Man verwendet oft den Begriff "Gemeinschaft" (oder "Community") um soziale Gruppierungen zu beschreiben. Wenn es sich dann um "die chinesische Gemeinschaft" oder um "die maghrebinische Gemeinschaft", usw. handelt, bezeichnet das wenigstens einen gemeinsamen geographischen Ursprung. Wenn man aber von einer "jüdischen Gemeinschaft" oder von einer "moslemischen Gemeinschaft" spricht, ist das um fragwürdiger, als diese Etiketten dann für Personen gebraucht werden, die man nach einer vorgeblich (denn Nicht-Praktizierende und Atheisten werden großzügig eingeschlossen!) gemeinsamen Religion zusammenfasst und als der Begriff hier keine sozial einheitliche Gruppen beschreibt. Davon abgesehen ist dieser Begriff "Gemeinschaft" auch in vielerlei anderer Hinsicht problematisch.
Dass die Gemeinschaft, die aus der Sprache entsteht, seit kurzem in einem fremden Land eingewanderte Bevölkerungen zunächst dazu führt, zusammenzurücken und sich angesichts einer feindseligen Umgebung gegenseitig zu helfen, ist ganz natürlich und verständlich. Alle Auswanderungen, einschließlich der historisch frühesten unter ihnen, die die Bauern aus den ländlichen Gebieten Frankreichs in die Städte führten, haben dieses Phänomen gekannt. In ganz natürlicher Weise schlossen sich die ausgewanderten Bauern denjenigen an, die sich vor ihnen angesiedelt und eine Arbeit gefunden hatten.
Eben, weil diese geographisch bedingte Zersplitterung ihrer Mitglieder zunächst unausweichbar war, hat sich die sozialistische Arbeiterbewegung von Anfang an darum bemüht, diese Schranken zu überwinden, da sie davon überzeugt war, dass die Arbeiterbewegung alle ihre Mitglieder unabhängig von deren Herkunft, Nationalität, Geschlecht, religiösem Glauben usw., in ihre Kampforganisation integrieren muss, da dort ihr eigentlicher Platz ist.
Die Arbeiterklasse hat sich aus einer extrem differenzierten Masse von Menschen gebildet, die zuerst aus ländlichen Gebieten stammend, dann sehr schnell aus den Nachbarländern und schließlich aus immer weiter entfernten Ländern kommend durch den industriellen Kapitalismus zusammengeführt wurden. Aus dieser Masse eine Einheit zu machen war sehr schwierig, vor allem deshalb weil der vorherrschende Kapitalismus dem entstehenden Proletariat den Stempel des Konkurrenzkampfes aufdrückte.
In der Tat hat die industrielle Revolution den Menschen untereinander einen allgemeinen Konkurrenzkampf, das heißt einen Krieg aller gegen alle aufgezwungen, denn die Unternehmer wollen auf dem Arbeitsmarkt einer aufgesplitterten Arbeitermasse gegenüberstehen. Diese Politik ist mit der kapitalistischen Ausbeutung seit ihren Ursprüngen verbunden. Schon in den Jahren 1844-45 erklärte Engels, dass "die Herrschaft der Bourgeoisie nur auf der Konkurrenz der Arbeiter unter sich beruht, d.h. auf der Zersplitterung des Proletariats, aus der Entgegensetzung der einzelnen Arbeiter gegeneinander." Das Manifest der Kommunistischen Partei (1848) stellte ebenso fest, dass "die Organisation der Proletarier zur Klasse jeden Augenblick durch die Konkurrenz unter den Arbeitern selbst wieder gesprengt wird".
Angesichts dieser Situation unterstreicht die revolutionäre Arbeiterbewegung in ihrem Programm all das, was alle Arbeiter gemeinsam haben und den Wert der Klasseneinheit im Hinblick auf die Rolle, die die Arbeiter für die Zukunft der Menschheit spielen können; und das ist auch der Grund des Entstehens der Internationalen Arbeiterassoziation im Jahre 1864.
So entstand eine politische Arbeiterbewegung, die sich zum Marxismus bekannte und es sich zur Aufgabe machte, die Zukunft der gesamten Arbeitswelt darzustellen, und deshalb auf die Integration aller ihrer eingewanderten Komponenten innerhalb einer und derselben Arbeiterklasse hinzuwirken.
Diese Integration, für die wir eintreten, hat nichts mit der Integration zu tun, die die offiziellen Kreise befürworten. Für uns handelt es sich nicht darum, die eingewanderten Arbeiter in eine auf jeden Fall schon historisch überholte ,französische Nation' zu integrieren. Es handelt sich auch nicht darum, sie dazu zu bringen, ihre ursprüngliche Kultur aufzugeben und zum Beispiel von den aus Afrika gekommenen Arbeitern zu verlangen, auf ihr Solidaritätsempfinden, das sie sehr oft zum Auswandern veranlasst hat, zu verzichten, und den in der französischen Gesellschaft so überaus verbreiteten Individualismus anzunehmen. Es handelt sich für uns um die Integration in die Arbeiterklasse, in die einzige Klasse, die fähig ist, der Menschheit die Perspektive einer höher stehenden sozialistischen Kultur zu eröffnen, die die besten Elemente der nationalen Kulturen in sich wird aufnehmen können.
In ihrem Kampf um die Entwicklung eines Klassenbewusstseins musste die sozialistische Bewegung auch in ihren eigenen Reihen viele Vorurteile bekämpfen: Den Rassismus und die Vorurteile gegenüber den Frauen, welche Auswüchse des Kolonialismus und des Imperialismus sind und der Herrschaft der europäischen Großmächte als Rechtfertigung dienen. Man findet nämlich nicht nur jenseits des Rheins Beispiele der Verachtung der aus den Kolonien kommenden "Untermenschen".
Es genügt, die Lehrbücher zu öffnen, mit denen man den Kindern der "öffentlichen" Schule, vor kaum mehr als einem halben Jahrhundert, Geschichte und Geographie beibrachte, um zu sehen, in welchem Ton diese Lehrbücher von den Völkern aus Afrika, aus Asien oder aus Ozeanien sprachen. Es genügt, sich an die "Kolonialausstellung" zu erinnern, wo im Jahre 1931 etwa hundert rücksichtslos aus Neukaledonien hergebrachte Kanaken als Kuriosa in Gehegen zusammengepfercht zur Schau gestellt wurden. Die Rückständigsten unter den Erwerbslosen aus den imperialistischen Metropolen konnten sich da über ihr Elend trösten und sich schmeicheln einer "höheren Rasse" anzugehören.
Nicht nur die herrschenden Klassen trugen die Verantwortung für diese Situation, sonder leider auch die großen Arbeiterparteien, die sich in deren Dienst stellten. Die französische "Volksfront" stellte, zum Beispiel, niemals die Legitimität des "französischen Kolonialreiches" in Frage. Kurz nach dem zweiten Weltkrieg nahmen auch die Sozialistische Partei und die Kommunistische Partei Frankreichs an den für die Massaker von 1945 in Setif und Guelma (Algerien) und für die blutige Repression in Madagaskar im März 1947 und für den Beginn des Indochinakrieges, verantwortlichen Regierungen teil. Was noch schlimmer ist: Die Sozialistische Partei in der Person von Guy Mollet trägt die Verantwortung für den Algerienkrieg, für die der Armee gegebene unbeschränkte Vollmacht und die generelle Anwendung der Folter. Und an dieser Repression trägt die Kommunistische Partei Frankreichs (PCF), die Guy Mollet (von 1956 bis 1957 sozialdemokratischer Ministerpräsident) bei der Abstimmung im Parlament "außerordentliche Vollmachten" dafür gegeben hatte, mit Schuld.
Diese Vergangenheit ist schwerwiegend und trägt selbstverständlich nicht dazu bei, die Aufgabe jener zu vereinfachen, die sich darum bemühen, die Arbeiter, seien es Franzosen oder Immigranten, davon zu überzeugen, dass sie ungeachtet ihrer Herkunft ein und derselben sozialen Klasse mit denselben Interessen angehören. Aber außerdem stoßen diese Bemühungen auf die speziellen Schwierigkeiten unserer Zeit. Die Schwierigkeiten entstehen nicht nur durch die wirtschaftliche Lage, in der die jungen Arbeiter sich sehr oft in der Situation arbeitsloser Proletarier oder in unterbezahlten unsicheren Arbeitsplätzen befinden, ungeachtet ob sie aus den ehemaligen Kolonien oder allgemein aus wirtschaftlich unterentwickelten Ländern kommen, oder ob sie von Arbeitern abstammen, die sich schon früher in Frankreich niedergelassen hatten. Sie resultieren auch aus dem Rückgang der Arbeiterbewegung. Die Wiederversöhnung der Sozialistischen Partei und dann der Kommunistischen Partei mit der kapitalistischen Wirtschaftsordnung hatte nicht tausende von aktiven Aktivisten in den Unternehmen und in den Wohnvierteln daran gehindert, vor ihren Klassenbrüdern die Perspektive der sozialen Emanzipation zu verteidigen. Aber in den letzten dreißig Jahren sind diese, durch die Krise, die Politik der linken Parteien an der Regierung und das Verschwinden der UdSSR demoralisiert worden und immer seltener geworden.
Seit 1981 haben sich die "Linksregierungen" in der Tat vollkommen in den Dienst der Unternehmerinteressen gestellt und waren dadurch unfähig, die Arbeitslosigkeit und die Ausdehnung der Armut zu bremsen. Während die rechten Parteien sich in dieser Situation praktisch die Politik von Le Pen mit seinem stinkenden Rassismus zu Eigen gemacht haben, haben die linken Parteien, einschließlich der PCF bei den Arbeitern die Idee unterminiert, dass eine andere Politik in ihrem eigenen Interesse möglich wäre. Was die Immigration betrifft, hatten die linken Parteien nicht nur keine eigenständige Politik, sondern die sozialistischen Regierungen übertrumpften die konservativen Parteien sogar mit ihren Repressionsmaßnahmen. Das ging so weit, dass sie sich dafür rühmten, mehr Immigranten an die Grenze zurückgeführt und mehr Ausweisungen mit Charterflugzeugen durchgeführt zu haben als die Rechte ... Julien Dray, ein führendes Mitglied der Sozialistischen Partei, plädiert noch heute für eine Politik von offen diskriminierender Einwanderung mit Quoten pro Land ...
Trotz einiger großartiger Inszenierungen und der Unterstützung des Verbands "SOS Rassismus" wurde nichts Konkretes zur Verbesserung des Lebens in den Siedlungen und den Stadtvierteln, wo die Mehrzahl der Einwanderungsfamilien in Arbeitslosigkeit und Armut lebt, unternommen.
Aber als das Gefühl ein und derselben sozialen Klasse anzugehören schwächer wurde - aufgrund des Rückgangs der Gewerkschaften und der politischen Organisationen, die sich bemüht hatten, dieses Gefühl zu aufrecht zu erhalten und es auch außerhalb der Kämpfe gegen die Unternehmer schrittweise zu festigen -, ließ das allen möglichen kommunitaristischen Abkapselungen freie Hand und auch der Demagogie der offen ultrareaktionären Organisationen, die sich auf die fundamentalistischen Interpretationen der Religionen für ihre Propaganda stützen.
Die Aktivisten des fundamentalistischen Islams haben dann nach und nach den freien Raum ausgefüllt, den das Verschwinden der gemeinsamen politischen oder gewerkschaftlichen Strukturen, die zuvor in den Städten und den Vororten existierten, hinterlassen hatte. Und die Orientierungslosigkeit, die Enttäuschung, die Verbitterung und Wut fanden daraufhin immer mehr ihren Ausdruck in kommunitaristischen Strukturen.
Dieser Anstieg des Kommunitarismus erfolgt in einer Periode, die in allen Bevölkerungsschichten einen Anstieg der religiösen Ideen und der Ideen der Rechten sieht. Heute zeigt sich das in Frankreich durch das Tragen der Kippa, des Kopftuchs oder des islamischen Bartes auf der Straße. Denn das Phänomen ergreift sowohl die jüdische Jugend als auch die Jugend nordafrikanischen oder afrikanischen Ursprungs.
Solche "kommunitaristischen" Ideen ebnen gewissermaßen den Boden für Demagogen wie den moslemischen Prediger Tariq Ramadan und dessen politische Ziele. Für ihn sind die Jugendlichen, die er hinter dem Banner des Islams einspannen will, nur ein Sprungbrett.
Indem Ramadan z.B. versucht, die Jugendlichen, die er beeinflusst, mit solch ostentativen Kampagnen, wie das Tragen des islamischen Kopftuchs, von der Gesellschaft abzusondern, zielt er auf die Kontrolle aller Mädchen und Frauen, einschließlich derer, die sich nicht unterwerfen wollen, aber auch die der jungen Männer, die er zu Gefängniswärtern macht.
Allerdings muss man sagen, dass Leute wie Tariq Ramadan keine Schwierigkeiten haben, Tatsachen zu finden, die ihnen Recht geben. Zum Beispiel im Erbe der kolonialen Vergangenheit Frankreichs und der damit verbundenen Sklaverei, das sich noch heute in der französischen Gesellschaft widerspiegelt.
Der auf Initiative moslemischer (insbesondere Tariq Ramadan nahe stehender) Organisationen und Personen der globalisierungskritischen Bewegung initiierte "Aufruf der Eingeborenen der Republik" kann, wenn er im Namen von Jugendlichen, die aus den französischen Ex-Kolonien und aus den DOM-TOM (Übersee-Departements) stammen, die Diskriminierungen, deren Opfer sie sind, anprangert, unbestreitbar feststellen: "Bei der Suche nach einem Job oder einer Wohnung, im Gesundheitswesen, in der Schule und in der Freizeit sind Personen, die aus den früheren oder derzeitigen Kolonien und aus der post-kolonialen Einwanderung stammen die ersten Opfer der sozialen Ausgrenzung und der beruflichen Unsicherheit."
Dabei ließe sich dasselbe für die jungen Türken oder Jugendlichen aus Osteuropa, deren Ursprungsländer nie französische Kolonien waren, sagen! Es ist nämlich weniger der verstorbene französische Kolonialismus als vielmehr der sehr lebendige französische Kapitalismus, der für ihre Lage verantwortlich ist.
Es ist jedoch wahr, dass "die kolonialistische Ideologie nach wie vor existiert." Man konnte es noch vor kurzem bei der Abstimmung des Gesetzes vom 23. Februar 2005 feststellen, das verlangt, dass die Hochschulforschungsprogramme und Lehrpläne an den Schulen "insbesondere die positive Rolle der französischen Anwesenheit in der Übersee, vor allem in Nordafrika anerkennen sollten".
Man kann im Vorübergehen notieren, dass die Rehabilitierungsmanöver der Kolonialreiche auch in Großbritannien Mode sind und zum Beispiel von Gordon Brown, dem mehr oder weniger als Erben von Tony Blair angesehenen Finanzminister vermittelt werden, für den "das Zeitalter zu Ende ist, wo Großbritannien sich für seine koloniale Geschichte entschuldigen musste" (Daily Mail vom 5. Januar 2005).
Aber trotz der Richtigkeit einiger seiner Feststellungen stellt sich der ,Aufruf der Eingeborenen der Republik' nicht auf die Seite der Unterdrückten und hat auch nicht das Ziel, sie zu befreien. Man kann sich übrigens fragen, weswegen er so beharrlich "die Republik" angreift, - als ob die Monarchien und die Kaiserreiche des 19. Jahrhundert nicht auch eine erstrangige Rolle bei der kolonialen Expansion von Frankreich gespielt hätten.
Es sei denn, der Aufruf wollte Begriffe wie Bourgeoisie, Kapitalismus und Imperialismus vermeiden! Auf jeden Fall wirft dieser Text, indem er die Klassengegensätze kaschiert, alle "Franzosen" in denselben Topf, obwohl Schwarze und Araber deutlich nicht die einzigen Opfer der Arbeitslosigkeit sind.
Wenn diese Leute verschweigen, dass es die kapitalistische Ausbeutung ist, die grundlegend für diese Situation und für die darin integrierte rassistische Unterdrückung verantwortlich ist, wenn sie sich darum bemühen, dem sozialen Problem eine ethnisch-kommunitaristische Färbung zu geben, läuft das darauf hinaus, die Opfer der kapitalistischen Ausbeutung zu spalten, ihr Klassenbewusstsein zu schwächen und die Bewusstwerdung der Ausgebeuteten und Unterdrückten von der Notwendigkeit eines solidarischen und brüderlichen Klassenkampfs zu erschweren.
Die Initiatoren dieses Textes begnügen sich nicht mit oberflächlichen Anspielungen: "Dieses diskriminierende, sexistische und rassistische Gesetz gegen das Kopftuch ist ein Ausnahmegesetz mit kolonialem Beigeschmack"... "Mit dem nie präzise definierten Begriff des ,Fundamentalismus' wird die Bevölkerung nordafrikanischen, afrikanischen oder moslemischen Ursprungs von nun der fünften Kolonne einer neuen Barbarei gleichgestellt, die angeblich den Westen und seine "Werte" bedroht. Auf betrügerische Weise und versteckt hinter dem Vorwand der religiösen Neutralität, hinter dem der mit der Staatsangehörigkeit verbundenen Pflichten und dem des Feminismus bemächtigt sich diese reaktionäre Offensive der Gehirne und übt Druck auf die Politiker aus."
Diese Behauptungen sind von einer recht erstaunlichen Dreistigkeit: "Sexistisch" soll das Anti-Kopftuch-Gesetz sein? Dieses Gesetz ist was es ist und die Rechte der Frauen wären besser verteidigt worden wenn es im Namen der Geschlechtergleichheit anstelle des zweideutigen Vorwands der "religiösen Neutralität des Staates" erlassen worden wäre - aber "sexistisch" und "rassistisch" wäre das Gesetz?
Die Initiatoren des Aufrufs zielen hier vor allem darauf ab, einem ganz bestimmten Publikum, das Angst hat, sich durch diese politischen Betrüger als "Rassisten" bezeichnen zu lassen, eine Falle zu stellen. Mit demselben Hintergedanken beschuldigen sie diejenigen, die es ablehnen, islamistischen Aktivisten wie Tariq Ramadan als Trittbrett zu dienen, dem Kolonialismus nachzutrauern und bezeichnen sie diese als Vertreter eines ,nachkolonialen Rassismus'.
Den Anti-Imperialismus, den Antikolonialismus und den Antirassismus handhaben die Islamisten offensichtlich als Waffe um die "linken" oder "progressiven" Kreise einzuschüchtern und zu erpressen. Sie finden auch in diesen Kreisen ein gewisses Echo insbesondere innerhalb der globalisierungskritischen Bewegung, die Tariq Ramadan eine Tribüne auf globalisierungskritischen Foren wie das von Saint-Denis oder auf dem Europäischen Sozialforum von London im Oktober 2004 anbot. Ebenso unterstützte diese Bewegung die Demonstrationen zugunsten des Kopftuchs in den Schulen oder auch zugunsten des "Aufrufs der Eingeborenen der Republik" und für die "Sitzungen des nachkolonialen Antikolonialismus" im Monat Mai.
Dieser globalisierungskritische Bewegung ist so heterogen, vage und grundsatzlos, dass sie sogar den Film "Ein kaum verschleierter Rassismus", der voller Hass von den Gegnern des islamischen Schleiers spricht, in ,Sozialforen' projizieren ließ.
In einem Artikel, in dem er gegen "den Orientierungsverlust einiger Globalisierungskritiker" (in der Zeitschrift Politis vom 20. Januar 2005) protestiert, hebt Bernard Cassen in Bezug auf ATTAC, deren Ehrenvorsitzender er ist, einen wichtigen Punkt hervor: Der Anklang, den Tariq Ramadan bei vielen moslemischen Jugendlichen findet, "macht ihn bei einem Teil der Aktivisten der globalisierungskritischen Bewegung glaubhaft. Sie meinen, durch Ramadan Zugang zu Bevölkerungsschichten zu finden, die ihnen sonst unzugänglich sind." Bernard Cassen, ein guter Kenner des globalisierungskritischen Milieus beschreibt hier etwas, das man nicht anders als Demagogie bezeichnen kann.
Die islamistenfreundliche Demagogie erreichte einen Höhepunkt, als Ken Livingston, der völlig zu Unrecht "Ken der Rote" genannte Bürgermeister von London, am Vorabend des Sozialforums 2004 in London ohne Bedenken einen großen Kongress der Organisation "Prohidjab", "Druck auf die europäischen Abgeordneten" zugunsten des Kopftuchs ausüben wollte, in seinem Rathaus empfing und sich bei dieser Gelegenheit mit Yusuf al-Qaradawi, dem Theologen der moslemischen Brüder, an der Seite von Ramadan, einem seiner Schüler, in feierlicher Umarmung fotographieren ließ.
Aber ein sich vor kurzem ereigneter Vorfall zeigt, dass es auch in Frankreich Leute vom gleichen Schlag gibt, wenn es sich darum handelt, Wähler bei den lokalen Vertretern des moslemischen Kommunitarismus zu gewinnen. Einem Text zufolge, der auf der Internetseite "l'Observatoire du communautarisme à Mantes-la-Jolie" erschienen ist und in der Zeitschrift ProChoix vom März 2005 veröffentlicht wurde, nahmen am 12. März etwa 400 Personen in Mantes-la-Ville, einem Vorort von Paris, an einer Predigt von Tariq Ramadan teil, die vom "Kollektiv der moslemischen Bewohner von Mantes" in Anwesenheit von Vertretern der Linken, darunter einem Grünen, Vertreter der Bürgerinitiative ,eine Schule für alle', und einem Gemeinderat der PCF unterstützt wurde.
Der linke Gemeinderat Joel Mariojouls (Verein Décil, Demokratie und lokale Staatsbürgerschaft) unterstrich anscheinend sogar die Fähigkeit Ramadans, die Säle zu füllen, mit folgendem Kommentar: "Die politischen Parteien und die Gewerkschaften sind heutzutage dazu unfähig. Herr Ramadan, ich bitte Sie, bekehren Sie sie doch!"
Unter den verschiedenen Formen, in denen sich das Nachgeben vor dem Druck des islamischen Kommunitarismus ausdrückt, ist den Strömungen, die sich auf den Kommunismus berufen, eine Sonderstelle einzuräumen, da sie sich wenigstens der Gefahr bewusst sein müssten, die diese Art von Ideen mit sich bringt. Wir wollen hier nicht auf die Debatte über das Kopftuch oder den Internationalen Frauentag vom 8. März, wo wir die JCR an der Seite verschleierter Islamistinnen vorbeiziehen sahen, zurückkommen, doch müssen wir feststellen, dass der Aufruf zu den "Sitzungen des post-kolonialen Antikolonialismus" eine Reihe von Unterschriften von Personen trägt, die sich als Aktivisten der LCR oder der JCR identifizieren oder als beides.
Die Wochenzeitung der LCR Rouge (vom 7. und 14. April 2005) erwähnte die Debatte, die innerhalb der Führung der LCR hinsichtlich dieser Sitzungen stattfand und berichtete, dass die Mehrheit des Nationalleitung jede Teilnahme an diesen Sitzungen abgelehnt hatte. Daraufhin konnte man unter dem Titel "Die LCR sollte an den Sitzungen teilnehmen", eine von mehreren führenden Kräften der LCR wie Léonce Aguirre, Sandra Demarcq oder Catherine Samary unterzeichnete Rechtfertigung der Formulierungen des Aufrufs lesen, die an politische Einfalt grenzt oder ... an Unaufrichtigkeit.
Der Ansicht dieser Aktivisten der LCR nach, handelte es sich in dem Aufruf nicht "um eine Infragestellung der Werte der Linken", wenn dieser behauptet, dass "eine reaktionäre" - wenn wir richtig verstehen, den Fundamentalismus angreifende - "Offensive" sich "betrügerisch" "hinter den Begriffen der religiösen Neutralität der öffentlichen Schule, hinter den mit der Staatsangehörigkeit verbundenen Pflichten und hinter dem Feminismus" verbirgt. Der Meinung der Aktivisten der LCR nach beruft sich der Aufruf im Gegenteil auf diese Werte der Linken und prangert ihre Zweckentfremdung an. Und das Gesetz gegen das Kopftuch kommentieren diese Aktivisten folgendermaßen: "Es betrifft hauptsächlich die jungen moslemischen Mädchen und bewirkt damit einen anti-moslemischen Rassismus. Sollte uns nicht eher das bekümmern, anstatt dass wir an den Formulierungen des Textes, der das Gesetz als sexistisch und rassistisch anprangert, Anstoß nehmen?"
Aber die Formulierungen des Aufrufes haben doch nichts mit einem "ungeschickten Stil" zu tun und es wäre wirklich naiv und geringschätzig, dies anzunehmen!
Dem politischen Mitläufertum der linksradikalen Strömungen in Frankreich lässt sich jedoch eine gewisse Kohärenz nicht ableugnen, insbesondere gegenüber den nationalistischen Bewegungen, die ja auch eine Form des Kommunitarismus sind.
In den fünfziger bis siebziger Jahren hatten die Massenbewegungen der nationalen Emanzipation in den Ländern der ,dritten Welt' schon zu einer Begeisterungswelle für die "dritte Welt" in einem Teil der westlichen Intelligenz geführt. Die Solidarität der revolutionären Kommunisten mit diesen Bewegungen, auch wenn sie von Nationalisten angeführt wurden, ist selbstverständlich, nicht aber diese nationalistischen Führer als ,Sozialisten' zu bezeichnen. Ein Großteil der radikalen Linken tat genau das, obwohl von Sozialismus bei diesen Führern nichts zu sehen war.
Dieselben Strömungen der radikalen Linken, einschließlich die LCR, hatten dann eine ähnliche Position gegenüber den "regionalen Nationalismen", die im Jahrzehnt nach Mai 68 groß in Mode waren. Es handelte sich hier nicht mehr darum, sich von mächtigen Massenbewegungen bis zu einem Punkt faszinieren zu lassen, an dem man jede Kritikfähigkeit gegenüber der politischen Richtung ihrer Führungskräfte verliert. Hier handelte es sich nur um korsische, baskische oder bretonische Mikronationalismen, die mehr oder minder deutlich von bestimmten Kreisen des Kleinbürgertums unterstützt wurden und die keineswegs die Legitimität der Massenaufstände der Dritten Welt hatten.
Ein Großteil der radikalen Linken war jedoch hinsichtlich dieser Mikro-Nationalismen ganz außer sich vor Begeisterung und passte sich den Thesen, die in diesen mikro-nationalistischen Kreisen in Mode waren, an.
Wenn auch die Probleme dieser Regionen zwar im Grunde genommen aus den allgemeinen Ungleichheiten aller Art der französischen Gesellschaft hervorgingen, so bemühten sich doch die Regionalisten, und hinter ihnen viele Linksradikalen, den lokalen Partikularismus, die "Besonderheiten" der einen gegenüber den anderen zu vergrößern und sie sogar systematisch anzustreben, anstatt sich darum zu bemühen, Faktoren zu suchen, die die Arbeiter und Angestellten dieser Regionen mit den anderen Werktätigen des Landes vereinigen konnten. Und das ist genau so ein "kommunitaristisches" Vorgehen.
Einige Mitglieder der radikalen Linken rechtfertigen ihre Nachgiebigkeit gegenüber den Vertretern des Islams damit, dass der anti-imperialistische, anti-kolonialistische und anti-rassistische Kampf dies erfordern würde. Wäre dies so, müsste man jede kritische Analyse des moslemischen Fundamentalismus einstellen, weil diese Kritik immer darauf hinauslaufen könnte, die nordafrikanische Jugend "zu brandmarken"... Die Falle ist zwar plump, aber bei einigen funktioniert sie offensichtlich - auf die Gefahr hin, die Grundsätze des kommunistischen Kampfes und gleichzeitig die Frauenrechte aufzuopfern.
In der Tribüne von Rouge taucht in Verbindung mit dem bereits zitierten "Aufruf der Eingeborenen der Republik" noch eine weitere Sorge auf. Den Mitgliedern der LCR, die vorschlugen, sich dem Aufruf anzuschließen, zufolge, ist das Schlimmste das "Misstrauen, das man bei diesen Aktivisten (...) also bei unseren Freunden, bei den Verbündeten von eh und je im Kampf für die Gleichheit und gegen den Rassismus", erregen würde, wobei diese Mitglieder der LCR allerdings nicht definieren, von welchen Freunden sie hier sprechen. Man findet auch in einem Text des "antirassistischen Sekretariats des LCR" (von dem man sich übrigens fragen könnte, wie die LCR seine Existenz rechtfertigt) die Befürchtung "für einen möglichen Misserfolg der Demonstration der Eingeborenen der Republik von diesen zum Teil verantwortlich gemacht zu werden". Dies alles zeugt von einer und derselben Bemühung: Alles tun um akzeptiert zu werden, wer weiß, vielleicht sogar das Vertrauen dieser Leute gewinnen. Aber von dieser Nachsichtigkeit gegenüber den Fundamentalisten profitieren vor allem Leute wie Tariq Ramadan, den anderen Reaktionären und ihren Anhängern, da sie diese unterstützt.
Man sieht bereits, sogar innerhalb der Linken und der radikalen Linken, wohin das führt, wenn jede Kritik eines so himmelschreienden Symbols der Unterdrückung wie das islamische Kopftuch dem ... Rassismus und jede Kritik der Politik des Staates Israel oder der nationalistischen Ideologie des Zionismus dem ... Antisemitismus gleichgesetzt wird! Oder wenn die Islamisten und ihre Freunde die Anführerinnen der Bewegung "Weder Huren noch Unterworfene" (Ni putes, ni soumises) des Verrates beschuldigen, weil sie durch ihre Anprangerung der "Gruppenvergewaltigungen" die moslemischen Jungen der Vororte "brandmarken würden" - das heißt, weil sie den kommunitaristischen Konsens brechen, auf den die Islamisten abzielen. Einem Tariq Ramadan den Hof machen, aus einem der ärgsten Feinde der Arbeiterklasse einen Verbündeten zu machen, um dessen Gunst man buhlt, kommt einem politischen Schiffbruch gleich. Die erste Pflicht der kommunistischen Aktivisten, ungeachtet der Schwierigkeiten unserer Zeit, ist es, ihrem Programm treu zu bleiben und sicher nicht, es einfach aufzugeben, um sich an die Rockschöße von reaktionären Demagogen zu hängen. Denn allein das kommunistische Programm ist Träger einer würdigen Zukunft für die Menschheit.
15. Juni 2005