Der Streik der Eisenbahner in Frankreich: erste Lehren (aus Lutte de Classe - Klassenkampf - von Juli 2018)

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Der Streik der Eisenbahner in Krankreich: erste Lehren
Juni 2018

Der Streik der Eisenbahner in Frankreich: erste Lehren

Im Folgenden findet man eine Übersetzung des Artikels aus der Zeitschrift Lutte de Classe (Juli-August 2018), die von Lutte Ouvrière heraugegen wird. Der Artikel wurde am 20. Juni verfasst, zu einem Zeitpunkt, als das französische Parlament den "Eisenbahner-Pakt" bereits verabschiedet hatte und der dreimonatige Streik der Eisenbahner dagegen bereits zu bröckeln begann, aber noch weiterging. Im Juli endete die Streikbewegung.

Die Streikbewegung hat am 3. April begonnen. Schon jetzt ist sie aufgrund ihrer Dauer und der Zahl der Streikenden eine der bedeutendsten Arbeitskämpfe, die es bei der SNCF (der französischen Staatsbahn) in den letzten 20 Jahren gegeben hat. Vor allem jedoch erhebt sich seit drei Monaten ein Teil der Arbeiterklasse (mit allen Stärken und Schwächen) gegen die Regierung - vor den Augen der gesamten Arbeiterschaft. Die Bewegung ist schon jetzt reich an Lehren für die Streikenden von heute und morgen, bei der SNCF und anderswo.

Kein Pakt, sondern eine Kriegserklärung an die Streikenden

Beim "Eisenbahn-Pakt", den Senat und Parlament am 13. und 14. Juni verabschiedet haben, geht es im Wesentlichen um drei Maßnahmen: Der Personenverkehr soll für die Konkurrenz geöffnet werden. Werden Teile privatisiert, so werden die betroffenen Eisenbahner dann gezwungen, zu der privaten Transportgesellschaft zu wechseln. Weigern sie sich, so werden sie entlassen. Die drei Geschäftsfelder der SNCF sollen in Aktiengesellschaften umgewandelt werden. Neue Eisenbahner sollen nicht mehr zu den Bedingungen des "Eisenbahner-Statuts", sondern zu sehr viel schlechteren Arbeitsbedingungen eingestellt werden. Außerdem soll der Güterverkehr in eine eigene Tochterfirma ausgegliedert werden. Der sogenannte "Eisenbahn-Pakt" ist also ein regelrechter Generalangriff auf die Eisenbahner.

Der Pakt ist noch lange nicht umgesetzt. Auch vor ihm sind schon Reformen verabschiedet und verkündet worden und danach trotzdem im Mülleimer gelandet, wie der "Vertrag zur Ersteinstellung" 2006. Trotzdem haben schon jetzt zahlreiche Politiker und Journalisten den "Blitzkrieg" und schnellen Sieg der Regierung gelobt, weil zwischen der Ankündigung des Vorhabens am 27. Februar und seiner Verabschiedung in Parlament und Senat kaum vier Monate vergangen sind. Natürlich machten sich die Befürworter der Reform keine Sorgen um die Abstimmung in Parlament und Senat. Beide Gremien verhalten sich gleichermaßen wie hörige Vasallen, sobald es darum geht, Angriffe auf die Arbeitenden zu verabschieden. Nein, sie fürchteten das Gespenst von 1995, als der Streik der Eisenbahner einen Großteil des Landes lahmlegte und die Regierung Juppé zwang, ihre Rentenreform wieder zurückzuziehen.

Trotz ihrer Hartnäckigkeit hat die heutige Bewegung nicht die Dynamik und Größenordnung erreicht, die notwendig wäre, um die Regierung zum Rückzug zu zwingen. Trotzdem relativieren selbst Beobachter aus dem bürgerlichen Lager den Sieg der Regierung und machen keinen Hehl daraus, dass sie beunruhigt sind.

Das erhoffte Ziel der Regierung war, die Eisenbahner KO zu schlagen - sowohl durch den Inhalt der Reform wie auch durch die Mittel, die hierzu von Macron genutzt wurden. Die Reform greift auf zwei Ebenen an: Sie will das Monopol der SNCF im Schienenverkehr abschaffen und die SNCF in eine Aktiengesellschaft umwandeln, die dann in einem späteren Schritt privatisiert werden könnte. Und gleichzeitig will sie den Eisenbahner-Status abschaffen, die den Eisenbahnern bislang eine gewisse Sicherheit des Arbeitsplatzes garantiert hatte. Mit diesem doppelten Angriff wollte die Regierung deutlich machen, dass sie nicht zögert, alle Rahmenbedingungen zu zerschlagen, die der Alltag für Generationen von Eisenbahnern gewesen waren. Sie wollte der Bourgeoisie und ihrer rechten Wählerschaft beweisen, dass sie in der Lage wäre, die Arbeiter offen und frontal anzugreifen - selbst diejenigen, die den Ruf haben, kämpferisch und gewerkschaftlich organisiert zu sein. Dass sie sich im Gegensatz zu ihren Vorgängern nicht vor den Reaktionen der Arbeitenden fürchtet.

Die Regierung hat außerdem versucht, einen Großteil der öffentlichen Meinung gegen die Eisenbahner aufzuhetzen. Parallel zur Ankündigung ihres Vorhabens hat sie eine regelrechte Verleumdungskampagne gestartet, insbesondere gegen den Eisenbahner-Status. Der Eisenbahner-Status wurde als unerhörtes Privileg dargestellt und für die ständigen Pannen und Verspätungen bei der SNCF verantwortlich gemacht.

Die Eisenbahner wissen aus ihrer täglichen Erfahrungen, was die wahren Gründe für diese Missstände und Störungen sind, nämlich der Personalmangel und die Verwahrlosung großer Teile des Schienennetzes. Ein gutes Beispiel hierfür ist der kürzliche Totalausfall des gesamten Schienenverkehrs am Bahnhof Saint-Lazare (Paris): Grund hierfür war ein defektes Teil der Signalanlage, das aus dem Jahr 1966 stammte und 150 Euro kostet und dessen Austausch die Eisenbahner schon lange vorher erfolglos gefordert hatten.

Diese Verleumdungskampagne hat vielleicht in dem arbeiterfeindlichen und dem unbewusstesten Teil der Wählerschaft Früchte getragen. Doch sie hatte vor allem den Effekt, dass die Eisenbahner - bis hin zu den leitenden Angestellten - wirklich tief gekränkt und außer sich vor Wut waren und sich geschlossen gegen die Regierung gestellt haben.

So schrieb die Gewerkschaft SNCS (die Gewerkschaft der leitenden Angestellten bei der SNCF) im April in einem Brief an den Verkehrsminister: "Aus politisch-strategischen Gründen haben sie zusammen mit dem Präsidenten der Republik die Entscheidung getroffen, die Eisenbahner der Schmähung des Volkes auszuliefern." Die Gewerkschaft, die selten irgendetwas fordert, erklärte weiter: "Es geht uns darum, unsere Ehre zu verteidigen, denn die Regierung greift unser berufliches Gewissen an."

An diesem Streik gegen die Reform haben sich also nicht nur die ausführenden Arbeiter und die kleinen Vorgesetzten, sondern auch leitende Angestellte beteiligt. Das Ergebnis der Abstimmung zeigte, dass 95% der Eisenbahner gegen den "Eisenbahn-Pakt" sind (bei einer Wahlbeteiligung von 61%). Diese Abstimmung bestätigte die einhellige Ablehnung der Reform, die sich bereits in der Streikbeteiligung zeigte.

Weit davon entfernt, die Eisenbahner zu spalten, hat die Regierung sie geeint: gegen das Vorhaben der Regierung und auch gegen den Vorstand der SNCF, der seinerseits die Streikenden mit zahlreichen Lügen und Provokationen angegangen ist. Der Vorstandsvorsitzende Pepy hat flammende Reden für die Reform gehalten, alle mit dem Tenor "Treten wir in Wettstreit mit der Konkurrenz, lasst uns die Besten werden!". Weit davon entfernt, Eisenbahner im Gefolge der leitenden Angestellten hinter diesem Schlachtruf zu vereinen, hat Pepy im Gegenteil viele leitende Angestellte und Meister dazu gebracht, den Streikenden zu folgen.

Die Sorge der bürgerlichen Kommentatoren

Die bewusstesten unter den bürgerlichen Kommentatoren sehen das Problem. So schrieb Raymond Soubie, der ehemalige Berater von Präsident Sarkozy, zuständig für die Beziehungen zu den Sozialpartnern: "Dies ist zwar eine gute Methode, um ein Gesetz durchzusetzen, aber nicht unbedingt dafür, dass dieses Gesetz auch angewendet wird und das gesamte Personal bei seiner Umsetzung mitgenommen wird." (Les Échos, 12. Juni). Die Zeitung Le Monde hebt ihrerseits im Leitartikel vom 18. Juni hervor, dass "die Schlacht um die Schiene noch nicht vorbei ist und sie Wunden und Nachwirkungen bei der SNCF hinterlassen wird [...]. Das Unternehmen bietet einen verwüsteten Anblick. Die Beziehung zwischen den Sozialpartnern haben sich bedeutend verschlechtert."

Ein anderer Journalist der Zeitung Le Monde zweifelt daher an der Wirksamkeit der Reform: "Um erfolgreich umgesetzt werden zu können, muss eine Reform auf ein Minimum an Zustimmung seitens der Betroffenen stoßen. Dies ist jedoch alles andere als gesichert. Bei dem verheerenden Klima, das derzeit im Unternehmen herrscht, wünschen wir Guillaume Pepy viel Erfolg bei dem Versuch, die sozialen Beziehungen zwischen Vorstand und Beschäftigten wieder zu kitten, die in den drei Monaten Streik sehr große Risse bekommen haben." (Stéphane Lauer, 18. Juni)

Was den Kommentatoren Sorge bereitet ist im Gegenteil etwas, worauf die Streikenden bereits jetzt stolz sein können. Sie haben gemeinsam den Kopf erhoben und sich gewehrt. Die Machenschaften des Vorstands (zum Beispiel Freischichten als Streiktage zu zählen, Leiharbeiter und Rentner einzustellen, um die Streikenden zu ersetzen, Verleumdungen zu verbreiten usw.) wie auch die Machenschaften der Regierung haben nicht Streikenden nicht nur nicht entmutigt, sie haben ihre Entschlossenheit und ihren Zusammenhalt sogar gestärkt. Die Bewegung hat die Mehrheit der Eisenbahner ergriffen. Manche haben einige Tage mitgestreikt, andere haben an allen von den Gewerkschaften im Vorfeld festgelegten Streiktagen teilgenommen und damit insgesamt mehr als 30 Tage lang gestreikt. Einige haben sogar zusätzlich noch an Tagen gestreikt, die die Gewerkschaften nicht als Streiktag vorgesehen hatten. Zu keinem Zeitpunkt ist es zu einer Spaltung zwischen diesen verschiedenen Gruppen von Streikenden gekommen. Und es ist fast unmöglich, auch nur einen Eisenbahner zu finden, der die Reform verteidigt.

Die bürgerlichen Kommentatoren nennen dies ein verheerendes Klima. Von wegen: Es ist der Kampf, der Stolz, die Solidarität - das Gegenteil von Individualismus und Resignation - die seit vier Monaten bei der SNCF den Ton angeben. Dies bereitet auf beste Weise die Zukunft vor. Die Herrschenden haben allen Grund dazu, sich Sorgen zu machen.

Die Missachtung der Gewerkschaften durch die Regierung

Ein anderer eindrucksvoller und ungewöhnlicher Aspekt der Regierungstaktik war ihre offen zur Schau gestellte Missachtung der Gewerkschaften, zumindest bis Anfang Mai.

Zwar hatte die Regierung im Zuge der Ankündigung des Gesetzesvorhabens auch jede Gewerkschaftsorganisation zu einem Gespräch mit der Verkehrsministerin Élisabeth Borne eingeladen. Doch Premierminister Édouard Philippe erklärte noch vor diesen Gesprächen, dass die drei Punkte seiner Reform nicht verhandelbar seien. Er kündigte auch an, dass er die Reform so schnell wie möglich und mit Hilfe von Notverordnungen durchzusetzen gedenke. Dies war eine Provokation gegenüber den Gewerkschaften, die daran gewöhnt sind, zumindest der Form halber an einigen Diskussionen beteiligt zu werden.

Die CFDT zum Beispiel wirbt stets damit, ein guter Verhandler zu sein. Am 3. April empörte sich ihr Generalsekretär Laurent Berger darüber, dass "die Regierung solch eine Verachtung gegenüber den Sozialpartnern und den gemeinschaftlichen Verhandlungen zum Ausdruck" bringe. (Le Figaro, 3. April). Die Gewerkschaft Force Ouvrière (FO) hatte mit der Regierung vergangenen Herbst zusammengearbeitet, um die Arbeitsgesetze durchzusetzen. Diesmal fürchtete ihr Vorsitzender Mailly, die Rolle des Feuerwehrmanns nicht spielen zu können. "Wenn das Gras austrocknet, entzündet sich der Funke leichter.", erklärte er Le Monde am 9. April. Alle Gewerkschaften verlangten die Eröffnung echter Verhandlungen.

Die ersten Gespräche mit der Ministerin beseitigten auch ihre letzten Zweifel. Es war offensichtlich, dass die Beratung mit den Gewerkschaften reine Formsache war. Alle waren sprachlos angesichts der Frechheit einer Ministerin, die sich nicht einmal die Mühe machte, auf ihre Fragen zu antworten oder ihnen Argumente für die Reform zu geben. Rémi Aufrère erklärte im Namen der Eisenbahner-Abteilung der CFDT am 18. April: "Man stellt sich schon Fragen, denn man fühlt sich regelrecht gedemütigt. [...] Die Regierung will auf offenem Feld gewinnen. Dies ist langfristig gesehen kontraproduktiv." Roger Dillenseger, Sprecher der Unsa (einer weiteren Gewerkschaft, die die vorherigen Reformen der Regierung unterstützt hatte) war regelrecht verzweifelt: "Ich habe noch nie eine solche Art und Weise gesehen, Verhandlungen zu führen - wenn man es überhaupt Verhandlungen nennen kann."

Ein Beispiel für die Verachtung, die die Regierung die Gewerkschaften entgegenbrachte: Die Gewerkschaften haben aus der Presse erfahren, dass ab dem 1. Januar 2020 niemand mehr zum Eisenbahner-Status eingestellt werden sollte. Dabei war dieses Datum einer der wenigen Punkte, über die die Regierung als Trostpflaster eigentlich mit den Gewerkschaften verhandeln wollte. Erik Meyer von der Gewerkschaft Sud-Rail empörte sich bei einer Pressekonferenz der Gewerkschaften darüber, dass die Ministerin es noch nicht einmal für nötig empfunden habe, sie darüber zu informieren. Dasselbe galt für die Ankündigung, den Güterverkehr in eine Tochtergesellschaft auszugliedern.

Die Regierung hatte ganz bewusst entschieden, die Gewerkschaften und die von ihnen angebotenen Dienstleistungen mit Füßen zu treten. Sogar die diensteifrigsten unter ihnen haben sie verschmäht. Auf diese Weise haben sie alle Gewerkschaften gezwungen, drei Monate lang eine bislang einzigartige Einheitsfront gegen die Regierung zu bilden, um nicht jede Glaubwürdigkeit bei den Eisenbahnern zu verlieren.

Und statt die Streikenden zu entmutigen, hat diese verächtliche Haltung der Regierung ebenfalls zu der langanhaltenden Mobilmachung der Eisenbahner beigetragen. Nach einem Monat Streikbewegung ist Premierminister Édouard Philippe letztlich einen Schritt auf die Gewerkschaften, die er bislang ignoriert hat, zugegangen und hat sich bereit erklärt, sie zu empfangen.

Das Scheitern der Ablenkungsversuche

Auch wenn die Regierung ab da ihren Tonfall änderte, stand weiter außer Frage, den Eisenbahnern auch nur in irgendeinem Punkt nachzugeben. Die Regierung erklärte sich zwar bereit, 35 Milliarden Euro Schulden der SNCF zu übernehmen. Doch dies war nichts als ein Ablenkungsmanöver. Erstens war es ohnehin schon seit langem geplant, und zweitens betrifft dies die Eisenbahner selber in keinster Weise, auch wenn die Gewerkschaften dies zum ersten Tagesordnungspunkt ihrer Verhandlungen machten. Es handelte sich um eine Forderung der Gewerkschaften, nicht der Eisenbahner.

Ein anderer Versuch war der der CFDT, Änderungsanträge im Parlament und im Senat zur Geltung zu bringen. Doch diese Änderungsanträge waren so lächerlich, dass man sie den Eisenbahnern unmöglich als Erfolg verkaufen konnte.

Auf diese Weise war es für die Gewerkschaften CFDT und Unsa extrem schwer, sich aus der Bewegung zurückzuziehen. Dillenseger (Unsa) erklärte laut der Zeitung Les Échos vom 12. Juni: "Die Stimmung ist schwierig, denn wir verhandeln über einen sozialen Rückschritt." Und er setzte hinzu: "Wenn ich aus der Bewegung aussteige, kann ich auch gleich Harakiri begehen." Insbesondere, da im kommenden Herbst Betriebsratswahlen anstehen. Der Vorstand der CFDT hat einen ersten Schritt getan, um aus der Bewegung auszusteigen, indem er dazu aufgerufen hat, in der Abiturwoche den Regionalverkehr sicherzustellen. Doch es ist bezeichnend, dass die Aktivisten der CFDT sich in zahlreichen Streikversammlungen geweigert haben, die Position ihrer eigenen Gewerkschaft zu verteidigen.

Die Politik der CGT

Die Leitung der Streikbewegung lag de facto in den Händen der CGT, die mit Abstand die bedeutendste Gewerkschaft bei der SNCF ist, sowohl was ihre Mitgliederzahlen wie auch ihren Einfluss bei den Streikenden betrifft. Sie hat dies zu Beginn der Bewegung bewiesen, als sie am 22. März eine landesweite Demonstration organisierte, an der sich 25.000 Eisenbahner beteiligten. Zwar haben sich die anderen Gewerkschaften dem Demonstrationsaufruf nachträglich angeschlossen. Doch die CGT stellte vier Fünftel der Demonstranten.

Die CGT war es auch, die einige Tage vorher (am 15. März) den übrigen Gewerkschaften gegenüber den Streikkalender durchgesetzt hat, der ab dem 3./4. April jeweils einen Wechsel von zwei Tagen Streik, drei Tagen Arbeit, zwei Tagen Streik usw. vorsah, und dies über drei Monate hinweg. Dieser Streikkalender hat der Bewegung den Charakter verliehen, den sie bis heute hat.

Auch wenn viele Aktivisten (selbst die der CGT) über die Ankündigung dieser intermittierenden Streikform erstaunt waren, zeigte sich schnell, dass die Eisenbahner nirgendwo bereit waren, sie zu überschreiten. Zwar gab es einzelne Streikversammlungen wie die am Gare du Nord (Paris), die am 22. März entschieden haben, unbefristet zu streiken. Doch letztendlich haben nur einige dutzend Kollegen an mehr Tagen gestreikt als diejenigen, die der Kalender vorsah. e der Streik weitergehen soll. Ähnlich in anderen Bereichen, wo ebenfalls nur kleine Minderheiten von Eisenbahnern entschieden haben, zwischen zwei vom Streikkalender vorgesehenen Streiktagen im Streik zu bleiben. Auf der anderen Seite waren auch nicht alle Eisenbahner an allen offiziellen Streiktagen im Streik. Die Mehrheit der Lokführer und Zugbegleiter war bis heute an jedem Streiktag, den der Streikkalender vorsah, im Streik - ebenso ein Teil der Eisenbahner in den anderen Bereichen (Werkstätten etc.) Viele Eisenbahner haben sich ihren eigenen Streikkalender innerhalb des offiziellen Streikkalenders erstellt.

Die eigentliche Frage bestand also nicht darin, der Streiktaktik "2 von 5 Tagen" eine andere Streiktaktik gegenüberzustellen, zum Beispiel die des "verlängerbaren Streiks" [1]. Es gibt keine Streiktaktik, die allzeit und überall richtig ist, insbesondere nicht unabhängig von dem, was die Arbeitenden zu tun bereit sind. Eine Bewegung kann mit einem einfachen Aktionstag beginnen, wie am 13. Mai 1968 und diesen Rahmen dann verlassen und sich zu einem Generalstreik ausweiten, sogar ohne Aufruf der Gewerkschaften. Ebenso können einzelne, aber nahe beieinanderliegende Aktionstage wie 1995 es den Aktivisten ermöglichen, sich auf bereits mobilisierte Bereiche zu stützen, um die anderen mit sich zu ziehen.

Eine dynamische Entwicklung fördern oder sie von vornherein unmöglich machen?

Die Eisenbahner-Sparte der CGT hatte jedoch von Anfang an nicht vor, eine dynamische Entwicklung der Bewegung zu ermöglichen. Am Tag nach der Verkündung des "Streikkalenders" erläuterte sie in einem internen Bericht an die Gewerkschaftssekretäre: "Ziel ist eine langfristige, gleichbleibende Mobilisierung, um die einzelnen Etappen der Strategie der Regierung zu überdauern und ihr deutlich zu machen, dass sie nicht gewinnen wird, wenn sie darauf wartet, dass die Bewegung von alleine endet." Das Ziel bestand also darin, eine gleichbleibende, stabile Mobilisierung zu erreichen, also den parlamentarischen Kalender und den der Verhandlungen zu begleiten. Es ging nicht darum, den Unternehmungsgeist der Eisenbahner zu wecken, sondern ihren Kampf darauf zu beschränken, die gewerkschaftlichen Verhandlungen zu unterstützen.

Statt zu versuchen, die Eisenbahner davon zu überzeugen, dass man sich irgendwann mit aller Kraft in die Schlacht werfen muss, lobte die CGT in demselben Bericht das Prinzip des sparsamen Streiks: "Alle Eisenbahner - diejenigen, die sich schonen wollen wie diejenigen, die die Produktion stören wollen - können sich in dieser Streiktaktik wiederfinden."

Und sie wollte von Anfang an jede Initiative der Basis verhindern. Der Bericht endet mit den Worten: "Wir müssen so klar wie möglich sein, mit möglichst wenig abweichenden Meinungen: Wir können die Streikstrategie nicht nach den Launen und Ausflüchten der einzelnen Standorte ändern. Es gibt nu reine einzige Strategie für alle."

Mit "Launen und Ausflüchten" ist in der süffisanten Sprache der Bürokraten die Meinung der Arbeitenden gemeint. Für diese Bürokraten sollen die Arbeiter in der Lage sein, mehr als einen Monat Lohnabzug zu ertragen, aber nicht über ihren Streik entscheiden dürfen!

Das Misstrauen bis in die Reihen der CGT geht so weit, dass diese ihren Funktionären rät, "regelmäßige Streikversammlungen durchzuführen und vor jeder Versammlung eine Sitzung aller CGT-Gewerkschafter abzuhalten", damit diese mit einer Stimme sprechen.

Nach dem Erfolg der Demonstration vom 22.März verbot sie allen ihren Aktivisten und Mitgliedern, "für eine Fortsetzung des Streiks am 5. April zu stimmen, sollten dies irgendwo zur Abstimmung gestellt werden".

All dies zeigt die Sorge der CGT, die Bewegung nicht unter Kontrolle halten zu können. Allerdings kann eine Bewegung vor allem dann eine Kettenreaktion auslösen und unkontrollierbar werden, wenn man ihr Dynamik zu verleihen versucht, wenn man sich auf den Enthusiasmus und die Energie der Streikenden stützt, wenn man sich auf ihre große Zahl stützt und sie zu Akteuren des Streiks macht, wodurch die Kraft der Aktivisten sich vertausendfacht, verhundertfacht.

Die Gewerkschaftsführungen fürchten unkontrollierbare Bewegungen. Auch diese Bewegung hat dies wieder bestätigt.

Erst als die Führung der CGT-Führung festgestellte, dass die Bewegung ihnen ziemlich sicher nicht aus den Händen gleiten würde, hat sie die Zügel etwas gelockert und zum Beispiel abteilungsübergreifende Streikversammlungen erlaubt, wo sie sich ihnen vorher widersetzt hatte.

Es ist müßig, darüber zu spekulieren, ob ein "verlängerbarer Streik" eine andere Dynamik hätte auslösen können. Man kann die Geschichte nicht neu schreiben. Und die Rolle von Arbeiteraktivisten, die ihrer Klasse treu ergeben sind, besteht nicht darin, sich im Vorfeld eine Meinung zu bilden und diese durchzusetzen, sondern sich auf den Willen, den Bewusstseinsstand und die Kampfeslust Streikenden zu stützen, so wie sie sich um Laufe des Kampfes entwickelt. "Die Emanzipation der Arbeiterklasse muss von der Arbeiterklasse selbst erobert werden", dies war die Gründungslosung der I. Internationalen. Dies beginnt damit, dass die Arbeitenden Herren ihrer eigenen Bewegung sind. Die einzig richtige Kampfform ist die, die sich in jeder Etappe der Bewegung auf das Bewusstsein und die Entschlossenheit der Streikenden stützt.

Dies hat nichts mit der Haltung der Gewerkschaft Sud-Rail zu tun, deren einzige Großtat darin bestand, einen Streikaufruf für einen verlängerbaren Streik herauszugeben, ohne jedoch selber jemals dazu aufzurufen und ohne auch nur zu versuchen, sich hierzu die Mittel zu geben. Sud-Rail stützte sich auf die Strategie des Gewerkschaftsbündnisses, dem sie einerseits angehören wollte, während sie sie gleichzeitig an manchen Orten und zu manchen Gelegenheiten kritisierte.

Im Grunde hat Sud-Rail genauso die Interessen ihres Apparats verteidigt wie die anderen Gewerkschaften. Auch ihr ging es darum, von der Regierung als Ansprechpartner und Verhandler anerkannt zu werden und sich gleichzeitig für die kommenden Betriebsratswahlen in Stellung zu bringen.

Die Errungenschaften der Bewegung

Die Bewegung hatte nicht die Kraft, den von den Gewerkschaftsorganisationen vorgegebenen Rahmen zu sprengen. Dies war ihre wesentliche Grenze.

Aber innerhalb dieses Rahmens haben die Arbeitenden der Bahn drei Monate lang zahlreiche Erfahrungen gemacht. Zehntausende haben an Streikversammlungen, an Demonstrationen und Kundgebungen teilgenommen. Sie haben Kontakte mit den Arbeitern anderer Bereiche geknüpft, innerhalb der SNCF und darüber hinaus.

Die Tatsache, dass es kein berufsständischer Kampf war, zeigte sich darin, dass die Eisenbahner Flugblätter an die Arbeiter anderer Branchen verteilten und den Kontakt zu ihnen suchten. So haben die Eisenbahner zum Beispiel tatkräftig die streikenden Arbeiter von Carrefour unterstützt. Die Eisenbahner haben sich außerdem am 19. Juni am Gare de l'Est (Paris) versammelt, um die Arbeiter von Ford Blanquefort zu unterstützen, die nach Deutschland fuhren um ihre Arbeitsplätze zu verteidigen. Vielerorts wurden Kontakte zwischen Aktivisten und Arbeitern anderer Betriebe geknüpft. Diese Beziehungen sind wertvoll für die Zukunft.

Viele Arbeiter haben erlebt, dass die Regierung und der Vorstand der SNCF trotz ihres Getues und ihrer Drohungen nicht in der Lage waren, einen Streik zu beenden. Und seine Fortsetzung wird von allen verfolgt und kommentiert, und sei es nur über Berichte, welche Züge fahren und welche nicht - Berichte, die in den Medien ebenso alltäglich geworden sind wie der Wetterbericht. Die Eisenbahner und viele weiteren Arbeiter konnten feststellen - wenn auch manchmal dadurch, dass ihnen die Transportmittel fehlten - dass die Arbeiterklasse eine unersetzliche Rolle in der Gesellschaft spielt. Und die Arbeitsniederlegung auch nur eines kleineren Teils der Arbeiterklasse macht dies spürbar.

Der Kampf geht weiter und wie auch immer er ausgehen wird, so werden andere unter zwangsläufig anderen Bedingungen ausbrechen und erneut streikende Arbeiter ins Rampenlicht rücken. Aber sie werden dort dieselben Akteure vorfinden, sowohl auf Seiten der Regierung und der Bosse wie auch auf Seiten der Gewerkschaftsbürokratie. Daher ist es die Pflicht der Arbeiter und der Aktivisten, die Interessen und die Haltung der einen wie der anderen zu analysieren und aus jedem Kampf Bilanz zu ziehen, um den nächsten vorzubereiten und diesem dann die Chance zu geben, bis an die Grenze seiner Möglichkeiten zu gehen.

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Der Streik der Eisenbahner und die Manöver der Parteien des Bürgertums

Im Folgenden veröffentlichen wir einen Auszug aus einem weiteren Artikel zu diesem Thema aus derselben Ausgabe der Lutte de Classe.

Auch nach seinem Ende wird der Streik der Eisenbahner die Stimmung in der arbeitenden Bevölkerung beeinflussen. In welche Richtung? Dies lässt sich im Moment noch schwer sagen, sogar für die Eisenbahner selber. Werden sie stolz darauf sein, den Kopf erhoben und sich dem Plan der Regierung entgegengestellt zu haben? Oder werden sie im Gegenteil niedergeschlagen sein, überzeugt, dass ihre Feinde zu stark sind und kämpfen nicht viel bringt? Wie werden sich dieselben Fragen im Rest der Arbeiterklasse stellen? Was wird sie in diesem Streik geprägt haben?

Einige Worte zunächst über den Charakter des Streiks und seine Grenzen.

Unter den positiven Aspekten des Streiks lässt sich die Haltung der anderen Arbeitenden hervorheben. Zwar hat der Streik in keiner Weise andere Arbeitende mit sich gerissen, nicht einmal die Arbeitenden der mit ihnen verbundenen Betriebe wie der RATP [2]. Doch die Arbeiter haben ihm viel Sympathie entgegengebracht, trotz der Schwierigkeiten, die sie durch ihn als Passagiere hatten.

Ein anderer wertvoller Aspekt war die Tatsache, dass der Streik keinen berufsständischen (korporatistischen) Charakter hatte. Die bewusstesten unter den Arbeitern hatten keinerlei Schwierigkeiten, die Idee zu vertreten, dass die Arbeiterklasse eine Einheit ist und dass alle Schranken, die zwischen den Arbeitern errichtet werden - ob durch ihre Zugehörigkeit zu einer Berufsgruppe, einem bestimmten Betrieb, einer bestimmten Nationalität usw. - eine arbeiterfeindliche Politik sind.

Man erinnere sich daran, mit welcher Vehemenz im Jahr 1968 die Kommunistische Partei (PCF) und die CGT, die damals in der Arbeiterklasse vorherrschend waren, Schranken errichteten: Schranken zwischen den Arbeitern und der studentischen Jugend mit ihren systemkritischen Ideen, aber auch Schranken zwischen den Arbeitern verschiedener Betriebe, ja sogar innerhalb einer Fabrik (wie bei Renault-Billancourt).

Der Streik der Eisenbahner wurde von Anfang bis Ende von den Gewerkschaften geführt - und zumindest bis zu dieser Woche von der Gesamtheit der Gewerkschaftsapparate, sogar von den sozialpartnerschaftlichsten wie Unsa und die CFDT. (...)

Die CGT-Führung, gefolgt von den anderen Gewerkschaften, hat die Taktik: "2 Tage Streik, 3 Tage Arbeit, 2 Tage Streik,..." erfunden, um den Streik in eine Zwangsjacke zu stecken. Sie eine ganze Theorie um diese Aktionsform entwickelt und erklärt, der intermittierende Streik würde die Eisenbahner nicht viel kosten. Stimmt, er kostet nicht viel... aber er ermöglicht es auch nicht zu siegen! (...)

Man muss über die Taktik der Gewerkschaftsapparate ausgehend von ihrer grundsätzlicheren Strategie aus bewerten. Begrenzte Arbeitsniederlegungen und sogar eine Unterschriftensammlung können Etappen auf dem Weg der Mobilisierung sein und den Arbeitern ermöglichen, die Mobilisierung zu steigern. Oder sie können im Gegenteil eine Taktik sein, um die Bewegung daran zu hindern, sich zu entwickeln. Eine der Lehren aus dem Eisenbahnerstreik (neben seinen positiven und begeisternden Seiten) ist, dass es angesichts der Bourgeoisie und ihres Staats einen entschlosseneren, entschiedeneren Kampf braucht. Rechnungen im Stil eines Krämers über eine Kampfform, "die nicht viel kostet", könnten höchstens für eine Bewegung gerechtfertigt sein, die von vornherein nur das Ziel hat, Protest gegen Regierungsmaßnahmen zum Ausdruck zu bringen. Aber sie ermöglichen es einer Bewegung nicht, bis zur Grenze ihrer Möglichkeiten zu gehen und erst recht nicht zu siegen.

Zu mobilisieren versuchen bedeutet, weiter zu gehen. Die Dynamik der Bewegung selbst kann dies ermöglichen. Aber die CGT-Führung will auf keinen Fall wissen, was die Eisenbahner denken und bis wohin sie bereit sind zu gehen. Sie hat sich weder die Mittel gegeben, dies herauszufinden. Doch vor allem hat sie auf allen Wegen versucht zu verhindern, dass die Eisenbahner ihre Meinung sagen, über ihren Streik und dessen Zukunft diskutieren und die Gewohnheit entwickeln könnten, darüber zu entscheiden. Dies ist der Grund für die Anweisungen, die die CGT ihren Aktivisten zu Beginn der Bewegung erteilt hat: die Streikversammlungen unter Kontrolle halten, sie leiten; den Streikversammlungen erlauben abzustimmen... wenn und solange sie für das stimmen, was die CGT vorschlägt. (...)

Die demokratische Organisation eines Streiks ist nicht nur eine Frage der Form. Sie ist die notwendige Bedingung dafür, dass der Streik bis an die Grenze seiner Möglichkeiten gehen kann. Aber natürlich ist diese Bedingung nicht ausreichend. Der entscheidende Faktor bleibt die Entschlossenheit der Bewegung. Aber die Politik der Streikleitung spielt für diese Entschlossenheit eine Rolle. Sie kann die Entschlossenheit verstärken, indem sie Vertrauen einflößt. Und sie kann die Entschlossenheit auch schwächen. Auch wenn sie nicht siegen, können die Arbeiter aus der Bewegung gestärkt aus einem Streik hervorgehen. Und gestärkt bedeutet auch bewusster. Selbst ein verlorener Kamp kann reich an Lehren sein, die in den folgenden Kämpfen nutzen (Kämpfe, die von denselben oder von anderen geführt werden).

Die Geschichte der Arbeiterbewegung ist reicher an verlorenen Kämpfen als an gewonnenen. Beim Gedenken an die Märtyrer von Chicago oder die Erschießungen in Fourmies, ganz zu schweigen von der Pariser Kommune, feiern wir keine Siege. In der Russischen Revolution hat Oktober 1917 allen vorangegangenen verlorenen Schlachten in zahllosen Streiks, politischen Kämpfen, niedergeschlagenen Demonstrationen, Auseinandersetzungen mit der Polizei ihren Sinn gegeben - allen Niederlagen, die dazu beigetragen haben, dass die russische Arbeiterklasse ihre Kader ausbildete, in erster Linie die bolschewistischen Kader.

Der Streik der Eisenbahner war nicht stark, entschlossen und explosiv genug, um die Bourgeoisie zu beunruhigen. Was ihr Angst macht, ist ein Feuer, das sie nicht unter Kontrolle haben, ist eine Bedrohung ihres Eigentums (daher die entscheidende Bedeutung der Massenstreiks mit Fabrikbesetzung im Mai/Juni 1936, die "die Prinzipien des bürgerlichen Eigentums zu erschüttern drohten", wie Trotzki es ausdrückte).

Ja, der Klassenkampf ist hart! Das muss man wissen, man muss die Stärke des Gegners ausloten. Nicht um sich mit ihr abzufinden, indem man einen Kampf führt, der nicht viel kostet: Das ist die Strategie der Reformisten. Sondern damit der Kampf für die Arbeiter zu einer Gelegenheit, wird, reicher an Erfahrungen zu werden und ein höheres Bewusstsein zu erlangen.

Die revolutionären Aktivisten hatten keine Möglichkeit, auf den Verlauf des Kampfes Einfluss zu nehmen und erst recht auf seine Leitung. Die Eisenbahner hatten nicht die Entschlossenheit, den Gewerkschaftsapparaten die Führung streitig zu machen. Dennoch war es wichtig, zumindest lokal Streikversammlungen und Streikkomitees vorzuschlagen und zu versuchen, diesen einen realen Inhalt zu geben. Zwischen einem Streikkomitee, das Entscheidungen fällt und sie umsetzen lässt und einem Komitee aus Funktionären verschiedener Gewerkschaften, die die Leitung des Streiks durch die Gewerkschaftsführungen nur verschleiert, gibt es eine Vielzahl von Zwischenstufen.

Die Aufgabe von revolutionären Aktivisten bestand darin, bei jeder Zwischenstufe dahin zu wirken, dass aus ihr ein wahres Streikkomitee wird - wohlwissend, dass dies nicht vollständig möglich ist im Rahmen einer Bewegung, die grundsätzlich von den Apparaten geleitet wird. Die Streikkomitees wie auch - auf einer ganz anderen Ebene - die Arbeiterräte werden erst dann zu einem Kampfinstrument des Klassenkampfes, wenn sie gleichzeitig Entscheidungen fällen und sich die Mittel geben, sie umzusetzen. So etwas kann man nicht einfach mit einem Zauberstab aus dem Hut zaubern.

All dies müssen die revolutionären kommunistischen Aktivisten unermüdlich um sich herum erklären. Sie dürfen sich nicht darauf beschränken, die Politik der Gewerkschaften zu kommentieren. Und man darf nicht so aussehen, als würde man die Strategie der reformistischen Gewerkschaftsapparate gerade selber erst entdecken. Vor mehr als einem halben Jahrhundert stellte das Übergangsprogramm (1938) fest: "Als Organisationen der oberen Schichten des Proletariats entwickeln die Gewerkschaften mächtige Tendenzen zur Versöhnung mit dem demokratisch-bürgerlichen Regime." Und "Die Gewerkschaften bemühen sich krampfhaft, der Massenbewegung Herr zu werden, um sie zu neutralisieren."

Dies mindert in keiner Weise die Rolle der Gewerkschaften in den Mobilisierungen der Arbeiter. Aber es zeigt ihre Grenzen auf. (...)

20. Juni 2018

Fußnoten

[1] Beim "verlängerbaren Streik" beginnen die Arbeiter ihren Streik, ohne von vornherein ein Ende festzulegen. Auf regelmäßigen (zum Beispiel täglichen) Streikversammlungen entscheiden die Streikenden, ob und wie sie den Streik fortsetzen wollen.

[2] Verkehrsgesellschaft für den Öffentlichen Nahverkehr im Großraum Paris