(Dieser Text wurde vom Lutte Ouvrière-Parteitag von Dezember 2006 angenommen)
In den letzten Monaten hat die Presse viel von den Wahlerfolgen einer gewissen Anzahl rechtsextremer Gruppierungen gesprochen.
Aber zunächst einmal muss man einen Unterschied machen zwischen dem Faschismus, der ein politisches und vor allem soziales Phänomen ist, und den Gruppierungen der extremen Rechten, die ausschließlich auf politischem Gebiet bleiben.
Die extreme Rechte kann Meinungen haben, die man als faschistisch bezeichnen kann, weil sie einige solche ideologischen Eigenschaften aufweisen, aber der Faschismus ist eine Form der Herrschaft der Bourgeoisie, die auf der totalen Zerstörung der Arbeiterorganisationen basiert, und zwar auch der reformistischen und kooperierenden.
Und dies kann nur der Fall sein in Situationen der wirtschaftlichen und sozialen Krise, in der das Bürgertum ein solches Regime absolut nötig hat und bereit ist, das Risiko einzugehen, ein solches Regime an die Macht zu bringen, indem es große Massen der Bevölkerung mobilisiert, sogar sie dem anderen Teil der Bevölkerung gegenüber stellt, also das Risiko eines Bürgerkriegs in Kauf nimmt.
Die rechtsextremen politischen Parteien, selbst wenn sie davon träumen, die Macht zu ergreifen, sind deshalb sozial gesehen nicht unbedingt faschistisch, auch wenn sie hoffen, es zu werden. Sie können es nicht alleine auf dem Wege der Wahl werden. Und auf diesem Gebiet stellen sie daher derzeit keine besondere Gefahr da. Dies wäre anders im Falle eine wirtschaftlichen und/oder sozialen Krise, in der die Bourgeoisie ein solches Regime für notwendig erachten würde, und diese Organisationen nicht nur Wähler gewinnen würden, sondern Leute, ruinierte Kleinbürger und deklassierte Arbeiter, die bereit sind, etwas von sich zu geben und zu riskieren, das heißt sich aufzureißen, um die Arbeiterorganisationen zu zerstören. Dies könnte nur passieren, wenn die extreme Rechte eine Massenpartei aufbauen könnte die Kampforganisationen besitzt.
Natürlich kann man sich auch Militärdiktaturen vorstellen, oder Varianten von beidem gemischt, aber bisher ist in den beiden einzigen Situationen wo wir den Faschismus wirklich an der Macht erlebt haben, d.h. den italienischen Faschismus und den deutschen Nationalsozialismus, der Faschismus nicht durch einen Militärputsch gekommen, sondern auf der Grundlage von Massenorganisationen.
Also bei dem, was derzeit in Europa passiert und worüber wir diskutieren werden, handelt es sich ausschließlich um rechtsextreme Organisationen die zur Zeit absolut keine faschistische Gefahr darstellen, schon gar nicht in dem derzeitigen wirtschaftlichen und internationalen Kontext, was nicht heißt, dass die Situation sich nicht eines Tages ändern könnte.
Dieser Text handelt nur von den rechtsextremen Organisationen und Parteien, auch wenn sie in der Regel unter präsentableren Etiketten auftreten.
Während der Landtagswahlen in Deutschland im September 2006 bekam die NPD in Mecklenburg-Vorpommern 7,3% der Stimmen, gegenüber 0,2% im Jahre 2002.
In demselben Monat hatte die Partei der Demokraten Schwedens, die nur 2% der Stimmen bei den Parlamentswahlen erhalten hat, einen Durchbruch in Skanien, im Süden des Landes, wo sie 10% der Stimmen erhielt und 20% bei den Kommunalwahlen in einigen Gemeinden.
In der Schweiz haben 68% der Wähler für ein Gesetz gestimmt, das das Asylrecht und die Einwanderungsmöglichkeiten einschränkt, was einen unbestreitbaren Erfolg für die Schweizerische Volkspartei, die bei den Parlamentswahlen 2003 die stärkste Kraft geworden ist, darstellt.
Im Oktober dieses Jahres haben die beiden in Österreich angetretenen rechtsextremen Gruppierungen bei den Parlamentswahlen zusammen 15% der Stimmen erhalten.
Im belgischen Flandern hat der Vlaams Belang, auch wenn sie mit 33,5% mit ihrem Versuch gescheitert sind, den Rat der Stadt von Antwerpen zu übernehmen, dennoch um nicht weniger als 5,6% der Stimmen im gesamten Flandern zugelegt im Vergleich zu den Kommunalwahlen im Jahr 2000.
Natürlich hält sich die bürgerliche Presse besonders mit den Wahlerfolgen der Gruppen, die als rechtsextrem eingestuft werden, auf, da man damit Papier verkaufen kann.
Das missfällt auch den großen klassischen rechten Parteien nicht, denn es trägt dazu bei, die Idee zu verbreiten, dass diese rechtsextremen Gruppierungen nichts mit ihnen zu tun haben. Und es nutzt auch der reformistischen Linken, die, da sie die Interessen der Arbeitenden Klassen schon nicht vertritt, sich wenigstens als Schutzwall gegen den "Extremismus" darstellen kann.
Zwei Feststellungen drängen sich auf, was die Realität dieses reellen oder vermeintlichen Erstarkens der extremen Rechten betrifft.
Die erste ist, dass es sich überhaupt nicht um ein kontinuierliches Erstarken handelt. In der jüngeren Vergangenheit haben vergleichbare Gruppierungen größere Wahlerfolge in einer Reihe von Ländern verbuchen können. So erhielt in Schweden die "Neue Demokratie", ebenfalls als rechtsextrem eingestuft, vor 15 Jahren 7,2% der Stimmen bei den Parlamentswahlen 1991. Aber 3 Jahre später war sie nur noch bei 1,2%. Und auch wenn in Österreich die extreme Rechte im Vergleich zu den letzten Parlamentswahlen zugelegt hat, so ist sie doch weit davon entfernt, die 27% der Stimmen zu haben, die die FPÖ 1999 unter der Führung von Jörg Haider erhalten hat. In Belgien hat der Vlaams Belang zwar mehr Stimmen als bei den Kommunalwahlen 2000, aber hat 2,5% weniger Stimmen, wenn man seine Ergebnisse mit denen der Parlamentswahlen 2004 vergleicht.
Die zweite Feststellung, die man machen muss, ist, dass der Begriff "extreme Rechte", der so weit verbreitet ist, sehr unterschiedliche Realitäten verbergen kann. Die deutsche NPD und ihre kräftigen Handlanger mit rasierten Schädeln, die Embleme zur Schau tragen, die an die Nazizeit erinnern sollen, ohne verboten zu werden, was haben sie zum Beispiel gemein mit den "Demokraten Schwedens" außer des Fremdenhasses... die ebenfalls in weiten Teilen geteilt wird von Gruppen, denen man nie den Untertitel "extreme Rechte" gegeben hat. Seit Jahren ist der Rückgang der Arbeiterbewegung mit einer Zunahme der rechten Ideen Hand in Hand gegangen. Diese Entwicklung hat natürlich auch ein wenig den reaktionärsten, ausländerfeindlichsten Parteien genutzt, eine kleine Zunahme, die umso sichtbarer war, je kleiner ihre Wahlerfolge vorher waren.
Dieser Ruck nach rechts ist aber genauso sichtbar in der Art und Weise, in der die französische parlamentarische Rechte ihre politische Positionierung vornimmt.
Während der Präsidentschaftswahlen 1974 konnte Arlette Laguiller sich noch bei einer Veranstaltung fragen: "Wenn man die Kandidaten selbst hört, kann man sich fragen wo die Rechte ist... Als wenn jeder versuchen würde, sich so gut es geht von diesem schändlichen Etikett zu distanzieren." Der spätere Präsident, Giscard d'Estaing, erklärte der Zeitung Le Monde: "die wirkliche Debatte findet statt zwischen der Mitte (d.h. ihm) und der radikalen Linken" (was für Giscard Mitterand war...). Heute berufen sich die Politiker der Rechten stolz und offen auf dieses Etikett.
Auch wenn es in den extremen Rechten der verschiedenen Ländern wirkliche Nostalgiker des italienischen Faschismus oder des Nationalsozialismus gibt, wäre es falsch, in den jüngsten Wahlerfolgen der deutschen extremen Rechten oder in der Rolle, die von den "Post-Faschisten" des MSI (jetzt Nationale Allianz) in Italien gespielt wird, eine Wiederauferstehung der Vergangenheit dieser Länder zu sehen, die jeweils 12 Jahre der Herrschaft der Nazis, bzw. mehr als 20 Jahre der Herrschaft Mussolinis erlebten.
Man kann im Gegenteil feststellen, dass in den drei Ländern Westeuropas, die in der jüngeren Zeit diktatorische Regime erlebt haben (Griechenland und Portugal bis 1974, Spanien bis 1975), die extreme Rechte, die sich auf diese Regime beruft, nur absolut unbedeutende Wahlergebnisse erzielt. Aber die ausländerfeindlichen Überzeugungen sind deswegen dort nicht weniger auf dem Vormarsch und werden von dem politischen Personal des Bürgertums ausgenutzt.
Eine "republikanische Rechte" von der extremen Rechten zu unterscheiden, so wie es die reformistische Linke in Frankreich nach den Landtagswahlen von 1998 machen wollte, indem sie die rechten Abgeordneten, die mit denen des Front National gemeinsame Sache machten, um die Landesregierung zu stellen, von denen unterschied, die dies nicht taten, ist wirklich politische Betrügerei. Es gibt nicht mehrere Arten der Rechten, die durch Grenzen getrennt sind, weder in die eine noch in die andere Richtung. Viele der heutigen Köpfe der parlamentarischen Rechten (Longuet, Madelin, Devedjian, Goasguen) sind alte Angehörige von "Occident", einer Bewegung der 60ger Jahre mit offen faschistischer Überzeugung. Umgekehrt ist auch eine beachtliche Zahl der führenden Persönlichkeiten der extremen Rechten aus der parlamentarischen Rechten hervorgegangen: Jean-Claude Martinez, der 1985 (nach den ersten Wahlerfolgen der FN) von der RPR überwechselte, wo er an der Seite des ehemaligen Ministers Bernard Pons gearbeitet hatte; Bruno Mégret, der die RPR zur selben Zeit verließ, weil die Partei seiner Meinung nach einen "Linksrutsch" durchmachte; und nicht zu vergessen Le Pen selbst, der von 1958-1962 Abgeordneter des CNI (Centre national des indépendants - Nationales Zentrum der Unabhängigen) von Antoine Pinay war. Manche haben einen noch verschlungeneren Lebenslauf, wie z.B. der derzeitige Bürgermeister von Nizza, Jacques Peyrat, der nacheinander Mitglied des RPF, des CNI, der unabhängigen Republikaner von Giscard und der Front National war und 1996 wieder zur RPR wechselte, wobei er erklärte: "Ich habe mich kein Stück verändert und ich teile weiterhin im Wesentlichen die nationalen Werte der Partei von Jean-Marie Le Pen".
Die Schwierigkeit, eine Grenze zwischen der extremen Rechten und der Rechten zu ziehen wird ganz deutlich, wenn man, in Frankreich, die Sprache eines Le Pen oder Mégret vergleicht mit der eines Sarkozys. Oder in Italien, wenn man versucht zu definieren, was einen Berlusconi von seinen Verbündeten, den "Post-Faschisten" der "Nationalen Allianz" trennt, oder auch von Alessandra Mussolini, die Enkelin des "Duce", die sich weiterhin Faschistin nennt und mit der Berlusconi ein Wahlbündnis für die kommenden Parlamentswahlen eingegangen ist.
In der Ideologie der extremen Rechten hat es in den vergangenen zwanzig Jahren natürlich lokale Besonderheiten gegeben.
Der Vlaams Belang beruft sich auf einen flämischen Nationalismus, der seinen Ursprung teilweise hat in der langen Unterordnung Flanderns im Gesamt-Belgien, was durch die Tatsache illustriert wird, dass während des ganzen 19.Jahrhunderts französisch die einzige offizielle Sprache des Landes war. Aber in der französischsprachigen Zone hat die extreme Rechte ebenfalls eine nicht zu verachtende Präsenz, mit dem "Front National", die mehr als 8% der Stimmen bei den Landtagswahlen 2004 erhalten haben.
In Italien beruft sich die "Lega Nord" von Bossi auf ein "Padanien" (die Region des Po), das nie existiert hat, und prangert die Hilfen an, die den armen Gegenden des Südens gegeben werden. Das hat ihn aber nicht daran gehindert, an der Regierung Berlusconi teilzunehmen, an der Seite der "Post-Faschisten" von Fini die sich im Gegenteil als die Verteidiger der Mittelmeerprovinzen aufspielen.
Unabhängig von diesen lokalen Besonderheiten ist die gemeinsame Grundlage dieser extremen Rechten der Wille, die Verantwortung für die Arbeitslosigkeit, der Rückgang der Sozialsysteme, die Wohnungskrise usw. den Migranten in die Schuhe zu schieben.
Diese ausländer- und migrantenfeindliche Demagogie wird übrigens ebenfalls von der klassischen Rechten im großen Maßstab betrieben, und nicht nur in Frankreich, wo Sarkozy offen auf dem Gebiet von Le Pen und de Villiers jagen geht.
Die Vorschläge eines Verantwortlichen der deutschen CDU, Jörg Schönbohm, der erklärte, "die Zeit der Gastfreundschaft sei vorbei" oder eines Aznar, ehemaliger Präsident der spanischen Regierung, der, nachdem der Papst den Islam beschuldigt hatte, ein Synonym für Gewalt zu sein, erklärte: "Kein Moslem hat mich jemals dafür um Verzeihung gebeten, Spanien während 8 Jahrhunderten besetzt zu haben", stammen aus demselben Sumpf. Und leider schreckt auch die reformistische Linke (und eine andere gibt es leider derzeit nicht) auch nicht immer davor zurück, auf diese Art von Demagogie zurückzugreifen, insbesondere wenn sie an der Regierung ist.
Die Kommentatoren heben immer gerne die Wahlerfolge der Front National in den verarmten Vorstädten hervor. Aber die Wähler der FN gehören bei weitem nicht alle den armen Schichten der Bevölkerung an. Ein guter Teil der Wählerschaft befindet sich unter den Besitzenden. Die Bourgeoisie, nicht nur die große Bourgeoisie, in deren Dienst die Politiker der Rechten und Linken regieren, sondern auch die mittlere und kleine Bourgeoisie, gegenüber der man nicht mit Wahlgeschenken geizt, leiden nun wahrlich nicht unter der wirtschaftlichen Situation. Ein großer Teil dieser sozialen Klassen ist der Arbeiterklasse dermaßen feindlich gesinnt, dass sie FN wählen, da diese immer bereit, ist, die Arbeitenden als faul und die Arbeitslosen als Parasiten zu bezeichnen.
Der Ruck nach rechts der Gesellschaft drückt sich in der Tatsache aus, dass alles, was das Land an Nostalgikern zählt aus der Zeit, wo das Christentum und die patriarchalische Moral noch die Gesellschaft beherrschte, einer Epoche, in der die Kapitalisten ihre Rechte nicht durch einige so genannte soziale Gesetze eingeschränkt sah, das alle die Politiker hören möchten, die eine offenere reaktionäre Sprache sprechen. Die Wahlerfolge der Front National in einigen reichen Dörfern von Weinbauern im Elsass, wo man so gut wie noch nie Migranten gesehen hat, sind bezeichnend für diese Mentalität.
Es ist dennoch wahr, dass die Front National die arme Bevölkerung, die von der Arbeitslosigkeit oder der Angst davor, von der Verarmung oder der Angst davor demoralisiert ist, und die sich von allen politischen Parteien, die an der Regierung sind oder waren, verlassen fühlt, einlädt, ihre Wut gegen die zu richten, die noch ausgebeuteter, noch unterdrückter sind als sie. Dadurch hat die FN ein Ohr bei denen unter den Arbeitslosen und Arbeitern, die sich am wenigsten ihrer wirklichen Interessen bewusst sind, gefunden hat.
Aber dieses Gleiten nach rechts hat im Moment nichts damit zu tun mit dem, was man in Europa in den Jahren nach der Krise von 1929 gesehen hat, die Jahre, die 1933 vorausgingen, als die Nazis in Deutschland an die Macht kamen, die der Niederschlagung der österreichischen Arbeiterklasse 1934 vorausgingen ebenso wie dem Sieg Francos in dem spanischen Bürgerkrieg von 1936 - 1939.
In alle diesen drei Fällen war es die Existenz einer organisierten und starken Arbeiterbewegung, um die es bei dem Kampf in einer Situation der wirtschaftlichen Krise ging.
Um deren Ausschaltung zu erledigen, brauchte die Bourgeoisie, bis zu einem gewissen Grad paramilitärische rechtsextreme Organisationen. In Deutschland spielten die Sturmabteilungen, die das große Kapital schon seit langem finanzierte, als zusätzliche Polizei eine entscheidende Rolle in der Zerstörung der Kommunistischen Partei, der Sozialdemokratie und der Gewerkschaften. In Österreich schaffte es der Kanzler Dollfuss mit Hilfe der paramilitärischen Organisation Heimwehr, die sozialdemokratischen Organisationen zu zerstören. In Spanien fand das militärische Pronunciamiento eine wichtige Stütze in den Milizen der Falange und der Carlistischen Partei. Der Sieg des Faschismus in Deutschland, und seiner mehr oder weniger Bastardformen in Österreich und Spanien waren nur möglich, weil die herrschenden Klassen die Arbeiterklasse brechen mussten, die sie fürchteten. In Deutschland kam noch hinzu, dass es die Notwendigkeit gab, die Arbeiterklasse niederzudrücken, um sie dann in einen Revanche-Krieg zu ziehen, der den Versailler Vertrag wieder in Frage stellte, was lebensnotwendig war für den deutschen Imperialismus. Es gab also im Land rechtsextreme Organisationen, die tausende von Aktivisten hatten, die aufgrund der Krise ausreichend entschlossen waren, um sich in einem wirklichen Kampf zu engagieren, umso mehr, da sie von den Spitzen der Bourgeoisie finanziert wurden.
Heute gibt es ein paar kleine Gruppen von Nostalgikern das Faschismus oder des Nationalsozialismus die davon träumen, ihre Vorfahren der 30ger Jahre nachzuahmen, aber es gibt nirgendwo diese Massen verarmter Kleinbürger, oder gar ruinierter Kleinbürger, die das Gros der sozialen Basis der Nazis stellte.
Die extreme Rechte hat diese Eigenschaften nicht in den sozialen Klassen, aus denen sie sich heute rekrutiert. Was den Teil der arbeitenden Klassen betrifft, die die Rechtsextremen wählen, so tun sie dies mehr aus Demoralisierung als aus Wut, mehr aus dem Ablehnen jeglicher Politik als aus dem Willen, einen politischen Ausweg (sei er auch trügerisch) zu finden. Und was die Teile des Kleinbürgertums (oder des weniger kleinen Bürgertums) betrifft, die sie wählt, so ist ihr Extremismus der Extremismus von Leuten, die gut leben, die bereit sind, den Schlägen gegen die Arbeiterklasse zu applaudieren, aber nicht bereit sind, sich in Soldaten irgendeiner Konterrevolution zu verwandeln.
Und was die große Bourgeoisie angeht, die letztendlich darüber entscheidet, ob und wie faschistische Massen benutzt werden, so gibt es sicher in ihren Reihen Rassisten, nicht nur gegen Afrikaner oder Araber, sondern auch Antisemiten, religiöse Extremisten, Leute, die jeglicher Zusammenarbeit mit den politischen Parteien, die sich links nennen oder mit den Arbeitergewerkschaften feindlich gegenüberstehen. Aber als Klasse hat die Bourgeoise derzeit nun wahrlich keinen Grund, die Arbeiterbewegung zerschlagen zu wollen.
Mit Ausnahme einzelner demagogischer Maßnahmen mit dem Ziel, ihrer Wählerschaft zu schmeicheln, müsste ein Le Pen, ebenso wie Sarkozy, in den Grenzen von dem Rahmen regieren, den ihm die große Bourgeoisie heute absteckt.
In den Städten, in denen die Front National in der Vergangenheit die Mehrheit hatte und daher dort entscheiden konnte, inklusive großer Städte wie Toulon oder Orange, hat man sehen können, dass diese Wahlerfolge nicht viel geändert haben: Einigen Vereinen oder künstlerischen Gruppen, die links standen, wurden die Subventionen gestrichen, einige symbolische Gesten gemacht, die dazu dienen sollten, die Devise "Den Franzosen zuerst" zu illustrieren, aber es gab keinen katastrophalen Rückschritt im täglichen Leben der Arbeiter dieser Städte. Übrigens haben eine Reihe Städte unter der Regierung der Rechten (UMP) dieselbe Haltung gegenüber den Vereinen gehabt.
Selbst wenn Le Pen unter den derzeitigen Bedingungen morgen Präsident der Republik werden würde, würde dies absolut nicht die Errichtung einer faschistischen Macht in Frankreich bedeuten, es würde nicht einmal die Ausweisung aller ausländischen Arbeiter bedeuten, da die Kapitalisten diese zu sehr brauchen. Natürlich würde das Leben der Arbeiterklasse noch etwas schwerer gemacht werden, insbesondere der ausländischen Arbeiter und der Arbeitslosen. Aber Sarkozy wäre sehr wohl in der Lage, genauso zu handeln, und nichts garantiert das Gegenteil.
5. November 2006