(Dieser Text wurde vom Lutte Ouvrière-Parteitag von Dezember 2006 verabschiedet)
Die internationalen Verhältnisse im Jahr 2006 - Von der Trennung in zwei Blöcke zur amerikanischen Hegemonie
Die internationalen politischen Verhältnisse sind der mehr oder weniger genaue Ausdruck der wirtschaftlichen Kräfteverhältnisse. Sie sind aber keine passive Widerspiegelung, denn die politischen Ereignisse und ihr Konzentrat, die militärischen Ereignisse, wirken auf die wirtschaftlichen Kräfteverhältnisse zurück.
Seit mehr als einem Jahrhundert, 120 Jahre mindestens, finden die Umwälzungen der Weltwirtschaft auf der Grundlage des Imperialismus statt, das heißt auf der Grundlage des Verhältnisses von Herrschaft und Ausbeutung, dass der gesamtem Menschheit von diesem kleinen Teil des Planeten aufgezwungen wird, wo sich der Kapitalismus der "freien Konkurrenz" so weit entwickelt hat, dass er sein Gegenteil hervorgebracht hat, nämlich die Herrschaft der Monopole.
Seit einem Jahrhundert schnürt dieses Dutzend Staaten, die ungefähr aus Nordamerika, Westeuropa und Japan besteht, den Rest des Planeten immer mehr ein in ein Netz, mit dem die großen Finanzkonzerne die Reichtümer aller Länder, inklusive der ärmsten Länder, in die Geldbörsen des Bürgertums der imperialistischen Länder leiten.
Auf der Grundlage dieser grundsätzlichen Wirtschaftsbeziehungen führen die imperialistischen Mächte verschiedener Größe und Mittel einen ständigen Wirtschaftskrieg, zeitweise friedlich für sie - was nicht heißt, dass er friedlich ist für seine Opfer in den armen Ländern - und zeitweise mit Gewalt. Die unausweichlichen Veränderungen der wirtschaftlichen Kräfteverhältnisse werden durch Kriege geregelt.
Während des letzten Jahrhunderts haben sich diese Kräfteverhältnisse in zwei Weltkriegen ausgedrückt, die jeweils 20 Millionen Tote im Ersten und 100 Millionen Tote im Zweiten Weltkrieg forderten. Der Ausgang dieser Kriege hat jedes Mal eine neue Weltordnung begründet. Der Weltordnung vor 1914 folgte die Weltordnung des Versailler Vertrags, entstanden aus dem Sieg der imperialistischen Koalition aus Großbritannien, Frankreich und den USA gegen die Koalition, die maßgeblich von Deutschland angeführt wurde.
Der besiegte deutsche Imperialismus, der dem harten Gesetz der Sieger unterworfen wurde, wartete nicht lange, um diese Ordnung von Versailles durch einen neuen Weltkrieg wieder in Frage zu stellen. Und wenn auch beide Weltkriege mit der Niederlage des deutschen Imperialismus endeten, so haben sie dennoch auch dazu beigetragen, im Lager der Sieger den englischen und französischen Imperialismus zu schwächen.
Umgekehrt haben sie die amerikanische Macht gestärkt, die aus einer mit den anderen Mächten konkurrierenden imperialistischen Macht zur Hegemonialmacht gegenüber den anderen wurde.
Ein anderes zentrales Ereignis fand in dem ersten Viertel des 20. Jahrhunderts statt: die proletarische Revolution, die in dem größten und bevölkerungsreichsten Land der Erde siegt, in Russland. Die Umwälzung, die hieraus erfolgte, war von ganz anderer Art als diejenigen, die entstanden durch die Auseinandersetzungen zwischen den imperialistischen Mächten um die Aufteilung der Reichtümer, die aus der Plünderung des armen Teils der Erde und der weltweiten Ausbeutung der Arbeiterklasse kamen.
Die Perspektive der russischen Revolution war es nicht, einen Platz für Russland in der aus dem Ersten Weltkrieg entstandenen imperialistischen Weltordnung zu finden. Ihre Perspektive war die Ausbreitung der proletarischen Revolution in die entwickelten Länder Europas, angefangen mit Deutschland, und die Zerstörung der kapitalistischen Weltordnung weltweit.
Wir wissen, was aus dieser Perspektive wurde mit dem Scheitern der Revolution in Deutschland, in Finnland, in Ungarn und mit dem Rückgang der revolutionären Welle überall in Europa, die das sowjetische Russland isoliert und in völliger Armut ließen. Dies führte zur Degenerierung des Arbeiterstaates, der aus der Revolution entstanden war, zum Aufkommen einer immer stärkeren Bürokratie, die die politische Macht monopolisierte.
Seit der Mitte der zwanziger Jahre, weniger als 10 Jahre nach dem Sieg der Oktoberrevolution, gaben die Führer der Bürokratie die Perspektive der Weltrevolution, den Sturz des Imperialismus auf. Aber trotz dieser Degenerierung konnten die imperialistischen Weltmächte, die bald durch die große Wirtschaftskrise von 1929 erschüttert wurden, weder wirtschaftlich noch politisch das sowjetische Russland zurückerobern. Hitler versuchte es ein wenig später, aber ohne es zu schaffen.
Von da an wurde die Sowjetunion unter Stalin, gestärkt durch den ungemeinen industriellen Fortschritt, der durch die Abschaffung des Großgrundbesitzes und der Bourgeoisie sowie durch die geplante Wirtschaft möglich wurde - und das in einem der ausgedehntesten Länder der Welt, eines der reichsten Länder auch an Rohstoffen, zu einer Großmacht. Eine Großmacht die nach dem Aufgeben jeglicher revolutionärer Perspektiven einer der Stützen der Weltordnung wurde, aber dennoch gleichzeitig es seiner Wirtschaft auf einem Sechstel der Erde erlaubte, der kapitalistischen Konkurrenz, der Profitgier und des direkten Eindringens der großen Konzerne zu entkommen.
Die wachsende Rolle der Sowjetunion in dem Konzert der Großmächte setzte sich im Zweiten Weltkrieg und durch die entscheidende Rolle der sowjetischen Armee in dem Sieg über Hitlerdeutschland durch. Die aufeinander folgenden Abkommen von Teheran, Jalta und Potsdam besiegeln die Integration der Sowjetunion in den Club der Bewahrer der imperialistischen Weltordnung.
Diese Rolle der einzigen Supermacht gegenüber den USA behielt die Sowjetunion der Bürokraten bis zu ihrem Niedergang 46 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs.
Bewahrer und Hüter der Weltordnung war die Sowjetunion der Bürokratie dennoch auf eine besondere Weise, und zwar komplett entgegengesetzt zu den imperialistischen Mächten. Gegensätzlich zunächst aus dem Grund, dass der bürokratische Arbeiterstaat ein Hindernis war für das wirtschaftliche Eindringen der imperialistischen großen Monopole in die Sowjetunion und dass diese außerdem dasselbe Hindernis, dieselbe Trennung vom Weltmarkt den Volksdemokratien aufzwang. Gegensätzlich auf, weil die Sowjetunion bei der Vielzahl an Revolten, Aufständen, Putschs und lokalen Kriege, die während dieser 46 Jahre niemals aufgehört haben, die Weltordnung von Jalta in Frage zu stellen, eine besondere Rolle gespielt hat, sowohl einfach durch ihre Existenz als auch durch ihr diplomatisches oder militärisches Spiel.
Denn auch wenn die Bürokratie jeder Arbeiterrevolution absolut feindlich gesinnt war, was einer der Hauptgründe für sein Bündnis mit dem Imperialismus für die Errichtung der Nachkriegsordnung in Deutschland und in den Ostblockstaaten ist und auch wenn die Bürokratie dies mehrfach auf brutale Weise zeigte, zum Beispiel durch die blutige Niederschlagung des Arbeiteraufstandes in Ungarn, so versuchte die sowjetische Bürokratie dennoch, zumindest das Kräfteverhältnis mit der imperialistischen Welt, insbesondere den USA zu erhalten. Daher kommt ihre Politik gegenüber den Kolonialrevolutionen, die am Tag nach dem Weltkrieg die Dritte Welt erschütterten. Daher ihre diplomatische und teilweise militärische Unterstützung diverser nationaler Befreiungsbewegungen, die von den nationalen kleinbürgerlichen Kräften angeführt wurden.
Natürlich gab es in der Vergangenheit auch viele Beispiele, wo eine imperialistische Macht eine nationale Bewegung unterstützt hat, die einen imperialistischen Rivalen schwächen und stören könnte. (z.B. USA erst gegenüber der Kolonialmacht Spanien in Südamerika, später gegenüber Frankreich in Afrika, z.B. im Algerienkrieg oder Ägypten (Suez-Kanal-Affäre).)
Die sowjetische Bürokratie handelte jedoch aus anderen Gründen, nicht aus der Notwendigkeit, ihr überschüssiges Kapital in den rückständigen Ländern anlegen zu müssen. Aus diesem Grund haben wir, obwohl wir die militärischen Abenteuer der sowjetischen Bürokratie in ihrer Einflusszone der Volksdemokratien oder am Rande ihrer Einflusszone wie in Afghanistan immer verurteilt haben, es als Marxisten immer abgelehnt, die militärischen Abenteuer als imperialistische Interventionen zu bezeichnen.
Die Aufteilung der Welt in zwei Einflusszonen, zwischen zwei antagonistischen Supermächten, hat viele regionale Konflikte verschärft, vor allem wenn sie sich an der Grenze der beiden Einflusszonen abspielten (Koreakrieg, Vietnamkrieg zum Beispiel). Aber gleichzeitig machte dies möglich, dass diese Konflikte in bestimmten Grenzen gehalten wurden und ein diplomatischer Ausweg gefunden wurde.
Die größte Veränderung, die in dieser Zeit passierte, war das Ende der Kolonialreiche. Die Kolonial-herrschaft als Form der imperialistischen Herrschaft war vor allem das Mittel der imperialistischen Mächte gewesen, die nun einen untergeordneten Platz gegenüber den USA einnahmen, nämlich vor allem des englischen und französischen Imperialismus, aber auch des holländischen, belgischen, sogar spanischen und portugiesischen Imperialismus. Diese Imperialismen waren immer weniger in der Lage, ihre jeweiligen Vorhöfe zu verteidigen. Aus unterschiedlichen Gründen hatten weder die USA noch die Sowjetunion Grund dazu, sich mit diesen Kolonialmächten zu solidarisieren, die versuchten, die Befreiungsbewegungen, die ihre Kolonialreiche unterliefen, mit mehr oder weniger Gewalt zu bekämpfen.
Was den Sieg der chinesischen Revolution unter Mao Zedong betrifft, so ist sie ein Kapitel für sich, dessen Erklärung hier zu viel Platz einnehmen würde. Es sei nur gesagt, dass aus China eine eigene Macht in der Weltordnung wurde, die lange Zeit weder von der Bürokratie noch vom Imperialismus kontrolliert werden konnte.
Allgemeiner wurde diese bipolare Weltordnung (mit zwei sehr ungleichen Polen) ständig von nationalen Bewegungen, lokalen Kriegen und Revolten in Frage gestellt. Es gab keinen Augenblick seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges wo es nicht in der einen oder der anderen Region des Globus zu bewaffneten Konflikten gekommen ist.
Beide Supermächte haben versucht, sich diese Wellen der Revolten, der Volksaufstände und allen möglichen bewaffneten Konflikte nach Möglichkeit zu Nutze zu machen.
Umgekehrt war es möglich, sich den Antagonismus der beiden Supermächte zunutze zu machen, um ein wenig unabhängiger von einer zu werden, in dem man sich ein bisschen auf die andere stützte. So entstand diese "Dritte Welt" mit sehr vagen Umrissen, die zeitweilig eine ganze Reihe von Ländern umfasste, deren Gesamtbevölkerung größer war als die eines der beiden Blöcke, und deren Identität daher rührte, dass sie versuchten, zwischen den beiden Böcken zu stehen und zwischen ihnen eine Art Gleichgewicht zu schaffen. Zum ersten Mal entstand diese Bewegung der Blockfreien Staaten bei der Konferenz von Bandung 1955.
Diese vage Vereinigung umfasste sehr unterschiedliche Regime, von Regimen, die völlig mit der Politik der imperialistischen Großmächte gebrochen hatten - wie China - über diejenige, wo die Herrscher es zeitweilig versuchten - wie Indonesien unter Suharto, und wieder andere, die nie vor hatten, mit den imperialistischen Großmächten zu brechen (Saudi-Arabien z.B.).
Weder die Politik der "Blockfreiheit" eines großen Teils der Dritte Welt, noch die Politik des kompletten Brechens mit den imperialistischen Staaten haben jedoch jemals den Imperialismus selbst gefährdet. Trotz der vielen Reden, die zu der Zeit in Mode waren, selbst unter der radikalen Linken, hat die Dritten Welt niemals eine Rolle gegenüber dem Imperialismus gespielt wie der Dritte Stand in der Französischen Revolution gegenüber dem Alten Regime. Die "Dritte Welt-Bewegung", ist das Gegenteil einer kommunistischen Politik und ist nichts als der politische Ausdruck eines Teil des Kleinbürgertums der unterentwickelten Länder, das einen größeren Teil vom Kuchen in der imperialistischen Welt abbekommen möchte. Es ist aber unmöglich, den Imperialismus zu zerstören, ohne den Kapitalismus zu zerstören, das heißt ohne Arbeiterrevolution.
Trotz der Bewegung der Blockfreien und deren mehr oder weniger großen Einfluss, je nach Epoche, bleibt die Weltordnung von Jalta bis zum Zusammenbrechen der Sowjetunion bestehen.
Die neue Weltordnung, die in gewisser Weise noch im Entstehen ist, entstand mit dem Zusammen-bruch der Sowjetunion ab 1991 und ließ die Rolle der Supermacht alleine den USA.
Die imperialistische Weltmacht unter der Hegemonie der USA
Nicht mehr als die gemeinsame Hegemonie der USA und der Sowjetunion kann die alleinige Hegemonie der USA verhindern, dass die Weltordnung ständig immer wieder in Frage gestellt wird. Trotz ihrer Rolle als Chefpolizist und -Bewahrer des Imperialismus hat die USA umso weniger Lust, überall einzugreifen, da man die letzten Male, wo sie entschieden hat einzugreifen als alles andere als einen Erfolg bezeichnen kann, weder im Irak noch in Afghanistan.
Genauso wie vorher surfen die USA auf der Welle der Ereignisse. Und schließlich, auch während der Kriege gehen die Geschäfte ja weiter! Nur die Völker leiden, aber das war nie etwas, was die Führer der imperialistischen Welt interessiert hat, egal ob es sich um Kriege handelt, für die sie direkt oder indirekt verantwortlich sind oder um Kriege, die unabhängig von ihrem Willen losgegangen sind.
Das Aufkommen einer neuen Weltordnung war neben dem Auflösten der ehemaligen Sowjetunion in 15 Staaten, von denen einige sich im Krieg untereinander befinden, geprägt durch das Auflösen des ehemaligen Jugoslawiens.
Was Ex-Jugoslawien betrifft, so ist das Jahr 2006 das Jahr der offiziellen Trennung der beiden letzten Einheiten, Serbien und Montenegro, die noch die Fiktion eines "kleinen Jugoslawiens" aufrecht erhielten. Montenegro, pseudo-unabhängiger Staat, ist nun ein weiterer neuer Mini-Staat auf europäischem Boden, der ohnehin davon schon so viele hat und er ist auch die Wahlheimat der russischen Mafia geworden. Und auch wenn jetzt aus dem ehemaligen Jugoslawien schon 6 unabhängige Staaten entstanden sind, ist es noch nicht gesagt, dass damit die Auflösung an ihrem Ende angekommen ist, solange Bosnien nicht mehr als eine fiktive Einheit bietet zwischen den verschiedenen "ethnischen Einheiten" mit serbischer, kroatischer oder "muslimischer" Mehrheit und solange die Souveränität Serbiens im Kosovo höchstens symbolisch ist. Diese beiden Regionen sind weiterhin Protektorate unter der Besatzung der NATO.
11 Jahre nach dem Ende des Krieges in Bosnien-Herzegowina (1992-1995), 6 Jahre nach der Intervention der NATO gegen Serbien wegen des Kosovo, gibt es zwar keinen direkten Krieg auf dem Balkan, aber einen bewaffneten Frieden. Mehr als die Hälfte der 3 Millionen Menschen, die aufgrund der "ethnischen Säuberungen" fliehen mussten oder gezwungen wurden, am Krieg teilzunehmen, konnten bislang nicht in ihre ursprüngliche Heimat zurückkehren, mit all dem, was das an Elend und Leid mit sich bringt.
Die USA versuchen, in den Staaten der ehemaligen Sowjetunion Fuß zu fassen, sowohl wirtschaftlich, diplomatisch wie militärisch. Es gib daher mittlerweile NATO-Basen nicht nur in den ehemaligen Volksrepubliken (Rumänien, Bulgarien), sondern auch in einigen Staaten der ehemaligen Sowjetunion wie Georgien oder Kirgisien.
Auch wenn die Wurzeln des Imperialismus wirtschaftlicher Natur sind, so setzte sich der Imperialismus nicht nur mit seinem Kapital und seinen Waren durch. Wenn nicht die Waren dem Weg der Armee folgen, dann folgen die Armeen den Waren.
Die wachsende Hegemonie der USA bedeutet auch das Anwachsen seiner militärischen Ausgaben. Das amerikanische Militärbudget, das 1995 ein Drittel des weltweiten Militärbudgets ausmachte (was ja schon beachtlich ist), betrug 2005 die Hälfte der weltweiten Militärausgaben.
Einige sehen als Gegengift gegen die Hegemonie des amerikanischen Imperialismus das Aufkommen eines europäischen Imperialismus. Aber es ist absolut blödsinnig, die Bevölkerungszahlen oder das Bruttosozialprodukt dieser beiden Einheiten zu vergleichen. Es gibt keinen europäischen Imperialismus, sondern nur eine Übereinanderlagerung von Imperialismen in Europa, die in einigen Bereichen verbunden sind, aber gleichzeitig Konkurrenten oder sogar Gegner sind.
Diese Rivalität sieht man nicht nur auf den Märkten außerhalb Europas und in Europa selber, auf denen sich der englische, französische und deutsche Imperialismus in Konkurrenz befinden. Wie erst kürzlich die Krise von EADS und die damit zusammenhängende Frage, ob der französische oder deutsche Staat die Leitung von EADS innehat, zeigt, dass selbst im Inneren von gemeinsamen Betrieben, die ja gerade gegründet wurden, um der amerikanischen Konkurrenz etwas entgegen zu setzen, die Rivalität nicht aufhört.
So sehr diese Allianz zwischen den wichtigsten imperialistischen Mächten Europas also zeitweilig und beschränkt ist, sie erlaubt ihnen doch eine Art gemeinsame Herrschaft über Osteuropa. Sicherlich ist es vor allem Deutschland, das ein Interesse an die Integration der osteuropäischen Länder in die EU hat. Denn diese Länder waren in der Vergangenheit ein Teil der deutschen Einflusszone. Und ganz natürlich hat der Imperialismus dort nach 1989 seine Rolle wieder übernommen.
Der französische Imperialismus versucht zwar, wie er es auch schon vor dem Zweiten Weltkrieg getan hat, mit Deutschland ein wenig in den osteuropäischen Ländern zu konkurrieren, aber es scheint ihn mehr zu interessieren, den anderen Staaten einen Teil der Kosten und Lasten aufzubürden, die sie durch die Herrschaft in ihrem ehemaligen Kolonialreich in Afrika haben.
Und was Großbritannien angeht, so sind dessen wirtschaftliche Beziehungen mit den USA mindestens von ebenso großer Bedeutung wie seine europäischen Interessen. Es ist entsprechend bezeichnend, dass sie immer noch nicht der Eurozone beigetreten sind und dies anscheinend auch in nächster Zeit nicht vorhaben.
Was die Staaten Mittel- und Osteuropas betrifft, so sind ihre Beziehungen mit dem westlichen Teil des Kontinents genauso wie vor ihrem Eintritt in die EU: nämlich die Beziehungen von Ländern, deren Wirtschaft durch die Konzerne der westeuropäischen imperialistischen Länder beherrscht ist.
Die bedeutendste Tatsache in diesen Ländern ist wahrscheinlich die Zerstörung vieler Illusionen, die nach dem Ende der Herrschaft der Sowjetunion und mit dem Beitritt zur EU bei der Bevölkerung entstanden sind. Diese Illusionen sind verschwunden, weil die Ungleichheiten nicht aufhören zu wachsen, die sozialen Schutzsysteme des alten Regimes langsam oder brutal abgeschafft werden und die Arbeitslosigkeit in diesen Ländern, in denen sie vorher quasi gar nicht existiere, explodiert ist.
Eine lokale Bourgeoisie, die in der Regel Teil der privilegierten Klasse aus der Zeit der "Volksrepubliken" ist, bereichert sich auf unverschämte Weise, indem sie oft als Mittelsmann dienen für die großen deutsche, französischen, englischen usw. Kapitalien, die die Wirtschaften dieser Länder beherrschen. Gleichzeitig formulierte die Weltbank im Jahr 2002: "Die Armut ist verbreiteter geworden und steigt mit einer Schnelligkeit wie nirgendwo sonst auf der Welt."
Aber diese Enttäuschungen haben nicht - und konnten auch nicht - der politischen Desorientierung der Arbeiterklasse ein Ende bereiten, eine Desorientierung, die entstanden ist dadurch, dass sie 40 Jahre unter Regimen gelebt haben, die sich auf den Kommunismus und den Sozialismus beriefen. Eine Desorientierung, die umso größer ist, da der Übergang der Regime vor 1989 zu dem danach fast überall ohne Auseinandersetzungen (mit Ausnahme von Rumänien) vonstattengegangen ist, und obendrein noch oft von denselben so genannten kommunistischen Parteien vollzogen wurde (oder zumindest mit ihrer Komplizenschaft), die vorher an der Macht gewesen waren. Daraus folgt, dass in diesen Ländern, die doch reich an revolutionären Traditionen sind und vor dem Zweiten Weltkrieg trotz diktatorischer Regime eine kämpferische Arbeiterbewegung hatten, heute die Arbeitenden Klassen ohne jegliche Orientierung sind.
Es ist die Rechte, teilweise die extreme Rechte, die versucht, die Wut und den Frust zu kanalisieren, mit mehr oder weniger Erfolg. Egal welchen Ausdruck dies in der Regierung erhält - reaktionäre Rechtsregierung in Polen, Bündnis einer sich sozialistisch nennenden Partei und der extremen Rechten in der Slowakei - sind in allen osteuropäischen Staaten höhere Wahlergebnisse für die Rechten zu verzeichnen, aber bei gleichzeitig sinkender Wahlbeteiligung. Dieser Druck nach rechts drückt sich auch im sozialen Leben durch den Einfluss der Kirchen aus - in Polen steht zur Zeit zur Debatte, in die Verfassung das Verbot jeglicher Form von Abtreibung aufzunehmen, und durch eine Zunahme des Chauvinismus, von Gebietsansprüchen an die Nachbarstaaten usw.
Der Nahe und Mittlere Osten
Die Hauptspannungsfelder heute befinden sich im Nahen und Mittleren Osten.
Im Irak wird es immer deutlicher, dass die USA nicht in der Lage sind, die Ordnung wieder herzustellen, zumindest nicht mit den Kräften, die sie derzeit hierfür zur Verfügung stellen und die immerhin beachtlich sind. Es zeigt sich im Rückblick, dass Saddam Hussein der beste Hüter der Ordnung in seinem Land war. Anscheinend hatte der Vater Bush mehr politischen Sinn als sein Sohn, was die Interessen der USA betrifft, denn er hat Saddam Hussein am Ende des ersten Kriegs gegen den Irak seine eigene Bevölkerung massakrieren, die Schiiten bombardieren und die Kurden kaputt schlagen lassen. Indem die USA Saddam Hussein gestürzt haben, haben sie Kräfte freigesetzt, die sie heute nicht mehr in der Lage sind zu kontrollieren.
Obwohl Bush weiterhin erklärt, dass er seine Truppen erst aus dem Irak zurückziehen wird, wenn dort Frieden herrscht, ist dies wahrscheinlich nicht die einzige Option, die in den militärischen und diplomatischen Generalstäben der USA studiert wird. Auch wenn sie sich in der Tat jetzt nicht einfach zurückziehen können und den Irak sich selber zerfleischen lassen können (der Irak ist nicht eines dieser afrikanischen Länder, in denen sich die Ethnien gegenseitig zerfleischen können, der Irak liegt in einer ebenso strategisch wichtigen wie erdölreichen Gegend), so können sie doch darauf orientieren, eine regionale Regelung zu finden, vor allem mit dem Iran.
Der Iran ist von den USA seit dem Sturz des Schahs 1979 in die Acht getan worden. Aber das islamistische Regime in Teheran hat gezeigt, dass es eine gewisse Stabilität garantiert und es ist dafür bekannt, dass es einen Einfluss auf die schiitische Komponente der irakischen (und libanesischen) Bevölkerung hat. Die heutigen Querelen zwischen dem Iran und das, was man die "internationale Gemeinschaft" nennt, also die wichtigsten imperialistischen Räuber, stellen vielleicht ein Kräfte-messen da, eine Vorbereitung für allgemeine Verhandlungen, in welchen der Iran an einer regionalen Ordnung beteiligt wird.
Man kann ebenso wenig sagen, dass der Krieg gegen Afghanistan und seine Besatzung seit 5 Jahren ein Erfolg für die imperialistischen Mächte ist. Das Land ist nicht nur de facto aufgeteilt unter die verschiedenen Kriegsfürsten, mit denen die Besatzer zwangsweise verhandeln und zusammenarbeiten müssen, es ist nicht nur so, dass alle Formen der Unterdrückung, besonders gegen die Frauen, die man als Grund für diesen Krieg gegen die Talibane genannt hatte, weiter existieren, mit Ausnahme vielleicht von Kabul, sondern eben die Tatsache, dass sich nichts geändert hat, dass sich das Leben nicht verbessert hat und dazu noch eine ausländische Besatzung hinzugekommen ist, scheint gerade den Talibanen wieder Auftrieb und Glauben zu verschaffen.
Hinzu kommt, dass das Wiedererstarken der Bewegung der Talibane Auswirkungen hat auf das Nachbarland Pakistan und dort die Aktivität der islamistischen Gruppen anregt, so sehr, dass dadurch gerade ein Regime unterminiert wird, was historisch eines der wichtigsten Verbündeten der USA in der Region ist.
Die Situation hat sich noch verschlimmert durch die andere Spannungszone im Nahen Osten, Israel-Palästina. Die Palästinensische Autonomiebehörde, die eigentlich der Embryo eines späteren Staates sein sollte, hat sich nicht in diese Richtung weiterentwickelt, im Gegenteil, die israelische Armee interveniert immer öfter, selbst im Gazastreifen, den die israelischen Truppen eigentlich letztes Jahr geräumt hatten.
Die angebliche Autonomie der palästinensischen Gebiete ist eine Fiktion seit ihrer Entstehung. Mit den zerstückelten Gebieten, von denen eins vom anderen getrennt durch Umgehungsstraßen und jetzt sogar durch eine Mauer getrennt ist, mit ihrer nicht existierenden Wirtschaft, mit einer Bevölkerung, deren physisches Überleben von dem Willen des israelischen Staates und der internationalen Hilfe abhängt, sind die Gebiete nichts anderes als ein Gefängnis ohne Dach.
Diese Situation hat sich dieses Jahr noch dadurch verschlimmert, dass die islamistische Organisation Hamas an die Regierung gelang ist. Obwohl sie durch Wahlen an die Macht gekommen ist, haben die Großmächte, die immer von der Demokratie reden, den Zynismus, diese Wahl der Bevölkerung als Grund zu nehmen, um die Gelder an die palästinensische Autonomiebehörde zu stoppen und damit die wenigen finanziellen Einkünfte, die ihnen wenigstens ein Existenzminimum sicherten.
Der Staat Israel und die Großmächte die ihn protegieren, haben beschlossen, die ganze Bevölkerung auszuhungern, um sie für die Wahlentscheidung der relativen Mehrheit zu bestrafen. Sie werfen dem palästinensischen Volk vor, durch diese Wahl den Friedensprozess blockiert zu haben, indem sie eine fundamentalistische Organisation an die Macht gebracht haben. Aber seit 60 Jahren bieten die Großmächte dem palästinensischen Volk nichts anderes als den Frieden der Gefängnisse und der Unterdrückung!
Aber vor allem für das palästinensische Volk selbst ist das An-die-Macht-kommen der Hamas, dieser reaktionären Organisation, ein großes Drama. Es ist das Ende einer ganzen Politik, in der die eigenen Führer ein Volk eingesperrt haben, dass doch seit so vielen Jahren so viel Mut, so viel Kampfbereitschaft gegen die Unterdrückung, die es erleidet, gezeigt hat. Die arbeitenden Klassen von Palästina, die diesen Kampf führen, hatten, am Anfang ihrer Revolte, ungeheuer große Möglichkeiten, von den arbeitenden Klassen im Libanon, in Ägypten, in Syrien, Jordanien und darüber hinaus im gesamten Mittleren Osten gehört zu werden, wo nicht nur der Staat Israel die imperialistische Weltordnung vertritt, sondern auch die Monarchien aus einer anderen Zeit wie in Saudi-Arabien, die Diktaturen in Syrien oder Ägypten oder den Emiraten im Golf. Das palästinensische Volk hatte die Möglichkeit und die Fähigkeit, der Motor einer allgemeinen Revolte der ausgebeuteten und unterdrückten Klassen des Mittleren Ostens zu sein, einer Revolte, die die Kraft gehabt hätte, wirkliche Veränderungen auf dem Gebiet der demokratischen Rechte, der Rechte der Frauen, aber auch auf sozialem Gebiet durchzusetzen.
Aber die nationalistischen Führer in dieser Zeit, selbst die, die sich auf fortschrittliche Ideen oder gar den Sozialismus beriefen, wollten dies nicht. Sie wollten ihren Kampf allein auf den palästinensischen Rahmen beschränken, indem sie verhinderten, dass die Revolte der palästinensischen Unterdrückten ansteckend wurde und dass sie auf eine Umwälzung in der gesamten Region hinauslaufen könnte, so wie dies schon im Libanon anfing zu passieren.
Es ist der Imperialismus, es ist Israel, die für die Unterdrückung des palästinensischen Volkes verantwortlich sind. Aber es ist diese ganze nationalistische Politik, die jetzt mit der Hamas, die an die Macht gekommen ist, seine letzte Folge verursacht hat. Und aus diesem Gegenüber zwischen einem Staat Israel auf der einen Seite, der in seine zionistische Politik eingeschlossen ist, eine zionistische Politik in seiner extremistischsten Variante, die durch die rechtsextreme Organisation von Beitenou vertreten wird, die jetzt in die Regierung von Olmert eingetreten ist, und auf der anderen Seite einem Palästina unter der Herrschaft der Fundamentalisten der Hamas, können nur weitere Leiden vor allem für das palästinensische Volk, aber auch für das israelische Volk entstehen.
Die Entführung zweier israelischer Soldaten war nur ein Vorwand für den israelischen Generalstab, um den Krieg gegen den Libanon zu beginnen, den er seit langem geplant hat. Das Ziel des Krieges war es, die Hisbollah zu zerstören, deren Raketen immer mal wieder die israelischen Städte des Nordens bedrohten, und noch mehr vor allem, im israelischen Sinne die Regierung des Libanon zu verändern, dieses wackelige Gleichgewicht zwischen den muslimischen Schiiten, den muslimischen Sunniten, den Christen und anderen, das heißt zwischen den Parteien, die direkt die Interessen der imperialistischen Großmächte vertreten und denen, die mit dem Iran und Syrien verbunden sind.
Der Libanon stellte für Israel schon immer ein besonderes Problem dar. Es ist das einzige Land der Region, dass eine ähnliche Rolle wie Israel spielen könnte, als bevorzugter Verbündeter der Imperialisten in dieser Region, und zwar aufgrund seiner sehr alten Verbindungen mit dem Westen und auch aufgrund des großen Anteils des christlichen Teils der Bevölkerung. Aber damit ist der Libanon auch ein Konkurrent für Israel. Ein Konkurrent, dessen Bourgeoisie außerdem gute Kontakte zu den besitzende Klassen der arabischen Staaten und deren herrschenden Politikern hat, was die israelische Bourgeoisie nicht haben kann. Daher ist es für die israelische Führung immer schon wichtig gewesen, zu versuchen zu verhindern, dass sich im Libanon ein Regime einrichtet, das Israel feindlich gesinnt ist.
Dies zu verhindern war der Hauptgrund für den Einmarsch der israelischen Armee im Libanon 1982, in dem sie versucht haben, den Bürgerkrieg im Libanon (seit 1975) zu nutzen, um definitiv den bewaffneten palästinensischen Widerstand zu zerschlagen.
Gleichzeitig hat Israel immer wieder versucht, wenn sich die Gelegenheit bot, Beirut eine Regierung aufzuzwingen, die ein Verbündeter (aber ein untergeordneter Verbündeter) von Israel ist. Aber mit einer einzigen kurzzeitigen Ausnahme hat Israel dies bislang nie erreichen können. Denn wenn die libanesische Bourgeoisie auch kein Problem hat, sich offen pro-westlich darzustellen, so versucht sie doch gleichzeitig alles zu verhindern, um als Verbündeter von Israel dazustehen. Das versteht sich: die libanesische Bourgeoisie hat überhaupt keinen Grund dafür, sich der israelischen Bourgeoisie unterzuordnen, mit der sie in Handels-, Finanz- und politischer Konkurrenz steht. Umso mehr, weil sie dadurch ihre guten Beziehungen zu den arabischen Staaten gefährden würde, die notwendig sind, damit die libanesischen Banken weiterhin die Rolle als Drehscheibe der Finanzen der Region spielen.
Trotz 33 Tagen Krieg, 1.200 Toten, nicht zu reden von den Verletzten und der Zerstörung der Infrastruktur eines großen Teils des Libanons, war der Krieg kein Erfolg für Israel. Die israelische Armee hat sich zurückziehen müssen, ohne die Hisbollah zerstört zu haben.
Diese hat im Gegenteil allein durch die Tatsache, dass sie Widerstand geleistet hat, ihre politische Glaubhaftigkeit noch erhöht. Daher kommen jetzt ihre Ansprüche, nicht nur als Repräsentant der schiitischen Gemeinschaft anerkannt zu werden, sondern auch einen größeren Platz in der Regierung zu erhalten.
Wenn also die israelische Intervention das politische Gleichgewicht im Libanon verändert hat, dann nicht zu ihren Gunsten. Es ist allerdings nicht gesagt, dass Israel, und vor allem der amerikanische Imperialismus hinter ihm, der Israel bis zum Schluss unterstützt hat, nicht versuchen wird, diesen Krieg durch andere Arten von Interventionen im Libanon selber zu verlängern.
Wenn wir auch Grund haben, uns über den Misserfolg von Israel und seinen Beschützern, den USA zu freuen, so haben wir keinen Grund, uns über den Erfolg der Hisbollah zu freuen. Dank deren Widerstand während des Krieges selbst, dank ihrer finanziellen Hilfen nach dem Ende des Krieges, mit der sie in kleinem Maßstab die Unfähigkeit des libanesischen Staates ausglichen und den Bewohnern der Arbeiterviertel halfen, hat die Organisation ihren Einfluss auf die armen, vor allem schiitischen Massen der libanesischen Bevölkerung noch verstärken können.
Hinzu kommt noch, dass der Mythos, diese Organisation habe es zum ersten Mal geschafft, Israel eine militärische Niederlage beizubringen, der Kommunistischen Partei im Libanon als Vorwand gedient hat, um sich politisch der Hisbollah anzuschließen.
Und es gibt sogar hier in Frankreich, wo man nun wirklich nicht von Druck in diese Richtung sprechen kann, Organisationen oder Individuen in der radikalen Linken, die die Hisbollah als anti-imperialistisch bezeichnen. Das ist wirklich ein Zeichen des völligen Verlustes jeder Orientierung von einigen Teilen der radikalen Linken, die, nachdem sie in der Vergangenheit schon genug stalinistischen, maoistischen oder nationalistischen Bewegungen gefolgt sind, jetzt so weit sind, eine reaktionäre und fundamentalistische Organisation als anti-imperialistisch zu bezeichnen und zu unterstützten.
Afrika
Was die Situation in Afrika betrifft, so kann man sagen, es gibt nichts Neues, ähnlich wie der Titel des Buches von Remarque, "Im Westen nichts Neues", das den Alltag einer der schlimmsten Momente des Weltkriegs beschrieb.
Afrika leidet weiterhin unter dem Krieg. Unter dem Wirtschaftskrieg zunächst: Dieser Kontinent, der ärmste, wird weiterhin durch den Imperialismus ausgeplündert, mittels des Waffenhandels, der Zinsen der Wucherkredite und des Diebstahls der Rohstoffe. Dann unter direkten Kriegen: Kriegen, in denen zwei Staaten (Eritrea gegen Äthiopien ...) oder bewaffnete Banden innerhalb eines Staates (Somalia, Kongo - Ex-Zaire - ...) entgegenstehen, ohne die derzeit erloschenen oder noch stattfindenden Bürgerkriege (in Sierra Leone, Liberia, Nigeria oder Elfenbeinküste) zu vergessen.
Es ist unmöglich, das Ausbluten, das diese Kriege und erst Recht ihre Folgen - Hungersnöte, davon stammende Krankheiten, Massaker, Flüchtlingswellen - für Afrika bedeuten, zu messen. Allein in Kongo wird auf 4 Millionen die Zahl der Opfer der letzten zehn Jahre geschätzt. Und sie sind noch zahlreicher im Sudan, wo, als ein Waffenstillstand zwischen der Zentralmacht und dem jahrzehntelang rebellierenden Süden gerade entstanden war, jetzt Darfur, im Westen des Landes, in Gewalt versinkt, mit Auswirkungen auch in Tschad.
In diesen Lokalkriegen geht es oft um die Kontrolle der Bodenschätze oder der natürlichen Ressourcen, die nur auf dem internationalen Markt aufwertet werden können. Hinter diesen Lokalkriegen stehen daher oft düstere Auseinandersetzungen zwischen westlichen Konzernen oder kapitalistischen Zwischenhändlern.
Die Lage in der Elfenbeinküste hat sich auch nicht wesentlich geändert. Trotz der gemeinsamen Aufforderungen der Afrikanische Union und der UNO hat Gbagbo die für dieses Jahr vorgesehenen Wahlen nicht organisiert, genauso wenig wie der aufsässige Teil der Armee, die den Norden besetzt, nicht abgerüstet hat.
Das Präsidentschaftsmandat von Gbagbo endete offiziell am 31. Oktober 2005. Die internationale Diplomatie hat ihm bereits ein Jahr Verlängerung, die am 31. Oktober 2006 zu Ende ging, gewährt. Die Exekutivgewalt, die aus Gbagbo am Vorsitz und Premierminister Konan Banny - der ihm durch die UNO aufgedrängt wurden - besteht, hat nicht nur keine Wahl organisiert, aber sie hat sogar nicht wirklich die Verteilung der Wählerkarten begonnen. Die Festlegung der Wählerschaft ist einer der Fragen des Kampfes um die Macht zwischen entgegengesetzten Clans. Der Gbagbo-Clan versucht, die Einheimischen des Nordens aus den Wählerlisten auseinanderzumachen, weil sie für seinen Gegner Ouattara vermutlich wählen wollten.
Während er den Vorsitz von Gbagbo um ein zusätzliches Jahr verlängerte, hat der Beschluss der UNO eine Sachlage offiziell bestätigt. Die UNO hält ebenfalls Konan Banny in Funktion des Premierministers. Er wurde ernannt, um ein Gegengewicht zu Gbagbo zu bilden, und um eine angebliche Regierung der nationalen Einheit Vereinigung zu führen, an der ebenfalls Minister, die den abtrünnigen Norden vertreten, teilnehmen.
Aber was ist dieses politische Gegengewicht wert, ohne Militärkräfte um ihn zu unterstützen? Die Wiedervereinigung des Landes kann erst kommen, wenn die Rebellenarmee des Nordens sich in die Reihe tritt und Gbagbo unterwirft - das, was sie nicht geneigt scheint, das tun zu wollen -, oder wenn eines der beiden Lager den anderen militärisch besiegt.
Indem er eine ivorische Lösung des Problems preist und die vorhandenen französischen Truppen anklagt, sich zwischen den regierungstreuen und den aufständischen Truppen dazwischenzuschalten, vertritt Gbagbo die Auffassung, dass er sich für die Zurückeroberung des Nordens entscheidet.
Es ist nicht gesagt, dass er die dazu nötige Kraft und noch wirklich den Willen hat. Aber seine Anzeige der Rolle Frankreichs im Allgemeinen und von Chirac insbesondere bringt ihm eine gewisse Beliebtheit im Süden. Die koloniale Vergangenheit, die Fortdauer der Ausbeutung des Landes seit der Unabhängigkeit, die lange Anwesenheit einer hohen Anzahl großer und kleiner aus Frankreich kommenden Profitmacher, die Schießerei in Hotel Ivoire im November 2004, wo die französischen Truppen Dutzende Tote in der ivorischen Bevölkerung hinterließen, haben so sehr Feindseligkeit verursacht, dass die Rede von Gbagbo gegen Frankreich, auch wenn sie rein demagogisch ist, denn keine Taten folgen, seinen Kredit in der Bevölkerung des Südens verstärkt. Dazu kam dieses Jahr die skandalöse Entleerung giftiger Abfälle, die von einer Gesellschaft mit dubiösen Identität aber bekannten französischen Führern geschickt wurden, im Herzen von Abidschan,
Die bloße Verlängerung des derzeitigen latenten Kriegszustands ist für den Großteil der Bevölkerung dramatisch. Er belastet die materiellen Existenzbedingungen der Volksklassen, die schon schlecht sind. Und der ethnische Totschläger, von dem die zwei Lager ihre Politik begleiten, verschlimmert ein schädliches Klima, das jederzeit zu ethnischen Konfrontationen führen kann.
Der französische Imperialismus ist nach dem Ende seiner direkten Kolonialbeherrschung der Hauptbegünstigte und der Beschützer des Regimes, das er im Land errichtet hatte, geblieben. Unter der Diktatur von Houphouët-Boigny war die Elfenbeinküste das Land des ehemaligen afrikanischen Kolonialreiches jenes, das dem französischen Groß- und Kleinkapital am meisten brachte, aufgrund sowohl seines landwirtschaftlichen Reichtums als großer Kakao- und Kaffeeerzeuger als auch seiner Hafen- und Bankaktivitäten in Richtung der Nachbarländer.
Die weltweite Wirtschaftskrise und ihre Folgen für die ivorische Wirtschaft haben mit der politischen Krise um die Ablösung von Houphouët-Boigny zusammengewirkt, um den Niedergang der wirtschaftlichen Bedeutung und "des politischen Modells", das die Elfenbeinküste und ihr Regime lange Zeit für Paris dargestellt haben, zu initiieren. Der Aufstand eines Teiles der Armee im September 2002 und die Teilung des Landes haben den Niedergang verstärkt, obwohl die Elfenbeinküste der Haupthandelskunde von Frankreich in der CFA-Franc-Zone bleibt und mehrere kapitalistische Gruppen - vor allem Bouygues und Bolloré - dort eine führende Position einnehmen. In bestimmten Wirtschaftsbereichen jedoch, insbesondere jenem des Kakaos, der für die Elfenbeinküste wesentlich ist, spielen die amerikanischen Gesellschaften die Hauptrolle.
Die Trennung des Landes und der latente Bürgerkrieg seit vier Jahren haben den französischen Imperialismus dazu veranlasst, seine Gendarmenrolle zu verstärken, während ihre wirtschaftlichen Interessen dem Wettbewerb des amerikanischen Großkapitals und des libanesischen Mittelkapitals ausgesetzt sind. Außerdem spielt er diese Rolle in der wenig komfortablen Position, wo er sich zwischen zwei Feuern findet: Er ist von der Gbagbo-Regierung offen umstritten und er konzentriert den Hass der Bevölkerung im reichsten Teil des Landes.
Die französische Armee setzt "die Operation Einhorn" fort und versucht, ihre Gendarmenrolle mit aus afrikanischen Ländern abstammenden Militärkräften zu teilen, und so ihre eigene Rolle zu verstecken, indem sie unter dem Mandat der UNO handelt. Auf finanzieller Ebene kostet "die Operation Einhorn" dem französischen Imperialismus 250 Millionen Euro pro Jahr, mehr als eine Milliarde seit der Abspaltung des Nordens. Es ist nicht gesagt, dass er weiterhin betrachtet, dass sich die Sache lohnt, wenn keine politische Lösung in absehbarer Zeit gefunden wird, und wenn Gbagbo, um seine Macht zu konsolidieren, seine Angriffe gegen die französische Anwesenheit verstärkt. Außerdem bekommt er dadurch eine gewisse Unterstützung seitens afrikanischer Regimes, die mehr mit den angelsächsischen Imperialismen zusammenhängen, beginnend mit Südafrika.
Dass das imperialistische Frankreich weiterhin seine Militäranwesenheit in der Elfenbeinküste bestätigt oder dass es sich schließlich zu anderen Stützpunkten - es hat mehrere in Afrika - zurückzieht, bleibt der Rückzug aller französischen Militärstreitkräften aus dem afrikanischen Kontinent eine Forderung.
Die einzige Perspektive
"850 Millionen Hungernde in einer reicheren Welt" schrieb di französische Tageszeitung Le Monde am 31.Oktober, mit der sie den Jahresbericht der Vereinten Nationen zu Nahrung und Landwirtschaft kommentierte. Dieser alarmierende Bericht erklärt, dass sich die Ernährungssituation in den letzten 20 Jahren nicht verbessert hat, sondern schlechter geworden ist. Alleine diese Zahl an Unterernährten, während gleichzeitig in wenigen Händen kolossale Reichtümer angehäuft werden, ist eine unwiderrufliche Verurteilung des Kapitalismus und der imperialistischen Weltherrschaft.
Die Verschlimmerung der Lebenssituation von Millionen Menschen in den unterentwickelten Teilen der Erde führt auch zu Migrationswellen, wie sie die Menschheit noch nie gekannt hat.
Die reichsten Regionen der Erde bauen immer mehr Stacheldraht um sich herum um zu verhindern, dass vor ihren Augen "das ganze Elend der Welt" vorbeizieht, wie es der ehemalige französische Premierminister ausdrückte, der sich sozialistisch nannte. Gesetzliche Stacheldrahtzäune: die Verweigerung von Visa für die Menschen, die aus armen Ländern kommen, Quoten, Zwangsausweisungen, brutale Razzien. Aber auch wirkliche materielle Stacheldrahtzäune, wie die, die die spanischen Enklaven in Marokko umgeben oder die Mauer, die die USA von Mexiko trennt, die ausgeklügelten Überwachungssysteme, die das Europa von Schengen gegen den Osten schützen sollen oder Australien gegen den Norden.
Aber keine Barriere wird den Strom der Migranten aufhalten können, dieser Armen, die von dem Elend, dem Hunger getrieben sind, wenn nicht gar von bewaffneten Drohungen. Und außerdem kommt das "Elend der Welt" nicht nur von außen, es wird inmitten der imperialistischen Länder heimlich erzeugt, und zwar aus denselben Gründen: der Funktionsweise der kapitalistischen Wirtschaft.
All dies nährt den Hass gegen die imperialistischen Großmächte. Niemals hatte der amerikanische Imperialismus zum Beispiel so eine Alleinherrschaft über den Planeten wie heute, aber niemals hat er auch so viel Hass überall erzeugt. Dies gilt für alle imperialistischen Mächte auf der Ebene ihrer eigenen Missetaten. Und was Frankreich derzeit in der Elfenbeinküste widerfährt, ist sehr typisch hierfür.
Das Drama ist, dass zur Zeit der Hass und die Frustration, wenn sie überhaupt einen politischen Ausdruck finden, dann bei den reaktionären Kräften: Extreme Rechte in Osteuropa, manchmal christlicher Fundamentalismus, vor allem muslimischer Fundamentalismus in den muslimischen Ländern, Kräfte, die eine Ethnie über die anderen stellen, in Afrika. Alle diese Kräfte führen nicht nur in eine Sackgasse, sondern sie sind barbarische Rückschritte.
Aber die wirkliche Ursache alle dieser rückschrittlichen Formen ist das Überleben des Imperialismus, das heißt des Kapitalismus. Ein Wirtschaftssystem, eine soziale Organisation die seit langer Zeit aufgehört hat, die Zukunft der Menschheit zu repräsentieren, muss darin enden, ein Faktor des Rückschritts zu werden. Seit mindestens einem Jahrhundert hängt die Zukunft der Menschheit, die Zukunft des Planeten sogar von der Fähigkeit der Arbeiterklasse ab, ihre revolutionäre Rolle in der Umgestaltung der Gesellschaft, die sie in den Jahren 1917-1919 anfing zu spielen, zu übernehmen, aber diesmal indem sie bis zum Ende geht, das heißt bis zum Umsturz des Kapitalismus und dadurch auch der imperialistischen Weltherrschaft.
3. November 2006