Aus Lutte de Classe (Nr. 227, November 2022)
Nach dem Tod der 22-jährigen Mahsa Amini, die am 14. September durch Schläge der Teheraner Sittenpolizei starb, weil sie ihr Kopftuch falsch trug, wuchsen die Proteste gegen das Regime der Ayatollahs, die seit 1979 die Islamische Republik Iran regieren.
Zu den Bildern von Frauen, die auf der Straße ihren Schleier verbrennen, und dem Hauptmotto der Bewegung "Frauen, Leben, Freiheit" gesellten sich schnell die Parolen "Tod dem Diktator", "Khamenei du bist ein Mörder, wir werden dich begraben", "Nieder mit dem Unterdrücker, ob er nun König oder Oberster Führer ist", die überall im Land aufgegriffen wurden. Die Proteste betreffen alle großen Städte, in allen Regionen, unabhängig davon, ob die Bevölkerung ethnischen Minderheiten angehört oder nicht, ob sie schiitisch oder sunnitisch ist.
Die Demonstranten: Frauen und Männer, jung und entschlossen
Die Entschlossenheit der Demonstranten, Frauen und Männer zusammen, ist auffallend. Frauen, die demonstrativ ohne Schleier herumlaufen, wissen, dass sie von der Polizei geschlagen, verhaftet und im Gefängnis gefoltert werden können, aber das hält sie nicht auf: „Ich kämpfe, ich sterbe, ich hole mir den Iran zurück", skandieren einige Demonstranten. Ein Transparent verkündete Mitte Oktober in Teheran: "Wir haben keine Angst mehr vor euch, und wir werden euch bekämpfen“. Und es gibt übrigens auch Verletzte und Tote auf Seiten der Repressionskräfte. Schon in den ersten Tagen forderten die Vertrauten von Ayatollah Khamenei die Polizei und die Pasdaran, die Revolutionswächter, auf, "keine Gnade zu zeigen" und "die Kriminellen nicht zu verschonen". Nach Angaben der Organisation Iran Human Rights wurden bis zum 15. Oktober bereits mehr als 240 Menschen getötet und Tausende verletzt. Eine genaue Zahl ist schwer zu ermitteln, da die Verletzten aus den Krankenhäusern fliehen, wo die Schergen des Regimes sie festnehmen, wie es bereits 8.000 Demonstranten in mehr als 100 Städten ergangen ist.
In zwei Regionen, die ärmer sind als die anderen und in denen die Bevölkerung mehrheitlich sunnitisch und nicht wie die regierenden Ayatollahs schiitisch ist - Kurdistan sowie Sistan und Belutschistan -, war die Repression besonders brutal. In Iranisch-Kurdistan, der Region, in der Mahsa Amini lebte, sind die Regimegegner besser organisiert, oft auf der Grundlage kurdischer Nationalisten, manchmal unter Berufung auf den Maoismus oder den Kommunismus. Unter dem Vorwand, dass einige Demonstranten bewaffnet waren, schossen die Polizei und die Pasdaran mit scharfer Munition und töteten mindestens 30 Menschen. In Belutschistan lösten die Vergewaltigung und Ermordung einer 15-jährigen Belutschin durch den Polizeichef der Hafenstadt Chabahar zusammen mit der Wut über den Tod von Mahsa Amini Volksaufstände aus. Bei der Niederschlagung wurden über 50 Menschen getötet, während zwei Obersten der Pasdaran getötet wurden.
Ein weiteres Merkmal dieser Proteste ist die große Jugend der Teilnehmer. Die Revolte betrifft nicht nur die Studenten, die in Teheran und einem Dutzend anderer Städte unter dem Ruf "Die Studenten ziehen den Tod der Demütigung vor" die Aussetzung des Unterrichts erzwangen und anschließend Universitäten besetzten, bevor sie manu militari vertrieben und in Polizeigewahrsam oder ins Gefängnis gebracht wurden. Sie trifft Schüler der Sekundarstufe, vor allem Mädchen, manchmal auch Grundschüler, die das Porträt des Ayatollahs, das in allen Klassenzimmern hängt, abreißen, ihm den frevelhaften Stinkefinger zeigen, sich weigern, den Schleier zu tragen und zu verbotenen Demonstrationen gehen. Der Koordinierungsrat der Grundschullehrer, der außerhalb der offiziellen Gewerkschaften einen langen Streik für die Gehälter Ende 2021 und Anfang 2022 organisiert hatte, beklagt das Eindringen der Polizei in die Schulen und die Denunziation durch einige Schulleiterinnen. So starb am 17. Oktober die 16-jährige Asra Panahi, die sich geweigert hatte, an einer aufgezwungenen Demonstration zur Unterstützung des Regimes teilzunehmen, in Ardabil unter den Schlägen der Polizei. Der Tod von zwei weiteren 16-jährigen Schülerinnen, die während einer Demonstration getötet wurden, und der Druck der Machthaber auf ihre Familien, eine falsche offizielle Version der Todesursache zu bestätigen, verstärkten die Wut. Von den Opfern der Repressionen sollen laut Amnesty International 23 zwischen 11 und 17 Jahre alt gewesen sein. Ein Richter in Teheran verurteilt festgenommene Minderjährige systematisch zu einem Jahr Gefängnis, 74 Peitschenhieben und einem Jahr Anwesenheitspflicht beim Freitagsgebet! Das hält diese Jugendlichen nicht auf: Revolte und Entschlossenheit sind keine Frage des Alters.
Ein Protest der Bevölkerung
Mit seinem gewaltsamen Vorgehen gegen die Jugend hat das Regime im ganzen Land breite Ablehnung hervorgerufen. Bisher regimetreue Persönlichkeiten aus dem Sport, wie die Fußballer der Nationalmannschaft, oder Leute aus dem Kulturbereich unterstützten den Aufstand. Diese Persönlichkeiten gingen das Risiko ein, unter dem Vorwurf der "Ermutigung zu Unruhen" und der "Solidarität mit dem Feind" verhaftet zu werden, wie ein ehemaliger Moderator des staatlichen Fernsehens. Viele kulturelle Einrichtungen, aber auch Geschäfte, blieben als Zeichen der Unterstützung geschlossen.
Die Unterstützung ist nicht auf das Kleinbürgertum beschränkt. Sie scheint tiefer zu gehen. Der virale Erfolg des Liedes Baraye, das sofort von mehr als 40 Millionen Menschen in einem Land mit 82 Millionen Einwohnern geteilt wurde, zeugt davon. Baraye (persisch für "wegen" oder "für") wurde von einem 25-jährigen beliebten Sänger komponiert, der aus diesem Grund verhaftet und später wieder freigelassen wurde. Das Lied enthält Gründe für den Sturz des Regimes und listet alle Verbote auf, die in dieser Diktatur für Frauen, Jugendliche und die gesamte Bevölkerung gelten. Es prangert bunt gemischt die Sittenkontrolle, die versperrte Zukunft, willkürliche Verhaftungen, Armut, die wirtschaftliche Ausweglosigkeit des Regimes, die Umweltverschmutzung, die das Land verwüstet, usw. an.
Ein weiterer Indikator für die Unterstützung durch die Bevölkerung, der Hoffnung für die Zukunft macht, weil er den sozialen Charakter der Proteste verändern könnte, ist der Streik von rund 4000 Arbeitern des South Pars Ölkomplexes im Süden des Landes, dem sich auch Arbeiter der Raffinerien in Khuzistan weiter nördlich angeschlossen haben. Diese Arbeiter sind aufgrund ihrer Anzahl, ihrer Konzentration in einem Sektor, der die wichtigste wirtschaftliche Ressource des Landes liefert, und vor allem aufgrund ihrer Kampftradition eine Macht. Ihre Ältesten haben 1979 eine entscheidende Rolle beim Sturz des Schahs gespielt, der die Ayatollahs an die Macht brachte. Im Sommer 2021 streikten sie für die Festanstellung von Zeitarbeitern, die von den regimenahen Bossen der Ölindustrie eingestellt werden, um die Löhne zu senken und die Arbeitsbedingungen zu verschlechtern. Da die offiziellen Gewerkschaften den Bossen unterworfen sind und unabhängige Gewerkschaften verboten sind, haben sich die Ölarbeiter daran gewöhnt, Kampfkomitees zu gründen. So veröffentlichte das Kampfkomitee der Ölvertragsarbeiter Anfang Oktober eine Botschaft an das Regime: "Wir werden die Arbeit einstellen und uns dem Volksaufstand anschließen, wenn ihr weiterhin Menschen tötet und verhaftet, die gegen das verpflichtende Tragen des Hidschabs protestieren." Andere Aktivisten, im Transportsektor und in der Zuckerindustrie, riefen zum Streik auf.
Die Diktatur der Ayatollahs
Das Regime befürchtet, dass sich die derzeitige Revolte, die in der Jugend im Zusammenhang mit den demokratischen Freiheiten und dem Kopftuchzwang begonnen hat, in eine soziale Revolte verwandeln könnte. Es fürchtet dies umso mehr, als die Ayatollahs selbst an die Macht gekommen sind, indem sie den gewaltigen Volksaufstand anführten, der die pro-amerikanische Schah-Monarchie zu Fall brachte, bevor sie ihn kanalisierten und alle ihre Gegner unterdrückten.
Die Islamische Republik war von Anfang an eine theokratische Polizeidiktatur, die die mittelalterlichen Vorstellungen des schiitischen Klerus über die Stellung der Frau in der Gesellschaft und ihre Kleidung durchsetzte, ihre politischen Gegner und alle Arbeiter, die sich der Ausbeutung widersetzten, hart unterdrückte. Doch sie konnte in den Jahren 1978/79 eine Volksbasis gewinnen, die stark genug war, um über vierzig Jahre lang dem Druck des Imperialismus, mehreren Wirtschaftsembargos, einem verheerenden Krieg mit dem Irak und mehreren inneren Aufständen standzuhalten.
Indem er als unversöhnlicher Gegner der militärisch-polizeilichen Diktatur des Schahs auftrat, etablierte sich Ayatollah Khomeini (1902-1989), Oberhaupt der schiitischen Geistlichkeit, der zunächst inhaftiert und dann 15 Jahre lang im Irak und später in Frankreich ins Exil geschickt wurde, als Führer des monatelangen Volksaufstands von 1978/79. Dabei konnte er sich auf die Gefolgschaft und politische Blindheit aller antimonarchischen politischen Kräfte des Landes verlassen, von liberalen bürgerlichen Strömungen über die Toudeh-Partei, die Kommunistische Partei Irans, bis hin zu Organisationen, die sich auf einen marxistisch gefärbten "revolutionären Islam" beriefen, wie die Organisation der Volksmudschaheddin. Unter dem Vorwand, eine Einheit gegen den Schah zu bilden, unter dem Vorwand, dass Khomeini, der ihm folgende schiitische Klerus und die von ihm kontrollierten Milizen in den armen Bevölkerungsschichten äußerst beliebt waren, erkannten alle Oppositionsparteien, ob säkular, liberal oder marxistisch, ihn als Führung der Bewegung an. Die Parteien, die bei den Arbeitern, insbesondere den Ölarbeitern, die in Komitees organisiert waren und gegen den Schah streikten, einen gewissen Vertrauensvorschuss hatten, demonstrierten hinter Khomeinis Porträts, ohne die Arbeiter je vor der Gefahr, die er darstellte, zu warnen. Diese Parteien überließen nicht nur die Macht den Religiösen, sondern entwaffneten die Arbeiter auch politisch, indem sie die Ayatollahs als ihre Verbündeten und sogar als ihre Vertreter darstellten.
Khomeini kam am 12. Februar 1979 nach einem bewaffneten Aufstand der armen Massen in Teheran an die Macht, den er weder gewollt hatte noch verhindern konnte, aber auch mit der Unterstützung eines großen Teils der Armeeoffiziere, die von den USA ausgebildet worden waren und noch wenige Wochen zuvor dem Schah die Treue gehalten hatten. Die von Khomeini gegründete Islamische Republik recycelte den Großteil der Kader dieser Armee, wenngleich sie auch neue Repressionsorgane schuf, eine zweite Armee mit den Pasdaran bzw. Revolutionswächtern sowie die Basidschis, Milizen, die Arme rekrutieren, um im Namen strenger religiöser Grundsätze andere Arme zu überwachen.
Von Anfang an war die Ideologie des Regimes eine Mischung aus antiimperialistischem Nationalismus, gleichmacherischer Demagogie gegenüber den Armen und gleichzeitig religiösem Obskurantismus und reaktionären sozialen Praktiken. Die iranische Bourgeoisie fand schnell Gefallen an diesem Regime, das in der Lage war, die Volksschichten zu kontrollieren, indem es zwischen Versprechungen eines märchenhaften Paradieses nach dem Tod und einer Politik der schweren Prügel und Peitschenhiebe wechselte. Es dauerte nicht lange, bis alle Parteien, die sich hinter Khomeini gestellt hatten, verboten und ihre Aktivisten aufgespürt und ins Gefängnis geworfen wurden. Wenige Wochen nach dem Sturz des Schahs setzte Khomeini das alte Familiengesetz außer Kraft, behielt das Scheidungsrecht allein den Männern vor und verpflichtete alle Frauen im Iran zum Tragen des Kopftuchs. Am 8. März 1979 marschierten etwa 50.000 Frauen mit nacktem Kopf in Teheran gegen diese Pflicht. Einige Monate zuvor hatten viele von ihnen die Politik des Schahs, den Schleier zu verbieten, angeprangert und Khomeini als ihren größten Gegner ausgerufen. Im Mai wurde eine erste Frau in der Öffentlichkeit ausgepeitscht. Im August unterdrückten Khomeinis Milizen unter Beteiligung der Armee kurdische Autonomiekämpfer. Schnell wurden liberale, linke und linksextreme Parteien, Organisationen und Zeitungen verboten; das Streikrecht wurde außer Kraft gesetzt, Gewerkschaftsführer verhaftet und die Pressefreiheit abgeschafft. Eine reaktionäre und arbeiterfeindliche bleierne Decke legte sich über den Iran.
Der tiefe Volksaufstand, der den Schah vertrieben hatte, brachte eine neue Diktatur hervor, weil die Ausgebeuteten während des Aufstands keine politische Führung gefunden hatten, die es ihnen ermöglicht hätte, selbst die Macht zu übernehmen. Um die Gesellschaft zu verändern, reichen Mut und Entschlossenheit allein nicht aus, man braucht eine politische Führung, die es ermöglicht, die Sache bis zum Ende durchzuziehen.
Die soziale Basis des Regimes ist geschrumpft
Seit 1979 ist viel Wasser unter den Brücken hindurchgeflossen und die Volksbasis der Islamischen Republik ist erheblich geschrumpft.
Ohne bis zum Aufstand von 2009 gegen die betrügerische Wiederwahl des "konservativen" Ahmadinedschad gegen den „reformorientierten“ Mussawi zurückzugehen, wurde das Regime in den letzten Jahren von mehreren Volksaufständen erschüttert. Ende 2017/Anfang 2018 war von Maschhad, der zweitgrößten Stadt des Landes und Sitz zahlreicher religiöser Institutionen, eine Welle von Regimeprotesten gegen das hohe Lebensniveau, gegen die Privilegien der Würdenträger des Regimes und der von ihnen geleiteten religiösen Institutionen sowie gegen die organisierten Konkurse der örtlichen Banken ausgegangen. Dieser Protest hatte die kleinen Leute in den Provinzstädten und die Bauern erfasst, deren Land von den Günstlingen der Regionalbehörden enteignet und deren Wasser gestohlen wird - beides sind soziale Gruppen, auf die sich die konservativen Fraktionen des Regimes in der Vergangenheit oftmals stützen konnten. Die Bewegung hatte sich auf die großen Unternehmen des Landes ausgeweitet, auf Ölstandorte, Zuckerfabriken und Stahlwerke, deren Beschäftigte sehr oft streiken, um ihre Löhne zu erhalten und ihre Manager daran zu hindern, ihre Boni zu stehlen; auf die Lkw-Fahrer, die oft angestellt, manchmal selbstständig sind, aber von mächtigen Auftraggebern abhängig sind. Im Iran verwandeln die Repressionen gegen Aktivisten und die Notwendigkeit, sich außerhalb der offiziellen Organisationen zu organisieren, die Wirtschaftsstreiks sehr schnell in einen politischen Kampf.
Im November 2019 begann ein weiterer Aufstand gegen die Erhöhung der Treibstoffpreise und der Preise für lebensnotwendige Güter. Die Demonstranten griffen die Würdenträger des Regimes an, die Offiziere der Pasdaran, jenem von der offiziellen Armee getrennten Korps, das eine Stütze des Regimes ist, und prangerten ihre Privilegien, ihr Monopol auf Import und Export, ihre Korruption und ihre kostspieligen Militärinterventionen im Nahen Osten an; außerdem die Mitglieder des hohen Klerus, die Sparsamkeit und strenge Sitten predigen, aber im Luxus leben und regelmäßig in Sittenskandale oder Prostitutionsnetzwerke verwickelt sind.
Auf jeden dieser Aufstände reagierte das Regime mit gnadenloser Unterdrückung. Im Jahr 2019 konnte das Regime mit mehr als 1500 Toten (Zahlen der Nachrichtenagentur Reuters), Tausenden Verschwundenen und jahrelangen Haftstrafen den Mantel des Schweigens für eine Weile schließen. Die andere Waffe, die es systematisch einzusetzen versucht, ist die Verschärfung des Nationalismus, mit der es versucht, die armen Schichten hinter den Mullahs zusammenzuschweißen, indem es „ausländische Feinde“ anprangert, insbesondere „Saudi-Arabien, den großen Satan USA und die Zionisten Israels“.
Doch der Mythos einer islamistischen Republik, die sich um das Schicksal der Armen sorgt, ist zunehmend abgenutzt. Zum ersten Mal scheint das Regime große Schwierigkeiten zu haben, ayatollah-freundliche Gegendemonstrationen zu organisieren, wie es ihm bei früheren Aufständen gelungen war. Die Wirtschaftskrise, die durch das unter Trump 2018 eingeführte US-Embargo noch verschärft wurde, führt zu explodierenden Preisen und vielfältigen Engpässen für die Bevölkerung. Die offizielle Inflationsrate liegt bei über 50% und die Preise für eine Vielzahl von Alltagsgütern sind innerhalb eines Jahres um das Doppelte gestiegen. Innerhalb von zehn Jahren ist der durchschnittliche Lebensstandard der iranischen Bevölkerung um 25% gesunken. Der Kontrast zwischen dieser Verschlechterung, die natürlich in erster Linie die einfachen Bevölkerungsschichten trifft, und der Korruption der Würdenträger des Regimes, ihren Steuerbefreiungen, den Reichtümern, die sie aus den Öleinnahmen, ihrer Kontrolle über die Importe und zahlreiche Staatsgüter beziehen, und dem Luxus, in dem ihre Familien leben, ist immer krasser. So schätzt die Nachrichtenagentur Reuters das Vermögen von Ayatollah Khamenei, das er durch seine Beteiligungen an staatlichen Unternehmen erzielt hat, auf 95 Milliarden US-Dollar, dem Dreifachen der Einnahmen aus den jährlichen Ölexporten des Iran.
Die Haltung der Imperialisten gegenüber dem Iran
Das Regime mag zwar die ausländische Einmischung in den derzeitigen Aufstand anprangern, doch in Wirklichkeit fallen die imperialistischen Regierungen, sowohl die amerikanische als auch die europäischen, vor allem durch ihr wohlwollendes Schweigen auf. Abgesehen von diplomatischer Kritik an der „gewaltsamen Unterdrückung" und der Ankündigung neuer Sanktionen gegen den Iran steht die Haltung von Biden oder Macron gegenüber der brutalen Diktatur Khameneis im Gegensatz zu der Haltung, die sie derzeit gegenüber Putin an den Tag legen. Für die US-Regierung ist „ein Regimewechsel im Iran nicht die Priorität“. Auf israelischer Seite herrschen „Abwarten und Vorsicht“ (Courrier international) vor.
Seit Jahrzehnten versuchen die westlichen Mächte, vor allem die USA, das Mullah-Regime zu schwächen, das durch die Vertreibung ihres Schützlings an die Macht gekommen ist, und machen die Denunziation des "großen amerikanischen Satans" zu ihrem politischen Geschäft, doch sie wollen vor allem nicht, dass dieses Regime durch einen Volksaufstand fällt, den sie mehr als alles andere fürchten. Sie haben sich von Anfang an mit ihm arrangiert. Zwar drängten sie in den 1980er Jahren den Iraker Saddam Hussein dazu, einen Krieg gegen Khomeinis Iran zu beginnen, doch verkauften sie sehr schnell Waffen an Khomeini (Irangate 1985), um ein mörderisches Gleichgewicht zwischen den beiden Ländern aufrechtzuerhalten. Selbst die Rivalität zwischen dem Iran und Saudi-Arabien ermöglicht es den imperialistischen Führern, die saudischen Prinzen unter Druck zu halten. Im Grunde genommen stört Biden oder Macron die Brutalität des Iraners Khamenei genauso wenig wie die des Saudi Mohamed bin Salman.
Und obwohl der Iran weniger gefügig ist als die beiden regionalen Verbündeten des Imperialismus, Saudi-Arabien oder Israel, spielt auch er die Rolle des Polizisten im Nahen Osten. So entschieden sich die USA bei der Wiederherstellung des irakischen Staatsapparats nach dem Sturz Saddam Husseins dafür, schiitische Parteien und Milizen mit engen Verbindungen zum Iran zu begünstigen, wodurch das Gewicht der Pasdaran in der Region gestärkt wurde. Trotz der vom Iran und Israel, das von den Ayatollahs als "kleiner Satan" bezeichnet wird, verwendeten Kriegsrhetorik, trotz ihrer Auseinandersetzungen durch zwischengeschaltete Milizen in Syrien oder im Libanon, trotz gezielter Tötungen oder israelischer Razzien gegen Atomanlagen unterhalten der Iran und Israel vielfältige Handelsbeziehungen, auch im Bereich der Rüstungsgüter.
Die Presse hat in letzter Zeit viel über die Lieferung von Kamikaze-Drohnen und Raketen durch den Iran an Russland berichtet, die gegen die Ukraine abgefeuert wurden. Dabei weist sie darauf hin, dass sich die Beziehungen zwischen Russland und dem Iran seit dem Beginn des Krieges am 24. Februar verstärkt haben. So bedauerte der französisch-iranische Anwalt Ardavan Amir-Aslani am 25. Juli 2022 auf France Info, dass „der Iran als Schlupfloch für internationale Sanktionen dient: Eine Reihe großer internationaler Konzerne verkaufen ihre Produkte an die Russen durch Verkäufe, die zugunsten iranischer Industrieller getätigt werden“. Dies beweist nur, dass die iranische Führung versucht, internationale Spaltungen zu nutzen, um die Sanktionen zu lockern, die sie im Würgegriff haben.
Auf dem Foto von Putin und dem iranischen Präsidenten Raissi in Moskau im Juli 2022 war auch der Türke Erdogan zu sehen, der seinerseits militärische Drohnen an die Ukraine verkauft und Mitglied der NATO ist, während er gleichzeitig versucht, sich nicht völlig der amerikanischen Vormundschaft zu unterwerfen. Je nachdem, wie sich der Krieg in der Ukraine entwickelt, unter welchen Bedingungen er sich ausweiten könnte und welche Länder morgen zu direkten Kriegsparteien werden könnten, können sich die Beziehungen zwischen der Islamischen Republik und den imperialistischen Mächten mehrfach ändern.
Welche Perspektiven hat der Aufstand?
Natürlich kann man nur hoffen, dass das Ayatollah-Regime schließlich unter dem Druck der Straße, der Jugend, der einfachen Bevölkerung und der Arbeiter stürzt. Doch zum einen gibt es bislang keine Anzeichen dafür, dass das Regime derart geschwächt ist. Andererseits würde der Sturz der Diktatur allein für die Armen und Ausgebeuteten im Iran nichts lösen, wenn sie nicht selbst die Führung in dieser Revolte übernehmen, bewusst und mit ihren eigenen Organisationen und politischen Zielen.
Das ist eine der grausamen Lektionen der Revolution von 1978/79. Eine weitere Lehre aus dieser Zeit, die seither in vielen anderen Ländern von Ägypten bis zum Sudan zu beobachten ist, besteht darin, dass sich an der Spitze der Aufstände der Unterdrückten immer eine Führung durchsetzt, die dann den Kampf kanalisieren oder sogar als Trittbrett benutzen kann, um an die Macht zu kommen.
An Kandidaten, die die Islamische Republik durch eine andere Diktatur ersetzen wollen, mangelt es nicht. Bereits jetzt lauern die Monarchisten: Reza Pahlavi, der Sohn des Schahs, hat aus seinem New Yorker Exil seine Solidarität mit den iranischen Frauen bekräftigt. Andere Politiker unter den sogenannten „Reformern“ des Regimes oder unter den „Demokraten“ aller Art könnten schnell auftauchen und die Religiösen aus dem Weg drängen. Die britische Zeitung The Independent zieht mehrere Szenarien in Betracht. So zitiert sie beispielsweise Ali Alfoneh, einen Iran-Experten am Arab Gulf States Institute in Washington, der als wahrscheinlichstes Szenario die Ablösung des derzeitigen Regimes durch „eine Militärjunta unter Führung der Revolutionsgarden“ sieht. Es besteht kein Zweifel daran, dass die Botschaften und Geheimdienste der Großmächte bereits am Werk sind.
Es wäre von entscheidender Bedeutung, dass es im Iran Aktivisten gibt, die alle Lehren aus der Vergangenheit gezogen haben, insbesondere unter den kämpferischen Arbeitern, die sich in den letzten Jahren organisiert haben, um ihre Lebensbedingungen in mehreren wichtigen Wirtschaftssektoren zu verteidigen. Deshalb muss darauf hingearbeitet werden, dass unter den mutigen und entschlossenen jungen Frauen und Männern, die im Land oder in der riesigen Diaspora demonstrieren, einige den Weg finden, um an das Erbe kommunistischer, revolutionärer und internationalistischer Ideen anzuknüpfen, was bedeutet, sich auf die Arbeiterklasse zu stützen und sich die Mittel zu verschaffen, es zu organisieren.
20. Oktober 2022