Die Mikronationalismen wie der bretonische, baskische, okzitanische und korsische Nationalismus und noch einige andere in Frankreich sind kein neues Phänomen.
Aber es ist unleugbar, dass die Bewegungen und die Organisationen, die sich als Vertreter dieser Nationalismen präsentieren, gegenwärtig einen gewissen Aufschwung erleben. Und es ist noch weniger zu leugnen, dass dieses Thema bei den Intellektuellen in Mode ist.
Dieses Phänomen würde jedoch nur von mittelmäßigem Interesse für die Revolutionäre sein, weil es doch eine unbedeutende Randerscheinung ist, wenn die Grenze zwischen diesen nationalistischen Bewegungen und manchen "linksradikalen" Strömungen nicht so dünn wäre. Bis zum Zweiten Weltkrieg setzten sich diese Mikronationalismen aus Leuten und Gruppen zusammen, die ohne Zweideutigkeit rechts oder sogar extrem rechts im politischen Spektrum standen. Aber die bretonischen, baskischen, okzitanischen oder anderen Nationalisten von heute bezeichnen sich dagegen gern als Linke und berufen sich sogar auf den Sozialismus. Das genügt, damit die politische Sympathie der Mehrheit der linksradikalen Strömungen sich ihnen zuwendet. Das gilt selbstverständlich für diejenigen, die in der stalinistisch-maoistischen Schule ausgebildet wurden, aber auch für gewisse trotzkistische Strömungen.
Und schließlich besteht das Interesse des Themas darin, auf den deutlichen Opportunismus dieser Strömungen aufmerksam zu machen, ein Problem betreffend - das des Nationalismus -, das für die proletarischen Revolutionäre, für die Marxisten, einen echten Prüfstein bildet.
Zweifellos sind die politischen Positionen der verschiedenen nationalistischen Organisationen Frankreichs, ihre Phraseologie und ihre Forderungen nicht unbedingt vergleichbar. Und die Leute, für die es neben einem schlechten Nationalismus einen guten gibt, werden nicht versäumen, uns dies entgegenzuhalten. Aber in ihrer Vielfalt haben alle diese Bewegungen etwas Wesentliches gemeinsam, nämlich den nationalistischen Blickwinkel. Und diese Betrachtungsweise bildet eben das eigentliche Problem.
Eine irreführende Aufklärung der Geschichte
Was man systematisch in den Texten unserer regionalen Nationalisten wieder findet, ist die Kritik der offiziellen Version der Geschichte Frankreichs im Stil "Unsere Vorfahren, die Gallier", wie man sie Schulkindern lehrt. Aber meist geschieht das, um dem Mythos des "ewigen Frankreichs" eine ganz genauso irreführende Vorstellung der Geschichte entgegenzusetzen.
Es ist wahr, dass die Geschichte der Bildung des französischen Nationalstaates nur entfernt verwandt ist mit der zielbezogenen Vorstellung, die vorgibt, diese sei die Frucht der geduldigen Anstrengungen zuerst der Monarchie, dann der Republik, um die Territorien und die Völker zusammen zu führen, die die Vorsehung seit jeher dazu bestimmt hat, eines Tages zusammen zu leben - wobei die Rolle der Gewalt in dieser Entwicklung vergessen wird. Doch die Geschichte einer okzitanischen "Nation" zum Beispiel, die im 12. Jahrhundert schon gebildet war, und dann von den "Franken" kolonisiert worden ist, hat noch weniger mit der Realität zu tun.
Trotz all ihrer Kritik sind unsere Mikronationalisten in der Tat durch dieselbe Schule wie die bürgerlichen "französischen" Historiker gegangen. Wie diese bemühen sie sich, die Unebenheiten des Bildes zu glätten.
Wie diese bemühen sie sich, dem nationalen Phänomen seinen historischen Charakter zu nehmen.
Der einzige Unterschied - aber er ist dennoch riesengroß - besteht darin, dass die Anstrengungen der kapetingischen Könige, zur Vergrößerung ihres Gebiets und zur Ausweitung ihrer Macht, sowie die Entwicklung der Bourgeoisie, die sich in ihrem Schatten vollzogen hat, tatsächlich der Ausgangspunkt der Bildung einer französischen Nation gewesen sind, während die okzitanische oder die bretonische Nation als solche niemals existierten, außer vielleicht in den Köpfen nostalgischer Intellektueller.
Das Seltsamste ist, dass dieses Geschichtsbild sogar diejenigen unter unseren Mikronationalisten, die sich sozialistisch nennen, dazu bringt, sehr seltsame politische Verweise heranzuziehen.
So war der Hauptvorwurf, den "Das bretonische Volk" - das Organ der Bretonischen Demokratischen Union - in seiner Maiausgabe gegen den Kulturminister Maurice Druon formulierte: Er wäre "der Autor des Monumentalwerks zu Ehren des Staatszentralismus, Die Verdammten Könige"!
Gibt es in Frankreich Kolonisierte?
Bretonen und Basken, Okzitanier und Korsen wären also, unseren Nationalisten zufolge, echte Kolonisierte im Inneren, wie die geringe industrielle Entwicklung dieser Gegenden und die Unterbeschäftigung, die dort herrscht, bezeugen würden.
Tatsächlich hat der Rückgriff auf Begriffe wie "Kolonialismus" und "innere Kolonisierte" für diese Aktivisten den Vorteil, an die Dritte-Welt-Bewegungen zu erinnern, von denen sie sich gern inspirieren lassen. Doch es ist nicht nötig, sich dieser Begriffe zu bedienen, um die Unterentwicklung des Westens und Südens Frankreichs zu erklären. Die kapitalistische Entwicklung hat sich in der Tat niemals und nirgendwo auf homogene Weise innerhalb eines Landes vollzogen. Und das Eigene der Entwicklung des Kapitalismus in allen Ländern besteht darin, die Bevölkerung von Agrargebieten zu den Industriegebieten zusammengezogen zu haben. Diese ungleiche Entwicklung des Kapitalismus macht ihn aus: Sie ist die Folge der Tatsache, dass der Kapitalismus die Wirtschaft auf anarchische Weise und einzig im Interesse ihres Gewinnstrebens entwickelt.
Die Situation der am wenigsten industrialisierten Regionen als "kolonial" zu bezeichnen, bedeutet einfach, dass man vergisst, was die koloniale Ausbeutung ausmacht: dass sie von einer ausländischen Bourgeoisie ausgeübt wird. Nun, wenn sie die Ausbeutung ihrer Gegend durch die "französische" Bourgeoisie anprangern, bedauern alle regionalen Nationalisten, dass ihre eigene Bourgeoisie - das heißt die "bretonische" oder die "okzitanische" Bourgeoisie - sie "verraten" hätte, womit sie schließlich anerkennen, dass diese nur ein wesentlicher Bestandteil der französischen Bourgeoisie ist. So bedauert der Leitartikler der Januar-Februar-Ausgabe 1973 von Sav Breiz (Hefte des bretonischen Kampfes), dass "die bretonische Bourgeoisie mit der französischen verschmolzen ist, um den bürgerlichen Nationalstaat aufzubauen, den der entstehende Kapitalismus verlangte. Die Bourgeoisie hat kein Vaterland!"
Der Wille, die Realität dieser "Kolonisation" zu beweisen, führt übrigens gewisse Nationalisten zu sehr weit hergeholten Deutungen der sozialen Tatsachen. Die Autoren der Broschüre "Der Okzitanismus, was ist das?" kommentieren so, unter dem Titel "ein unterentwickeltes Land" einige statistische Tabellen: "Dem Abi überlegene Diplome: langer Unterricht, denn wenig Berufsaussichten in Okzitanien für die Jugendlichen. Man bleibt in der Schule!", "Einwohner pro Arzt: Industrien im Rückgang, begrenzte Anzahl von Stellen in Okzitanien. Folgen: Große Anzahl von gewissen freien Berufen, Ärzten, Chirurgen. Die Folgen des Arbeitsmarktes: viele Chirurgen-Zahnärzte". Und wenn es verhältnismäßig zwei Mal weniger Zahnärzte im Norden als in den Alpes-Maritimes1 gibt, ist das zweifellos der Anziehungskraft des nördlichen Bergbaus auf die intellektuelle Jugend geschuldet!
Wie dem auch sei, wenn der Süden und der Westen Frankreichs mehr Arbeitsprobleme haben als der Norden, bedeutet das keineswegs, dass der Kapitalismus diese Gegenden zu einem Paradies auf Kosten des restlichen Landes gemacht hat. Denn, auch wenn die ungleiche Entwicklung des Kapitalismus die Entvölkerung einiger Gegenden mit sich gebracht hat und dort Unterbeschäftigung herrschen lässt, hat er doch zugleich Hunderttausende von Proletariern in eine Art Ghetto gepfercht, das die natürliche Umwelt der industrialisierten Zonen völlig zerstört. Und das Problem ist nicht wirklich, dass die Provence eines Tages den nördlichen Bergarbeitersiedlungen ähnlich werden könnte. Das Problem besteht vielmehr darin, alles dafür zu tun, dass einer anarchischen Wirtschaft, deren einziger Motor der Wettlauf um den Gewinn ist, eines Tages eine Planwirtschaft im Dienst der Bedürfnisse aller Menschen folgt. Es kann also nicht darum gehen, sich darum zu bemühen, dem so genannten nördlichen Kolonialismus über den Süden ein Ende zu machen, sondern der Herrschaft des Kapitalismus ein Ende zu setzen, nicht nur in Frankreich, sondern in der ganzen Welt.
Eine regionalistische Version des Stalinismus
Selbstverständlich bezeichnet sich, wie wir bereits gesagt haben, die Mehrheit der Organisationen, die sich auf diese Mikronationalismen beruft, ebenfalls als sozialistisch. Aber es genügt, ihre Presse oder ihre Programme zu lesen, um zu sehen, dass, wenn sie sich von etwas inspiriert haben, dann nicht vom Sozialismus, sondern von seiner stalinistischen Karikatur. Und in dieser Hinsicht ist es bedeutend, dass besonders die maoistischen Gruppen oft als Brücke zwischen den nationalistischen Strömungen und der eigentlichen linksradikalen Bewegung dienen.
Bei manchen wird der Bezug auf den Sozialismus kaum skizziert. Es wird dabei nur auf bessere Tage, nach der Unabhängigkeit oder der nationalen oder regionalen Befreiung, verwiesen.
So schreibt der Vorsitzende der Okzitanischen Nationalistischen Partei, dass "die nationale Unabhängigkeit sich immer als das entscheidende Ziel erweist, das allen anderen vorangeht: Sozialismus, Demokratie, usw. Und diese können wirklich nur in ihrer Verlängerung verwirklicht werden". Für andere dagegen ist der Bezug auf den Sozialismus genauso wichtig wie die nationalistischen Forderungen. Aber dieser Sozialismus wird dann immer wie eine Lösung betrachtet, die im nationalen Rahmen eingreifen muss. Und so handelt es sich letztendlich um die regionalistische Version des Sozialismus in einem einzigen Land.
So kann man zum Beispiel die Korsische Regionalistische Front über "den korsischen kollektivistischen regionalen Sozialismus" (vgl: "Hände auf einer Insel") schreiben sehen. Der Stalinismus hatte aus dem "Sozialismus in einem einzigen Land" die tragische Karikatur des Sozialismus gemacht. Unsere Mikronationalisten machen eine komische Karikatur daraus.
Und diese Aktivisten bemühen - ebenfalls in stalinistischer Ausrüstung - strategische Formeln, in dem sie den berühmten "Block der vier Klassen" wieder dem Zeitgeschmack einverleiben.
Die Okzitanische Nationalistische Partei spricht sich so offen für "eine politische Linie der Union der nationalen Klassen: Bauer, Kleinbürger, Arbeiter, Nationalkapitalisten..." Andere posaunen weniger offen heraus, dass sie nicht davor scheuen würden, sich mit bürgerlichen Kräften zu verbinden, was sie umso weniger nötig habe, da sie ja an anderer Stelle zugeben, dass "ihre" Bourgeoisie sie durch die Integration in die französische Bourgeoisie verraten hat. Aber alle verweisen auf das "Volk", diesen bequemen Begriff, mit dem man es umgehen kann, deutlich zu zeigen, auf welche Schichten man sich eigentlich stützen will.
Es gibt keinen guten Nationalismus
So schwach auch immer ihr Programm ist, so verrät der bescheidene Aufschwung, den dieser mit "linkem Radikalismus" und Populismus mehr oder weniger eingefärbte Nationalismus in den letzten Jahren erlebt hat, eine soziale Tatsache. Aber bei dieser sozialen Tatsache geht es nicht um das tatsächliche Bestehen einer echten nationalen Frage in diesen Gegenden (die nationalistischen Bewegungen erklären übrigens, dass der Anklang der regionalistischen Standpunkte so gering sei, weil ihre Völker sich selbst entfremdet worden seien und sie ein nationales Bewusstsein zurückgewinnen müssten. Damit geben sie implizit den unwichtigen Charakter dieses Nationalismus zu.); diese soziale Tatsache ist die Verzweiflung gewisser Elemente des Kleinbürgertums, und besonders des intellektuellen Kleinbürgertums, ihre Unzufriedenheit mit der gegenwärtigen Gesellschaft und ihre Zukunftsangst.
In diesem Sinne vertreten tatsächlich die gegenwärtigen regionalen nationalistischen Bewegungen, wenigstens die meisten von ihnen, andere Inhalte als ihre Vorläufer der ersten Hälfte des Jahrhunderts. Der damalige Regionalismus war lange ein Ausdruck der Verweigerung der bürgerlichen Republik und die Sache von Nostalgikern des Ancien Régime2. Bei unseren gegenwärtigen Kleinbürgern aber geht es um anderes, nämlich darum, sich über die gegenwärtige Gesellschaft hinwegzutrösten, indem man davon träumt, wie die Leute sein könnten, wenn die Dinge anders gelaufen wären. Die okzitanischen Nationalisten träumen davon, was der Süden Frankreichs geworden wäre, wenn Montsegur3 unter den Schlägen der nördlichen Kreuzritter nicht schließlich gefallen wäre, die Bretonen davon, was die Bretagne geworden wäre, wenn nicht zwei Könige von Frankreich die Herzogin Anne gezwungen hätten, sie zu heiraten, die Korsen davon, was ihre Insel geworden wäre, wenn die Franzosen in Ponte Nuevo geschlagen worden wären.
Die Tatsache, die Wörter "nationalistisch" und "kleinbürgerlich" zu verbinden, wird uns zweifellos bittere Kritik der Betroffenen einbringen. Aber diese Verbindung ist eine Tatsache, nicht nur weil diese nationalistischen Bewegungen ihre Mitglieder tatsächlich in der intellektuellen Kleinbourgeoisie rekrutieren. Sondern vor allem, weil unabhängig von den Leuten, die ihn verkörpern, dieser Nationalismus nichts anderes als eine bürgerliche Konzeption sein kann.
Die nationalistische Ideologie ist wirklich keine über den Klassen stehende Ideologie, noch eine Ideologie, die immer schon existiert hat. Sie ist im Gegenteil aus einem sehr konkreten Klassenphänomen entstanden, nämlich der Entwicklung der nationalen Bourgeoisie, als Ausdruck ihres Strebens nach einem eigenen Nationalstaat. Und wenn die Mikronationalismen Frankreichs nicht direkt die Interessen einer (übrigens als solcher nicht existierenden) bretonischen oder okzitanischen Bourgeoisie wiedergeben, stehen sie doch nicht weniger auf dem Boden des Bürgertums.
Für Marxisten gibt es also keinen guten linken oder populären Nationalismus, der einem schlechten rechten Nationalismus entgegenstände. Es gibt keinen guten möglichen Nationalismus, eben weil, in welches politische Gewand er sich auch immer kleidet, der Nationalismus doch die Ideologie des Gegners bleibt.
Die nationalistischen Aktivisten versuchen, die Gesamtheit der Menschen, die zu ihrer Nation gehören, einschließlich der Arbeiter, zu überzeugen, dass sie zu derselben nationalen Gemeinschaft gehören, und dass sie als Mitglieder dieser Gemeinschaft, unabhängig von ihren eigenen Klasseninteressen, ein gemeinsames Interesse hätten. Und die Bourgeoisie unter dem Vorwand zu exkommunizieren, sie hätte verraten (was auch die Französische Kommunistische Partei, die, nach ihrem eigenen Ausdruck, "der Bourgeoisie die Trikolore abgenommen hatte", auch bezüglich der französischen Bourgeoisie während des Zweiten Weltkrieges gemacht hatte) ändert nichts am reaktionären Inhalt dieser Propaganda.
Die kommunistischen Aktivisten erachten es im Gegenteil als ihre erste Pflicht, alles dafür zu tun, damit die Arbeiter sich dessen bewusst werden, dass sie zu einer Klasse gehören, die die internationale Arbeiterklasse ist, und dass die einzige Interessengemeinschaft, die sie in ihren Kämpfen berücksichtigen müssen, diejenige ist, die sie mit dem Weltproletariat vereint.
Zwischen den beiden Konzeptionen gibt es keine mögliche Synthese, weil Wasser sich nicht mit dem Feuer verbindet, und weil sie die Interessen zweier Klassen widerspiegeln, die im historischen Maßstab hoffnungslos verfeindet sind.
Das bedeutet nicht, dass die Marxisten der nationalen Frage einfach den Rücken kehren.
Zuerst erkennen sie natürlich das Recht der Völker auf Selbstbestimmung an, weil sie selbstverständlich auch keinen Grund haben, eine unterdrückte Nation in der Unterdrückung halten zu wollen. Und sie erkennen auf die gleiche Weise, und wäre es nur im Namen der elementarsten Freiheit, das Recht aller ethnischen Minderheiten an, ihre eigenen Sprachen zu sprechen und ihre eigene Kultur zu entwickeln.
Dann sind sie sich vollkommen bewusst, dass der Kampf für die nationale Unabhängigkeit, in gewissen Fällen, in Hinblick auf die Klasseninteressen des Proletariates durchaus richtig sein kann. Aber es ist immer eben dieser Blickwinkel, aus dem sie urteilen. Und sogar, wenn es ihnen richtig erscheint, einen Kampf für die nationale Unabhängigkeit zu unterstützen, oder sogar sich an die Spitze eines solchen Kampfes zu setzen, geschieht das eben niemals im Namen des Nationalismus, der deshalb nicht weniger ihr Feind ist, weil er für dieselbe Unabhängigkeit eintritt, sondern immer im Namen des Internationalismus.
Die Revolutionäre und die Mikronationalismen Frankreichs
Es ist leider nicht übertrieben zu sagen, dass die Mehrheit der Gruppen oder Strömungen, die sich auf den revolutionären Sozialismus berufen, leider weit entfernt davon ist, diese elementaren marxistischen Prinzipien anzuwenden, nicht nur wegen der Art, wie sie die Emanzipationsbewegungen der kolonialen Völker unterstützen, sondern auch in ihrem Verhalten gegenüber den Mikronationalismen Frankreichs.
Von den Maoisten bis zur Kommunistischen Liga4 hat sich die Unterstützung der Emanzipationsbewegungen der kolonialen Völker, zu der die Revolutionäre verpflichtet sind, tatsächlich in ein flaches Mitläufertum in Bezug auf die Politik der nationalistischen Organisationen, die diese Bewegungen leiten, verwandelt, illustriert durch die Losungen "Palästina wird siegen" oder "FNL wird siegen". Von Seiten der maoistischen Aktivisten, die in Frankreich dieselbe nationalistische Ideologie vertreten, ist das nicht erstaunlich. Aber es ist umso erstaunlicher von Seiten der Aktivisten, die sich auf den Trotzkismus und die Vierte Internationale berufen.
Wenn man über dieses Problem mit Aktivisten der Kommunistischen Liga diskutiert, führen sie sehr oft ihre Sorge um Effizienz an, die Notwendigkeit, diejenigen zu unterstützen, die kämpfen - als ob nicht die beste Hilfe, die man den kämpfenden Völkern der Dritten Welt geben könnte, darin bestünde, eine richtige Politik zu vertreten. Aber wir werden sehen, dass bezüglich der Mikronationalismen Frankreichs, die nun wahrlich keine große politische Bedeutung haben, die Mehrheit der linksextremen Gruppen eine Politik vertritt, die zwar diskreter, aber nicht weniger opportunistisch ist.
Nach den maoistischen Gruppen, von denen sich manche übrigens sehr schlecht von regionalen nationalistischen Gruppen unterscheiden lassen, ist der deutlichste Fall der der PSU5. Diese Partei hat es sich zur Spezialität gemacht, sich mit den Problemen der "nationalen Minderheiten" Frankreichs zu beschäftigen, und sie zählt eine gewisse Anzahl von notorischen nationalistischen Aktivisten zu ihren Mitgliedern. Diese vertreten vielleicht nur sich selbst. Aber es genügt, den durch die ausscheidende Führung vorgeschlagenen Text zum letzten Kongress dieser Partei zu lesen, um zu sehen, wie die PSU das Problem sieht: "Die nationalen Minderheiten (Bretonen, Korsen, Basken, Katalanen, Okzitanier, Elsässer, usw.) müssen eine wichtige Rolle in der revolutionären Bewegung spielen. Tatsächlich werfen sie mit Schärfe die Frage der ungleichen Entwicklung als Folge des Profitgesetzes auf. Wo der Kapitalismus herrscht, gibt es unvermeidlich Kolonisation und Schaffung unterentwickelter Gegenden. Diese Bewegungen greifen also den Kapitalismus im tiefsten seiner Widersprüche an". Was auf gut deutsch bedeutet, dass die wichtigsten Widersprüche des französischen Kapitalismus nicht die zwischen Unternehmern und Arbeitern sind, sondern die zwischen "nationalen Minderheiten" und Kapitalismus.
Aber nach dieser offenbaren Übertreibung, die nicht nur eine Fehleinschätzung ist, sondern die ein opportunistisches Mittel, um die zur Debatte stehenden nationalistischen Bewegungen aufzuwerten, kommt man zu folgender strategischen Schlussfolgerung: "Diese Bewegungen sind imstande, in gemeinsamen Kämpfen Arbeiter und Bauern, Angestellte und Kleinhändler, Männer und Frauen, Jugendliche und Alte zu vereinen. Sie tragen also zur Volkseinheit bei, die allein die sekundären Widersprüche wird überholen können, von denen sie gezeichnet ist".
Dass nationale Bewegungen im Kampf unterschiedliche Schichten und Klassen der Bevölkerung vereinigen können, ist eine Tatsache, aber nicht notwendigerweise eine wünschenswerte Tatsache.
Alles hängt davon ab, hinter welcher Klasse, der Bourgeoisie oder dem Proletariat, diese Einheit vollzogen wird. Und der Terminus "einer Volkseinheit", den die PSU von den Stalinisten und den chilenischen Reformisten übernommen hat, ist, auch wenn er etwas radikaler ist als der weniger gebräuchliche Begriff der "nationalen Einheit", politisch deswegen nicht mehr wert.
Auch die Kommunistische Liga ist diesen Äußerungen der PSU gegenüber sehr kritisch. Aber das bedeutet nicht, dass sie nicht denselben opportunistischen Verführungen unterworfen ist. Das Manifest der Liga "Was will die Kommunistische Liga" enthält ein Kapitel mit der Überschrift "Unterstützung des antikapitalistischen Kampfes der so genannten ,regionalistischen' Bewegungen", dessen Titel schon ein ganzes Programm beinhaltet. Was bedeutet der Ausdruck "antikapitalistischer Kampf" wirklich? Die einzigen Kämpfe, die wir kennen und die diese Benennung verdienen, sind die der Arbeiterklasse gegen die Bourgeoisie.
Aber darum geht es hier offensichtlich nicht. Man will uns zu verstehen geben, dass es Kämpfe gibt, die sich gegen den Kapitalismus richten, ohne dabei in Richtung Sozialismus zu gehen, genau wie die Vierte Internationale (Version Vereinigtes Sekretariat) die "antikapitalistischen" Staaten, weder bürgerliche noch Arbeiterstaaten, erfunden hat. Was eine Art ist, einen keuschen Schleier über die fraglichen Kämpfe zu werfen, damit man ihr Geschlecht nicht sieht!
Man findet übrigens dieselbe bewusste Zweideutigkeit im zweiten Teil des Titels wieder: die so genannten "regionalistischen" Bewegungen. Denn was genau bedeutet das Wort "regionalistisch" politisch wirklich? Die Frage, die sich stellt, besteht darin zu erkennen, ob diese Bewegungen sich auf den Standpunkt des Nationalismus stellen oder nicht (wobei die Tatsache, dass sie die formelle Unabhängigkeit "ihres Landes", oder einfach eine gewisse Autonomie im Rahmen eines französischen Staats fordern, im Grunde nichts am politischen Grundproblem ändert)? Die Liga hütet sich gut davor, auf diese Frage zu antworten. Aber die Schlussfolgerung des entsprechenden Kapitels zeigt klar die Gründe dieser freiwilligen Ungenauigkeit: "Es ist von nun an bedeutsam, dass die dynamischsten regionalen Bewegungen (die, wenn man geographisch genau sein will, eigentlich nicht ,regionalistisch' sondern vielmehr nur ,regional' sind), wenn auch manchmal verwirrt, sich auf den Kampf für den Sozialismus berufen, und das trotz der trübseligen reformistischen Wege, die ihnen die traditionelle Arbeiterbewegung vorschlägt." Der Verweis auf den "Sozialismus" wird zur "bedeutenden" Tatsache, als ob dieser Verweis nicht der kompromittierteste der Welt wäre, und das andere strapazierte politische Kriterium, das man uns wir selbstverständlich damit einhergehend vorschlägt, ist das der "Dynamik". Aber wo ist der Marxismus da drin?
In der Tat, so wie die Liga viele nationalistische Organisationen auf internationaler Ebene gefolgt hat, behält sie sich mit dieser "Analyse" die Möglichkeit vor, es mit der so genannten Bewegung "dynamischer" "Regionalisten" in Frankreich ebenso zu machen, sollte diese in der Folge der Ereignisse noch "dynamischer" werden. Und von nun an erspart sich die Liga wohl, die nationalistische Politik dieser Gruppen zu kritisieren, die "wenn auch manchmal verwirrt, sich auf den Kampf für den Sozialismus berufen", und zu erklären, worin Nationalismus und Sozialismus antagonistisch sind.
Diese Art, die politische Diskussion über die Politik dieser Gruppen aufzugreifen, ist ebenfalls vollkommen deutlich in der Broschüre "Okzitanien und Klassenkampf", die von Aktivisten der Kommunistischen Liga des Südens ausgearbeitet wurde. Nach einer Erinnerung an die Positionen Lenins zur nationalen Frage findet man Äußerungen dieser Art, die sich an die okzitanischen Nationalisten richten: Man muss "sehr sorgfältig in der Handhabung des okzitanischen Diskurses sein, wenn man nicht will, dass er von schlimmsten Klasseninteressen vereinnahmt wird", oder auch "eine Linie, die sich um Losungen wie ,freies Okzitanien', ,Okzitanien zuerst' oder ganz kurz ,Okzitanien' dreht, ist nicht imstande, revolutionär wirksam zu werden. Die Gefahr des kleinbürgerlichen nationalistischen Absterbens lauert ihr auf, wie progressiv auch immer die Absichten ihrer Autoren sind". Aber wenn auf die Autoren der Losung "Okzitanien zuerst" nur eine "Gefahr" lauert, was muss man ihnen dann zurufen, um in den Augen der Aktivisten der Kommunistischen Liga als kleinbürgerlicher Nationalist zu gelten?
Die Mikronationalismen Frankreichs sind heute kaum mehr als sie selbst. Aber man darf nicht ausschließen, dass im Fall einer sozialen Krise, in unserer Epoche des Zerfalls des Kapitalismus, diese oder jene Bewegung massenhaften Anklang unter den aufgebrachten kleinbürgerlichen Schichten finden kann. Die Koketterien, denen sich heute die linksradikalen Organisationen diesen nationalistischen Bewegungen gegenüber hingeben, können eben Anlass zur Besorgnis geben, wenn ein solcher möglicher Fall einträte. Und auch wenn wir natürlich nicht aufhören sollten zu versuchen, die durch diese nationalistischen Strömungen mehr oder weniger beeinflussbaren Jugendlichen zu gewinnen, sollten wir es nur tun, indem wir die Notwendigkeit eines brutalen, totalen Bruches mit der nationalistischen Ideologie zeigen, wenn sie wirklich ihr Los mit demjenigen der arbeitenden Massen verbinden wollen. Und nicht dadurch, dass wir versuchen, die grundsätzlichen Unterschiede, die Klassengegensätze auszuradieren, die die proletarischen Revolutionäre von den Nationalisten trennen.
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1) Departement an der französischen Südküste
2) die "alte Regierungsform" vor der französischen Revolution
3) Montsegur (Südfrankreich) war die Hauptstadt der katharischen Kirche. Im Frühjahr 1244 wurde nach zehn Monaten Belagerung die Burg von den Truppen der französischen Krone zerstört und 225 Katharer wurden verbrannt.
4) Revolutionär-Kommunistische Liga ab 1974
5) Vereinigte Sozialistische Partei, während des Algerienkriegs als eine Abspaltung der Sozialistischen Partei entstanden