Die katastrophalen Zustände für die Menschen in Jugoslawien in der Folge des imperialistischen Militärangriffs, die Armut und das Ausmaß ihres Leidens sowie die unzähligen Zerstörungen, die jahrelange Anstrengungen einfach zunichte gemacht haben, können nur eine grenzenlose Revolte erregen.
Sechs Wochen nach Beginn der Intervention am 24. März kann keiner mehr wirklich glauben, dass das Ziel des Eingriffs die Rettung der albanischen Bevölkerung des Kosovo ist. Man kann nicht von Verbrechern erwarten, das Volk gegenüber anderen Verbrechern zu verteidigen!
Trotz der Propaganda der NATO, die behauptet, die Folgen der Intervention gegen Milosevics Politik nicht absehbar gewesen seien, und man "entdeckt" habe, dass das Regime seit langem eine "ethnische Säuberung" des Kosovo plante, erwartete man an der Spitze der NATO diesen massiven Exodus, sah ihn gewissermaßen als "Kollateralschaden". Denn es handelt dabei sich nicht um das Problem der NATO (nichts war vorgesehen, um die hunderttausenden Flüchtlinge aus dem Kosovo, die vor dem Gemetzel flohen, korrekt aufzunehmen; die bereits 6 Wochen andauernde Massendeportation hat der NATO bis jetzt, was die humanitäre Unterstützung angeht, nur leere Versprechungen entlockt).
Die imperialistischen Führer haben gemeinsam diesen Krieg beschlossen; sie haben vorgetäuscht, in Rambouillet und Paris Friedensverhandlungen zwischen Milosevic und den nationalistischen Kosovoalbanern zu organisieren, tatsächlich aber bereiteten sie den Krieg vor. Sie wollten ihn (auch wenn er sie inzwischen vielleicht schon weiter mitgerissen hat als ursprünglich geplant).
Wollten sie Krieg, weil Milosevic seit Jahrzehnten die Kosovoalbaner unterdrückt und seine Armee sie 1998 brutal angegriffen und aus einer Reihe von Dörfern vertrieben hatte? Sicherlich nicht. Zweifellos war Milosevic für all das verantwortlich, aber die Verantwortlichen der imperialistischen Länder ließen ihn gewähren und gaben ihm stillschweigend grünes Licht.
In Milosevics Politik stört die "ethnische Säuberung" die imperialistischen Führer nicht. Zumindest haben ihre Bombardierungen ihm geholfen, die Opposition in Serbien mundtot zu machen und seine Pläne im Kosovo in Ruhe weiterzuführen.
In Bosnien ließen die westlichen Regierungen die verfeindeten nationalistischen Gruppierungen das Gebiet mit Waffengewalt neu unter sich aufteilen, bis ein "Gleichgewicht" erreicht war, das sie dann anschließend offiziell guthießen. Genauso leisten sie heute den kriminellen Machenschaften der serbischen Armee und der nationalistischen Banden Vorschub, die den Kosovo von seiner albanischen Bevölkerung "befreien".
Aber die brutale Unterdrückung dieser Bevölkerungsgruppe durch Milosevic bedeutete eine ernsthafte Bedrohung der regionalen Stabilität - alle Kommentatoren haben dies hervorgehoben. Durch das Hervorrufen eines sich zuspitzenden Aufruhrs, der die Unabhängigkeit des Kosovo beziehungsweise seinen Anschluss an Albanien forderte, riskierte man die Infragestellung der existierenden Staatsgrenzen, und das wollten die imperialistischen Führer unbedingt vermeiden, was sie auch immer wieder betonten.
In der Folge haben sie daher Gewalt eingesetzt, um Milosevic an seinen Platz zu verweisen und ihn zu zwingen, den Plänen der Großmächte zu folgen und ihrem Willen Gehorsam zu leisten. Außerdem war es ihr Ziel, über Milosevic hinaus mit Waffengewalt zu zeigen, dass sie trotz der herrschenden Schurken und lokaler Machthaber die wahren Herren des Schicksals der örtlichen Bevölkerung geblieben sind.
Was die Stabilität des Balkans betrifft, so ist es bittere Ironie, dass ihre schlimmste Bedrohung den Umtrieben der NATO entstammt.
Die Verantwortlichkeit der imperialistischen Mächte
Die aktuelle Katastrophe ist offensichtlich das Ergebnis der inneren politischen Entwicklung Jugoslawiens seit zwei Jahrhunderten. Doch die Rolle, welche die imperialistischen Mächte in diesem Prozess spielten - selbstverständlich in Einverständnis mit den lokalen Führern - beeinflusste das Ergebnis ausschlaggebend. Das Ausmaß ihrer Verantwortung ist verheerend.
Seit den ersten ernsthaften Reibereien innerhalb der jugoslawischen Föderation in den achtziger Jahren haben ihre Führer gezeigt, dass ihr eigentliches Interesse in der Zerteilung des Landes lag. Es handelte sich also keinesfalls um die Stabilisierung der von dem 1980 verstorbenen Tito übernommenen Föderation.
Titos Jugoslawien war sicherlich kein Modellstaat, sondern eine Diktatur, in der die Arbeiter unterdrückt und das Volk auf Bedarf durch Polizeimethoden mundtot gemacht wurde. Aber wenigstens lebten die zahlreichen Völker, die das jugoslawische Völkergemisch ausmachten, gemeinsam, vermengten sich im Laufe der Zeit immer mehr, gingen vielfältige Beziehungen ein und konnten sich im gesamten jugoslawischen Staatsbereich frei bewegen und sich einfach jugoslawisch fühlen, anstatt etwa serbisch oder kroatisch.
Um das zu erreichen, hatten sich Tito und seine Mannschaft seit den Jahren des Zweiten Weltkriegs, in dem sie ihre Armee unter der Flagge der Union der jugoslawischen Völker und einem multi-ethnischen Kommando führten, auf eine gezielte Politik berufen. Eine wesentliche Richtung ihrer gesamten Politik war es, eine Art "jugoslawisches Bindemittel" aus den einzelnen Nationalismen zu formen. Gewiss hatte Titos "Jugoslawismus" Grenzen, die aus seiner Natur selbst erwuchsen - es handelte sich auch hier um Nationalismus und das Regime ließ es sich natürlich nicht entgehen, diesen zu rühmen. Aber wenigstens zeigt dieses Beispiel, dass eine Politik, welche die friedliche Koexistenz zwischen verschiedenen Völkern anstrebt und kontinuierlich aus der Vergangenheit resultierende Abneigungen aufsaugt, auf jeden Fall möglich ist.
Die imperialistischen Führer hatten überhaupt kein Interesse, diese Art lokaler Politik zu fördern. Sie hatten schon Tito keinerlei Unterstützung zukommen lassen. Ganz im Gegenteil. Anstatt jene zu unterstützen, die im Sinne der Beibehaltung der Zusammenarbeit zwischen den Völkern hätten handeln können, als die Krise in Jugoslawien sich im Laufe der achtziger Jahre immer mehr zuspitzte, haben sie an ihre Vergangenheit mit dem Balkan angeknüpft: Deutschland auf der einen, Frankreich und Großbritannien auf der anderen Seite, haben beide versucht, ihre Steine vorzurücken. Die mächtigen Druckmittel der reichen Länder vereinigten sich mit dem Hunger nach Macht und Reichtum der Ärmeren in den verschiedenen jugoslawischen Republiken, was das Probleme noch verschlimmerte und separatistische Bestrebungen zur Folge hatte.
Die Tinte des Vertrags von Maastricht war noch nicht trocken, als die Europäische Union, die er zu schaffen vorgab, für die Aufspaltung dessen eintrat, was dabei war, Ex-Jugoslawien zu werden. Die europäischen Mächte, allen voran Deutschland, beeilten sich, die Abspaltung Sloweniens und Kroatiens, die sie ermutigt hatten, anzuerkennen (vorausgesetzt natürlich, dass die Tudjmans und Kucans nicht schon vorher ihre Zustimmung eingeholt hatten).
Haben die imperialistischen Mächte angesichts der Zersetzung Jugoslawiens eine politische Entschlossenheit an den Tag gelegt, so hat sich diese für die verschiedenen nationalistischen Anführer positiv ausgewirkt - jeder hatte seinen Schützling, Tudjman und Kucan genauso wie Milosevic und Izetbegovic.
Alle Führer der Nachfolgestaaten sind mittels nationalistischer Demagogie an die Macht gelangt, was ganz im Gegensatz zum jugoslawischen Nationalismus Titos steht, und alle haben sie die Bürgschaft der imperialistischen Mächte durch ihre Aufnahme in die UNO erhalten - und das ganze innerhalb nur weniger Monate. Das Drängen der Großmächte auf die Schaffung dieser neuen Staaten zeigt, dass jede von ihnen hoffte, in weiterer Folge mit diesem oder jenem unabhängigen Staat einfacher Geschäfte abschließen zu können.
Es kann den westlichen Führern nicht unbekannt gewesen sein, dass es sich hierbei um die schlimmste aller möglichen Politiken handelt. Die Schaffung von Staaten mit deutlicher monoethnischer Zielsetzung, deren Staatsgrenzen die früher rein administrativen Unterteilungen übernahmen, hatte angesichts der Vermischung der verschiedenen Volksgruppen in diesen Regionen zur Folge, dass ganze Bevölkerungsgruppen zu unterdrückten Minderheiten in ihnen feindlich gesinnten Staaten wurden, die versuchten, sich als Nationalstaaten zu vergrößern. Das heißt, es handelt sich um Staaten in der Hand unerbittlicher Kriegsführer, in deren Augen ihre sich in der Minderheit befindlichen "Brüder" im Nachbarhochburg als Vorwand, Führungsreserven und Nahrung ihrer nationalistischen Demagogie dienen, während sich die Politik in ihrem eigenen Staat und den eroberten Gebieten unter dem schändlichen Begriff "ethnische Säuberung" zusammenfassen lässt.
All das - der serbokroatische Krieg, die Zerstückelung Bosniens, heute die Vertreibung der Albaner im Kosovo - war in der Logik der Auflösung der jugoslawischen Einheit beinhaltet und fand auf Initiative der Führungsschichten Ex-Jugoslawiens sowie - und es handelt sich hierbei um den entscheidenden Faktor - auf Anstoß von und Bevormundung durch die imperialistischen Mächte statt.
Die Wurzeln der Katastrophe: wirtschaftliche Ausbeutung und Unterentwicklung
Die westlichen imperialistischen Mächte tragen die direkte Verantwortung für jene Ereignisse, die zur blutigen Aufspaltung Jugoslawiens und zum gegenwärtigen Drama im Kosovo geführt haben. Aber die Verantwortung des Imperialismus ist noch viel tief greifender und hat ihre Wurzeln in der wirtschaftlichen Unterentwicklung der Region.
Die Frage der Nachfolge Titos nach dessen Tod sowie das Rennen auf die Führungsposition zwischen den Anführern der verschiedenen antagonistischen Gruppen verlief einige Jahre lang relativ geräuschlos; das von Tito hinterlassene föderalistische politische System, dessen Vorsitz abwechselnd von den verschiedenen konstitutiven Republiken übernommen wurde, hielt bis 1990-91 stand. Die bereits heikle wirtschaftliche Lage verschlechterte sich jedoch rasch.
Die Ausbeutung der Region durch den westlichen Kapitalismus besteht nicht erst seit gestern. Das zwischen 1918 und 1919 auf den Trümmern der osmanischen und österreich-ungarischen Reiche gegründete Jugoslawien kam bereits damals unter der Herrschaft österreichisch-deutscher beziehungsweise französisch-britischer Interessen. Abgesehen davon haben die stetig wiederkehrenden kriegerischen Auseinandersetzungen jeden Ausweg aus Not und Unterdrückung unmöglich gemacht. Dem Ersten Weltkrieg gingen zwei aufeinander folgende "Balkankriege" voraus, hinter denen die Ziele der rivalisierenden imperialistischen Lager ersichtlich waren.
Die Folgen der beiden inter-imperialistischen Kriege, deren Schlachtfeld auch der Balkan war, waren noch dramatischer.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs litt Jugoslawien unter der ihm von der UdSSR unter Stalin aufgezwungenen wirtschaftlichen Blockade. Und auch wenn sich das titoische Jugoslawien langsam in den wirtschaftlichen Kreislauf des kapitalistischen Westens eingegliedert hat, so geschah dies doch in einer untergeordneten und abhängigen Position. Es war in dieser für arme und abhängige Länder typischen Lage, in der es sich mit der Wirtschaftskrise konfrontiert sah.
Bald schon sah sich die Föderation von Spannungen und Interessenskonflikten bedroht, einer unvermeidlichen Konsequenz der Union, vor allem aufgrund der Ungleichheit zwischen sehr armen Regionen (dem Kosovo, Mazedonien, Montenegro) und weniger benachteiligten Gebieten (Slowenien, Kroatien). Die kapitalistische Marktwirtschaft hat wesentlich dazu beigetragen, diese regionalen Ungleichheiten zu verstärken, so wie dies überall auf der Welt der Fall ist (in Italien ist das besonders offensichtlich). Die Interessen des österreichisch-deutschen Kapitalismus waren, gekoppelt mit jenen der Führungsschichten, in Slowenien und Kroatien allgegenwärtig und haben aus den Entwicklungsunterschieden innerhalb Jugoslawiens Profit gezogen. Es ist also keineswegs Zufall, dass die Unabhängigkeitsbestrebungen auf wirtschaftlicher Basis in den wohlhabenderen Regionen immer offensichtlicher wurden, und zwar in jenen privilegierten Bevölkerungsschichten, die sich von einer Krisengeschüttelten Föderation trennen wollten. Und genauso wenig ist es Zufall, dass die kapitalistischen Gruppen dem positiv gegenüberstanden.
Natürlich haben die kapitalistischen Gläubiger der jugoslawischen Föderation, die in den 80er Jahren bis zu 20 Milliarden Dollar verschuldet war, das Messer an den Hals gesetzt, genauso wie zahlreichen anderen der Armut ausgelieferten Ländern. In der Folge haben die Führungsschichten das Volk, und dabei an erster Stelle die Arbeiterklasse, angegriffen, indem sie ihr eine massive Erhöhung der Arbeitslosigkeit und eine brutale Verschlechterung des Lebensniveaus der Bevölkerung aufzwangen, was die um 20 Jahre zurückwarf.
Angesichts der bedrohlichen Anzeichen sozialer Aufruhr haben die Führungsschichten auf das traditionelle Machtinstrument der Privilegierten auf dem Balkan zurückgegriffen: die wohldurchdachte Flucht nach vorne mittels nationalistischer Demagogie. Es handelte sich dabei um eine bewusste Wahl, eine politische Entscheidung angesichts der Krise. Man hat so die Gegensätze, den aus hundertjähriger imperialistischer Ausbeutung, vor allem aus den Kriegen resultierenden Groll absichtlich wieder belebt. Für dieses schmutzige Geschäft hat man sich sowohl in Serbien als auch in Kroatien auf die aktive Mitwirkung eines großen Teils der Intellektuellen, Romanschriftsteller und anderer Medienleute berufen, bevor man sich neben der intellektuellen auf die eigentliche Mafia, seine Bandenanführer und Handlanger sowie ihre Vernichtungsmethoden stützte.
Um zu verstehen, wie diese Banden und ihre Anführer jenes Gewicht und jenen Einfluss erlangen konnten, den sie heute ausüben, müssen wir auf die ursprünglichen Ursachen zurückblicken: Wachsende Armut, massive Arbeitslosigkeit sowie die sich zuspitzende Wirtschaftskrise bieten den Volksmassen keinerlei Hoffnung, sondern stacheln die Habgier all jener an, die auch nur den kleinsten Fetzen Macht besitzen. Hierzu eine einfache, aber erbärmliche Anekdote: Heute streiten sich die Leiter des bosnischen Staates, seine Minister und politischen Führer um jene Wohnungen, welche sie für ihre Funktionen im Krieg erhalten haben.
Die gegenwärtige Auswirkungen und die katastrophale Zukunft für sämtliche Balkanstaaten
Die imperialistischen Machthaber zeigen sich über die Stabilität der Staaten besorgt, aber ihre Sorge betrifft vor allem die jeweiligen Interessen ihrer Kapitalisten. Wir haben gesehen, was sie mit der Stabilität Jugoslawiens gemacht haben: Sie haben das Land in Armut und wirtschaftlichem Rückstand gelassen, und während der Krise förderten sie jene Politik, die dem Bund am meisten zu schaden vermochte und unterstützten die verschiedenen nationalistischen Anführer, was schließlich zur Zerstörung der Union führte. Nach den Kriegsjahren und dem Dayton-Abkommen (November 1995) war Ex-Jugoslawien bereits stark zur Ader gelassen: mehrere Hunderttausende Tote, mehrere Millionen "umgesiedelter" Menschen, Flüchtlinge, Verbannte; eine eingeschränkte Wirtschaft, in der sich diverse Gruppen der Mafia das wenige Erhaltene angeeignet und untereinander aufgeteilt hatten; ein Land, dessen Staatsapparat sich, wie Engels gesagt hat, auf Gruppen bewaffneter Männer beschränkte.
Heute stößt man auf jene Kriege, welche die NATO in Serbien und im Kosovo im Namen der Großmächte führt, was das Ausmaß der Not der Bevölkerung noch verstärkt.
Aber die Katastrophe ist noch viel weitreichender: Die gesamte Balkanregion wird heute von der militärischen Intervention der NATO destabilisiert.
Der Eingriff hat die fortschreitende Militarisierung der Balkan-Staaten zur Folge. Das Not leidende Albanien wurde Flugzeugträger und Garnison des Westens (nicht aber für die Flüchtlingshilfe!); die Zahl der westlichen Soldaten in Mazedonien übersteigt jene der einheimischen Armee. Und der Großteil der Nachbarländer wurde, wohl oder übel, dazu gebracht, der NATO seinen Luftraum sowie einen Teil seiner Infrastruktur zur Verfügung zu stellen.
Neben den der serbischen Wirtschaft zugefügten Schäden erstreckt sich die wirtschaftliche Lähmung auch auf den Handel, etwa auf die Donauschiffart, was schwerwiegende Konsequenzen für die landwirtschaftliche und industrielle Produktion der bereits Not leidenden Länder birgt. Mazedonien, für das Serbien der primäre Exportpartner war, ist dabei Schiffbruch zu erleiden, genauso wie Albanien immer weiter in Elend und Chaos versinkt. Darüber hinaus sind die traditionellen Wirtschaftsadern zerstört; Rumänien und Bulgarien rufen um Hilfe.
Imperialistische Finanzinstitutionen und westliche Regierungen geben vor, an Wirtschaftshilfeprogrammen für die Nachkriegszeit zu arbeiten. Man spricht von Wiederaufbau, von einem neuen Marshall-Plan, aber diese schönen Worte, all die Versprechen, sind von herzzerreißender Scheinheiligkeit. Man weiß, was sie verschleiern (und was nicht dem Wohl der Bevölkerung zukommen soll): Es handelt sich, nach den Waffenhändlern, um neue Profitquellen für die kapitalistischen "Wiederaufbauer". Was Frankreich betrifft, sind das Unternehmen wie Bouygues oder Alcatel, hinter denen die Banken stehen. Die kapitalistischen Gläubiger ziehen nicht einmal in Erwägung, ihren Griff zu locker: Im allerbesten Fall überlegen sie eine Zinserleichterung für einen Teil der Schulden einiger der betroffenen Länder. Die Gläubiger des "Pariser Clubs" (einer informellen Gruppe der öffentlichen Gläubiger verschiedener Industrieländer, die zum Ziel hat, Lösungen zu finden, was die Schwierigkeiten von Zahlungen der verschuldeten Nationen betrifft) haben, was die Auslandsverschuldung Albaniens und Mazedoniens betrifft, lediglich eine Aufschiebung der fälligen Zahlungen gewährt, und das nur bis 31. März 2000. Es handelt sich dabei um jenes Albanien und jenes Mazedonien, welche die reichen Länder Europas angesichts der Belastung, welche die Ankunft mehrerer hundert aus dem Kosovo Vertriebener bedeutet, ihrer selbst überlassen.
Der Zynismus der Imperialisten kennt keine Grenzen.
Und jetzt schon zeichnet sich zwischen den kapitalistischen Werbern der Wirtschaftskrieg um den blutigen Kuchen ab - die Wirtschaftspresse verbirgt es nicht - so wie es, um bei Jugoslawien zu bleiben, im Falle Bosniens war, nur in weit größerem Ausmaß.
Einen zusätzlichen Faktor stellt die Bedrohung der inneren Stabilität etwa Bulgariens, Rumäniens und Griechenlands dar. Diese Staaten gehören entweder bereits der NATO an oder möchten ihr beitreten, während ein Teil ihrer Bevölkerung massiv gegen die Bombardierungen und für das serbische Volk demonstriert, was folglich wieder neue Unruheherde schafft.
Der neue Krieg am Balkan bringt nicht nur Tod und Zerstörung anstelle der Anerkennung des Völkerrechts, sondern kann auch keines der bestehenden Probleme lösen, und ganz sicher nicht jenes der Armut und wirtschaftlichen Unterentwicklung, das ihm zugrunde liegt. Im Gegenteil: Diese Probleme werden verstärkt und die Länder gleichzeitig immer weiter in Unterwürfigkeit und Abhängigkeit von den imperialistischen Mächten getrieben. Die Balkanvölker haben den vollen Preis für diesen Krieg, der an erster Stelle gegen sie geführt wird, noch immer nicht bezahlt.
Man ließ den Völkern Ex-Jugoslawiens keine Wahl. Weder von oben, auf europäischem Niveau, wo die "Union" nur auf den Finanzmarkt sich bezieht und ihren Krieg gegen die Kleinsten und Schwächsten führt (was die Interessen des Volkes angeht, so haben die westlichen Großmächte Europas schon immer eine Politik geführt, die im Gegensatz zu dem steht, was ihm nützlich gewesen wäre). Noch in Jugoslawien selbst, wo der Bevölkerung lediglich die rivalisierenden nationalistischen Politiken präsentiert, wenn nicht sogar aufgezwungen, wurden. Die Menschen waren Opfer und Geiseln des Konfliktes, nicht freiwillige Akteure, und sie sahen sich keiner anderen Wahl gegenübergestellt als jener zwischen den aufgestachelten Nationalismen.
Für die revolutionären Kommunisten ist dies kein neues Problem.
Sie setzten sich für den Sturz der bürgerlichen Ordnung und des kapitalistischen Ausbeutungssystems ein, das permanent Unterdrückung und Ungerechtigkeit fördert und erneuert, und können deshalb auch nicht über die Stärke dieser nationalistischen Gefühle und Vorurteile hinwegsehen. Wir finden diese Vorurteile im alltäglichen Leben der meisten Länder, ohne von jenen geschichtlichen Epochen zu sprechen, wo sie zur Gefahr wurden - wenn die Wirtschaftskrise, die Ausweitung von Arbeitslosigkeit, Not und Verzweiflung katastrophale Ausmaße erreicht haben und Demagogen wie Le Pen sich ihrer bedienen und sie dadurch noch weiter vorantreiben können.
Die revolutionären Kommunisten bieten der Bevölkerung angesichts dieser Probleme seit langem einen Ausweg an.
Zur Jahrhundertwende fanden sich die sozialistischen Bewegungen, die sich unter der Flagge des Marxismus in den jungen Staaten Süd- und Osteuropas, etwa Bulgarien, Rumänien und Serbien entwickelten und es sich zur Aufgabe machten, die existierende soziale Ordnung zu bekämpfen, welche für die Unterentwicklung ihrer von den Großmächten begehrten Region verantwortlich war, mit der nationalen Frage konfrontiert. Ohne die Prinzipien des Internationalismus zu vernachlässigen und als Reaktion gegen die Nationalismen, brachten sie die Idee einer Föderation der demokratischen Republiken des Balkans auf, die alle in Südosteuropa lebenden Nationalitäten mit einschließen und sich auf das Recht der Völker auf Selbstregierung sowie Bildung von Nationalstaaten stützen sollte.
Es war ihnen klar, dass nicht einmal die soziale Revolution von heute auf morgen die nationalen Vorurteile beseitigen könnte, und sie wollten allen unterdrückten Völkern des Balkans - und sie alle waren der Reihe nach mehr oder weniger unterdrückt unbedingt eine Perspektive bieten; eine Perspektive der brüderlichen Kohabitation, die sich an ihren gemeinsamen Interessen orientieren würde.
Dieses Programm ist heute immer noch tragische Aktualität.
Das brüderliche und andauernde Zusammenkeben der Völker des Balkans ist keine utopische Perspektive - vorausgesetzt, die Politik steht im Zeichen der gemeinsamen Interessen der Bevölkerung.
Eine Führung, welche die wahren Interessen dieser gemischten Bevölkerung verteidigt, würde eine gezielte Politik im Sinne ihrer friedlichen Koexistenz führen.
Weit davon entfernt, sterile ethnische Einheitlichkeit oder jede Art von Vereinheitlichung zu fördern, sehen die revolutionären Kommunisten, ganz im Gegenteil, in der Verschiedenartigkeit der Völker eine Quelle der Bereicherung, von der das Kollektiv in allen Bereichen des sozialen Lebens profitieren würde.
Eine solche Führung, die sich für die Ausgebeuteten einsetzt, und von Anfang an ihre Kräfte dafür einsetzt, die traditionelle Herrschaft der privilegierten Klassen zu zerstören, wäre gleichzeitig imstande, die Wurzeln wirtschaftlicher Unterentwicklung - Hauptursache von Elend und sozialer Ungerechtigkeit - zu zerstören. Sie würde sich dafür einsetzen, Wege zu finden, die Entwicklungsdifferenzen zwischen den verschiedenen Regionen aus dem Weg zu räumen und die wirtschaftlichen Quellen der materiellen Ungleichheiten zwischen verschiedenen Gemeinschaften einzudämmen. Aber es ist klar, dass eine solche Politik sich gleichzeitig vor der Notwendigkeit finden würde, eine Lösung jener Probleme anzubieten, die aus den nationalen Vorurteilen resultieren, und deren Verschwinden sogar nach einer sozialen Revolution lediglich progressiv vonstatten gehen kann.
Mit Taten und nicht nur mit Worten würde diese Revolution fordern, dass alle Völker, ganz gleich wie in der Minderheit, selbst über ihre Zukunft entscheiden können; dass sie das Recht haben, sich anzuschließen, wem immer sie wollen, beziehungsweise sich auf Wunsch von diesem Partner zu trennen; dass ihre sprachlichen Vorliebe respektiert werden; und dass sie Beziehungen mit Nachbarvölkern und, falls von wirtschaftlichen oder sozialen Umständen erfordert, mit weiter entfernten Völkern eingehen können.
Gleichzeitig würde es sich eine sozialistische kommunistische Führung zur Aufgabe machen, die nationalistischen Vorurteile und Verschleierungen, die diese noch verstärkt und die Volksgruppen gegeneinander aufhetzt, zu bekämpfen. Es würde mit allen erdenklichen Mitteln daran arbeiten, mittels seiner Politik, über Erziehung, Propaganda und den Zugang zu Kultur alle Tendenzen zur Kooperation zwischen den Volksgruppen zu fördern und zu unterstützen.
Nein, nationalistischer Hass und zwischenethnische Kriege, hinter denen sich die Großmächte verbergen, sind keineswegs ein "Verhängnis", weder am Balkan noch sonst wo. Aber nur die von den revolutionären Kommunisten vorgeschlagene Politik bietet die Perspektive einer Zukunft ohne Nationalismus und ethnische Konflikte. Denn unter der Herrschaft des Imperialismus und seiner Anhänger ist jede "Lösung" nur ein Köder - wenn sie letztendlich nicht sogar das Feuer schürt und ohne Unterlass das Los der Völker verschlimmert.