Iran: ein entwaffnetes Volk (aus Lutte de Classe - Klassenkampf - Januar 1979)

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Iran: ein entwaffnetes Volk
Januar 1979

Seit einem Jahr verursachten die im Iran ausgebrochenen Volksaufstände - zuerst in der Stadt Ghom, dann auch in Täbris - Dutzende von Toten. Sie gaben das Signal für eine seitdem ununterbrochene Aufruhrstimmung, die in den letzten Monaten des Jahres 1978 einen außergewöhnlichen Umfang erreichte. Besonders seit Mitte August sah man die Bevölkerung in der großen Mehrzahl der Städte trotz der militärischen Repression, die Tausenden das Leben kostete, auf den Straßen demonstrieren.

Die Repression des "schwarzen Freitags" (8. November) verursachte beinahe viertausend Toten, aber sie konnte die Bewegung nicht aufhalten. Im Oktober brach eine Streikwelle aus, die gegenwärtig die Wirtschaft des ganzen Landes lahmlegt.

Die Dauer des Bevölkerungsaufruhrs, seine Vitalität, der Mut mit dem die Demonstranten den Gewehrkugeln des Militärs standhalten, bezeugen die ganze Tiefe der Bewegung.

Als Führer des gegenwärtigen Volksaufruhrs treten schiitisch religiöse Würdenträger, die Ayatollahs, in Erscheinung, unter diesen ganz besonders der Ayatollah Chomeini. Ihre Aufrufe zu Straßendemonstrationen werden jedes Mal massiv befolgt.

Die Forderungen, die sie in den Vordergrund stellen, mit denen sie sich an die Bevölkerung wenden, bestehen vor allem im Rücktritt des Schahs. Jeder Versuch des Schahs, eine neue Koalitionsregierung zu bilden wird von Chomeini abgelehnt. Und die Politiker, die akzeptierten an diesen Versuchen teilzunehmen, finden sich von den religiösen Führen desavouiert. Chomeini hält kompromisslos am vorherigen Rücktritt des Schahs fest.

Außerdem verlangen die Ayatollahs, dass die religiösen Würdenträger an der politischen Macht beteiligt werden, wie die 1906 ausgearbeitete Verfassung es vorsah (die aber praktisch niemals Anwendung fand). Der Islam hat ganz gewiss im Iran eine Reihe von Privilegien und Vorrechten, wie zum Beispiel das vom Staat unabhängige Recht auf den "Kirchenzehnten". Doch die religiösen Führer wurden von der Pahlavi-Dynastie von der politischen Macht ferngehalten.

Diese Dynastie, 1921 - 1925 an die Macht gekommen, hat das Land durch die Entwicklung einer mit den neuen wirtschaftlichen Bedingungen verbundenen Handelsbourgeoisie mehr oder minder modernisiert. Die schiitischen Würdenträger fühlten sich von der Pahlavi-Monarchie benachteiligt, und wenn sie die Anwendung der Verfassung von 1906 verlangten, so geschah dies, um ihren Teil der politischen Macht als religiöse Führer wieder zurückzugewinnen.

Die westliche Presse stellt die reaktionären Ayatollahs dem Schah als "Modernisierer" entgegen, und so sind auch alle von den religiösen Führern geforderten Veränderungen des sozialen Lebens reaktionär geprägt, um nur mit dem Kopftuch-Tragen der Frauen zu beginnen.

Die Politik der Ayatollahs oder ihrer politischen Schützlinge, wenn sie an die Macht gelangen, wird vielleicht bezüglich einer gewissen Zahl von Problemen unterschiedlich von der bisherigen Politik des Schahs sein, aber das was man als sicher annehmen kann, ist dass sie ihre Politik in Übereinstimmung mit der gegenwärtig bestehenden Armee durchführen werden: mit demselben Generalstab, mit denselben Offizieren, die heute die Massaker an den unbewaffneten Demonstranten kommandieren. Die iranischen Demonstranten stellen sich weiterhin mit nackten Händen der Armee entgegen. Und niemand schlägt ihnen vor, wenigstens zu versuchen sich ebenfalls zu bewaffnen. Die Presse berichtet von zahlreichen Grausamkeiten des Repressionsapparates, so nehmen die Militärs sich auch die Krankenhäuser vor und verfolgen bis dorthin die Leute, um sie zu töten... Ganz im Gegensatz dazu wird von keinem einzigen, sei es auch nur einem isolierten, Versuch des Volkswiderstands berichtet. Offensichtlich widersetzt sich dem die Politik der religiösen Führer. So sind zig Tausende von Demonstranten würdevoll mit Kopftüchern bekleidet, wie zu einem religiösen Opfer auf den Straßen von Teheran mit den gut ausgerüsteten und gut ausgebildeten Militärs zusammengestoßen.

Die religiösen Führer rufen zu solchen Straßendemonstrationen auf, aber sie tun nichts, was der Bevölkerung eine Chance bieten könnte, bei diesen Zusammenstößen mit der Armee den Sieg davon zu tragen.

Von diesen Tatsachen ausgehend, kann man nur auf einen politischen Willen schließen, nämlich nichts zu tun, was unter dem Druck der Bevölkerung die unteren Ränge der Armee erschüttern könnte. Chomeini will offensichtlich, dass die Entscheidung von der Armeeführung getroffen wird, Von ihr erwartet er eine Meinungsänderung zugunsten eines Regimewechsels im Iran. Ein eventuelles Ayatollah-Regime würde ganz genauso die Respektierung der Armee, so wie sie ist, mit ihrer gegenwärtigen Führung, benötigen, um regieren zu können.

Nach all dem ist es genau diese Logik, die die Führer unter dem Banner der Religion zu der Weigerung veranlasst, sich auf eine bewaffnete Bevölkerung zu stützen, um ihre Ziele zu erreichen. Sie weigern sich, dem Volk die Erfüllung ihrer eigenen politischen Forderungen zu verdanken: Und es ist darüber hinaus sehr wahrscheinlich, dass sie sich nicht nur weigern, dem Volk ihren Sieg zu verdanken, sondern ihr ganzes politisches Gewicht in die Waagschale werfen, um jede Initiative zu verhindern, die dazu führen könnte, dass die Demonstranten sich ihren Schutz vor der Armee organisieren.

Doch existiert im Iran im Prinzip eine von den Ayatollahs politisch unabhängige Opposition. Nicht nur die so genannte liberale und gemäßigte Opposition der Nationalen Front Karim Sandschabis: von dieser kann man nicht einmal dieselbe Kompromisslosigkeit erwarten, wie sie Chomeini gegenüber dem Schah demonstriert, denn mehrere ihrer führenden Leute haben in dieser Hinsicht Kompromissvorschläge gemacht. Ebenso gibt es eine linke Opposition, eine kommunistische Partei namens Tudeh, und eine extreme Linke, die sich auf den Marxismus beruft.

Ihr relatives Gewicht, ihr Einfluss auf die Bevölkerung ist von hier aus nicht zu beurteilen. Aber auf jeden Fall sieht man sie nirgends und niemals in einer von den Ayatollahs unabhängigen Weise in Erscheinung treten. Es erscheint im Iran keine einzige politische Kraft, die den Volksmassen ein anderes Verhalten gegenüber der Armee und der Repression vorschlägt. Die schiitischen Geistlichen scheinen die Gesamtheit der iranischen Opposition zu repräsentieren und hinter sich zu vereinigen.

Für die Führer der Nationalen Front ist das klar: Sie haben selbst erklärt, sich Chomeini anzuschließen und jede eigene Initiative der vorherigen Zustimmung Chomeinis unterzuordnen.

Aber weder von der kommunistischen Partei noch von den sich auf den Marxismus berufenden Studenten und Intellektuellen sieht man eine andere Haltung. Nach und nach verschmilzt die gesamte Linke im Schlepptau der religiösen Führer und lässt die Bevölkerung unbewaffnet und unorganisiert, ohnmächtig gegenüber einer Armeeführung, die der alleinige Schiedsrichter der gegenwärtigen und kommenden Situation bleibt.

Von Seiten der Ayatollahs wie von Seiten der Linken und der extremen Linken Irans stellt diese politische Haltung des Schweigens und der Passivität in der Frage der Organisierung und Bewaffnung der kämpfenden Massen im Rahmen einer Bewegung solcher Tiefe und Breite, wie sie im Iran existiert, spiegelt diese Haltung eine Klassenfrage wieder: Die Weigerung, das Risiko einzugehen, dass eine bewaffnete Bevölkerung die Armee zerbrechen konnte, ein tiefes Misstrauen gegenüber den Volksmassen. All diese Leute sind bereit, die Bevölkerung in ein Armee-Massaker zu schicken, aber wollen nicht das gegenteilige Risiko eingehen. Es ist wahrlich nicht der Kampfeswille der Bevölkerung, an dem es im Iran mangelt. Sie beweist ihn ununterbrochen. Derselbe Mut, der sie heute mit leeren Händen, schutzlos vor die Gewehre der Armee marschieren lässt, eben dieser Mut könnte es ihr mit Sicherheit erlauben, in ihren Reihen entschlossene Männer zu finden, die bereit sind, das Risiko auf sich zu nehmen, die Bevölkerung angesichts der Armee zu organisieren.

In der gegenwärtigen politischen Situation Irans wäre es sicherlich keine unmöglich zu erfüllende Aufgabe, die Bevölkerung Straße für Straße, und Stadtviertel für Stadtviertel zu organisieren und zu bewaffnen.

Sicherlich befinden sich im Augenblick die Waffen in Händen der Soldaten der Schah-Armee. Aber einen Teil der Waffen aus ihren Händen in diejenigen des Volkes überwechseln zu lassen, das ist viel mehr ein politisches als ein technisches Problem. Kasernen anzugreifen, selbst als Überraschungsangriff, wäre zum Beispiel ein mögliches Mittel (schließlich wird es im Iran nicht wenige Bewunderer Fidel Castros und seines Überfalls auf die Moneda-Kaserne, im Juli 1953, geben). Zu zeigen, dass die Massen entschlossen und bereit zum Kämpfen sind, wäre ein Mittel, um bei den Soldaten der unteren Ränge Desertion mit ihren Waffen und Kenntnissen und den Anschluss an die Volksbewegung hervorzurufen. Alle sich bewaffnenden Volksbewegungen in der Vergangenheit haben es auf diese Art und Weise getan. Sie taten dies, weil es im betreffenden Lande Organisationen oder Teile von ihnen gab, die bei den Massen dieses Ziel propagierten. Aber genau dies scheint es zu sein, was im Iran fehlt.

Offensichtlich hat es keine Initiative dieser Art gegeben: selbst nicht bei den Studenten und Intellektuellen kleinbürgerlicher Herkunft, die in ihren Reihen zahlreiche Bewunderer Castros, Maos, der Palästinensischen Befreiungsfront... zählt. Natürlich genügt es nicht, der Bevölkerung nur vorzuschlagen sich zu organisieren und zu bewaffnen, um dieses Ziel zu erreichen. Aber man kommt nicht umhin festzustellen, dass dies jedenfalls nicht das Ziel jener zu sein scheint, die am ehesten dazu an Ort und Stelle in der Lage wären, dies zu tun.

Die iranischen Aufrührer in Waffen, die Bevölkerung unabhängig von religiösen Strukturen organisiert, das würde nicht unbedingt bedeuten, dass sie sich andere Ziele und Parolen gibt, jedoch würde dies ihnen zumindest nicht nur ermöglichen, sich selbst angesichts der blutigen Repression zu schützen, sondern auch die Mittel in die Hand geben, um die Masse der einfachen Soldaten wachzurütteln.

Bis jetzt hat man nicht gesehen, dass Teile der Armee in das Lager der revoltierenden Bevölkerung übergelaufen sind, und es ist bis jetzt allem Anschein nach eine in der traditionellen Disziplin geeinte Armee, die den Demonstranten gegenüber steht.

Und das ist auch keineswegs erstaunlich angesichts einer Politik, die darauf verzichtet, die einfachen Soldaten gegen ihre Offiziere und Hierarchie zu mobilisieren, und ihnen auch keine Gründe nennt, die die Soldaten dazu veranlassen könnten. Diese Initiative müsste zuerst von Seiten der Demonstranten kommen, indem diese sich ebenfalls bewaffnen und durch einen offensichtlichen politischen Willen zeigen, dass sie wirklich kämpfen wollen, und sich nicht mit der existierenden Militär-Hierarchie zu arrangieren wollen.

Solange die Soldaten nicht tatsächlich sehen, dass die Demonstranten entschlossen sind und auch über die notwendigen Mittel verfügen, ihren Willen durchzusetzen, selbst wenn die Demonstrationen zahlenmäßig sehr groß sind, haben die Soldaten keinen Grund, eine eventuelle Befehlsverweigerung gegenüber ihren Vorgesetzten auch nur in Erwägung zu ziehen. Solange sie im Gegenteil den allgemeinen Respekt gegenüber der Armeeführung und die bestehende Hierarchie bestellen, so lange wissen sie mit Sicherheit, dass jede Befehlsverweigerung unweigerlich dazu führt, dass sie danach sich vor denselben Vorgesetzten, Offizieren und derselben Hierarchie verantworten müssen, sich vor denselben Kriegsgerichten und Disziplinarordnungen befinden werden, und mit dieser Perspektive bleibt ihnen keine andere Möglichkeit, als die alte Disziplin zu befolgen.

Man sieht vielleicht nicht gerade, dass die iranische Linke Ergebenheitserklärungen gegenüber der Führung der Schah-Armee abgibt, doch ihr Schweigen in Bezug auf die Armee ist vielsagend. Das Fehlen einer Politik, die sich um die Organisierung und Bewaffnung des Volkes bemühen würde, allein das ist schon eine Politik: Diese besteht darin, Chomeini in seinem Respekt vor dem bestehenden Repressionsapparat des aktuellen Regimes zu folgen und sich in seinem Schlepptau zu befinden. Und die extreme Linke, falls sie real existiert, macht letztlich nichts anderes, als ebenfalls hinter der Politik Chomeinis hinterherzulaufen. Die kleinbürgerlichen politischen Oppositionsorganisationen bezeugen in der gegenwärtigen Situation ihre Angst, ihr tiefes Misstrauen gegenüber den unteren Volksklassen. Selbst wenn sie sich dadurch die Chance zur Verwirklichung ihrer politischen Hoffnungen entgehen lassen, so tragen sie alle dazu bei, die Entscheidungsgewalt bei den leitenden Zirkeln der Armee zu belassen, anstatt die Bewaffnung des Volkes ins Auge zu fassen. Im Unterschied zu dem, was in Kuba oder in anderen Ländern stattfand, wo man sah, wie aus dem nationalistischen Kleinbürgertum sich Gruppen von Menschen bildeten, die die Bauernschaft bewaffneten, findet die gegenwärtige Revolte im Iran in den Städten statt. Es ist die städtische Bevölkerung von Teheran, Isfahan, Schiraz, Täbris, Maschhad, usw., die man demonstrieren sieht.

Und eben dies erklärt auch den Unterschied.

Denn eine Guerilla-Bewegung im ländlichen Milieu aufzubauen, schließt nicht dieselben sozialen Risiken ein, wie die Organisierung der in den Städten konzentrierten Volksmassen, welche auch die Arbeiterklasse einbeziehen! Die Führer kleinbürgerlich nationalistischer Bewegungen konnten in bestimmten Situationen die Eroberung der Städte durch Bauern-Truppen ins Auge fassen, aber es ist eine völlig andere Sache eine organisierte, strukturierte und bewaffnete städtische Bevölkerung an der Spitze eines Landes zu sehen, die bereit und in der Lage ist, das Regime das sie an die Macht gebracht haben, auch zu kontrollieren! Die sozialistischen Revolutionäre dagegen haben nicht die geringsten Befürchtungen bezüglich der Bewaffnung der städtischen Volksmassen. Da ihre Interessen grundsätzlich mit denen der der Arbeiter und der mit ihnen verbündeten armen Volksmassen identisch sind.

Wenn die sich im Kampf befindliche iranische Bevölkerung sich organisieren und bewaffnen würde, so würde dies allein nicht automatisch die gegenwärtige politische Zielsetzung der Bewegung in sozialistische Forderungen transformieren. Dies erfordert noch ganz andere Sachen: ein hohes Klassenbewusstsein des Proletariats, eine unabhängige Klassenorganisation und Bewaffnung, die Existenz von Arbeiterräten und Arbeitermilizen, und eine proletarische revolutionäre Partei, die fähig ist, im Namen des Proletariats einen Ausweg aus der Krise für alle ausgebeuteten sozialen Klassen zu weisen. Offensichtlich ist die Lage im Iran davon noch weit entfernt.

Aber selbst im Rahmen der Bewegung, wie sie zurzeit existiert, würden sozialistische Revolutionäre den Kämpfenden vorschlagen, sich zu organisieren und zu bewaffnen, wobei es eine andere Frage ist, ob diese Vorschläge sich letztendlich durchsetzen. Sie würden versuchen, einer mutigen und kämpfenden Bevölkerung, die ihr Leben zu Tausenden gibt, andere Perspektiven zu geben als die der religiösen Würdenträger, die sich selbst der Zustimmung der militärischen Befehlshaber unterordnen.

Selbst im Rahmen und auf der Basis der aktuellen politischen Basis der Bewegung, wäre dies eine unbedingte und prioritäre Aufgabe. Denn es handelte sich nicht darum, von Anfang an einen Frontalangriff mit Parolen und politischen Forderungen gegen die aktuelle Führung zu führen. Für im Iran verankerte Revolutionierte handelte es sich darum, eine klare politische Position in Bezug auf die bestehende Bewegung, so wie sie ist, und ihrer religiösen Führung zu entwickeln.

Aber man müsste unbedingt propagieren, dass die Bevölkerung sich unabhängig, auf eigener Basis organisiert, unabhängig von den religiösen Strukturen, ihre Verteidigung und ihre Bewaffnung zu organisieren.

Aber alle, inklusive die gesamte Linke weigern sich, eine solche Politik im Iran zu propagieren und vorzuschlagen.

Und darin besteht das Drama der Situation. Die von den gegenwärtigen Führern der Bewegung durchgeführte Politik besteht darin, dass die Demonstranten passiv im Kugelhagel der Armee sterben bis zu jenem fraglichen Tag, an dem die Armeeführung ihre Haltung ändert und aufhört, den Schah weiterhin zu unterstützen.

Und selbst, wenn dieser Fall eintritt, und selbst wenn der Schah zurücktritt, und die neuen Führer einige demokratische Änderungen, die den Hoffnungen der Volksmassen entsprechen, durchführen, so würde die Armee immer noch da sein. Dieselbe Armee, die bis zum heutigen Tag all ihre Grausamkeit gezeigt hat, sie würde weiterhin die Situation in der Hand haben und kontrollieren.

Es ist genau diese Zukunft, die die iranische Oppositionsbewegung, die gesamte Opposition, aktiv vorbereitet, oder im besten Falle deren Komplize ist.

Das Vereinigte Sekretariat der Vierten Internationale und Iran

Aus Mangel an jeder anderen politischen Kraft als derjenigen, die von den religiösen Chefs repräsentiert wird, und mangels jeglicher autonomen Organisationsform der unteren Volksmassen, und besonders der Arbeitenden, aus Mangel selbst an irgendeiner Bewaffnung der Aufrührer, die auf Weisung ihrer Führer, den Militärs ohne Waffen entgegentreten, ist es fraglich, ob man ernsthaft von einer "iranischen Revolution" sprechen kann, wie "Rouge" es am 2. Dezember tut, oder von einem "machtvollen Volksaufstand", wie "Intercontinental Press" es am 18. Dezember tut!? Die Zeitschrift des Vereinigten Sekretariats analysiert die Bewegung (Nummer vom 11. Dezember) und erklärt hinsichtlich der Kämpfe, die momentan in Iran stattfinden, dass, wenn sie heute auch radikal sein können (entgegen den Umständen eines Streiks der Erdölarbeiter, der 1946 von den Stalinisten verraten wurde), so ist dies der Fall, weil die Arbeitenden "keine reformistische Führung haben, die ihren Kampf fehlleiten und verraten kann". Dies, um weiter zu schlussfolgern: "Jetzt haben sie jedoch siegen zu lernen. Und das erfordert mehr al Kampfbereitschaft und Heldenmut, mehr als die einfache Abwesenheit (unterstrichen von Intercontinental Press) von irreführenden Führungskräften".

Alle Probleme konzentrieren sich zweifellos in dem einen Begriff "mehr". Aber im Augenblick hat die Bewegung im Iran offensichtlich eine Leitung (wäre es auch nur wegen des Fehlens jeder anderen Leitung), in der Gestalt der religiösen Führer. Dies gilt ebenso für die Streikbewegung. Vielleicht "leitet" niemand die Oppositionsbewegung fehl, denn sie scheint sich in ihren Zielsetzungen wie ihren Mitteln, auf demselben Boden zu stehen, das die religiösen Führer gewählt haben. Es gibt sicherlich nichts Ermutigendes in der Tatsache, dass dieses Mal die reformistischen Leitungen, wenn sie bestehen, dem Ayatollah Chomeini hinterherlaufen.

Damit die Volksmassen auf ihre Weise "siegen lernen", das heißt indem sie den Mut benutzen, von dem sie so viele Beispiele geben, um sich gegen die Armee aktiv zu verteidigen, um die Kontrolle der Lage selbst in die eigene Hand zu nehmen, dazu wäre, sogar im begrenzten Rahmen der Bewegung wie sie ist, eine ganz andere Politik als jene der religiösen Führer notwendig. Und eine andere Politik bedeutet Menschen und Organisationen, um sie zu verteidigen. Dies gilt umso mehr, wenn es sich um eine proletarisch-revolutionäre Organisation bedarf, damit innerhalb dieser Bewegung das Proletariat für seine eigenen politischen Ziele kämpft!

Die französische Linke macht sich selbst in bedeutender Weise mitschuldig an der Politik der iranischen Linken. In der Art, wie die Mitglieder der Französischen Kommunistischen Partei, die am 5. Januar in Paris demonstrierten, wenn sie im Sprechchor Parolen gegen den Schah riefen, hingegen nichts zur Armeeführung sagten. Und die Revolutionäre Kommunistische Liga (LCR), die an dieser Demonstration auch teilnahm, es nicht für richtig gehalten hat, sich öffentlich von diesem Stillschweigen bezüglich des Problems der Armee zu distanzieren.

Das Vereinigte Sekretariat überspringt ungeniert - auf dem Papier - alle Hindernisse, um zu behaupten, dass, "im Laufe der zwei letzten Monate die Arbeiterklasse ihre mächtige Kraft in einer massiven Welle von Streiks gezeigt habe. Die Arbeitenden haben ihre eigenen wirtschaftlichen Forderungen mit der politischen Opposition gegen das verabscheute Regime verbunden. Einmal mehr erleben wir den Vorgang, in dem die Arbeiterklasse eines halbkolonialen Landes tendenziell dazu treibt, die Führung der gesamten arbeitenden Massen in ihrem Kampf für die Demokratie und ein besseres Leben zu übernehmen, und die Tendenz dieses Kampfes, sich in eine sozialistische Revolution gegen den Kapitalismus und die imperialistische Beherrschung umzuwandeln" (Erklärung vom 21. November).

Wo aber sieht man die iranischen Arbeiter an die Spitze der derzeitigen Revolte stehen? Wo sieht man sie auf politischer Ebene, auch nur unabhängig innerhalb der Volksbewegung in Erscheinung treten?

Und wie kann man hier die Neigung dieses Kampfes, "sich in eine sozialistische Revolution umzuwandeln" sehen, außer mit der Brille des Vereinigten Sekretariats? Während die in Iran revoltierende Bevölkerung noch nicht bereit ist, sich zu bewaffnen, sogar auf der Basis von begrenzten und nationalistischen Zielen, die von den Ayatollahs angeboten wurden, weil sich keine Partei und keine politische Gruppe besteht, um ihm diesen Weg aufzuzeigen!

Diese Weise, die sozialistische Revolution zu sehen, dies sich gewissermaßen durch den Mund von Chomeini verkündet zu sehen, ist eine Art, unkritischer Nachahmung hinsichtlich des Letzteren. Es gibt noch andere solcher Stellungnahmen des Vereinigten Sekretariats: Die Zeitschrift des VS gibt von der Rolle des Ayatollahs Chomeini eine Analyse, der nichts an Zweideutigkeiten fehlt. In einem Artikel von Parvin Najafi (Nummer vom 18. Dezember) kann man lesen: "Chomeini fordert eine islamische Republik, die alle wirtschaftlichen und militärischen Abkommen mit den imperialistischen Ländern beenden würde, und die das gesamte Eigentum des Imperialismus in Iran beschlagnahmen würde. Er ruft dazu auf, die Streiks und die Demonstrationen fortzusetzen, bis das Regime stürzt. Und er hat der religiösen Hierarchie befohlen, die Hälfte des Kirchenzehnten an die streikenden Arbeiter zu spenden. Außerdem hat er sich an die Basis der Armee gewendet, damit die Soldaten der Revolte des Volkes folgen".

Das ist eine Art, Chomeini Vieles zugute zu halten, wovon er nur sehr wenig gesagt hat, insbesondere was die Beziehungen betrifft, die sein mögliches Regime mit dem Imperialismus unterhalten würde, auch wenn es durchaus möglich ist, dass die religiösen Führer ihr Scherflein den Streikenden zahlen! Aufgrund der Tatsache, dass die Oppositionsaktivitäten wegen der Diktatur im Iran, traditionell innerhalb der religiösen Strukturen stattfanden, leitet der Autor des Artikels außerdem ab: "Mangels einer politischen Leitung haben die Massen ihre eigenen Kampfinstrumente improvisiert". Im vorliegenden Fall handelt es sich um Versammlungen in den Moscheen! Zitieren wir schließlich die Schlussfolgerung des Artikels: "Chomeini ist der einzige religiöse Führer, der sich dem Schah entschlossen widersetzt hat, er ist als Symbol des Kampfes aufgetaucht (...) Die revolutionären Sozialisten stellen fest, dass nicht seine religiösen Überzeugungen sondern eher seine unnachgiebige Opposition gegen den Schah, seine wiederholten Aufrufe zu Massendemonstrationen und seiner Aufruf zu einer unabhängigen politischen Aktion, ihm einen massiven Anklang im Iran erobert haben. Die Popularität von Chomeini gibt einen Hinweis auf die Bedingungen, die für die Schaffung einer revolutionären Arbeiterpartei bestehen, die der aktuelle Aufstand zum Erfolg, zur Gründung einer Republik der Arbeiter und der Bauern führen könne". Wenn die Aktivisten, die sich auf das Vereinigte Sekretariat berufen, die Chancen der Schaffung einer revolutionären Arbeiterpartei - und sogar ihren Sieg! - an der Beliebtheit von Chomeini messen, dann sind sie nicht gerade nahe daran, diese Partei selber zu schaffen, und sogar in den Ereignissen unabhängig zu intervenieren.