Die Ermordung des iranischen Generals Ghassem Soleimani durch eine Drohne der US-Armee am 3. Januar war ein Donnerschlag. US-Präsident Donald Trump, der sie befehligt hat, spielt weiter mit dem Feuer - und das inmitten des gigantischen Pulverfasses, das die Region des Mittleren Ostens geworden ist.
Eine Folge hiervon ist, dass die US-Regierung dem iranischen Regime einen neuen Märtyrer geliefert hat. Noch im November hatte das iranische Regime mit Revolten seiner Bevölkerung gegen die steigenden Preise und das Elend zu kämpfen. Und das Militär, zu dessen Spitze Soleimani gehört, sowie die Pasdaran (die Garden der islamischen Revolution) waren diejenigen, die diese Revolten mit extremer Brutalität niedergeschlagen und dabei mehrere hundert Menschen getötet haben. Heute kann die iranische Diktatur den Tod Soleimanis ausnutzen, um stärker zu werden und Prozessionen zu seinen Ehren zu organisieren, an denen beeindruckende Menschenmassen teilnehmen.
Denn der Coup von Trump ist eine wahre Provokation. Soleimani war eine hochgestellte Persönlichkeit des iranischen Regimes. Eben weil seine Ermordung einen offensichtlichen Kriegsakt darstellen würde, fühlte er sich in gewisser Weise unverwundbar und versuchte vor der US-Armee nicht sonderlich zu verheimlichen, wo er sich gerade aufhielt.
Dieser Kriegsakt treibt das iranische Regime noch weiter in die Ecke. Seit die USA entschieden haben, ihren wirtschaftlichen und politischen Druck auf den Iran zu erhöhen, ist das Land dabei zu ersticken. Die extrem harte Wirtschaftsblockade hat zum Zusammenbruch der Produktion geführt. Das Bruttoinlandsprodukt ist 2018 um 5% und 2019 sogar um 10% gesunken. Die Ölproduktion ist um die Hälfte zurückgegangen. Die Arbeitslosigkeit explodiert und liegt heute offiziell bei 17%. Die Preise sind im letzten Jahr um 35% gestiegen, nachdem sie bereits im Jahr zuvor um 30% gestiegen waren. Der Wirtschaftsrückgang ist so gewaltig, dass der iranische Staatshaushalt für das kommende Jahr so niedrig ist wie seit 30 Jahren - zu Zeiten des Irak-Iran-Krieges - nicht. Tatsächlich waren die Aufstände letzten November nur die logische Folge dieser katastrophalen Verschlechterungen der Lebensbedingungen der Bevölkerung.
Wie wird das iranische Regime auf diese amerikanische Provokation antworten, und was gedenkt die US-Regierung dann zu tun? Wenn es zu einer militärischen Eskalation kommen sollte, dann wird sie weltweite Auswirkungen haben. Auch die internationalen Finanzmärkte machen sich Sorgen. Eine erste Schockwelle an den Finanzmärkten hat die Börsenkurse an mehreren weltweiten Börsenplätzen abrutschen und die Ölpreise in die Höhe klettern lassen.
Die Situation ist im gesamten Mittleren Osten explosiv. Die Rivalitäten zwischen den verschiedenen Regionalmächten spitzen sich zu: zwischen dem Iran und Saudi-Arabien, zwischen der Türkei und Israel... All diese Staaten stehen Gewehr bei Fuß oder befinden sich bereits im Krieg, und sie alle greifen bereits direkt oder indirekt in Syrien und dem Irak ein. Saudi-Arabien führt Krieg im Jemen, die türkische Armee ist gerade in Nordsyrien einmarschiert und hat nun sogar begonnen, in Libyen einzugreifen. Es fehlt nicht viel, und ein umfassender Krieg entflammt in der gesamten Region.
Der Hauptverantwortliche, der eigentliche Brandstifter für diese Kriege sind die USA, deren Militärintervention gegen Saddam Hussein im Jahr 2003 den Mittleren Osten vollkommen destabilisiert hat und die diese strategische Region um jeden Preis unter ihrer Kontrolle haben wollen.
Die US-Führung hat außerdem nie die Idee aufgegeben, das seit 1979 bestehende iranische Regime zu stürzen. Dieses Regime kam an die Macht durch eine Revolution, die von der religiösen Partei Ayatollah Khomeinis erdrosselt wurde. Dessen Erben sind bis heute an der Macht. Von Anfang an wollte sich dieses Regime seine Unabhängigkeit vom US-Imperialismus und seine Handlungsfreiheit bewahren. Um deutlich zu machen, dass Trump das Regime für diese Vergangenheit bezahlen lassen will, hat er gerade erklärt, dass er 52 iranische Kulturstätten angreifen könne - als Erinnerung an die 52 Amerikaner der US-Botschaft in Teheran, die 1979 mehrere Monate lang als Geisel gefangen gehalten worden waren.
Ein weiterer Schritt auf dem Weg in Richtung Krieg wurde gegangen. Und selbst wenn weder die USA noch der Iran ein Interesse an einer militärischen Eskalation haben, sind alle Zutaten dafür vorhanden, dass sie weitergehen wird. Nicht nur der Mittlere Osten steht dabei am Rand des Abgrunds. Durch das Spiel der Rivalitäten und Bündnisse zwischen den Großmächten und ihren Verbündeten - und mehr noch, weil die kapitalistische Welt in einem tiefgreifenden Fäulnisprozess steckt und überall, im Westen wie im Osten, kriegerische Spannungen erzeugt - könnte die Ermordung von Ghassem Soleimani in Bagdad am 3. Januar schreckliche Folgen für die ganze Welt haben.
8. Januar 2020