Unser Wahlkampf 2007 (aus Lutte de Classe - Klassenkampf - von Dezember 2006)

Imprimir
Unser Wahlkampf 2007
Dezember 2006

Dieser Text wurde vom Lutte Ouvrière-Parteitag von Dezember 2006 verabschiedet

Alle Genossen, die diesen Sommer an den Karawanen teilgenommen haben und alle, die täglich und aufmerksam die „Karawanenzeitung“ gelesen haben, konnten mehrere Feststellungen machen. Es ist zunächst zu bemerken, dass sich viele Berichte ähneln, und zwar im Norden, Süden, Osten und Westen des Landes. Bemerken wir dann noch, dass es sich nicht um eine Meinungsumfrage handelt, sondern um etwas Besseres als eine Meinungsumfrage. Tatsächlich basiert eine Meinungsumfrage auf eine Stichprobe, die ungefähr tausend Personen umfasst, die zu einem mehr oder weniger definierten Verhältnis beiden Geschlechtern, den unterschiedlichen sozialen Klassen und den verschiedenen Altersklassen ab 18 Jahren angehören. Das bedeutet, sie sind, wenn sie gut gemacht sind und wenn es möglich ist, eine Momentaufnahme der Entscheidung der Wähler zum Zeitpunkt der Umfrage. Zu bemerken ist auch noch, dass sie für die großen Parteien näher bei der Wahrheit sind als für die kleinen. Denn wenn eine kleine Partei bei tausend Befragten nur auf etwa 5% der Wahlabsicht kommt, dann macht das ungefähr fünfzig Personen, die sich vorstellen können, sie zu wählen. Wenn sich das Ergebnis bis zur nächsten Umfrage nur um einen oder zwei Punkte verändert, dann stellt das nicht unbedingt eine Veränderung der Meinung dar, sondern einfach die Fehlerquote bei einer so kleinen Anzahl von Befragten. Die Meinungsforschungsinstitute machen dann Korrekturen indem sie sich auf die Vergangenheit basieren, auf die Ergebnisse der anderen Kandidaten, oder den Restbeständen der großen Parteien, wenn sie alles zusammengezählt haben. Für uns bedeutet das aber eine sehr grobe Schätzung.

2002 kam Arlette auf Umfragewerte, die sie noch nie erreicht hatte: 6,7 und sogar 8%, und Besancenot blieb auf einem sehr tiefen oder sogar bedeutungslosem Niveau (weil die Umfrageinstitute keine Bezugnahmen auf ihn hatten, die Befragten auch nicht, und weil die Meinungsforscher einen Teil der vermuteten Ergebnisse von Besancenot mit denjenigen von Arlette verrechnen konnten). Und auch was die großen Parteien betrifft: welches Meinungsforschungsinstitut hatte vorausgesehen, dass Le Pen Jospin übertreffen und mit Chirac in die Stichwahl kommen würde? Die Meinungen, die wir in den Karawanen eingeholt haben, kommen von einem Publikum, an das wir uns wenden wollen und das wir verteidigen wollen. Sogar wenn es nicht genau unser gewöhnliches Publikum ist, ist das keine repräsentative Auswahl des gesellschaftlichen Ganzen, sondern ein bestimmtes Publikum. Übrigens waren die Routen der Karawanen so gewählt, dass wir hauptsächlich diese sozialen Kategorien treffen, weil wir Etappen in sehr von der Arbeitslosigkeit, den Entlassungen und der prekären Arbeit betroffenen Städten suchten. Diejenigen, mit denen wir das ganze Jahr über in Kontakt kommen, gehören nicht immer diesen sozialen Kategorien an. Unsere Betriebsgenossen kommen mit Lohnabhängigen in Kontakt, die fest angestellt sind, und wenn es Befristete in ihrem Betrieb gibt, haben sie nicht unbedingt viel Beziehung zu ihnen.

Die Leute, die wir während der Karawanen treffen, sind unterschiedlicher und sie sind vor allem freier als in den Betrieben und sprechen mit uns. Der gegenwärtige Druck auf die Arbeitswelt und die Intensität dieser Arbeit haben zur Folge, dass die Leute wirklich keine Zeit oder keine Möglichkeit haben, Gespräche zu führen. Oft können unsere Genossen nur mit anderen Gewerkschaftern, immer mit denselben, und sehr wenig mit den einfachen Arbeitenden reden, weil die Werkmeister ziemlich oft Jagd auf die Betriebsräte machen und weil die Arbeitenden, vor allem die Befristeten, befürchten, dass die Meister sie sehen, wenn sie mit einem Betriebsrat sprechen.

Während der Karawanen bezogen sich die meisten Bemerkungen – wenn man von den Anhängern von Le Pen absieht, die es in diesen Milieus auch gibt, die aber nur wenig mit uns sprachen – auf die soziale Lage, die Furcht vor der Arbeitslosigkeit (für sich selbst oder für die Angehörigen), die andauernde Leiharbeit, manchmal mit Perioden von Arbeitslosigkeit, was zu Hungerlöhnen führt. Wenn sich das Gespräch auf die politische Ebene konzentrierte, dann in neun von zehn Fällen, um die Rechte an der Macht, ihren Zynismus, ihre arbeiterfeindlichen Maßnahmen anzuprangern. Und das Leitmotiv war in den verschiedensten Tönen und mit allen möglichen Varianten die gleiche Überzeugung: „Die Rechte muss weg.

Wenn unsere Genossen über die vorige sozialistische Regierung (vor 2002) redeten, trafen sie nicht immer ein unmittelbares Verständnis, weil die Erinnerungen an die harten Schläge dieser Regierung im Laufe der Zeit verblassten und ihr Bild mit der Zeit besser wurde, vor allem wegen der von Tag zu Tag zunehmenden Ablehnung der verabscheuten Rechten. Wenn unsere Genossen an die ganze Vergangenheit der sozialistischen Regierung erinnerten (die linke Regierung, die mehr als die Rechte privatisiert hatte; der Lohnstopp während der ersten sozialistischen Regierung, der von der letzten sozialistischen Regierung nicht aufgehoben wurde; die 35 Stunden-Woche, die für viele Werktätigen eine Verbesserung darstellte, aber auch eine Verschlechterung für viele andere), bekamen sie schließlich eine Zustimmung. Aber sie überzeugten nicht wirklich. Das täuschte gelegentlich manche unserer Genossen, die den Wunsch, die Diskussion nicht wieder von vorn zu beginnen, mit einer echten Übereinstimmung verwechselten. Sprachen wir darüber hinaus über die großzügigen Entschädigungen für die Unternehmer als Ausgleich für die 35 Stunden-Woche - auf dem Rücken der Arbeitenden und der Steuerzahler -, die es nicht nur für die Kleinunternehmer sondern, indirekt über Subfirmen, auch für die Großunternehmer gab, gelang es unseren Gesprächspartnern, sich daran zu erinnern. Und sie gaben zu, dass die Sozialistische Partei (PS) nicht ihre Partei war, vor allem übrigens die kommunistischen Sympathisanten. Aber unsere Gesprächspartner sagten dann schließlich: „Du hast Recht, ich weiß, ich erinnere mich daran, aber die Linke ist immerhin weniger schlimm als die Rechte“. Und oft fügten sie hinzu: „Ich werde die PS in der zweiten Runde wählen, um die Rechte zu verjagen“. Wenn es nicht gleich hieß: „Wir dürfen nicht wieder erleben, was 2002 passiert ist, ich werde zur Sicherheit bereits im ersten Wahlgang für die PS stimmen.

Das war keine auf tausend Personen basierende Umfrage, das war eine Umfrage, die sich auf unsere Gespräche mit mehreren Tausend Personen stützt, die manchmal wie im vorigen Beispiel kurz waren, die sich aber nicht auf eine einzige Frage beschränkten. Seit Anfang September können wir, sogar ohne unsere Ohren zu sehr zu öffnen, dieselben Äußerungen hören, von Arbeitenden und Gewerkschaftern, die wahrscheinlich von der PCF (französischen KP) und der PS beeinflusst waren, aber die auch eine allgemeine Meinung widerspiegelten. Deshalb riskieren wir in allererster Linie, überrollt zu werden, wie bei den Parlamentswahlen 2002 nach der Präsidentschaftswahl. Übrigens war da die ganze Linke zurückgegangen und die LCR wurde auch überrollt. Erst in der Regionalwahl und vor allem in der Europawahl 2004 hat sich die Linke wieder erholt und gewann, vor allem in die Regionalwahl, wieder an Gewicht. Abgesehen davon, und um den Mut für die Wahlkampagne nicht zu verlieren, können wir, wenn wir - wie man es sein muss - mit Optimismus bekränzt sind, auf einen Wiederanstieg unserer Wählerschaft hoffen. Aber das ist kaum wahrscheinlich und, um nicht enttäuscht zu werden, machen wir uns nicht zu viele Illusionen. Diese Situation wird sicher unsere Kampagne beeinflussen.

Vorerst sind wir gewissermaßen nur im Vorwahlkampf, weil alle Kandidaten noch nicht auf der Startlinie stehen. Wir werden also in diesem Text, nicht über unsere eigentliche Kampagne sprechen. Wir werden nur einige Eckpunkte festlegen, um darüber bei unserem Parteitag zu entscheiden. Zuerst werden wir sagen, was wir von der Linken und der Rechten denken, ohne etwas von unserer Kritik und unseren Ideen vor den Arbeitern zu verbergen. Aber wir müssen ins Auge fassen, unsere Hauptkritik gegen die Rechte zu richten. Zuerst, weil sie das Land gegenwärtig leitet. Sie ist an der Regierung. Und für die Volksmassen, dessen Interessen wir verteidigen wollen, müssen wir sie schonungslos kritisieren. Gegenwärtig vertritt die Rechte politisch die Interessen der großen Unternehmer und nebenbei, aus wahltaktischen Gründen, die Ideen der kleinen Unternehmer. Das betrifft übrigens einen Anteil der arbeitenden Bevölkerung, die Le Pen wählt, deren Stimmen sie gewinnen möchte. Wir werden auch sagen, was wir von der Sozialistischen Partei, von der Kommunistischen Partei und von ihrer Politik denken. Wir müssen jedoch vermeiden, uns zu viel auf die (sogar frische) Vergangenheit der Regierung der „Pluralen Linken“ zu stützen. Die Vergangenheit wird vergessen, junge Wähler haben sie nicht erlebt und nur die Aktivisten sind dafür empfänglich, was die vor Jospin amtierenden linken Regierungen (unter dem Vorsitz von Mitterrand) getan haben. Und was die Vergessenheit und das geschwächte Gedächtnis nicht machen, übernimmt die Politik der Rechten. Die Rechte an der Macht führt den Wahlkampagne der Linken.

Der zweite Grund, unsere Schläge hauptsachlich der Rechte zu versetzen, besteht darin, dass die Linke nicht unbedingt siegen wird, denn die Wahl kann eng sein und die Rechte ist mächtig. Wenn Sarkozy in der Stichwahl gegen einen Kandidaten oder eine Kandidatin der Sozialistischen Partei antritt, wird er die Unterstützung eines großen Teiles der Wähler von Le Pen bekommen. Die Wähler der arbeitenden Bevölkerung sollen unserer Wahlkampagne nicht vorwerfen können, verantwortlich für die Niederlage der Linken zu sein. 2002 haben uns viele deshalb angeklagt. Die Anwesenheit der KP und der Grünen bei der ersten Runde zählte in ihren Augen weniger als die Anwesenheit der radikalen Linken. Wenn die Linke verliert, wird die Wählerschaft, die die Rechte verjagen wollte und die von dieser die Nase voll hat, Verantwortliche suchen. Deshalb werden wir, bevor wir entscheiden, die Situation und die vorliegenden Kraftverhältnisse wirklich prüfen müssen. Vergessen wir nicht, dass wir 2002, wenn Le Pen die kleinste Chance gehabt hätte zu gewinnen, zweifellos nicht dieselbe Haltung gehabt hätten. Sarkozy ist sicher nicht Le Pen, aber ein linker Kandidat wäre auch nicht gleich wie Chirac. Außerdem sind wir eine kleine Organisation. Wir haben nicht die Mittel, die Meinung der arbeitenden Bevölkerung zu beeinflussen, wir haben nicht einmal die Mittel, uns gegen Beschuldigungen oder Verleumdungen zu verteidigen. Wir sind nicht überall und können nicht darauf antworten. Wenn wir unter vier Augen diskutieren, können wir höchstens einen Gesprächspartner mehr oder weniger überzeugen, weil man das schwer bekämpft, was mehr ein Gefühl als ein Gedankengang ist. Aber wir sind weit davon entfernt, uns an einen ausreichenden Teil der Bevölkerung wenden zu können, um ihre Meinung über uns zu verändern. Man muss also politisch sein. Selbstverständlich ist ein kleineres Übel dennoch ein Übel, deshalb dürfen wir nichts davon verstecken, was wir von der Linken denken. Aber wie es Trotzki im Juli 1936 zusammenfasste: „Wir sind keine Beschützer der Regierung Blum sondern wir ziehen Blum Tardieu vor, und den Rücktritt der Regierung Blum zu fordern, ist eine Torheit.“ Das Schlagwort, das Trotzki vorschlug, war: „Man muss die radikalen Minister davonjagen.“ Es ist wahr, dass damals Trotzki die PCF und die PS als Arbeiterparteien betrachtete.

Als 1974 Arlette zum ersten Mal zur Präsidentschaftswahl kandidierte, war sie wie LO unbekannt. Die Rechte war seit 16 Jahren an der Macht, 10 davon mit De Gaulle. Mitterrand verfehlte 1974 den Sieg um ein Haar. Im Jahre 1981 war es schlimmer: Die Rechte war um 7 Jahren mehr, das heißt seit 23 Jahren, an der Macht. Alle Altersklassen, die 1958 18 oder 20 Jahre alt waren (und natürlich die jüngeren), hatten nur die Rechte an der Macht gekannt. Was jene betrifft, die von der Linken nach Algerien gesandt worden waren, so hatten sie es großenteils vergessen, da De Gaulle 1958 an die Macht kam, anscheinend um den Krieg zu verschlimmern, und nicht um ihm ein Ende zu setzen. Und er musste vier Jahre lang alle ein wenig betrügen, um das 1962 endlich zu tun.

Weder 1974 noch 1981 haben wir Mitterrand mit unserer Kritik geschont. Wir werden keine Erklärung von Arlette aus diesen Kampagnen zitieren, weil wir sie veröffentlicht haben. Aber im zweiten Wahlgang haben wir dennoch mit Rücksicht auf die Gefühle der arbeitenden Bevölkerung aufgerufen, Mitterrand zu wählen. Unsere Formulierung war: „Ohne Illusionen aber ohne Vorbehalt rufen wir auf, für Mitterrand zu stimmen.“

Wenn wir das sagen, denken manche Genossen, dass wir bereit sind, in der zweiten Runde für die Wahl der Linken aufzurufen. Sie irren sich! Wir wissen noch weniger als bei den vorigen Wahlen, was wir im zweiten Wahlgang sagen oder tun werden. Es gibt nämlich wichtige Nuancen zwischen möglichen Wahlaufrufen: einen leeren Stimmzettel abgeben, keine Abstimmungsempfehlung geben, sich enthalten (indem man sagt, man wird nichts tun, um die Wahl des linken Kandidaten zu verhindern), oder aufrufen, für den linken Kandidaten zu stimmen. Noch dazu kennen wir heute nicht alle Kandidaten, die wirklich kandidieren werden und die in der Stichwahl sein können, mit der Ausnahme von Ségolène Royal, Sarkozy und vielleicht Le Pen, wie es manche wieder fürchten. Deshalb können und dürfen wir uns nicht zu viel im Voraus über die Stichwahl aussprechen (und eher gar nicht), weder in eine noch in die andere Richtung. Wir werden im Wahlkampf die soziale Lage und die Reden der verschiedenen Kandidaten beobachten, und, falls wir es nicht voraussehen können, welcher Kandidat am Abend der ersten Runde in die Stichwahl kommen wird. In dieser Wahl wollen wir nichts sagen, das vermuten lassen könnte, was wir machen werden. In dieser Wahl wollen wir nichts sagen, was andeuten könnte, was wir machen werden, und besonders, wie in allen vorigen Wahlen, in welcher Weise wir Stellung nehmen werden. Das Wichtigste besteht darin, nichts zu sagen, was uns vorzeitig verpflichtet würde, weder in die eine noch in die entgegengesetzte Richtung. Für uns ist die Frage gestellt aber sie bleibt noch ganz offen.

27. Oktober 2006