit, eine neue, wirklich kommunistische Partei hervorzubringen, die in der Lage ist, im Namen der chinesischen Arbeiterklasse den Krieg gegen die neue Bourgeoisie und die mit dieser verbundenen Staatsbürokratie zu führen.

25. Seit mehreren Jahren treiben die Unterdrückung in armen Ländern, die lokalen Kriege und noch mehr die Armut, oder gar Hungersnöte eine wachsende Zahl von Menschen in die Migration. Diese Migrationen beschränken sich nicht auf die Migrationen aus Lateinamerika oder der Karibik in Richtung USA oder Kanada, von Afrika nach Europa, sondern sie führen auch vom armen Osten Europas in den reichen westlichen Teil des Kontinents oder von Indonesien, den Philippinen oder Malaysia in die Erdölländer des Nahen Ostens.

Die Migration ist vom Weg des individuellen Überlebens zu einem Mittel des Überlebens für ganze Regionen oder gar Länder geworden. Ein kürzlich erschienener Bericht unter der Schirmherrschaft der UNO hat aufgedeckt, dass die afrikanischen Auswanderer vor der Krise jedes Jahr eine Summe in Höhe von 40 Milliarden Dollar in ihre Herkunftsländer schickten. Eine Summe ohne gemeinsamen Maßstab mit den miserablen Beträgen, die man allgemein mit den Worten "Hilfen für arme Länder" oder "Entwicklungshilfen" bezeichnet. Ein bedeutender Teil der Bevölkerung der Länder, aus denen die Auswanderer kommen, überlebt dank dieser Überweisungen. Und diese Überweisungen sind es auch, die es den Dorfgemeinschaften ermöglichen, eine Reihe kollektiver Einrichtungen, Grundschulen, usw. zu verwirklichen.

Der durch die Krise und die Arbeitslosigkeit, die die ausgewanderten Arbeiter trifft, bedingte Rückgang der überwiesenen Summen ist für diese Länder eine Katastrophe. Diese Überweisungen betreffen nicht nur die afrikanische Auswanderung. Für gewisse Länder in Asien und sogar Europa, sind diese Überweisungen im Verhältnis zu ihrem BIP eine erhebliche Summe: 45% für Tadschikistan, 38% für Moldawien, neben vielen anderen.

26. Die Entwicklung dieser Migrationen ist einer der Aspekte der Globalisierung unter dem Imperialismus. Aber dort wo der Imperialismus die Welt für den Kapital- und Warenverkehr eins gemacht hat, vermehrt er die Hindernisse, die der Freizügigkeit der Menschen im Wege stehen, obwohl es genau der Imperialismus ist, der die Menschen in die Migration treibt, indem er den Graben zwischen den reichen und armen Ländern immer weiter vergrößert und die Folgen seiner Finanzkrise die Preise der Lebensmittelprodukte nach oben treiben.

Während die führenden Kreise der imperialistischen Welt lautstark das Jubiläum des Mauerfalls feiern, werden andere Mauern in der Welt errichtet. Aus politischen Gründen, wie bei der Mauer, die die israelische Bevölkerung von den Palästinensern trennt, oder aus wirtschaftlichen Gründen, wie bei den elektrischen Zäunen an der Grenze zwischen den USA und Mexiko, oder auch an einer der südlichen Grenzen Europas, in Ceuta und Melilla, und ganz zu schweigen von den Schengen-Grenzen an den Ostgrenzen der zuletzt integrierten osteuropäischen Länder.

Aber die schlimmsten Grenzen, sind nicht die aus Beton oder Stacheldraht. Die schlimmsten Grenzen sind die, die von rückschrittlichen Politiken in den Köpfen errichtet werden. Diese Immigrationspolitiken werden in allen imperialistischen Ländern geführt und beschreiben die Migration als eine Bedrohung, die es zu verhindern oder doch wenigstens zu filtern gilt.

Die von allen Regierungen des faulenden Imperialismus gleichermaßen betriebene Einwanderungspolitik ist ein Rückschritt im Vergleich zu der Zeit, in der der Imperialismus entstand.

Erinnern wir daran, dass das, was manchmal die erste Globalisierung des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts genannt wird, von massiven Migrationsströmen aus dem östlichen und südlichen Europa in Richtung des westlichen Teils des Kontinents und mehr noch von Europa in die USA begleitet war. Während er diese Bewegungen ganzer Bevölkerungen verursachte, hatte der Imperialismus noch nicht all die materiellen oder administrativen Hindernisse erfunden, um sie zu verhindern, ja nicht einmal den Begriff "Papierlose".

27. Erinnern wir auch daran, dass die damalige Arbeiterbewegung, die noch revolutionäre sozialistische Internationale diese Migrationen und die sich daraus ergebende Vermischung der Arbeiter verschiedener Herkunft als etwas Positives ansah und sogar als einen Grundpfeiler des Internationalismus der Arbeiterklasse.

Die großen Arbeiterparteien der damaligen Zeit bemühten sich darum, dass die Arbeiter des Ziellandes die Einwanderer aufnahmen, nicht nur, um ihre Eingliederung zu vereinfachen, sondern auch, um ihr Bewusstsein zu bilden und die besten Traditionen der Arbeiterbewegung an sie weiterzugeben. Sie bekämpften alle Versuche der Arbeitgeber, die damals auch nicht besser waren als heute, die Werktätigen gegeneinander auszuspielen. Und das taten sie nicht nur, indem sie Prinzipien anführten, sondern auch, indem sie dafür kämpften, dass die einwandernden Arbeiter dieselben Löhne und dieselben Lebensbedingungen erhielten, wie die einheimischen.

Und es ist sehr wohl ein Zeichen der Degenerierung dieser ehemaligen großen Arbeiterparteien, dass sie, wenn sie an der Regierung sind, dieselbe reaktionäre Politik betreiben, wie die rechten Parteien.

28. Für die revolutionären Kommunisten ist der Internationalismus nicht nur - aber auch - eine Frage der elementaren menschlichen Solidarität.

Genau wie die Bourgeoisie, in der Zeit, als sie revolutionär war, den Gedanken der Nation in sich trug, trägt das Proletariat den Gedanken der Union des gesamten Planeten in sich, einfach weil der Kommunismus nur in diesem Maßstab möglich ist. Der Satz "Arbeiter aller Länder, vereinigt euch!" ist nicht nur ein Slogan über die Notwendigkeit für alle Werktätigen, sich der kapitalistischen Klasse gegenüber über ihre jeweilige Herkunft hinaus zu vereinigen. Er sagt vielmehr auch aus, dass die Welt von Morgen, die von Ausbeutung, Privateigentum über die Produktionsmittel, Profit und Konkurrenz befreit sein wird, in der eine demokratisch gesteuerte Planwirtschaft nach dem Ausdruck von Marx "jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen" funktionieren wird, nur vom Weltproletariat verwirklicht werden kann.

29. Oktober 2009