Der Demokrat Joe Biden, seit 100 Tagen im Weißen Haus im Amt, will mit Hilfe ambitionierter Konjunkturpakete der US-Wirtschaft beleben ... zumindest auf dem Papier. Die Summen, die er in die Wirtschaft pumpen will, belaufen sich auf tausende Milliarden Dollar an Staatsausgaben, die – so Biden – zumindest teilweise durch Steuererhöhungen für Unternehmen und Reiche finanziert werden sollen. Auch wenn ein Großteil dieses Programms bislang nur aus Absichtserklärungen besteht, genügte dies den Journalisten, um spöttelnde Bemerkungen über einen Präsidenten zu machen, der die USA scharf nach links führen würde.
Die Konjunkturpläne von Trump…
Die USA wurden wie der Rest der Welt 2020 von der brutalen Verschärfung der Wirtschaftskrise getroffen. Die US-Wirtschaft erlebte eine Rezession in der Größenordnung von 3,5%. Und dies trotz eines ersten Konjunkturpakets von Trump im März 2020, das 2.000 Milliarden Dollar schwer war – 2,5mal mehr als die Summe, die die US-Regierung in die Wirtschaft gepumpt hatte, um diese nach der Subprime-Krise 2007-2009 aus ihrer schwierigen Lage zu retten.
Dieses Konjunkturprogramm wurde quasi einstimmig vom Kongress beschlossen – und dies, obwohl sich Republikaner und Demokraten zu diesem Zeitpunkt in Vorbereitung auf die Präsidentschaftswahlen im November 2020 eigentlich ständig gegenseitig zerfleischten. Der Großteil dieser Summe kam direkt oder indirekt den Kapitalisten zugute. Aber das Konjunkturpaket umfasste auch einen Scheck von 1.200 Dollar (ungefähr 1.000 Euro) pro Person (und doppelt so viel für ein Paar) sowie 500 Dollar pro Kind − für alle, die weniger als 75.000 Dollar jährlich verdienen. Außerdem wurde die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes verlängert. Das Konjunkturpaket enthielt außerdem einen staatlichen Zuschuss von 600 wöchentlich zum Arbeitslosengeld, dessen Höhe von jedem Bundesstaat festgelegt wird. In jedem der darauffolgenden Konjunkturpläne findet man diese bzw. ähnliche Maßnahmen, allerdings mit immer knausrigeren staatlichen Zuschüssen zum Arbeitslosengeld.
Ein zweites Konjunkturpaket in Höhe von 900 Milliarden Euro wurde Ende 2020 entschieden, kurz nach dem Wahlsieg, aber vor dem Amtsantritt – während der recht bewegten Übergangsperiode. Dieses Konjunkturpaket wurde also noch von Trumps republikanischer Mannschaft und einer republikanischen Mehrheit im Senat in die Wege geleitet. Es enthielt unter anderem einen Scheck von 600 Dollar pro Person und einem staatlichen Zuschuss zum Arbeitslosengeld in Höhe von 300 Dollar pro Woche.
Haben diese Konjunkturprogramme die US-Wirtschaft aus ihrer verfahrenen Situation herausgeholt? Im ersten Quartal 2021 schien das Wirtschaftswachstum mit 6,4% wieder da zu sein, ohne dass die Verluste des Vorjahrs ausgeglichen worden wären. Es lässt sich nur so viel sagen, dass das Eingreifen des Staates bislang einen völligen Zusammenbruch der Wirtschaft verhindert – etwas, wozu die kapitalistische Klasse allein vollkommen unfähig ist.
Aber wenn die Wirtschaft vom Standpunkt der kapitalistischen Klasse wieder an Fahrt aufgenommen hat, samt ihrer Spekulationsblasen (die nebenbei den nächsten Börsenkrach auslösen könnten), so gilt dies keineswegs für die arbeitende Bevölkerung. Allein die Arbeitslosenzahlen vom Februar 2021 zeugen davon: das Pew Research Center (einer renommierten Einrichtung) schätzt, dass die Zahl der Arbeitslosen drei Mal höher ist als ein Jahr zuvor.
… und die von Biden
So war die Lage, als Biden Anfang des Jahres sein Amt angetreten hat. Kurz darauf hat er im Februar 2021 das dritte Konjunkturpaket aufgelegt, in Höhe von 1.900 Milliarden Dollar. Wie seine Vorläufer enthielt dieser « amerikanische Rettungsplan » einen Scheck in Höhe von 1.400 Dollar für all diejenigen, die weniger als 75.000 Dollar jährlich verdienen. Auch wurde die Dauer des Arbeitslosengeldbezugs erneut ausgeweitet. Biden hat also nichts erfunden. Und umgekehrt ist er auch nicht der erste Präsident, der die Bourgeoisie mit Geld überschüttet – zum Beispiel das 15 Milliarden Dollar Geschenk für die großen Luftfahrtunternehmen.
Letztlich entscheidet jedoch nicht der amerikanische Präsident über den Bundeshaushalt. Die parlamentarischen Regeln der USA behalten dem Kongress das Entscheidungsrecht in Haushaltsfragen vor. Derzeit haben die Demokraten (also die Partei von Biden) die Mehrheit im Repräsentantenhaus. Doch im Senat haben Republikaner und Demokraten derzeit gleich viele Sitze, und nur das doppelte Stimmrecht der Vizepräsidentin Kamala Harris sichert ihnen derzeit eine knappe Mehrheit von einer Stimme.
Bidens Konjunkturprogramm brauchte im Senat nur eine einfache Stimmmehrheit. Es wurde verabschiedet, ohne dass auch nur ein Republikaner dafür gestimmt hätte, obwohl es den vorherigen Konjunkturprogrammen unter Trump zum Verwechseln ähnlich war. Aber hierfür war es nötig, dass alle demokratischen Senatoren dem Plan zustimmen. Und hierfür musste Biden mit den verschiedenen politischen Strömungen innerhalb der Demokratischen Partei verhandeln, deren Spektrum man in Frankreich als gemäßigt rechts bis links charakterisieren würden.
Die Erpressung des demokratischen Senators Manchin aus West-Virginia anlässlich der dritten Abstimmung über das Konjunkturpaket war für Biden die Gelegenheit, eine seiner zentralen Wahlkampfversprechen über Bord zu werfen: die Erhöhung des staatlichen Mindestlohns auf 15 Dollar die Stunde – eine Maßnahme, von der 27 Millionen Lohnabhängige profitiert hätten, die aber die Unternehmer verärgert hätte. Dies rief prompt Kritiken seitens des linken Flügels der Demokraten hervor.
Im März nun verkündete Biden einen weiteren „Plan für amerikanische Arbeitsplätze“, der die unverzichtbare, aber sehr verfallene Infrastruktur wieder auf Vordermann bringen soll: Straßen, Brücken, Schulsystem, Gesundheitswesen und andere, der Bevölkerung nützliche öffentliche Dienste, die unbedingt der tausenden Milliarden Dollar bedürfen, die ihnen über Jahre vorenthalten wurden und die sich stattdessen auf den Konten von Jeff Bezos, Elon Musk et anderen Milliardären stapeln. Dies ist ein Eingeständnis einer der großen Schwachstellen des US-Kapitalismus.
Es ist möglich, dass der amerikanische Staat tatsächlich einen Teil oder sogar die Gesamtheit der innerhalb der nächsten fünfzehn Jahre hierfür vorgesehenen 2.300 Milliarden Dollar investiert in dem Versuch, einen Teil der Rückstände wieder aufzuholen, was als Nebeneffekt eventuell Arbeitsplätze schaffen könnte. Dass sich der Staat wie Roosevelt in den 1930er Jahren oder der französische Staat nach dem Zweiten Weltkrieg gezwungen sieht, an die Stelle der Kapitalisten zu treten und in notwendige Infrastrukturen zu investieren, ist deshalb noch lange kein Sozialismus. Diese Art staatlichen Eingreifens dient im Gegenteil dazu, den Kapitalisten solche langfristigen und hohen Investitionen abzunehmen, wodurch diese ihr gesamtes Kapital in rentablere und kurzfristige Investitionen stecken können. Und nebenbei florieren private Konzerne dank der Staatsaufträge, die der Staat für die Erneuerung der Infrastruktur vergibt.
Biden hat diese langfristigen Investitionen damit gerechtfertigt, dass die USA im weltweiten Wettbewerb weiterhin auf allen Gebieten die Nase vorn haben müsse – sei es gegenüber befreundeten Mächten wie die EU, gegenüber Rivalen wie Russland oder gar potenziellen Feinden wie China. Die New York Times titelte entsprechend: „Biden verbindet die Konjunkturprogramme mit Konkurrenzkampf gegen China.“
Kürzlich machte die französische Tageszeitung Libération mit der Schlagzeile „Biden, ein neuer Roosevelt“ auf, was als großes Kompliment gemeint war. Doch erinnern sie sich dabei auch daran, dass Roosevelt den Kapitalismus nur aus der Krise holte, indem er die USA aufrüstete und aktiv einen zerstörerischen Krieg im Pazifik vorbereitete – ein Krieg, der die ganze Aggressivität des US-Imperialismus gegen Japan entfesselte und mit dem Einsatz der Atombombe und der vollständigen Zerstörung von Hiroshima und Nagasaki endete?
Bislang haben die sehr anti-chinesischen Reden Bidens, die Trumps Tweets über das „chinesische Virus“ abgelöst haben, leider sehr konkrete Folgen, nämlich die Legitimation des anti-asiatischen Rassismus. Was sicher eine Rolle bei den Motiven des Attentäters gehabt hat, der Ende März sechs asiatische Frauen in Atlanta umgebracht hat.
Im April 2021 hat Biden dann noch einen weiteren Plan angekündigt, den „Plan für amerikanische Familien“, mit Ausgaben von 1.800 Milliarden Dollar innerhalb von 10 Jahren. Der Plan umfasst sehr unterschiedliche Maßnahmen: zum Beispiel mehr Kindergartenplätze oder auch Gebührenfreiheit für die ersten zwei Studienjahre an den örtlichen Universitäten (die einzigen, die für Kinder der Arbeiterklasse überhaupt bezahlbar sind, aber deren Abschlüsse auf dem Arbeitsmarkt nur geringen Wert haben). Die sozialen Maßnahmen dieses Plans ähneln dem, was seit langem in vielen Ländern Westeuropas Standard ist.
Bislang jedoch sind die beiden Pläne (der „Plan für amerikanische Arbeitsplätze“ und der „Plan für amerikanische Familien“) nicht über Absichtserklärungen hinausgekommen.
Die Finanzierung der öffentlichen Ausgaben
Es stimmt, dass Biden aufsehenerregende Erklärungen von sich gegeben hat: „Es wird Zeit, dass die Superreichen und die großen Unternehmen anfangen, ihren Anteil zu zahlen“, erklärte er. Und seinen Sympathisanten in Georgia rief er zu: „Nicht die Wall Street hat dieses Land aufgebaut.“ Die französische Linke überschlägt sich vor Begeisterung. Vielleicht ist dies die Nostalgie für die Wahlkampfreden François Hollandes, der 2012 den Finanzkapitalismus zu seinem Feind erklärt hatte, bevor er Präsident wurde und Macron zunächst als seinen Berater und später als Minister ins Amt holte, bevor dieser letztlich Hollandes Nachfolger wurde?
Wenn Biden hofft, die US-Wirtschaft durch massive Geldspritzen anzukurbeln, so bleibt die Frage der Finanzierung dieser Pläne völlig offen. Diejenigen, die in Biden den Messias für die Wiedergeburt einer linken Regierung sehen, messen ihn an seinen Reden und nicht daran, was er umsetzen kann. Dies jedoch bleibt abzuwarten, denn hierfür braucht er die Unterstützung von republikanischen Senatoren. Insbesondere an sie hat Biden seine leidenschaftlichen Appelle gerichtet, in dem er zur Geschlossenheit, zur nationalen Einheit aufruft, um das Land gegen den Konkurrenten China in Stellung zu bringen: „Wir dürfen bei all unseren kleinen Streitigkeiten [zwischen Demokraten und Republikanern] nicht vergessen, dass der wahre Konkurrenzkampf zwischen uns und China stattfindet. Und um diesen zu gewinnen, müssen wir investieren.“
Biden hat nun Verhandlungen mit den republikanischen Senatoren aufgenommen, ebenso mit demokratischen Senatoren, die ebenfalls den Umfang der Pläne einschränken wollen. Diese Senatoren können die Absichten des Präsidenten verhindern, wenn sie zum Beispiel einschätzen, dass dieses Geld besser für andere Dinge verwendet wird, zum Beispiel indem es direkt die ihnen nahestehende Geschäftswelt bereichert. Und mehr noch können diese Senatoren die derzeitigen Pläne zu deren Finanzierung verhindern.
Biden hatte bereits in seinem Wahlkampf angekündigt, dass er den Steuersatz auf Unternehmensgewinne von 21 auf 28% anheben wolle – als Gegenbewegung zu Trump, der ihn gesenkt hatte. Es ist durchaus möglich, dass der Kongress dieser Steuererhöhung zustimmt, so groß wie der Finanzbedarf für die üblichen Ausgaben ist, ganz zu schweigen von den weiteren tausenden Milliarden, die für die Konjunkturprogramme gebraucht werden. Der Milliardär Jeff Bezos hat erklärt, dass er für die Erhöhung des Steuersatzes sei. Doch selbst wenn es tatsächlich zu dieser Anhebung des Steuersatzes auf 28% kommen sollte, so läge er immer noch deutlich unter den 35%, mit denen Gewinne noch zu Zeiten von Obama und seinem Vizepräsident Biden besteuert wurden. Von einer „Steuer-Revolution“ sind wir weit entfernt!
Biden spricht auch davon, dass er gerne den Grenzsteuersatz auf Einkommen wieder von 37% auf 39,6% anheben wolle, so wie es vor Trumps Steuersenkungen für die Reichsten im Jahr 2017 war. Und was seinen Vorschlag angeht, die Kapitaleinkommenssteuer für Einkommen über eine Million Dollar jährlich quasi zu verdoppeln (von 20% auf 39,6%), so sind die Aussichten mehr als gering, dass dieser vom Kongress verabschiedet wird.
In Punkto Absichtserklärungen gibt es da noch Janet Yellen, die Finanzministerin Bidens, die vor einigen Wochen davon gesprochen hatte, für ein internationales Abkommen einzutreten, nach dem die multinationalen Konzerne überall mindestens mit 21% besteuert werden. Selbstverständlich ist die Realisierung eines solchen Abkommens noch in weiter Ferne. Es wird Jahre brauchen, bevor auch nur eine Milliarde besteuert wird ... wenn sie es überhaupt wird.
Die Bourgeoisie entzieht sich großteils der Steuerpflicht
Was auch immer Biden wirklich in Punkto Steuererhöhungen für Kapitalisten und Konzerne machen und was letztlich bei den Verhandlungen mit dem Kongress herauskommen wird, wird letztlich nur entfernt mit dem wirklichen Beitrag der Bourgeoisie zu den öffentlichen Finanzen zu tun haben.
In Wahrheit haben im letzten Steuerjahr 55 der größten Konzerne, die dem amerikanischen Fiskus Gewinne gemeldet hatten, gar keine Steuern auf diese Gewinne gezahlt. 26 von ihnen haben die ganzen letzten drei Jahre keine Steuern gezahlt – und dies, obwohl sie in dieser Zeit zusammen 77 Milliarden Dollar Profit gemacht haben. Mehrere von ihnen haben sogar Steuergutschriften in Höhe von insgesamt 3,5 Milliarden Dollar erhalten. All dies ist das Ergebnis der zahlreichen Steuerbefreiungen, die der Kongress über die Jahre beschlossen hat.
Die britische Financial Times, die kaum im Ruf steht, Jagd auf Reiche zu machen, hat der legalen Steuerflucht in den USA kürzlich einen Artikel gewidmet. Sie schrieb: „Der Großteil dieser Steuerflucht wird von den 1% Reichsten der amerikanischen Steuerzahler begangen – also von denjenigen, die sich am meisten über die offiziellen Steuersätze beklagen. In der Praxis bezahlen die Reichsten sehr viel weniger Steuern als es auf dem Papier den Anschein hat. Denn die offiziellen Steuersätze sind nicht die realen Steuersätze. Der reale Steuersatz auf Gewinne liegt bei 11,2% und ist damit geringer als der in Irland (das in Europa als Steuerparadies gilt). Insgesamt werden in den USA 1% des produzierten nationalen Reichtums als Steuern eingezogen, in den übrigen [reichen] Ländern der OECD sind es im Durchschnitt 3,1%. Diese Steuervermeidung ist vollkommen legal.“
Und was die illegal hinterzogenen Steuern angeht, so kommt eine kürzliche Studie der US-Finanzbehörden zu dem Schluss, dass der Anteil der verheimlichten Einkommen bei der ärmeren Hälfte der US-Haushalte bei 7% liegt, während die 1% Reichsten 20% ihrer Einkünfte dem Fiskus verschweigen…
Biden weiß dies alles. Er will übrigens das Budget der Finanzbehörden erhöhen, denen seit 2011 ein Fünftel ihrer Einkünfte verloren gegangen ist; sogar ein Drittel, wenn man die Steigerung des Bruttoinlandsproduktes in den letzten zehn Jahren mit einrechnet. Hierbei darf man nicht vergessen, dass Obama das Weiße Haus von 2009 bis 2016, flankiert von seinem Vizepräsidenten Biden. 2011 wurde fast jeder US-Konzern jedes Jahr vom Fiskus kontrolliert – heute ist es nicht einmal mehr die Hälfte.
Das wahrscheinlichste ist also, dass der amerikanische Staat sich in Zukunft auch weiterhin in hohem Tempo verschulden wird, um sein Haushaltsdefizit zu stopfen – so wie er es seit langem macht.
Linke „Bidenmania“
Die französische Linke, fasziniert von Bidens Wahlerfolg, der für sie selber immer unwahrscheinlicher wird, ist ganz aus dem Häuschen über die ersten Maßnahmen des Führers des amerikanischen Imperialismus im Weißen Haus.
Ihre Presse hat sich dem angeschlossen. Libération spricht von einem „Hauch von Revolution, der über Washington weht“ (11. April). Die Zeitung Le Monde titelte auf der ersten Seite « Biden, der Präsident der Arbeiter » und ging sogar so weit, von „Bidens Programm, in dem die Belange der Arbeiter an erster Stelle stehen“ (29. April).
Jean-Luc Mélenchon (der Bewegungen France Insoumise) findet, dass „Biden die richtige Methode anwendet“. Und sein Parteigenosse François Ruffin twittert: „Die Reichen und die multinationalen Konzerne besteuern. Und was wäre, wenn dieses Virus den Atlantik überquert? Und wenn es ansteckend ist?“ (30. April).
Und dem Vorsitzende der Kommunistischen Partei, Fabien Roussel, ist nichts zu peinlich. Er erklärt: „Macron, der ein veraltetet Wirtschaftsmodell vertritt, nach dem man das Kapital der Reichsten nicht antasten darf, kann von dem lebhaften Joe Biden einiges lernen. [Joe Biden hat einen] revolutionären Plan angekündigt, der seit Roosevelt seinesgleichen sucht. Ich habe fast den Eindruck, dass Biden Mitglied der Französischen Kommunistischen Partei geworden ist.“ (30. April).
Aber kein Wort, um sich auch nur von der Jagd auf die Migranten zu distanzieren, die an der mexikanischen Grenze kaum weniger sichtbar als unter Trump unvermindert weitergeht.
Für diese politischen Strömungen sind schon ein paar Steuererhöhungen für Reiche der Gipfel der politischen Ambitionen. Etwas, was sie selber übrigens schon lange nicht mehr gemacht haben, als sie selber Minister unter den Sozialisten Jospin oder Hollande waren.
Als Biden im November 2020 gewählt wurde, hat dies keinen sonderlichen Enthusiasmus hervorgerufen – abgesehen von der Genugtuung, Trumps Wiederwahl verhindert zu haben. Diejenigen, die Biden jetzt als Freund der Arbeiter darstellen, werden morgen eine große Verantwortung tragen, wenn die wenigen Hoffnungen auf soziale Gerechtigkeit offensichtlich verraten werden. Von eben diesen Enttäuschungen nährt sich die extreme Rechte, die immer bedrohlicher wird.
Die Bourgeoisie hingegen weiß sehr wohl, was sie von der Politik Bidens zu erwarten hat. Denn sie guckt nicht nur auf Äußerungen, die aus wahltaktischen Gründen getroffen werden. Davon zeugt, dass der Dow Jones, der Leitindex der New Yorker Börse, seit Bidens Wahl Anfang November quasi ununterbrochen gestiegen ist: um mehr als 22,7% in nur sechs Monaten.
Auf beiden Seiten des Atlantiks können die Arbeitenden Gegenstand von schönen Reden sein, insbesondere um deren Los zu bemitleiden. Aber selbstverständlich käme es für all diese Parteien, die die Angelegenheiten der Bourgeoisie verwalten, nie in Frage, die Arbeitenden dazu aufzurufen, selber aktiv zu werden, um die Kapitalisten auch nur zu irgendetwas zu zwingen.
Nur die Arbeiterklasse jedoch hat die Kraft zu verhindern, dass die große Mehrheit der Bevölkerung in der Krise versinkt, während die kapitalistische Klasse sich auf unfassbare Weise bereichert. Nur sie kann die Wirtschaft so umorganisieren, dass jeder eine Arbeit und einen würdigen Lohn hat – unter der Bedingung, den Kapitalisten die Kontrolle über die Wirtschaft zu entreißen.
4. Mai 2021